II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist weitgehend begründet. Denn der Antragsgegner hat die Kosten für einen im Regel-Schulunterricht der hörbehinderten Antragstellerin an der privaten X-Schule übertragenden Gebärdensprachdolmetscher im Rahmen der Gewährleistung von Eingliederungsleistungen nach dem
SGB XII zu übernehmen.
Einen dahingehenden Anspruch hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht. Das Gericht hält insofern das auf Übernahme der vorgenannten Kosten gerichtete Begehren der Antragstellerin für offensichtlich begründet, so dass auch der erforderliche Anordnungsgrund glaubhaft ist. Soweit durch die sich aus dem Tenor ergebende Entscheidung eine "Vorwegnahme der Hauptsache" eintritt, ist dies im Hinblick auf die täglich anfallenden Kosten für die Tätigkeit des Gebärdendolmetschers aus dem übergeordneten Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne der in Artikel 19
Abs. 4 Grundgesetz (
GG) verankerten Garantie gerechtfertigt. Die Verpflichtung des Antragsgegners setzt allerdings erst mit dem Tag des Eingangs des Antrags der Antragstellerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei Gericht am 20. September 2010 ein, da es für Zeiten vor dem genannten Datum an einem Anordnungsgrund fehlt.
Nach § 86b
Abs. 2
S. 1 des Sozialgesetzbuches (
SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Nach
S. 2 der genannten Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, voraus, sowie einen Anordnungsgrund nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch stehen insoweit in Wechselbeziehung zueinander als die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der Hauptsache (dem Anordnungsanspruch) mit zunehmender Eilbedürftigkeit und Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) sinken und umgekehrt.
Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an der Anordnungsgrund. In der Regel ist daher dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dann stattzugeben.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 920
Abs. 2 der Zivilprozessordnung -
ZPO - in Verbindung mit § 86
Abs. 2
S. 4
SGG). Dabei sind soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (
vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05). Nach dieser Rechtsprechung müssen sich die Gerichte im Übrigen stets schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen.
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen ihren Schulunterricht begleitenden Gebärdendolmetscher/-in glaubhaft gemacht.
Nach
§ 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch einen Behinderung im Sinne von
§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in der Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
Die Antragstellerin gehört unstreitig zum berechtigen Personenkreis im Sinne des § 53
Abs. 1
SGB XII in Verbindung mit § 2
Abs. 1.
S. 1
SGB IX,
§§ 1,
2 der Verordnung nach § 60 SGB XII.
Hinsichtlich der den Schulunterricht der Antragstellerin begleitenden Gebärdendolmetscher/-in sind die Voraussetzungen des § 54
Abs. 1
Nr. 1
SGB XII, konkretisiert durch die auf der Grundlage der Ermächtigung in
§ 60 SGB XII ergangene Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglVO) erfüllt.
Leistungen der Eingliederungshilfe sind nach
§ 54 Abs 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII neben den Leistungen nach den
§§ 26,
33,
41 und
55 des SGB IX insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulausbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht, wobei die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben.
Unter einer angemessenen Schulbildung im Sinne der genannten Vorschrift ist dabei eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbaren Bildung zu verstehen (
vgl. Grube/Wahrendorf
SGB XII, Sozialhilfe, Kommentar, 2. Auflage 2008, § 54 Rn. 21). Die Maßnahmen, die zur Erreichung dieses Eingliederungszieles zu ergreifen sind, werden in § 12 EinglVO näher bestimmt.
Nach
§ 12 Nr. 1 EinglVO umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne der § 54
Abs. 1
S. 1
SGB XII auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zu Gunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Hinsichtlich dieser Voraussetzungen ist zunächst festzustellen, dass die 6-jährige Antragstellerin die X-Schule in X im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht besucht. Dabei spielt es weder eine Rolle, dass es sich bei der genannten Schule um deine Privatschule handelt, noch dass sich diese im Freistaat Bayern befindet. Denn nach dem Bescheid des Staatlichen Schulamtes für den Main-Kinzig-Kreis vom 8. Juni 2010 steht es der Antragstellerin frei, die genannte private und allgemeinbildende Schule zu besuchen. Es handelt sich bei der Entscheidung der genannten Schulbehörde zweifellos nicht um einen Zuweisungsbescheid - etwa für eine Förderschule. Denn das Staatliche Schulamt hat sogar ausdrücklich hervorgehoben, dass bei der Antragstellerin ein sonderpädagogischer Förderbedarf "gegenwärtig nicht festgestellt" worden ist. Vielmehr besteht nach dieser Entscheidung des Schulbehörde, die auf dem Ergebnis des hierzu eigens eingeholten sonderpädagogischen Gutachtens vom 26. November 2009 beruht, bei der Antragstellerin ein besonderer Förderbedarf im Bereich Hören.
Aus der Entscheidung der Schulbehörde folgt aber zum anderen, dass diese es den Erziehungsberechtigten der Antragstellerin überlassen hat, die schulrechtliche Möglichkeit der Beschulung an der X-Schule zu nutzen. Dieses schulrechtliche Wahl-
bzw. Bestimmungsrecht ist vom Antragsgegner als Träger der Sozialhilfe auch zu respektieren (
vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2007, Az.:
5 C 35/06 in JURIS Rn. 21). Daraus folgt, dass der Antragsgegner die Antragstellerin aus dem schulischen Aspekt nicht etwa auf den Besuch einer anderen Schule, und somit auch nicht auf den Besuch der J.-V.-Schule in F. als Förderschule verweisen kann.
Eine Verweisung der Antragstellerin auf den Besuch der genannten Förderschule steht dem Antragsgegner ferner weder unter Berücksichtigung der weiteren Voraussetzungen des § 54
Abs. 1
Nr. 1 in Verbindung mit § 12
Nr. 1 EinglVO zu noch im Hinblick auf den Status Quo der Hörbehinderung der Antragstellerin mit sog. Resthörigkeit.
Denn die Begleitung der Antragstellerin durch einen Gebärdensprachdolmetscher/-in im Schulunterricht, also die Bereitstellung von Hilfen für Unterstützter ("persönliche Assistenz"
vgl. Grube/Wahrendorf a.a.O. § 54 Rn. 22) i.w.
S. ist als sonstige Maßnahme zu Gunsten der körperlich behinderten Antragstellerin nach der vorgenannten Vorschrift sowohl erforderlich als auch geeignet, ihr den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen.
Zwar stellt sich gerade bei Maßnahmekosten, die durch eine persönliche Assistenz während des Schulbesuchs entstehen, die Frage des Verhältnisses des sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatzes zum Schulrecht. Besucht jedoch ein behindertes Kind - wie im vorliegenden Fall die Antragstellerin - eine Regelschule (s.o.) und ergibt sich ein spezieller Betreuungsbedarf, kann der Hilfesuchende nicht darauf verwiesen werden, er könne sich selbst durch einen Wechsel auf eine Sonderschule helfen, solange schulrechtlich eine solche Einweisung nicht besteht (
vgl. Grube/Wahrendorf a.a.O. § 54 RN.
m.w.N.). Der Hilfeträger ist folglich an die Entscheidung der Schulbehörde - und das ausgeübte Wahl-
bzw. Bestimmungsrecht der Eltern - gebunden, ein behindertes Kind in der Regelschule unterrichten zu lassen. Hält die Schulbehörde - wie im Falle der Antragstellerin - eine derartige Beschulung für möglich, ist ihrer Einschätzung auch die Überlegung vorangegangen, dass ein solcher Schulbesuch nur mit Hilfe von Unterstützung möglich ist (
vgl. Grube/Wahrendorf a.a.O.). Letzteres ergibt sich im vorliegenden Fall ausdrücklich aus dem Bescheid des Staatlichen Schulamtes vom 8. Juni 2010, in welchem der Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers zumindest insoweit angesprochen ist, als die Schulbehörde darauf hingewiesen hat, die dadurch entstehenden Kosten nicht zu übernehmen. Insoweit gilt aber ohnehin, dass nach den schulrechtlichen Vorschriften des Landes in der Regel kein Anspruch eines Schülers auf Übernahme bestimmter Personalkosten existiert (
vgl. Grube/ Wahrendorf a.a.O.).
Aus dem Vorstehenden folgt somit, dass der Antragsgegner die Antragstellerin nicht etwa auf den Besuch der J.-V.-Schule als Förderschule für Hörgeschädigte verweisen darf. Dies ist nach Auffassung der Kammer zudem auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Antragsgegner in der Begründung des Bescheides vom 17. August 2010 selbst eingeräumt hat, dass eine gebärdensprachliche Förderung an der vorgenannten Schule für Hörgeschädigte "nicht in allen Fächern möglich" sei, was letztlich bedeutet, dass die Antragstellerin beim Besuch dieser Schule von Teilen des Unterrichts ausgeschlossen wäre, da ihr der entsprechende Unterrichtsstoff in den Fächern ohne Gebärdensprachdolmetscher nicht übertragen werden könnte.
Hieran wird zudem deutlich, dass die Begleitung des Schulunterrichtes durch Gebärdensprachdolmetscher für die Antragstellerin zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 12 Nr 1 EinglVO erforderlich ist. Insbesondere ist dies geradezu die Konsequenz des vom Antragsgegner seither verfolgten und durch entsprechende Kostenübernahme (s.o.) intensiv geförderten Eingliederungskonzeptes. Denn schon seit Beginn der Frühförderung der Antragstellerin war deren Eingliederung gebärdensprachlich dominiert. Davon umfasst war sowohl der im Kindergarten "St. L." eingerichtete Integrationsplatz und die Beschäftigung eines Integrationshelfers, so dass die Antragstellerin schon seinerzeit in einer regulären Kindertagesstätte die Kommunikationsform der Gebärdensprache als einziges Kind praktizierte wie sie vom Antragsgegner unwidersprochen und daher glaubhaft vorgetragen hat. Darüber hinaus hat der Antragsgegner selbst hervorgehoben, über drei Jahre hinweg die Kosten für Gebärdensprachkurse auch für die gesamte Familie der Antragstellerin in einem Umfang getragen zu haben, der nach seinem Vortrag das übliche Maß sogar überschreitet. Diese Kosten für jene Gebärdensprachkurse hat der Antragsgegner immerhin in einem Umfang von insgesamt 240 Unterrichtsstunden übernommen.
Seit dem Beginn der Frühförderung der Antragstellerin war ihre Eingliederung somit vom Gebrauch der Gebärdensprache geprägt. Der Antragsgegner setzt sich deshalb in Widerspruch zu den von ihm selbst maßgeblich geschaffenen Tatsachen, wenn er nunmehr die Auffassung vertritt, im Rahmen des Schulbesuchs sei der Einsatz der Gebärdensprache nicht im Sinne des § 12
Nr. 1 EinglVO erforderlich
bzw. geeignet und die Nutzung dieser Kommunikationsform sei mit dem den Eingliederungsvorschriften immanenten Eingliederungsgedanken nicht in Einklang zu bringen. Dem steht - ausgehend von dem gegenwärtigen Status der Eingliederung der Antragstellerin - bereits die allgemeine Lebenserfahrung entgegen, wonach gerade die jahrelange Übung in einer Fertigkeit im Vorschulalter größeren Nutzen im Schulbesuch erwarten lässt als die - bezogen auf den Unterricht ohne ausreichende gebärdensprachliche Unterstützung - dann völlige Abkehr von dem erlernten Kommunikationsmodell ausgerechnet zu Beginn der Schulzeit als einer für die weitere Entwicklung eines Kindes wichtigen Lebensphase.
Die Entwicklung der Antragstellerin im Verlauf der bisherigen Eingliederungsmaßnahmen erfordert folglich den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers in den Unterrichtsstunden um ihr den Schulbesuch im Hinblick auf die Erlangung einer angemessenen Schulbildung zu ermöglichen.
Diesen Erfordernissen im Sinne der zitierten Eingliederungsvorschrift steht zur Überzeugung des Gerichts schon gar nicht entgegen, dass durch den Einsatz eines so genannten Cochlea Implantats die vom Antragsgegner mitbestimmte alleinige Ausrichtung der Antragstellerin auf den Gebrauch der Gebärdensprache möglicherweise rückgängig gemacht werden könnte. Abgesehen davon, dass der Antragsgegner der Antragstellerin im Hinblick auf die Ablehnung der Durchführung der hierzu erforderlichen medizinischen Eingriffs eine Art "Versäumnis" vorhält, welches er angesichts aber im Rahmen der Bewilligung der gebärdensprachlich ausgerichteten Eingliederungsleistungen jahrelang unbeanstandet gelassen hatte, ist eine Verpflichtung der Antragstellerin
bzw. ihrer Erziehungsberechtigten, dem Eingriff zuzustimmen, zur Überzeugung der Gerichts schon mit den Grundrechten unvereinbar. Denn sowohl das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2
Abs. 2
S. 1 Grundgesetz -
GG) als auch das natürliche Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihres Kindes (Artikel 6
Abs. 2
S. 1
GG) sind im Kernbereich tangiert, wenn eine bestimmte Willensbetätigung, die hier in der Verweigerung der Zustimmung zu einem medizinischen Eingriff besteht, erhebliche Rechtsnachteile zur Folge hätten. Darauf läuft jedoch die Argumentation des Antragsgegners hinaus, der den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers im Hinblick auf die Option zum Einsatz eines Cochlea Implantats und die damit verbundene Erwartung einer Sprachentwicklung deshalb als nicht erforderlich einstuft. Dabei erkennt er jedoch, dass ihm eine Bewertung des Entschlusses der Erziehungsberechtigten der Antragstellerin gegen den medizinischen Eingriff nicht zusteht. Einen Fall der Gefährdung des Kindeswohls, welcher allein das Eingreifen staatlicher Stellen in die Willensbildung der Erziehungsberechtigten rechtfertigen könnte, vermag das Gericht in der Ablehnung der Vornahme des genannten medizinischen Eingriffs nicht zu erkennen. Schon gar nicht findet das natürliche Recht der Erziehungsberechtigten der Antragstellerin auf deren Pflege und Erziehung aus dem Gesichtspunkt der Mehrkosten "seine Grenzen", wie der Antragsgegner meint. Es kann folglich dahinstehen, ob und welche Sachverständigen im Falle der Antragstellerin eine Indikation für ein Cochlea Implantat sehen und für die weitere Sprachentwicklung der Antragstellerin als erfolgversprechend einstufen. Denn der Antragsgegner kann der Antragstellerin und ihren Erziehungsberechtigten im Rahmen der Erbringung von Eingliederungsleistungen die bereits mehrfach bekundete Ablehnung des Eingriffs nicht entgegenhalten (s.o.).
Schließlich stellt der Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers/-in im Unterricht im Sinne des § 12
Nr. 1 EinglVO auch eine geeignete (sonstige) Eingliederungsmaßnahme dar, der Antragstellerin den Schulbesuch zu ermöglichen. Denn sie hat diese Kommunikationsform seit Beginn der Frühförderung im Juli 2007 sowohl bei der integrativen Betreuung im Kindergarten als auch im familiären Umfeld intensiv erlernt. Insofern ist davon auszugehen, dass sie mit dieser Befähigung in der Lage ist, den Lehrstoff aufzunehmen und dadurch eine angemessene Schulbildung zu erreichen. Diese Einschätzung wird zudem eindrucksvoll bestätigt durch den Bericht der Klassenlehrerin der Antragstellerin vom 5. Oktober 2010, auf den das Gericht deshalb an dieser Stelle Bezug nimmt.
Ein Anordnungsgrund hat die Antragstellerin zum einen deshalb glaubhaft gemacht, weil ihre Klage in der Hauptsache des Gerichts offensichtlich begründet ist (s.o.). Zum anderen sind die daher verminderten Anforderungen an diese Voraussetzung erfüllt. Denn im Hinblick auf die mit jedem Tag durch die Dolmetschertätigkeit anfallenden Kosten in Höhe von 480 Euro hat die Antragstellerin ein erhebliches und berechtigten Interesse an einer zeitnahen, wenn auch vorläufigen gerichtlichen Entscheidung.
Zwar besteht der Grundsatz, dass eine einstweilige Anordnung die endgültige Entscheidung (der Hauptsache) nicht vorwegnehmen darf (
vgl. Meyer-Ladewig,
SGG, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 86b Rn. 31). Es kann aber im Interesse der Effektivität des Rechtsschutzes und im Hinblick auf die Rechtsgarantie aus Artikel 19
Abs. 4
GG ausnahmsweise erforderlich sein, der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, wenn ansonsten Rechtsschutz nicht erreichbar ist und dies für den Antragsteller unzumutbar wäre (
vgl. Meyer-Ladewig a.a.O.).
Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend gegeben. Denn es ist der Antragstellerin im Hinblick auf die täglich entstehenden erheblichen Kosten nicht zumutbar, auf nicht absehbare Zeit in Ungewissheit darüber zu verbleiben, ob diese vom Antragsgegner zu übernehmen sind. Insoweit ist für die Antragsgegnerin Rechtsschutz auf andere Weise auch nicht erreichbar.
Zur Kostentragung war der Antragsgegner allerdings erst ab Eingang des Eilantrags der Antragstellerin bei Gericht am 20. September 2010 vorläufig zu verpflichten. Denn es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit bereitzustellen (
vgl. Hessisches Landessozialgericht Beschluss vom 9. Januar 2008, Az.: L 7 AS 362/07 ER
m.w.N. zu dieser Rechtsprechung). Eine Ausnahme von dieser Rechtsprechung ist bei einer Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn eine Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (Hessisches Landessozialgericht a.a.O.). Das Vorliegen der Voraussetzungen für einen solchen "Nachholbedarf" der Antragstellerin ist jedoch auch in Anbetracht des Jahreseinkommens ihrer Erziehungsberechtigten auf der Grundlage der vorliegenden Bescheinigung des Steuerberaters vom 13. September 2010 nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auch § 193
SGG. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass der Antrag der Antragstellerin weitgehend Erfolg hatte.