II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG), in der Sache jedoch unbegründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Bezug auf das von der ASt geltend gemachte Begehren zur Regelung eines vorläufigen Zustandes stellt vorliegend § 86b Absatz 2 Satz 2
SGG dar, denn die ASt begehrt die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Insoweit ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn der ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so
BVerfG vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69 (74); vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166 (179) und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel/ Herold- Thews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. Rn. 652)
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den die ASt ihr Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat die Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4
SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung -
ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10.Aufl, § 86b Rn.41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom
BVerfG vorgegebenen Umfang (
BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist
bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist
ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (
vgl. BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt
BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06 -).
Unter Beachtung dieser rechtlichen Maßstäbe hat das SG die Ag zu Recht verpflichtet, die Dolmetscherkosten für den Berufsschulbesuch der ASt vorläufig zu übernehmen. Die materielle Berechtigung des Anspruches, der ASt die Kommunikation an dem für sie verpflichtenden Berufsschulunterricht zu ermöglichen, wird auch von der Ag dem Grunde nach nicht in Abrede gestellt.
Das SG hat in diesem Zusammenhang zwar zutreffend darauf abgestellt, dass die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens als offen anzusehen sind, denn im Hinblick auf die bislang ergangene Rechtsprechung (
vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.10.2011 -
7 A 10405/11 - ZFSH/SGB 2012, 284ff;
LSG Hamburg - Urteil vom 15.02.2012 -
L 2 AL 6/10 - Behindertenrecht 2012, 207ff) kann in Auslegung der maßgebliche Rechtsgrundlage für die Leistungsgewährung -
§ 33 Abs 3 Nr. 4 SGB IX - eine Verpflichtung der Ag, sie habe als Rehabilitationsträger auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Zusammenhang mit dem Besuch einer Berufsschule zu erbringen (vorliegend die Kosten für den Gebärdendolmetscher der gehörlosen ASt) nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach dem bayerischen Schulrecht die Möglichkeit besteht, sonderpädagogischen Förderbedarf (iSd Art 21
iVm Art. 41 Abs 3 und 4 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen - BayEUG) eines Berufsschulpflichtigen (iSd Art 41 Abs 10
iVm Art 39 Abs 2 und 3 BayEUG) geltend zu machen, der durch den Schulaufwandsträger zu decken ist. Zum einen ist den Vorschriften des bayerischen Schulrechts keine Regelung zu entnehmen, die der ASt ein subjektiv-öffentliches Recht, mithin einen einklagbaren Anspruch einräumen würde, eine Leistung oder gar eine bestimmte Leistung zu erhalten. Zum anderen stünde auch eine tatsächliche (Teil-)Bedarfsdeckung durch den Schulaufwandsträger Leistungen der Ag nicht grundsätzlich entgegen, denn gemäß
§ 22 Abs 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) dürfen allgemeine und besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur dann nicht erbracht werden, wenn nicht ein anderer Rehabilitationsträger im Sinne des
SGB IX zuständig ist. Hierunter fällt jedoch nicht der Schulaufwandsträger.
Darüber hinaus wird im Rahmen der Hauptsache jedoch unabhängig von der materiellen Rechtslage auch zu prüfen sein, ob die Ag nicht bereits gemäß
§ 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX für den gesamten Rehabilitationsbedarf der ASt originär zuständig geworden ist, weil sie den Antrag der ASt vom 13.07.2012 nicht
bzw. nicht rechtzeitig an den nach ihrer Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger (iSd
§ 6 Abs 1 SGB IX) oder das Integrationsamt (gemäß
§ 102 Abs 6 SGB IX) weitergeleitet hat. Nach Lage der Akten ist bislang nur belegt, dass sich die ASt selbst an das Integrationsamt gewandt hat, wobei nicht auszuschließen ist, dass der Ag der Nachweis einer rechtzeitigen Weiterleitung noch gelingen kann. Im Ergebnis ist daher, insbesondere im Hinblick auf die Regelung des § 14
SGB IX eine Verpflichtung der Ag, den Rehabilitationsbedarf der ASt vollständig decken zu müssen, sehr wahrscheinlich, aber derzeit nicht sicher zu belegen.
Die Verweigerung der Teilhabeleistungen löst soweit ersichtlich, bei der ASt zwar keine existenzielle Notlage aus, im Hinblick auf die hohen Erfolgsaussichten sind an den Anordnungsgrund jedoch weniger strenge Maßstäbe anzulegen, wobei die ASt die Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht hat. Im Hinblick auf das Alter der minderjährigen ASt, die Ausbildungsdauer von drei Jahren und der Notwendigkeit, die Ausbildungsstelle kurzfristig antreten zu müssen, erscheint es angesichts der hinreichend gesicherten Erkenntnisse zum Rehabilitationsbedarf unverhältnismäßig und für die ASt vorliegend nicht zumutbar, sie auf das Ergebnis eines gegebenenfalls mehrjährigen Rechtsstreites zu verweisen, der es ihr erst ermöglichen würde, lange nach dem Erreichen der Volljährigkeit eine Ausbildungsstelle anzutreten. Darüber hinaus hat die ASt durch die Vorlage einer Schulträgerbescheinigung auch glaubhaft gemacht, dass der sonderpädagogische Förderbedarf durch den Schulaufwandsträger in der von ihr besuchten Berufsschule derzeit nicht gedeckt werden kann, so dass eine vorläufige Regelung der Kostenübernahme geboten ist.
Zuletzt führt auch eine abschließende Interessenabwägung zu keinem anderen Ergebnis, denn ausschlaggebend ist diesem Zusammenhang, dass die Ag im Falle ihrer materiellen Unzuständigkeit einen Erstattungsanspruch gegenüber dem zuständigen Rehabilitationsträger geltend machen kann, wohingegen es keine Anhaltspunkte dafür gibt, die ASt könnte aus eigenen Mitteln die notwendigen Dolmetscherkosten vorleisten.
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193
SGG und folgt aus dem Unterliegen der Ag.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177
SGG).