Die Berufung des Klägers ist nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) statthaft (§ 143, § 144
SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151
SGG) erhoben.
Die Berufung ist nicht begründet, da das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der fraglichen Kosten.
Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Dolmetscherkosten ergibt sich nicht aus dem Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (
BGG).
§ 9 Abs. 1 BGG, der das Recht regelt, mit Trägern öffentlicher Gewalt in Gebärdensprache zu kommunizieren, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist, ist hier nicht einschlägig, da die Lehrpersonen der Universität dem Kläger nicht im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses als Träger öffentlicher Gewalt in einem Verwaltungsverfahren gegenübertreten und insoweit Waffengleichheit herzustellen wäre. In
§ 6 Abs. 3 BGG ist das Recht hörbehinderter Menschen verankert, Gebärdensprache zu verwenden, dies allerdings lediglich "nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze". Ein über die Regelungen im
SGB XII und
SGB IX hinausgehender Anspruch auf Übernahme von Dolmetscherkosten kann sich aus dieser Norm daher nicht ergeben.
§ 7 Abs. 2 BGG bestimmt, dass ein Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des
Abs. 1 (Dienststellen und Einrichtungen der Bundesverwaltung, Landesverwaltungen, einschließlich landesunmittelbarer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, soweit sie Bundesrecht ausführen) behinderte Menschen nicht benachteiligen darf. Abgesehen davon, dass hier die Universität H. nicht angesprochen sein dürfte, liegt eine Benachteiligung nur vor, "wenn behinderte und nicht behinderte Menschen ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und dadurch behinderte Menschen in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden". Die Nichtübernahme der Dolmetscherkosten für Lehrveranstaltungen wäre aber keine Benachteiligung im Sinne dieser Definition. Der Kläger wendet sich nicht dagegen, dass er anders behandelt wird als nicht behinderte Menschen; er möchte vielmehr gerade eine Andersbehandlung im Sinne einer besonderen Förderung durch die Kostenübernahme erreichen. Die Frage nach einem Anspruch auf Förderung fällt aber nicht in den Anwendungsbereich des Benachteiligungsverbots (Urteil des Senats vom 20.11.2014,
L 4 SO 15/13).
Auch aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (
AGG) ergibt sich kein Anspruch. Das
AGG verbietet Benachteiligungen, die an bestimmte personenbezogene Merkmale, u.a. eine Behinderung, anknüpfen. Der sachliche Anwendungsbereich ist in
§ 2 AGG geregelt, er umfasst insbesondere berufsbezogene Aspekte, daneben auch die soziale Sicherheit und Gesundheitsdienste, soziale Vergünstigungen, Bildung sowie den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum. In seinen speziellen Normen schützt das
AGG einerseits Beschäftigte (einschließlich Bewerber) gegenüber Diskriminierung durch (potentielle) Arbeitgeber, andererseits schützt es allgemein vor Diskriminierung im Zusammenhang mit bestimmten zivilrechtlichen Schuldverhältnissen. Ansprüche auf Leistungen der Sozialhilfe lassen sich aus dem
AGG nicht ableiten (Urteil des Senats vom 20.11.2014, a.a.O.).
Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich ferner nicht direkt aus dem VN-BRÜ. Das Vertragsgesetz zum VN-BRÜ vom 21. Dezember 2008 (BGBl. II
S. 1419, am 1.1.2009 in Kraft getreten) erteilt innerstaatlich den Befehl zur Anwendung des VN-BRÜ und setzt diese in nationales Recht um. Das VN-BRÜ ist für Deutschland am 26. März 2009 in Kraft getreten (
Art. 45 Abs. 2 VN-BRÜ i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Vertragsgesetz zum VN-BRÜ
i.V.m. der Bekanntmachung über das Inkrafttreten des VN-BRÜ vom 5.6.2009, BGBl. II 812). Als völkerrechtlicher Vertrag hat das VN-BRÜ den Rang eines Bundesgesetzes, es ist daher von den Gerichten im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden. Unmittelbar anwendbar ist eine völkervertragsrechtliche Bestimmung jedoch nur dann, wenn sie alle Eigenschaften besitzt, welche ein Gesetz nach innerstaatlichem Recht haben muss, um Einzelne berechtigen oder verpflichten zu können (
vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R
m.w.N.). Dafür muss ihre Auslegung ergeben, dass sie geeignet und hinreichend bestimmt ist, wie eine innerstaatliche Vorschrift rechtliche Wirkung zu entfalten, ohne dass es einer weiteren normativen Ausfüllung bedarf. Ist eine Regelung - objektiv-rechtlich - unmittelbar anwendbar, muss sie zusätzlich auch ein subjektives Recht des Einzelnen vermitteln.
Nach diesen Maßstäben lässt sich aus dem VN-BRÜ kein unmittelbarer Individualanspruch auf Übernahme der Kosten für den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers für einen konkreten Anlass entnehmen:
Art. 3 VN-BRÜ ist hierfür schon deshalb nicht geeignet, weil er seiner Überschrift entsprechend nur "allgemeine Grundsätze" enthält.
Art. 9 VN-BRÜ verpflichtet die Mitgliedstaaten in
Abs. 2 lit. e dazu, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um u.a. Gebärdensprachdolmetscher zur Verfügung zu stellen mit dem Ziel, den Zugang zu Einrichtungen, die der Öffentlichkeit offen stehen, zu erleichtern. Allerdings ist
Art. 9 VN-BRÜ nicht so hinreichend bestimmt, dass daraus ein Anspruch auf Stellung eines Gebärdensprachdolmetschers für einen bestimmte Anlässe hergeleitet werden könnte. Entsprechendes gilt für
Art. Art. 21 lit. e VN-BRÜ, wonach die Vertragsstaaten die Verwendung von Gebärdensprache "anerkennen und fördern".
Art. 21 lit. b VN-BRÜ hingegen betrifft nur die Verwendung von Gebärdensprache im Umgang mit Behörden. Auch
Art. 26 VN-BRÜ, der Maßnahmen verlangt, um "Menschen mit Behinderungen in die Lage zu versetzen, ein Höchstmaß an Unabhängigkeit, umfassende körperliche, geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten sowie die volle Einbeziehung in alle Aspekte des Lebens und die volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens zu erreichen und zu bewahren", ist nicht bestimmt genug, um daraus einen konkreten Anspruch abzuleiten (Urteil des Senats vom 20.11.2014, a.a.O.).
Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch auf Erstattung der fraglichen Kosten für Eingliederungshilfeleistungen in Höhe von 9.330,03
EUR nach dem 6. Kapitel
SGB XII in Verbindung mit Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IX).
Nach
§ 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 2
Abs. 1 Satz 1
SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Unstreitig gehört der Kläger zu dem von § 53
Abs. 1
SGB XII erfassten Personenkreis. Seine Gehörlosigkeit ist eine Behinderung im Sinne von § 2
Abs. 1 Satz 1
SGB IX. Aufgrund der Gehörlosigkeit ist der Kläger in seiner Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigt und infolgedessen in der Fähigkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft wesentlich eingeschränkt.
§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII verweist für die möglichen Leistungen der Eingliederungshilfe insbesondere auf die Leistungen nach
§§ 26,
33,
41 und
55 des SGB IX. Der Anspruch auf Übernahme der Dolmetscherkosten kann sich aus § 54
Abs. 1 Satz 1
SGB XII in Verbindung mit §§ 55,
57 SGB IX ergeben.
§ 55
SGB IX regelt Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Dabei handelt es sich um solche Leistungen, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des
SGB IX (Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen) nicht erbracht werden. Nach § 55
Abs. 2
Nr. 4
SGB IX gehören dazu insbesondere Hilfen zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt. Diese sind in § 57
SGB IX näher geregelt: Bedürfen hörbehinderte Menschen oder Menschen mit besonders starker Beeinträchtigung der Sprachfähigkeit auf Grund ihrer Behinderung zur Verständigung mit der Umwelt aus besonderem Anlass der Hilfe anderer, so sind ihnen die erforderlichen Hilfen zur Verfügung zu stellen oder angemessene Aufwendungen hierfür zu erstatten.
Dem danach wohl grundsätzlich bestehenden Anspruch des Klägers steht allerdings seine Vermögenssituation zum Wintersemester 2010/2011 entgegen.
Gemäß
§ 19 Abs. 3 SGB XII werden Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen nach dem 5. bis 9. Kapitel
SGB XII (nur) geleistet, soweit den Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des 11. Kapitels
SGB XII nicht zuzumuten ist. Näheres dazu bestimmt § 90
SGB XII. Nach § 90
Abs. 1
SGB II ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. § 90
Abs. 2
SGB XII bestimmt, vom Einsatz und von der Verwertung welcher Vermögensgegenstände die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden darf. Im Falle des Klägers kommt allein § 90
Abs. 2
Nr. 9
SGB XII in Betracht, der vom Einsatz kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte spricht. Danach standen dem Kläger im Wintersemester 2010/2011 Sozialhilfeleistungen nicht zu, da er seinen Bedarf damals, auch nach Abzug des nach dieser Gesetzesbestimmung maßgeblichen Freibetrages entsprechend § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90
Abs. 2
Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 11. Februar 1988 (Bundesgesetzblatt I Seite 150), zuletzt geändert am 27. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt I Seite 3022), ohne weiteres aus eigenem Vermögen in Höhe von mehr als 15.000
EUR bestreiten konnte.
Eine Einschränkung der Vermögensanrechnung ist nicht nach § 92
Abs. 2
SGB XII geboten, wonach behinderten Menschen in bestimmten Fällen die Aufbringung eigener Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten ist. Der Kläger gehört zwar zu dem in § 19
Abs. 3
SGB XII genannten Personenkreis, ein von § 92
Abs. 2 Satz 1
SGB XII erfasster Sachverhalt liegt in seinem Falle jedoch nicht vor.
Entgegen der Auffassung des Klägers steht auch § 90
Abs. 3 Satz 1
SGB XII dem Vermögenseinsatz nicht entgegen, weil dieser für den Kläger eine Härte bedeuten würde. Der Härtevorschrift kommt die Aufgabe zu, diejenigen Fälle zu erfassen, die wegen ihrer atypischen Ausgestaltung nicht bereits von den Regeltatbeständen des Schonvermögens erfasst werden, diesen aber in Bezug auf den Regelungszweck grundsätzlich gleichwertig sind. Bei der Bestimmung des Begriffs der Härte kommt es mithin darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschriften, also die Pflicht zum Vermögenseinsatz, zu einem den Leitvorstellungen des Gesetzes nicht entsprechenden Ergebnis führen würde (Mecke in: juris-PK
SGB XII, § 90 Rn. 92). Damit kommen für die Anwendung einer Härteregelung nur solche atypischen Fälle in Betracht, bei denen angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber, hätte er sie gekannt, eine entsprechende Regelung getroffen hätte. So liegt es hier jedoch gerade nicht, und zwar weder unter dem Aspekt der Höhe der Kosten noch mit Blick auf die Behinderung des Klägers. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Fall, dass behinderte Menschen sich in Ausbildung befinden und hierfür Kosten aufzuwenden haben, durchaus bedacht und nur in ganz bestimmten näher umschriebenen Fällen eine Einschränkung der Vermögensanrechnung bestimmt (
vgl. § 92
Abs. 2 Satz 1
Nr. 2,
Nr. 4 und
Nr. 8
SGB XII). Es erscheint daher ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber - auch mit Blick auf die das VN-BRÜ - den nicht seltenen Fall der universitären Ausbildung eines behinderten Menschen nicht im Blick gehabt haben könnte und diesen so hätte behandelt wissen wollen wie die Fälle des § 92
Abs. 2 Satz 1
SGB XII (
vgl. auch
BT-Drucks. 14/5074,
S. 96,
Nr. 12).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Die Revision war nach § 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.