Leitsatz:
1. Der Anspruch aus § 104 Abs 1 S 1 SGB 10 besteht grundsätzlich selbständig und unabhängig vom Anspruch des Berechtigten gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger.
2. Soweit es sich bei Anwendung von § 104 Abs 1 S 1 SGB 10 um einen "Anspruch" des Berechtigten auf Ermessensleistungen handelt, wird der Anspruch auf Erstattung nur durch evidente Umstände ausgeschlossen, die eine Ablehnung der Leistung durch den vorrangig Verpflichteten als ermessensfehlerfrei erscheinen lassen könnten.
3. Zur Begrenzung der Aufklärungspflicht des Gerichts durch die Darlegungslast der Beteiligten.
Orientierungssatz:
Gleichstellung mit rentenversicherungspflichtiger Beschäftigung oder Tätigkeit nach Nachversicherung - Pflicht- bzw Ermessensleistung:
1. Auch wenn der Versicherungsträger wegen des Ausstehens der Nachentrichtung (Nachversicherung) seinerzeit nicht anders entscheiden konnte, hindert das nicht eine spätere Entscheidung, die der Rückwirkung des § 1232 Abs 5a RVO Rechnung trägt.
2. Ein durchschlagender Grund für eine generelle Differenzierung zwischen Pflichtleistungen und Ermessensleistungen (hier: Heilverfahren) läßt sich nicht finden.
Sonstiger Orientierungssatz:
1. Zur Frage der Leistungspflicht der Rentenversicherung für Entwöhnungsbehandlungen - auch bei Nachversicherung.
2. Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind nach § 2 Abs 1 BSHG den Leistungen aus der Sozialhilfe grundsätzlich vorrangig. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß ein Entwöhnungs-Heilverfahren des Rentenversicherungsträgers nach § 1236 Abs 1 S 1 RVO keine Pflicht-, sondern eine Kannleistung ist, die im pflichtgemäßen Ermessen dieses Trägers steht.
3. Der Erstattungsanspruch des nachrangigen Leistungsträgers aus § 104 SGB 10 entsteht allein kraft dieser Vorschrift. Der Erstattungsanspruch ist mit dem Leistungsanspruch des Berechtigten nicht identisch.
4. Der eigenständige Erstattungsanspruch aus § 104 SGB 10 ist gleichwohl mit dem Anspruch des Berechtigten gegen den auf Erstattung in Anspruch genommenen vorrangigen Sozialleistungsträger eng verknüpft. Daraus resultiert als Voraussetzung des Erstattungsanspruchs, daß es notwendig ist, aber auch ausreicht, wenn in der Person des Berechtigten die wesentlichen und unverzichtbaren Grundvoraussetzungen des Anspruchs auf eine gleichartige und zeitgleiche Leistung gegen den erst verpflichteten Leistungsträger vorliegen.
Diese Entscheidung wird zitiert von:
BSG 1986-12-09 8 RK 12/85 Vergleiche
BSG 1987-12-09 8 RK 18/86 Vergleiche
BSG 1987-11-17 4a RJ 5/87 Vergleiche
BSG 1989-12-05 5 RJ 76/88 Anschluß
LSG Essen 1988-11-04 L 8 J 31/88 Vergleiche
BSG 1990-11-27 3 RK 30/89 Vergleiche
Rechtszug:
vorgehend SG Köln 1983-10-14 S 3 J 154/81
vorgehend LSG Essen 1984-02-10 L 3 J 241/83