II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Gemäß § 86 b
Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Antragsteller muss hierfür einen Anordnungsanspruch, d.h. den materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, und einen Anordnungsgrund, d.h. die besondere Dringlichkeit des Begehrens, die ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen lässt, glaubhaft machen, § 86 b
Abs. 2 Satz 2
SGG i.V.m. § 920
Abs. 2
ZPO. Dies bedeutet, dass die den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund begründenden Tatsachen so dazulegen sind, dass das Gericht von ihrer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgehen kann (
vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29.07.2003, 2 BvR 311/03).
Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht. Nach Überzeugung der Kammer hat der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch im Hauptsacheverfahren überwiegende Aussichten auf Erfolg, soweit es die Notwendigkeit des Einsatzes von Gebärdensprachdolmetschern und Mitschreibhilfen betrifft. Hinsichtlich der Kostenübernahme für Tutoren hat er keinen Erfolg und war daher abzulehnen.
Nach
§ 53 Abs 1 Satz 1 SGB Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (XII) erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von
§ 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern und ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen (§ 53
Abs. 3
SGB XII). Nach
§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den
§§ 26,
33,
41 und
55 SGB IX insbesondere Hilfen zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule. Gemäß § 13
Nr. 5 der aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 60
SGB XII erlassenen Eingliederungshilfe-Verordnung (Verordnung nach § 60
SGB XII - Eingliederungshilfe-Verordnung -) umfasst die Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf im Sinne des § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII auch die Hilfe zur Ausbildung an einer Hochschule oder einer Akademie. Diese Hilfe wird nach
§ 13 Abs. 2 Eingliederungshilfe-Verordnung gewährt, wenn zu erwarten ist, dass das Ziel der Ausbildung oder der Vorbereitungsmaßnahmen erreicht wird, der beabsichtigte Ausbildungsweg erforderlich ist und der Beruf oder die Tätigkeit voraussichtlich eine ausreichende Lebensgrundlage bieten oder, falls dies wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht möglich ist, zur Lebensgrundlage in angemessenem Umfang beitragen wird.
Diese Voraussetzungen sind bei summarischer Prüfung zur Überzeugung der Kammer zugunsten der Antragstellerin erfüllt.
Unstreitig gehört die Antragstellerin als gehörloser Mensch (
§ 1 Nr. 5 Eingliederungshilfe-Verordnung) zum Personenkreis der wesentlich behinderten Menschen im Sinne des § 53
Abs. 1 Satz 1
SGB XII, so dass der Anwendungsbereich der Vorschriften über die Eingliederungshilfe eröffnet ist.
Das Hochschulstudium eignet sich auch als Ausbildung für einen angemessenen Beruf im Sinne des § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII.
Welcher Beruf angemessen ist, konkretisiert das Gesetz nicht. Entscheidend sind die körperlichen und geistigen Fähigkeiten und die Leistungsfähigkeiten des Behinderten im Einzelfall (Meusinger in Fichtner/Wenzel,
SGB XII, 4. Aufl. 2009, § 54
Rdnr. 69). Dabei ist auf die gesamte Persönlichkeit des Hilfesuchenden und auf sein berechtigtes Interesse an einer befriedigenden beruflichen Tätigkeit abzustellen. Konsequenterweise stellt § 13
Abs. 2 Eingliederungshilfe-Verordnung daher zunächst darauf ab, dass zu erwarten ist, dass das Ziel der Ausbildung - hier der Abschluss des Hochschulstudiums - erreicht wird. Die Kammer geht davon aus, dass der bisherige Bildungsweg der Antragstellerin die Prognose eines erfolgreichen Bildungsabschluss erlaubt. Auch wenn der Abiturdurchschnitt von 2,9 nicht für jeden Studiengang eine im Sinne der Eingliederungshilfe-Verordnung günstige Prognose erwarten ließe, ist dies im Hinblick auf die Einzelnotenverteilung und das hier konkret gewählte Studienfach durchaus möglich, zumal zu berücksichtigen ist, dass die Antragstellerin für das konkrete Studienfach aufgrund ihrer Ausbildung als Mediengestalterin für Digital- und Printmedien - Mediendesign - über eine nicht unerhebliche Vorbildung verfügt.
Da die Antragstellerin auch in ihrem Ausbildungsberuf beschäftigt war und auch noch ist, ist auch nicht zu erkennen, dass sie behinderungsbedingt nicht in der Lage wäre, als Druck- oder Medientechnikerin zu arbeiten und so eine ausreichende Lebensgrundlage zu schaffen. Nach dem bisherigen Vortrag der Antragstellerin, dem der Antragsgegner übrigens nicht entgegengetreten ist, ist jedenfalls nach vorläufiger Würdigung des Sachverhalts davon auszugehen, dass der Studiengang Druck- und Medientechnologie generell geeignet ist, nach Abschluss einen Arbeitsplatz zu erhalten. Wie aus den vorliegenden Unterlagen der Arbeitsagenturen zu entnehmen ist, arbeiten Ingenieure der Druck- und Medientechnik vorwiegend in Betrieben der Informations- und Kommunikationswirtschaft,
z.B. in Verlagen und größeren Druckereien, bei Softwarefirmen, PR- und Werbeagenturen, Herstellern von Druckmaschinen oder auch in der Verpackungsmittelherstellung. Beschäftigungsmöglichkeiten finden sie zudem bei öffentlich-rechtlichen und privaten Fernseh- und Hörfunksendern sowie bei Film- und Fernsehproduktionsfirmen, im Fachhandel für das grafische Gewerbe und in der Anlageplanung im drucktechnischen Bereich. Insgesamt stellt dies ein großes und zudem relativ krisensicheres Arbeitsfeld dar.
Aber auch die weitere Voraussetzung des § 13
Abs. 2 Eingliederungshilfe-Verordnung, dass der beabsichtigte Ausbildungsweg erforderlich ist, ist nach Auffassung der Kammer erfüllt.
Dabei weist das Gericht darauf hin, dass diesem Merkmal eine andere Bedeutung zukommt, als es die Auslegung durch den Antragsgegner ergibt. Das Merkmal der Erforderlichkeit stellt allein darauf ab, dass der konkret beabsichtigte Ausbildungsweg zur Erreichung des beabsichtigten Bildungsabschlusses erforderlich ist. Damit soll vermieden werden, dass bei unterschiedlichem Bildungsweg für ein und dasselbe Bildungsziel der Bildungsweg gewählt wird, der kostenintensiver oder eben auf Kosten des Sozialhilfeträgers geht, wie es beispielsweise der Fall ist, wenn ein- und derselbe Beruf durch eine schulische oder eine betriebliche Ausbildung erlangt werden könnte, wenn sogar für Letztere ein anderer Träger (Bundesagentur für Arbeit) zuständig wäre. In einem derartigen Fall könnte die schulische Ausbildung u.U. nicht erforderlich im Sinne der Eingliederungshilfe sein. Die Erforderlichkeit ist daher immer zu messen an dem konkreten Ausbildungsweg zum konkreten Bildungsziel. An dieser Stelle ist jedoch nicht zu prüfen, ob überhaupt noch eine Ausbildung in Betracht kommt, weil beispielsweise aus Sicht des Eingliederungshilfeträgers bereits die Integration in den Arbeitsmarkt gelungen sein soll. Diese Argumentation mag zutreffen für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (
§ 5 Nr. 2 SGB IX), nicht aber für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Vor allem aber ist dies eine Frage der "Angemessenheit" des angestrebten Berufes und dort zu prüfen, nicht aber im Rahmen der Erforderlichkeit.
Bezogen auf den hier zu entscheidenden Fall ist das Hochschulstudium erforderlich für einen späteren Ingenieursberuf. Das Studium endet zunächst mit dem Grad des Bachelors, an den sich üblicherweise ein Master-Studiengang anschließt. Allerdings ist nach den vorliegenden Unterlagen der Universität zum konkreten Studiengang schon davon auszugehen, dass allein mit dem Bachelor bereits der Berufseinstieg möglich ist. Es ist der Kammer nicht bekannt, dass ein vergleichbarer Abschluss (sowohl nach Grad des Abschlusses als auch nach inhaltlichen Anforderungen) durch eine andere Ausbildung erlangt werden kann. Zwar hat der Antragsgegner behauptet, es wäre "in jedem Fall die Arbeitsverwaltung für die Förderung der beruflichen Weiterbildung" zuständig. Aus welchem Grunde das hier der Fall sein sollte, hat der Antragsgegner aber nicht dargelegt. Sollte der Antragsgegner damit meinen, dass der von der Antragstellerin begehrte universitäre Abschluss und der gesamte Studieninhalt durch eine andere Form der Ausbildung ebenso zu erlangen wäre, für die dann die Bundesagentur für Arbeit zuständig wäre, steht es dem Antragsgegner frei, dies dezidiert darzulegen und nachzuweisen.
Da die Voraussetzungen der Eingliederungshilfe-Verordnung für Eingliederungshilfe in der individuell erforderlichen Form erfüllt sind, könnte eine Versagung der Eingliederungshilfe nur in Betracht kommen, wenn der beabsichtigte Beruf, dem das Hochschulstudium dient, nicht angemessen im Sinne der §§ 53
Abs. 3, 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII wäre. Die Kammer ist allerdings der Auffassung, dass der angestrebte Beruf des Bachelors für Druck- und Medientechnologie angemessen im Sinne der Eingliederungshilfe ist.
Wie bereits dargelegt, konkretisiert das Gesetz nicht, welcher Beruf im Einzelfall angemessen ist. Entscheidend sind die die körperlichen und geistigen Fähigkeiten und die Leistungsfähigkeiten des Behinderten im Einzelfall (s.o.). Dabei ist auf die gesamte Persönlichkeit des Hilfesuchenden und auf sein berechtigtes Interesse an einer befriedigenden beruflichen Tätigkeit abzustellen. Denn im Mittelpunkt der Eingliederungshilfe steht, dem Behinderten ein selbstbestimmtes Leben und eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen und eine Benachteiligung gegenüber nichtbehinderten Menschen zu vermeiden (s. auch
§ 1 Satz 1 SGB IX).
Im
SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) gilt der Grundsatz, dass der Begriff Selbstbestimmung das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe dahingehend ergänzt, dass die Form, in der die Teilhabe gestaltet wird, möglichst weitgehend selbst bestimmt wird (Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX, 3. Aufl. 2010, § 1
Rdnr. 12 m.w.N). Dieser Grundsatz gilt auch im Bereich des
SGB XII. Lediglich unter den Voraussetzungen des § 53
Abs. 4
SGB XII kann sich Abweichendes ergeben. Danach gelten für die Leistungen zur Teilhabe die Vorschriften des Neunten Buches, soweit sich aus dem
SGB XII und den auf Grund des
SGB XII erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt. Eine Abweichung ist im
SGB XII aber nicht ersichtlich.
Bereits der oben dargelegte elementare Teilhabegrundsatz wird vom Antragsgegner verkannt, wenn er die Auffassung vertritt, dass Eingliederungshilfe nicht erforderlich sei, wenn eine Integration in den Arbeitsmarkt gelungen sei, weil der Behinderte bereits einen Beruf gefunden habe, in dem er seinen Lebensunterhalt verdienen könne. Denn gleichberechtigte Teilhabe kann nur bedeuten, dass der Behinderte die gleichen Chancen auf Bildung und Ausbildung wie der Nichtbehinderte hat. Die gängigen Bildungswege zur Erlangung eines Berufes müssen Behinderten wie Nichtbehinderten offen stehen. Wenn es zudem immer noch der Lebens- und Rechtswirklichkeit entspricht, dass für viele Berufe ein akademischer Abschluss zwingend ist oder gefordert wird, kann niemandem - weder dem Behinderten noch dem Nichtbehinderten verwehrt werden, sich eben jene erforderliche Qualifikation zu verschaffen, es sei denn es gelten objektive Zulassungsbeschränkungen (Numerus clausus etc), die aber den Anspruch von Behinderten und Nichtbehinderten gleichermaßen einschränken.
Für das Hochschulstudium muss dabei nicht nur die Möglichkeit bestehen, einen Studienplatz zu erlangen sondern auch die Chance, das Studium durchziehen zu können. Das hat die Antragstellerin nicht, wenn ihr der Gebärdensprachdolmetscher verwehrt wird. Wird Hilfe oder werden Hilfsmittel für die Dauer des Studiums allein aufgrund der Behinderung benötigt, müssen diese gewährt werden, solange es ausschließlich um Eingliederungshilfe und nicht um Bestreiten des Lebensunterhaltes geht (s. hierzu
LSG NRW, Beschl. v. 19.03.2007,
L 20 B 133/06 SO ER). Beschränkungen können sich nur noch aus dem Fehlen persönlicher Voraussetzungen ergeben, wie sie
bspw. in § 13
Abs. 2 Eingliederungshilfe-Verordnung definiert sind. Einem Behinderten dieses Interesse an dem Durchlaufen des Bildungsweges abzusprechen, indem Eingliederungshilfe versagt wird, weil mit der vorhandenen Ausbildung bereits der Lebensunterhalt bestritten werden könne, stellt eine Benachteiligung aufgrund der Behinderung dar. Insofern ist die Rechtsansicht des Antragsgegners diskriminierend und damit grundrechtswidrig.
Die Kammer hat im Falle der Antragstellerin keine Bedenken, den anvisierten Beruf des Ingenieurs in Druck- und Medientechnologie als angemessen anzusehen. Der Tätigkeitsbereich des Ingenieur in Druck- und Medientechnologie unterscheidet sich deutlich von dem Bereich, den die Antragstellerin in ihrem Ausbildungsberuf abdecken kann. Zudem geht die Kammer davon aus, dass der Antragstellerin nach erfolgreichem Studienabschluss andere Verdienstmöglichkeiten offenstehen als ihr das bislang möglich war.
Auch der Hinweis, dass die Antragstellerin bereits über eine Erstausbildung verfüge und das Studium deshalb nicht erforderlich sei, vermag nicht zu überzeugen. Sollte der Antragsgegner damit meinen, dass das Studium eine "Zweitausbildung" sei, so dass aus diesem Grunde Eingliederung nicht objektiv erforderlich sei, muss der Antragsgegner darauf hingewiesen werden, dass ein Hochschulstudium etwas grundsätzlich anderes als ein Ausbildungsberuf ist (s.o.); so dass es auf die Begrifflichkeit "Erst- und Zweitausbildung" nicht ankommt.
Das oben dargestellte Auslegungsergebnis zur "Angemessenheit" eines Berufes im Sinne des § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII unter Berücksichtigung des Teilhabebegriffes und des grundrechtlichen Diskriminierungsverbotes wird durch den von der Antragstellerin zitierten Artikel 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen, das zwischenzeitlich von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurde, vollumfänglich gestützt. Allerdings wird der Anspruch der Antragstellerin nicht erst durch die
UN-Konvention geschaffen sondern ergibt sich bereits aus klaren Regelungen des Zwölften und Neunten Sozialgesetzbuch.
Hinsichtlich des Einsatzes von Gebärdensprachdolmetscher und Mitschreibkräften ist auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Hierfür müssen schwere und unzumutbare Nachteile geltend gemacht werden, die durch ein bereits anhängiges Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen sind (
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.12.2006, Az.: L 20 B 291/06 AS ER). Dies ist im Hinblick auf das bereits laufende Semester unzweifelhaft der Fall. Zudem kann die Kammer im Hinblick auf eine Vielzahl älterer Verfahren und auf noch durchzuführende Ermittlungen (s.u.) nicht gewährleisten, dass das Hauptsacheverfahren unverzüglich abgeschlossen werden könnte. Im Übrigen erlaubt sich die Kammer den Hinweis, dass die Ausführungen des Antragsgegners zum Fehlen eines Anordnungsgrundes so dermaßen neben der Sache liegen, dass sich ein weiteres Eingehen hierauf erübrigt.
Eine tatsächliche Vorwegnahme der Hauptsache ist in der vorläufigen Regelung durch das Gericht grundsätzlich nicht zu sehen, da sich im Falle der Erfolglosigkeit des Hauptsacheverfahrens eine Rückzahlungspflicht der Antragstellerin ergäbe. Aber selbst wenn man in der vorläufigen Regelung eine Vorwegnahme der Hauptsache sähe, wäre diese wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (
vgl. Art. 19
Abs. 4
GG) gerechtfertigt. Danach ist von dem Grundsatz eine Abweichung geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung nicht mehr in der Lage wäre (BVerfGE 79, 69, 74;
LSG NRW, Beschl. v. 01.12.2005 - L 9 B 22/05 SO ER -, v. 02.05.2005 - L 19 B 7/05 SO ER -, v. 20.04.2005 - L 19 B 2/05 AS ER).
Hinsichtlich der Höhe und des Umfanges der zu gewährenden Hilfe hat das Gericht unter Berücksichtigung des Wesens einer einstweiligen Anordnung als vorläufiges Rechtsschutzverfahren eine Interessensabwägung zwischen den Belangen der Antragstellerin und denen des Antragsgegners vorgenommen. Danach war es geboten, der Antragstellerin im Hinblick auf das laufende Semester Gebärdensprachdolmetscher zuzuerkennen, denn andernfalls wäre zu befürchten, dass auch dieses Semester recht erfolglos verläuft. Auch wenn die Antragstellerin keine Studiengebühren zu zahlen hat, ist ihr im Hinblick auf den Umstand, dass sie den Lebensunterhalt selbst finanziert, ein weiteres Abwarten und ein weiteres verlorenes Semester finanziell nicht zuzumuten.
Die Interessenslage gebietet es aber nicht, eine Verpflichtung des Antragsgegners über das 1. Semester hinaus
bzw. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens auszusprechen. Die Bejahung der Anspruchsvoraussetzungen im Sinne des glaubhaft gemachten Anordnungsanspruches beruht sowohl hinsichtlich des erwartbaren positiven Studienabschlusses wie auch der angenommenen beruflichen Perspektive auf einer Prognose, der die zum gegenwärtigen Zeitpunkt bekannten Umstände zugrunde liegen. Dies rechtfertigt es nicht, eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Kostenübernahme in dem im Hauptantrag begehrten Umfang bis zum Abschluss des Studiums oder bis zur Hauptsacheentscheidung auszusprechen. Vielmehr ist es der Antragstellerseite zuzumuten wie aber auch zuzugestehen, die prognostizierten Erfolgsaussichten insbesondere bezüglich des Studiums im Laufe des Studienfortganges zu verifizieren und aktuelle Änderungen, beispielsweise auch bezüglich eines erhöhten Hilfebedarfes für die folgenden Semester gegenüber dem Antragsgegner und gegebenenfalls auch bei Gericht geltend zu machen. Der gebotene effektive Rechtsschutz ist durch die Verpflichtung des Antragsgegners im ausgesprochenen Umfang einstweilen gewahrt.
Im Umfang der Wochenstundenzahl hat sich die Kammer an die Angaben der Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 14.04.2010 gehalten.
Im Hauptsacheverfahren wird sicherlich noch zu prüfen sein, ob nicht andere - günstigere - Mittel, die eine Teilhabe eben so ermöglichen wie der Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers, in Betracht kommen. So wird zu prüfen sein, ob das Vorlesungen und sonstige Veranstaltungen nicht mittels Einsatzes einer Mikroport-Anlage bewältigt werden können. Dabei meint die Kammer entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine akustische Anlage sondern denkt vielmehr an Spracherkennungshard- und -software. Nach den Recherchen der Kammer scheint dies im Einzelfall durchaus in Betracht zu kommen. Die Kammer geht hierbei davon aus, dass das Integrationsamt des Antragsgegners diesbezüglich sicherlich über ausreichende Erfahrung verfügt.
Die Übernahme der Kosten für studentische Mitschreibkräfte ist ebenso erforderlich wie die Kostenübernahme für Gebärdensprachdolmetscher, da die Antragstellerin nicht gleichzeitig auf den Dolmetscher schauen und schreiben kann. Die Stundenzahl ist für die Kammer jedoch nicht absehbar, daher hat sie die Stunden nach Bedarf zuerkannt.
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, auch die Kosten für einen Tutor zu übernehmen, war dagegen abzulehnen. Hierzu hat das Gericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch gesehen. Dies liegt daran, dass der Vortrag der Antragstellerin hierzu unklar ist: Einerseits hat sie den Veranstaltungsplan des 2. Semesters (für das Sommersemester 2010) vorgelegt. Andererseits hat sie in den Schriftsätzen vom 06.04.2010 und 07.04.2010 vorgetragen, dass durch die fehlende Eingliederungshilfeleistungen Gebärdensprachdolmetscher und Mitschreibkraft Vorlesungen nicht besucht und an Prüfungen / Klausuren nicht teilgenommen worden sei. Demnach dürfte davon auszugehen sein, dass sämtliche Veranstaltungen des 1. Semesters wiederholt werden müssen. Dann aber kann die Notwendigkeit des Einsatzes eines Tutors derzeit nicht erkannt werden. Denn es ist hier nicht dargetan, dass und inwieweit behinderungsbedingte Nachteile bestehen, die nur durch den Einsatz eines Tutors auszugleichen wären. Gerade unter Berücksichtigung der beruflichen Vorbildung der Antragstellerin dürfte zu erwarten sein, dass der Stoff des ersten Semesters mittels Gebärdendolmetscher und Mitschreibhilfe zu bewältigen sein wird. Das Gericht hält jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Regelung hierfür nicht für erforderlich und verweist darauf, dass die erforderliche Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben kann. In diesem wird dann zu prüfen sein, ob behinderungsbedingt Lern- und Wissensdefizite bestehen, die den Einsatz eines Tutors benötigen. Sollten sich dagegen im laufenden Semester behinderungsbedingt Lern- und Wissensdefizite ergeben, die den Einsatz eines Tutors erfordern, kann die Antragstellerin den Anspruch und die Dringlichkeit jederzeit bei dem Antragsgegner geltend machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG und berücksichtigt, dass der Antrag der Antragstellerin ganz überwiegend Erfolg hatte.