Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 23. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Davon ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über den Ersatz von Aufwendungen für einen Gebärdendolmetscher im Wege der Kostenerstattung sowie die künftige Übernahme der Leistungsgewährung durch die Beklagte.
Leistungsberechtigter ist der am 7. Februar 1991 geborene L., den das Versorgungsamt
bzw. nachfolgend das Amt für soziale Angelegenheit in Koblenz wegen Taubheit als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt hat.
Seit dem 1. August 2008 befindet sich Herr L. in der Ausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker. Am 8. Oktober 2009 beantragte er bei dem Integrationsamt des klagenden Landes eine "Arbeitsassistenz für die Berufsschulbegleitung". Mit Schreiben vom gleichen Tag leitete der Kläger den Antrag auf begleitende Hilfe im Arbeitsleben gemäß
§ 102 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB IX - unter Hinweis auf
SGB 9 § 14 und der Bitte um Entscheidung an die Beklagte weiter. Zur Begründung stellte er darauf ab, die beantragte "Arbeitsassistenz" diene der Berufsausbildung des Leistungsberechtigten, weshalb die Kostenträgerschaft der Beklagten als zuständiger Rehabilitationsträger gegeben sei.
In einem umfangreichen Schrift- und E-Mail-Verkehr mit dem Kläger brachte die Beklagte ihre Auffassung zum Ausdruck, dass die Herstellung der Rahmenbedingungen zur Sicherung des Berufsschulbesuches allein Sache des Schulträgers, jedenfalls aber nicht ihre Angelegenheit sei. Mit Schreiben vom 27. Januar 2010 mahnte der Kläger daraufhin unter Hinweis auf § 102
Abs. 6
SGB IX (vorläufige Leistungserbringung) eine Leistungsgewährung durch die Beklagte an und setzte ihr eine Frist bis zum 10. Februar 2010. Mit Schreiben vom gleichen Tag zeigte er die in Aussicht genommene vorläufige Leistungsgewährung außerdem auch gegenüber dem Beigeladenen zu 1. als Träger der Sozialhilfe und der Beigeladenen zu 2. als Schulträger an.
Mit Schreiben vom 1. Februar 2010 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten einer "Arbeitsassistenz" für den Besuch der Berufsschule unter Hinweis auf die vorangegangenen Ausführungen ab. Es bleibe dabei, dass der Schulträger entsprechende Vorkehrungen treffen müsse. Eine begleitende Hilfe für den praktischen Ausbildungsteil von Herrn L. wird demgegenüber von der Beklagten gefördert und steht zwischen den Beteiligten außer Streit.
Am 3. Februar 2010 erklärte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) unter Bezugnahme auf § 74
Abs. 3 des rheinland-pfälzischen Schulgesetzes - SchulG - für den Schulträger, dass dieser nicht zuständig sei.
Mit Bescheid vom 4. März 2010 gewährte der Kläger dem Leistungsberechtigten sodann für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis 30. September 2010 zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben für die Kosten einer notwendigen "Arbeitsassistenz" ein persönliches Budget in Höhe von monatlich 800,00 Euro. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass es sich um eine vorläufige Leistungserbringung handele. Mit Schreiben vom gleichen Tag informierte der Kläger die Beklagte, den Beigeladenen zu 1. und die ADD über die vorläufige Leistungsgewährung.
Nachdem der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 10. August 2010 erfolglos aufgefordert hatte, die vorläufig erbrachten Aufwendungen zu erstatten und ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt selbst in die Leistungsgewährung einzutreten, hat er am 26. Oktober 2010 unter Wiederholung seines Vorbringens aus der Vorkorrespondenz eine entsprechende Leistungsklage erhoben. Die Gesamthöhe des Erstattungsanspruches hat er für den Zeitraum vom 29. Oktober 2009 bis zum 2. September 2010 auf 7.572,50 Euro beziffert. Ergänzend hat er erklärt, dass eine weitere Bewilligung ab dem 1. Oktober 2010 erfolgen werde, sofern die vorläufige Leistungserbringung weiterhin erforderlich sei. Auch hierfür habe er gegenüber der Beklagten vorsorglich Erstattungsansprüche angemeldet.
Die Beklagte hat demgegenüber im Wesentlichen auf die Zuständigkeit des Schulträgers verwiesen. Ihr selbst sei es im Hinblick auf die bundesstaatliche Kompetenzordnung verwehrt, einen Gebärdendolmetscher oder einen Kommunikationshelfer für den Berufsschulunterricht zu bezahlen. Das Schulwesen sei ausschließlich Sache der Länder. Soweit eine Verwaltungskompetenz des Bundes, wie im Bereich der Schule, nicht bestehe, sei es dem Bund und den Körperschaften des Bundes untersagt, die Erfüllung der Aufgaben der Länder zu finanzieren. So sei der Leistungsempfänger nach dem Schulrecht des Landes Rheinland-Pfalz verpflichtet, die Berufsschule zu besuchen (§ 59
Abs. 1 Satz 2 SchulG). Unabhängig von der Möglichkeit, gesonderte Förderschulen einzurichten (§ 12 SchulG), sei es Aufgabe der Schule, im Falle einer Behinderung die Beschulung an einer Regelschule zu gewährleisten, wenn der Betroffene dort unterrichtet werde. Deshalb folge namentlich aus
§ 33 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX, demzufolge von ihr an sich Teilhabeleistungen für eine berufliche Ausbildung zu gewähren seien, keine andere Beurteilung. Darüber hinaus seien die Bestimmungen des Neunten Buches Sozialgesetzbuch für sie nur insoweit anwendbar, als sich durch das Dritte Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung) -
SGB III - nichts Abweichendes ergebe. Zur Förderung einer Berufsausbildung kämen zwar allgemeine Leistungen im Sinne des
§ 98 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in Betracht, die sich nach den Vorschriften der §§ 59 bis 75
SGB III richteten. Die Leistungen, um die es hier gehe, seien indes nicht in dem abschließenden Leistungskatalog enthalten. Auch unter die besonderen Leistungen im Sinne des § 98
Abs. 1
Nr. 2
i. V. m. § 102
ff. SGB III lasse sich die hier gewährte Leistung nicht fassen, da es vorliegend nicht um die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes gehe. Gegenstand des Leistungsbegehrens sei nämlich nicht der betriebliche Teil der Ausbildung, für den sie - die Beklagte - dem Leistungsempfänger Hilfe gewähre, sondern der schulische Ausbildungsabschnitt.
Mit Urteil vom 23. Februar 2011 hat das Verwaltungsgericht Koblenz der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die für den Zeitraum vom 29. Oktober 2009 bis 2. September 2010 vorläufig erbrachten Aufwendungen in Höhe von 7.572,50 Euro für die Gestellung eines Gebärdendolmetschers
bzw. Kommunikationshelfers hinsichtlich des Herrn L. zu erstatten und die Leistungsgewährung zugunsten des Leistungsberechtigten zukünftig selbst zu übernehmen. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 102
Abs. 6 Satz 4
SGB IX gegeben seien. Der Kläger habe eine vorläufige Leistung erbracht, für die ein anderer Träger, nämlich die Beklagte, zuständig sei. Denn diese sei Rehabilitationsträger für Leistungen der Arbeitsförderung, worunter gemäß § 33
Abs. 3
Nr. 4
SGB IX auch Maßnahmen im Bereich der Berufsschule fielen. Einschränkungen aus
§ 7 Satz 1 SGB IX lägen nicht vor. Die Ausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker stelle einen anerkannten Ausbildungsberuf nach der Handwerksordnung dar, der gemäß
§ 60 SGB III förderungsfähig sei. Die Regelungen der §§ 97
ff. SBG III stünden der Zuständigkeit gleichfalls nicht entgegen. So trage die Beklagte zu Recht vor, dass für die von ihr als Rehabilitationsträger zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe
§ 98 Abs. 1 SGB III maßgebend sei. Zu den darin aufgeführten allgemeinen Leistungen gehörten nach
§ 100 Nr. 3 SGB III auch solche zur Förderung der Berufsausbildung einschließlich der in der Berufsschule verbrachten Zeit. Dementsprechend könne sich die Beklagte hinsichtlich ihrer Zuständigkeit nicht darauf zurückziehen, sie sei insofern vorliegend durch §§ 97
ff. SGB III daran gehindert, als Rehabilitationsträger Leistungen für einen Gebärdendolmetscher zu erbringen. Schließlich vermöge die Beklagte nicht mit ihrem Einwand durchzudringen, die Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes, wonach Angelegenheiten der Schule Ländersache seien, lasse eine Erbringung von Leistungen durch sie - eine Anstalt des Bundes - nicht zu. Zwar fielen Schulen kompetenzrechtlich in den Aufgabenbereich der einzelnen Bundesländer und es sei darüber hinaus nicht von der Hand zu weisen, dass auch der Schulträger nach § 3
Abs. 5 SchulG einen Integrationsauftrag habe. Daraus sowie aus den weiteren Bestimmungen des rheinland-pfälzischen Schulgesetzes resultiere jedoch kein Anspruch eines Einzelnen auf Bereitstellung eines besonderen Unterstützungspersonals oder die Übernahme der hierzu erforderlichen Kosten.
Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung vertieft die Beklagte ihr bisheriges Vorbringen. Insbesondere vertritt sie die Ansicht, dass das Verwaltungsgericht aus dem Integrationsauftrag des Schulträgers nicht die gebotenen Schlussfolgerungen gezogen habe. Denn selbst wenn nach dem rheinland-pfälzischen Landesrecht ein Rechtsanspruch des Leistungsempfängers auf Zurverfügungstellung eines Gebärdendolmetschers ausscheiden sollte, führe dies noch nicht zu einer ihr obliegenden Verpflichtung als einer dem Rechtskreis des Bundes zuzuordnenden Anstalt. Gemessen an der bundesstaatlichen Kompetenzordnung hänge ihre Zuständigkeit nicht davon ab, ob ein Land seine Gesetzgebungsbefugnis überhaupt oder in einer bestimmten Weise ausübe. Im Übrigen habe sich der Kläger für eine gemeinsame Beschulung behinderter und nicht behinderter Schüler in den Fachklassen des Ausbildungsberufs Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker entschieden. Im Falle eines fehlenden Anspruchs des Leistungsberechtigen auf einen Gebärdendolmetscher würde das Land deshalb die personellen Bedingungen im Sinne des § 3
Abs. 5 SchulG, dass auch schwer hörbehinderte Schüler dem Unterricht folgen könnten, nicht herstellen. Dagegen sei es nicht Aufgabe des Beitragszahlers, die zu ihrer - der Beklagten - Finanzierung beitrügen, Versäumnisse eines Bundeslandes zu kompensieren. Inwieweit § 3
Abs. 5 SchulG mit dem verfassungsrechtlich vereinbarten Benachteiligungsverbot (
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG), dem Benachteiligungsverbot nach § 3
Abs. 1 des Landesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen sowie dem Anspruch auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung in einem integrierten Bildungssystem auf allen Ebenen gemäß
Art. 24 Abs. 1 der UN-Behindertenrechtskonvention im Einklang stehe, könne deshalb hier offen bleiben. Davon abgesehen werde daran festgehalten, dass
§ 33 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX keine eigenständige Anspruchsgrundlage darstelle und die Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch die Übernahme der Kosten für einen Gebärdendolmetscher im Hinblick auf den Besuch des Berufsschulunterrichts nicht vorsehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 23. Februar 2011 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts und ist insbesondere der Ansicht, dass § 33
Abs. 3
Nr. 4
SGB IX den schulischen Teil der Ausbildung in die Förderzuständigkeit des Rehabilitationsträgers mit einbeziehe.
Die Beigeladenen stellen keinen eigenen Antrag und treten den Darlegungen der Beklagten ebenfalls entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakten des Klägers (drei Hefte) Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101
Abs. 2
VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten sowohl ein Kostenerstattungsanspruch in der angegebenen Höhe als auch ein Anspruch auf künftige Übernahme der Aufwendungen für einen Gebärdendolmetscher
bzw. Kommunikationshelfer zugunsten des sich auch gegenwärtig noch in der Berufsausbildung befindenden Leistungsberechtigten zu.
Rechtsgrundlage für das Begehren ist
§ 102 Abs. 6 Satz 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB IX -, wonach das Integrationsamt einen Erstattungsanspruch hat, wenn von ihm eine Leistung erbracht wurde, für die ein anderer Träger zuständig ist. Dabei ist dieser Erstattungsanspruch nicht nur dann gegeben, wenn ausschließlich die Beklagte für die Leistungsgewährung zuständig war und der Kläger die Leistungen lediglich vorläufig erbracht hat. Vielmehr reicht es aus, wenn neben der Beklagten auch der Kläger im Rahmen der begleitenden Hilfe tätig geworden ist (
vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 -
5 C 24/89 -, juris zum
SchwbG). Insoweit ordnet das Gesetz einen Vorrang der Rehabilitationsleistung vor der begleitenden Hilfe mit der Folge an, dass dem nachrangig verpflichteten Integrationsamt ein Erstattungsanspruch gegen den Rehabilitationsträger zusteht.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger durch die Übernahme der Kosten eines Gebärdendolmetschers Leistungen erbracht (1.), für die jedenfalls vorrangig die Beklagte als Rehabilitationsträger zuständig gewesen ist (2.).
1. Dass der Kläger an den Leistungsberechtigten einen Betrag in Höhe von 7.572,50 Euro geleistet hat, steht zwischen den Beteiligten fest. Er hat diese Leistung gegenüber der Beklagten ausdrücklich als vorläufig gekennzeichnet, diese als die seiner Ansicht nach im Außenverhältnis Verpflichtete entsprechend informiert (
§ 14 SGB IX) und zur Leistungserbringung aufgefordert sowie anschließend an ihrer Stelle auch tatsächlich vorläufig gezahlt (§ 102
Abs. 6 Satz 3
SGB IX). Darauf, ob er damit zugleich einer eigenen Leistungsverpflichtung nachgekommen ist, weil die getätigten Aufwendungen eine begleitende Hilfe darstellen könnten, die bejahendenfalls regelmäßig die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz mitumfassen (§ 102
Abs. 4
SGB IX), kommt es unter Berücksichtigung der vorangegangenen Erwägungen nicht an. Auch kann offen bleiben, ob das Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit gemäß § 102
Abs. 6 Satz 1
i. V. m. § 14
SGB IX eingehalten worden ist. Denn die hier in Betracht kommenden Regelungen in Absatz 1 und 2 dieser Bestimmung beziehen sich allein auf das Außenverhältnis zwischen dem Leistungsberechtigten und der leistungsverpflichtenden Behörde (
BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 -
B 1 KR 34/06 R -, juris; siehe auch BT-Drucks. 14/5074,
S. 95) und treffen keine Aussage zum internen Ausgleichsverhältnis zwischen dem Integrationsamt und dem zuständigen Rehabilitationsträger.
2. Die Zuständigkeit der Beklagten als Rehabilitationsträger ist ebenfalls gegeben und folgt aus
§§ 6 Abs. 1 Nr. 2,
5 Nr. 2 SGB IX.
§ 6
SGB IX ist Ausdruck des gegliederten Systems der Rehabilitation. Seine Besonderheit besteht darin, dass Leistungen von mehreren Trägern nach den jeweils für sie geltenden Leistungsgesetzen erbracht werden. Die Leistungen zur Rehabilitation werden dabei im Wesentlichen demjenigen Träger zugeordnet, mit dessen Hauptaufgaben sie in einem engen Zusammenhang stehen. Jeder Träger hat danach die Möglichkeit, die von ihm zu tragenden Versorgungsrisiken mit geeigneten Leistungen abzuwenden (
vgl. Knittel,
SGB IX, Kommentar, § 6 Rn. 5). Vor diesem Hintergrund ist allein die Beklagte Trägerin der Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation im Rahmen der Arbeitsförderung, wovon sämtliche Beteiligte dem Grunde nach übereinstimmend ausgehen.
Als solche ist die Beklagte aber nach
§ 33 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX i. V. m.
§§ 3 Abs. 1 Nr. 7,
98 Abs. 1 Nr. 2,
99,
102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2,
103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und
109 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III - nicht nur verpflichtet, die im praktischen Teil der Berufsausbildung des Leistungsempfängers anfallenden Kosten eines Gebärdendolmetschers zu tragen, sondern daneben eine entsprechende Leistung zugleich für den Bereich der Berufsschule zu erbringen. Denn gemäß § 33
Abs. 3
Nr. 4
SGB IX umfassen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben insbesondere die berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden. Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass Förderungsmaßnahmen, die bei einem parallelen Besuch eines Ausbildungsbetriebes und der Berufsschule anfallen, unter den dort genannten Voraussetzungen in die Zuständigkeit der Beklagten fallen. So verhält es sich auch im hier vorliegenden Fall einer sogenannten dualen Berufsausbildung, auf den die Bestimmung zugeschnitten ist, da der Zeitraum, den der Leistungsempfänger in der Berufsschule verbringt, deutlich geringer ist als seine betriebliche Ausbildung (
vgl. hierzu § 11 SchulG
i. V. m. § 7
Abs. 1 Berufsschulverordnung, demzufolge der Unterricht an einzelnen Wochentagen oder als Blockunterricht stattfindet).
§ 33
Abs. 8 Satz 1
Nr. 3
SGB IX, der bestimmt, dass Leistungen nach
Abs. 3 Nrn. 1 und 6 dieser Vorschrift die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes mitumfassen, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Hieraus lässt sich nämlich kein Umkehrschluss dahingehend ziehen, dass nur in den Fällen der dort ausdrücklich aufgeführten Nummern des § 33
Abs. 8 Satz 1
SGB IX der Einsatz von Kommunikationshelfern förderungsfähig ist. Denn mit dieser Formulierung sollte allein der Umfang für Teilhabeleistungen im Rahmen der beiden Nummern 1 und 6 positiv konkretisiert, nicht aber die finanzielle Unterstützung vergleichbarer Maßnahmen in den sonstigen Fallkonstellationen des § 33
Abs. 3
SGB IX ausgeschlossen werden. Dafür spricht zum einen der Wortlaut des § 33
Abs. 8 Satz 1
Nr. 3
SGB IX, der sich, wie schon die Verwendung des Begriffs "Arbeit" nahelegt, nicht auf solche Integrationshelfer bezieht, die allein für den schulischen Teil benötigt werden. Zum anderen ergibt sich aus der in § 33
Abs. 1
SGB IX grundlegend umschriebenen Zielsetzung, zur Teilhabe am Arbeitsleben alle erforderlichen Leistungen zu erbringen, um die Erwerbsfähigkeit behinderter Menschen gemäß ihrer Leistungsfähigkeit erst herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern, dass die Kosten für derartige Hilfen auch für alle Abschnitte einer Berufsausbildung vom Rehabilitationsträger zu tragen sind. Anderenfalls käme man zu dem nicht gewollten Ergebnis, dass zwar Assistenzkräfte für Schwerbehinderte als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes im Sinne der
Nr. 1, nicht aber im Anwendungsbereich der hier einschlägigen
Nr. 4 des § 33
Abs. 3
SGB IX zu bezahlen wären, obwohl in beiden Konstellationen gleichermaßen ein Förderungsbedarf vorhanden ist. Daher gehen auch die Gesetzesmaterialien davon aus, dass bei besonders betroffenen Schwerbehinderten das Ziel der dauerhaften Teilhabe am Arbeitsplatz nur erreichbar ist, wenn namentlich "ausbildungsbegleitende" persönliche Hilfen zur Verfügung stehen (
vgl. BT-Drucks. 14/5074,
S. 108), wobei zugleich nicht zwischen dem schulischen und dem betrieblichen Teil der Berufsausbildung unterschieden wird.
Die Leistungsverpflichtung der Beklagten wird ferner nicht durch
§ 7 SGB IX eingeschränkt. In Satz 1 dieser Norm wird festgelegt, dass die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch unmittelbar anzuwendendes Recht sind, soweit nicht ausnahmsweise die für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetze abweichende Vorschriften enthalten. Hingegen richten sich nach Satz 2 der Bestimmung die Zuständigkeit und die Voraussetzungen der Leistungen nach den besonderen Regelungen für die einzelnen Rehabilitationsträger. Die insoweit geltenden Vorgaben für die Förderung der Berufsausbildung behinderter Menschen sind ergänzend den §§ 59
ff. und 97
ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB III - zu entnehmen.
Eine Berufsausbildung ist danach gemäß § 60
Abs. 1
SGB III zwar nur förderungsfähig, wenn es sich unter anderem um einen anerkannten Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz oder der Handwerksordnung handelt, der betrieblich oder außerbetrieblich durchgeführt wird, und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist. Diese Voraussetzungen sind im Falle einer Berufsausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker, einem anerkannten Ausbildungsberuf nach der Handwerksordnung (
vgl. Nr. 15 der Anlage A), zu der als untrennbarer Bestandteil auch der Besuch einer Berufsschule gehört, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, erfüllt.
Die für die Beklagte geltenden Regelungen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben gemäß §§ 97
ff. SGB III führen ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung, sondern verweisen vielmehr ihrerseits auf den Leistungskatalog des § 33
SGB IX.
So heißt es zunächst in
§ 3 Abs. 1 Nr. 7 SGB III, dass Arbeitnehmer im Sinne dieser Bestimmung, wozu in arbeitsförderungsrechtlicher Hinsicht auch Personen zählen, die erst beabsichtigen, eine Beschäftigung aufzunehmen (
vgl. BT-Drucks. 13/4941,
S. 19), als behinderte Menschen zusätzlich besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und darüber hinaus ergänzende Leistungen nach diesem und dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch erhalten. Über
§§ 97,
98 Abs. 1 Nr. 2,
99,
102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2,
103 Satz 1 Nr. 3 SGB IX wird in
§ 109 Abs. 1 Satz 1 SGB IX der Bezug zu
§ 33 SGB IX sodann unmittelbar hergestellt. Demzufolge bestimmen sich die Teilnahmekosten nach dieser ausdrücklich genannten Vorschrift. Die Beklagte, die Aufwendungen für einen Gebärdendolmetscher zu Unrecht lediglich als allgemeine Leistungen im Sinne des
§ 98 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ansieht, kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, für die Übernahme der in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten sei im Dritten Buch Sozialgesetzbuch keine Rechtsgrundlage vorhanden.
Schließlich vermag die Beklagte nicht mit ihrem Einwand durchzudringen, die bundesstaatliche Kompetenzordnung, derzufolge Schulangelegenheiten in die Zuständigkeit der Bundesländer fallen, lasse eine Erbringung von Leistungen durch sie - eine Anstalt des Bundes - nicht zu.
Insoweit folgt der Senat den erstinstanzlichen Feststellungen, dass allein die Gesetzgebungskompetenz der Länder im Schulbereich (
vgl. Art. 70
Abs. 1
GG) und damit auch für die Schulform "Berufsschule" sowie der in § 3
Abs. 5 Satz 1 SchulG ausgesprochene Integrationsauftrag der Schulen, wonach behinderte Schüler das schulische Bildungs- und Erziehungsangebot grundsätzlich selbständig, barrierefrei im Sinne des § 2
Abs. 3 des Landesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und gemeinsam mit nicht behinderten Schülern nutzen können, wenn hierfür unter anderem die personellen Bedingungen geschaffen werden können, nicht ausreicht, um eine Pflicht des Landes
bzw. des Schulträgers zur Tragung der Kosten für einen Gebärdendolmetscher zu begründen. Denn hieraus resultiert lediglich ein Anspruch auf Teilhabe an den vorhandenen Bildungseinrichtungen im Rahmen des Gleichbehandlungsgebots, wozu die Bereitstellung einer Kommunikationsassistenz für einen einzelnen Schüler, um ihm die Teilnahme am allgemein angebotenen Unterricht erst zu ermöglichen, nicht gehört (
vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Juli 2004 -
12 A 10701/04.OVG -, juris zur vergleichbaren Vorschrift des § 1b
Abs. 5 SchulG
a. F.). Auch § 74 SchulG, der bestimmt, dass das Land die Kosten für die Lehrkräfte und das pädagogische
bzw. technische Fachpersonal trägt, vermittelt einem Schüler keinen subjektivrechtlichen Anspruch auf Bereitstellung einer bestimmten Fachkraft (
vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O., zu § 61
Abs. 1 SchulG
a. F.). Darauf, ob es sich bei einem Gebärdendolmetscher überhaupt um eine pädagogische Fachkraft im Sinne der vorstehenden Vorschrift handelt, kommt es deshalb nicht an. Auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Kompetenzabgrenzung zwischen dem Bund und den Ländern wird im Übrigen Bezug genommen (§ 130b Satz 2
VwGO).
Lediglich zusammenfassend weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte nach den auf der Grundlage der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die öffentliche Fürsorge und das Arbeitsrecht (
Art. 74
Abs. 1 Nrn. 7 und 12
GG) ergangenen Bestimmungen des Dritten und Neunten Buches Sozialgesetzbuch mit der Finanzierung eines Gebärdendolmetschers für den Berufsschulbesuch eine eigene Aufgabe nach Bundesrecht wahrnimmt. Ein Verstoß des Klägers gegen das Benachteiligungsverbot aus
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG, aus § 3
Abs. 1 des Landesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen sowie ein Anspruch auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung nach
Art. 24
Abs. 1 der
UN-Behindertenkonvention, wie die Beklagte meint, sind nicht gegeben.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 154
Abs. 2
VwGO zurückzuweisen. Für den Senat bestand keine Veranlassung, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen einem anderen Verfahrensbeteiligten oder der Staatskasse aufzuerlegen, da die Beigeladenen keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt haben (
vgl. §§ 162
Abs. 3, 154
Abs. 3
VwGO).
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten findet seine Rechtsgrundlage in §§ 167
VwGO i. V. m. 708
Nr. 10
ZPO.
Die Revision wird gemäß § 132
Abs. 2
Nr. 1
VwGO zugelassen, da der Frage, welcher Rechtsträger Aufwendungen eines Gebärdendolmetschers, die ein Leistungsempfänger für den Besuch der Berufsschule beanspruchen kann, im Wege der Kostenerstattung zu tragen hat, grundsätzliche Bedeutung zukommt.