Der Antrag wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung des Antragsgegners streitig, die Kosten für die Tätigkeit eines Gebärdensprachdolmetschers während des Grundschulunterrichts der Antragstellerin aus Mitteln der Eingliederungshilfe zu übernehmen.
Die ... geborene Antragstellerin, die - wie ihre Eltern - an einer hochgradigen, an Taubheit grenzenden Innenohrschwerhörigkeit leidet und mit zwei Hörgeräten versorgt ist, beantragte - vertreten durch ihre Eltern - beim beklagten Sozialhilfeträger bereits unter dem ... die Kostenübernahme für einen Gebärdensprachdolmetscher zur Beschulung im gemeinsamen Unterricht in der Regelschule ab dem Schuljahr 2012/2013 (Inklusion). Im vom Antragsgegner daraufhin beigezogenen Pädagogischen Bericht vom ... empfahl die ...-Schule ..., Pädagogisch-Audiologische Beratungsstelle, die Antragstellerin, der ein IQ für ganzheitliches Denken von 93 und für intellektuelle Fähigkeiten von 115 (sprachfreie Messung) attestiert wurde, auf ihrer Schule für Hörgeschädigte unter Einsatz von Gebärdensprachassistenz zu beschulen. Die Antragstellerin sei schulfähig, bedürfe aber der Gebärdensprachassistenz. Mit Stellungnahme vom ... äußerte sich sodann der Medizinisch-Pädagogische Dienst des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (
KVJS) ablehnend zur Übernahme von Kosten für einen Gebärdensprachdolmetscher für einen inklusiven Schulbesuch der Antragstellerin. Angemessen sei der Besuch der Schule für Hörgeschädigte.
Mit Bescheid vom ... stellte das Staatliche Schulamt ... einen Anspruch der Antragstellerin auf eines sonderpädagogischen Bildungsangebot im Sinne der ...-Schule für Hörgeschädigte befristet auf das Schuljahr 2012/2013 fest, der durch Inklusion am Lernort ... Grundschule in ... eingelöst werden dürfe. Durchgängige Gebärdensprachassistenz sei Voraussetzung für die Beschulung an der Grundschule. Die Kostenübernahme dafür habe der Antragsgegner zugesagt.
Bereits zuvor - unter dem ... - hatten die Eltern der Antragstellerin beim Antragsgegner abermals an die ausstehende Entscheidung über den Antrag betr. der Kosten für den Gebärdensprachdolmetscher erinnert. Mit Bescheid vom ... gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin für das erste Schulhalbjahr 2012/2013 den Einsatz von Gebärdensprach-Dolmetschung und Gebärdensprachassistenz zur inklusiven Beschulung an einer Regelschule an allen Schultagen für die gesamte tägliche Unterrichtsdauer im Verhältnis von drei zu zwei (drei Schultage: Gebärdensprachdolmetscher, zwei Schultage: Gebärdensprachassistenz).
Den dagegen gerichteten Widerspruch vom ... begründete die Antragstellerin unter Hinweis darauf, sie habe Anspruch auf die Kostenübernahme für geprüfte Gebärdensprachdolmetscher während der gesamten Unterrichtszeit. Die eingesetzten Assistenten seien nicht hinreichend qualifiziert.
Seit ... besuchte die Antragstellerin die erste Klasse der ... Grundschule ...im jahrgangsgemischten Montessorizug (8 Erstklässler und 5 Zweitklässler) der Einrichtung. Während der Unterrichts standen ihr zunächst entweder der Gebärdensprachdolmetscher oder ein Gebärdensprachassistent zur Seite. Mittwochs betreute die Sonderschulpädagogin M. die Antragstellerin für zwei bis drei Schulstunden.
Anfang ... kündigte die Gebärdensprachdolmetscherin, die die Antragstellerin bis dahin betreut hatte. Folgend führte die Klassenlehrerin der Antragstellerin im Pädagogischen Bericht vom ... aus, die Antragstellerin sei auf die Unterrichtsbegleitung durch einen Dolmetscher/Assistenten angewiesen. In den vergangenen Wochen sei sie nach dem Wegfall der Dolmetscherin hauptsächlich vom Assistenten T. betreut worden. Als Klassenlehrerin könne sie derzeit keine Unterschiede zwischen Dolmetscher und Assistenten im Hinblick auf das Lern- und Arbeitsverhalten der Antragstellerin feststellen. Im Anschluss daran fand am ... ein "Rundgespräch" in der ...-Grundschule statt, an dem die Mutter der Antragstellerin, deren Prozessbevollmächtigter, die Klassenlehrerin und die Sonderpädagogin der Antragstellerin, die Schulleiterin, deren Vertreter, zwei Vertreter der Schulamts, die Gebärdensprachdolmetscherin H. und der Gebärdensprachassistent T. sowie eine Vertreterin des Antragsgegners teilnahmen. Nach dem Inhalt des Aktenvermerks des Antragsgegners über den Gesprächsverlauf vertraten die Klassenlehrerin der Antragstellerin ebenso wie ihre Sonderschulpädagogin die Auffassung, derzeit genüge die Gebärdensprachassistenz, die von T. sehr gut geleistet werde. Langfristig bedürfe die Antragstellerin allerdings einer Simultandolmetscherin.
Daraufhin bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom ... der Antragstellerin für die Zeit vom ... bis zum ... (zweites Schulhalbjahr) die Kosten für die Unterrichtsbegleitung durch einen Gebärdensprachassistenten an allen Schultagen für die gesamte tägliche Unterrichtsdauer an der ...-Grundschule in ... Die von der Antragstellerin darüber hinaus begehrte Kostenübernahme für einen Simultangebärdensprachendolmetscher während der Unterrichtszeit im Rahmen eines persönlichen Budgets lehnte der Antragsgegner im selben Bescheid ab und erklärte diesen Bescheid zugleich zum Bestandteil des laufenden Widerspruchsverfahrens.
Den aufrechterhaltenen Widerspruch der Antragstellerin wies der Antragsgegner sodann durch Widerspruchsbescheid vom ... als unbegründet zurück.
Am ... hat die Antragsteller Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben (S ... .) und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht (S ...).
Die Antragstellerin ist der Ansicht, sie könne vom Antragsgegner die Kosten für die vollumfängliche Schulbegleitung durch einen Gebärdensprachdolmetscher verlangen. Nur ein Dolmetscher könne simultan übersetzen; ein Sprachassistent könne dies nicht. Die Kosten für einen Dolmetscher fielen fast doppelt so hoch aus, wie diejenigen für einen Assistenten. Diese seien von der Antragstellerin und ihren Eltern nicht finanzierbar. Der Anspruch auf simultane Übersetzung als einzig mögliche und zugleich bestmögliche Maßnahme des Nachteilsausgleichs ergebe sich nicht zuletzt aus der
UN-Behindertenkonvention, die den Antragsgegner binde.
Die Antragstellerin sei auch aktuell benachteiligt, weil sie mangels simultaner Übersetzung das Unterrichtsgeschehen nicht vollständig verfolgen und sich nicht authentisch einbringen könne. Wegen der mangelnden Simultanübersetzungsfertigkeit des Assistenten und weil die Eltern der Antragstellerin selbst nichthörend seien, sei sie nicht in der Lage sich die Grammatik der deutschen Sprache und die Mathematikaufgaben hinreichend zu erschließen. Auf die eidesstaatliche Versicherung ihrer Eltern vom ... werde Bezug genommen. Damit liege ein Anordnungsgrund vor.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits S ... zu verpflichten, die Kosten eines im von ihr besuchten Schulunterricht an der ...-Grundschule ... an allen Tagen einzusetzenden Gebärdensprachdolmetschers, orientiert an den Vergütungssätzen des JVEG, im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem
SGB XII zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner hält weiter eine Gebärdensprachassistenz während des Schulunterrichts der Antragstellerin in der ... Grundschule ... in der Sache für hinreichend. Dies ergebe sich aus sämtlichen vorliegenden sonderpädagogischen und sonstigen fachlichen Stellungnahmen. Dafür spreche weiter die Montessori-Pädagogik nach der die Antragstellerin als Erstklässlerin unterrichtet werde. Danach wechselten von den Schülern zu bearbeitende Pflichtaufgaben mit Aufgaben auf freiwilliger Basis. Nachdem die Schüler mit dem Montessori-Material vertraut gemacht worden seien, arbeiteten sie vielfach selbständig und nach individuellem Arbeitstempo. Dies wiederum habe zur Folge, dass eine permanente Simultanübersetzung nicht erforderlich sei. Schließlich sei auch ein Anordnungsgrund nicht erkennbar, weil die Beschulung der Antragstellerin an der ... Grundschule ... bisher erfolgreich verlaufe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakte und den Inhalt der Prozessakten (S ... und S ...) Bezug genommen.
II.
Nach § 86b
Abs. 2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des
Abs. 1 der Norm vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b
Abs. 2 Satz 2
SGG). Gemäß § 86b
Abs. 3
SGG sind Anträge nach
Abs. 1 und
Abs. 2 der Norm auch schon vor Klageerhebung zulässig.
Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b
Abs. 1
SGG nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bestehenden Rechtszustand geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b
Abs. 2 Satz 2
SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund); grundsätzlich müssen die überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache für den Spruchkörper "glaubhaft" vorliegen. Die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs der Hauptsache und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung sind in diesem Sinne "glaubhaft" zu machen (§ 86b
Abs. 2 Satz 4
SGG i.V.m. § 920
Abs. 2
ZPO). Aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (
Art. 19
Abs. 4 Grundgesetz) sind dabei die insoweit zu stellenden Anforderungen mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz zu modifizieren (
vgl. Bundesverfassungsgericht -
BVerfG - NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen (Beschluss des
BVerfG vom 12. Mai 2005, BvR 569/05, NVwZ 2005, 927
m.w.N.).
1. An diesem Prüfungsmaßstab orientiert, ist zunächst festzustellen, dass das Existenzminimum (Art 1
Abs. 1
i.V.m. Art 20
Abs. 1
GG) i.
S. der Rechtsprechung des
BVerfG vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. (BVerfGE 125, 175) der Antragstellerin im vorliegenden Fall nicht gefährdet ist. Auch sonstige grundrechtsrelevante Rechtsgüter oder Grundrechte (
Art. 2, 3
Abs. 3
S. 2, 6, 7, 12
GG) sind bei der Ablehnung einer Anordnung nicht maßgeblich beeinträchtigt. Denn der inklusive Schulbesuch der stark hörbehinderten Antragstellerin als solcher ist nicht gefährdet. Die Antragstellerin wird in einer örtlichen Grundschule ihres Wohnorts, der ... Grundschule ... seit September 2012 als Erstklässlerin unter sonderpädagogischer und gebärdensprachassistenzlicher Begleitung unterrichtet, ohne dass es den Ausführungen ihrer Klassenlehrerin im Pädagogischen Bericht vom ... bislang zu gravierenden Problemen gekommen ist. Mit der Übernahme der nicht unerheblichen monatlichen Kosten für die Gebärdensprachassistenz - etwa im Januar 2013: 4.129,30
EUR zuzüglich Fahrtkostenerstattung von 1.105,80
EUR - respektiert der Sozialhilfeträger dem Grunde nach die auf dem schulrechtlichen Wahlrecht der Eltern der Antragstellerin beruhende Entscheidung für eine inkludierte Beschulung (
vgl. dazu Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. November 2012,
L 7 SO 4186/12 ER-B, JURIS Rn. 11 und Bundesverwaltungsgericht -
BVerwG -, Urteil vom 26. Oktober 2007,
5 C 35/06 = BVerwGE 130, 1).
2. Dies vorausgeschickt, ist für das beschließende Gericht ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin, während des Schulunterrichts in der ... Grundschule ... auf Kosten der Eingliederungshilfe von einem Gebärdensprachdolmetscher - anstatt nur von einem Gebärdensprachassistent - betreut zu werden, derzeit nicht glaubhaft gemacht.
a) Nach
§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von
§ 2 Abs. 1 Satz 1 des SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 53
Abs. 3 Satz 1
SGB XII, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern (§ 53
Abs. 3 Satz 2
SGB XII). Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass die Antragstellerin zu diesem berechtigten Personenkreis gehört.
Leistungen der Eingliederungshilfe sind insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht (
§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII). Angemessene Schulbildung bedeutet dabei eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung, die erwarten lässt, dass der behinderte Mensch nach seinen Fähigkeiten und Leistungen das angestrebte Bildungsziel erreichen wird (Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf,
SGB XII, Sozialhilfe, 4. Auflage 2012, § 54 Rn. 33). Darunter ist alles zu verstehen, was zur Erreichung des Ziels, der Integration des behinderten Menschen in die Gesellschaft, dient (
vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 2. November 2011,
L 8 SO 164/11 B ER, JURIS Rn. 53). Wie auch sonst in der Sozialhilfe ist Einstehensgrund für den Träger der Sozialhilfe die Deckung eines "notwendigen Bedarfs". Bedarf und Angemessenheit sind zwei aufeinanderbezogene Größen, gelegentlich ist auch von Eignung und Notwendigkeit die Rede (
vgl. Roscher, LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 9 Rn. 25
m.w.N.).
Die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung umfasst nach
§ 12 der Verordnung nach § 60 des 12. Buches Sozialgesetzbuch - Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglHV) in der Fassung vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I 2003,
S. 3022) auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zu Gunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Unter "sonstige Maßnahmen" fällt etwa die Zurverfügungstellung eines Integrationshelfers unter Übernahme der dafür anfallenden Kosten aus Mitteln der Eingliederungshilfe (
BVerwG, Beschluss vom 2. September 2003 -
5 B 259/02 JURIS; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. November 2010 -
L 7 SO 6090/08 JURIS
m.w.N.; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 14. März 2011, L 7 SO 209/11 B ER, JURIS Rn. 27). Dem entsprechend zählen auch die gebärdensprachliche Assistenz und die simultane Gebärdensprachdolmetschung zu den sonstigen Maßnahmen zugunsten hörbehinderter Kinder und Jugendlicher, "wenn die Maßnahmen geeignet und erforderlich sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern". Dies ergibt sich aus folgenden schulrechtlichen Überlegungen:
Gemäß § 1
Abs. 2 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg (SchulG) hat die Schule den in der Landesverfassung verankerten Erziehungs- und Bildungsauftrag zu verwirklichen. Die Grundschule ist dabei die gemeinsame Grundstufe des Schulwesens (§ 5
Abs. 1 SchulG), die alle schulpflichtigen Kinder zu besuchen verpflichtet sind (§ 73
Abs. 1 SchulG). Nach Abschluss der Grundschule sind alle Kinder verpflichtet, eine auf ihr aufbauende Schule zu besuchen (§ 73
Abs. 2 SchulG). Hiervon abweichend dient die Sonder- oder Förderschule der Erziehung und Ausbildung von Kindern, die schulfähig sind, aber infolge körperlicher, geistiger oder seelischer Besonderheiten in den allgemeinen Schulen (wie der Grundschule und der darauf aufbauenden Schule) nicht die ihnen zukommende Erziehung und Ausbildung erfahren können; sie gliedert sich in Schulen oder Klassen, die der besonderen Förderungsbedürftigkeit des Schülers entsprechen und nach sonderpädagogischen Grundsätzen arbeiten (§ 15
Abs. 1 Satz 1 und 2 Halbsatz 1 SchulG). Eine Sonderschule hat demgemäß nach ihrer persönlichen und sachlichen Ausstattung und nach ihrer pädagogischen Ausrichtung der Eigenart ihrer jeweiligen Schüler Rechnung zu tragen. Nach dem mit Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg vom 15. Dezember 1997 (GBl.
S. 535) eingefügten § 15
Abs. 4 SchulG ist die Förderung behinderter Schüler auch Aufgabe in den anderen Schularten (Satz 1). Behinderte Schüler werden in allgemeinen Schulen unterrichtet, wenn sie aufgrund der gegebenen Verhältnisse dem jeweiligen gemeinsamen Bildungsgang in diesen Schulen folgen können (a.a.O. Satz 2). Die allgemeinen Schulen werden hierbei von den Sonderschulen unterstützt (a.a.O. Satz 3). Eine solche Konstellation liegt hier vor, weil das Staatliche Schulamt ... gemäß § 82
Abs. 2 Satz 1 SchulG für die Antragstellerin die Schulbesuchspflicht im Sinne der ...-Schule, Schule für Hörgeschädigte, ... festgestellt und der Beschulung im inklusiven Bildungsangebot an der ... Grundschule ... zugestimmt hat (Bescheid vom 31. Juli 2012).
Vor diesem Hintergrund können Gegenstand der Eingliederungshilfe wegen des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2
Abs. 1
SGB XII) nur solche Maßnahmen nicht sein, die originäre Aufgabe der Schule und der in ihr tätigen Lehrer sind (
vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. November 2010, L 7 SO 6090/08, JURIS und Urteil vom 23. Februar 2012, L 7 SO 1246/10, JURIS Rn. 31). Eine Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zur Übernahme von Kosten ist daher für Maßnahmen ausgeschlossen, die zum Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrkraft gehören. Denn es kann grundsätzlich nicht Sache des Sozialhilfeträgers sein, das für die sonderpädagogische Förderung von schulpflichtigen Kindern erforderliche fachlich qualifizierte Personal zu stellen und die Kosten hierfür zu tragen (VGH Baden-Württemberg, FEVS 48, 228 bezüglich der Kosten für eine zur Unterstützung eines behinderten Kindes im Unterricht engagierte Kraft, deren Aufgabe im Wesentlichen in der Hilfestellung beim Aufgabenlösen, der Aufmunterung zum Weiterarbeiten und der Überwachung der Aufgabenlösung bestand). Für Hilfen außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit kann dagegen - wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGB XII ergibt - ein ergänzender Eingliederungsbedarf bestehen; Leistungen der Eingliederungshilfe sind insoweit nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg nicht vollständig ausgeschlossen (Urteil vom 19. Dezember 2006, NVwZ-RR 2008, 38; Beschluss vom 9. Januar 2007, FEVS 58, 285; Urteil vom vom 18. November 2010, jeweils a.a.O.). Dies gilt etwa für die Fälle so genannter Schulbegleiter von behinderten Menschen, die eine Regelschule besuchen und einer ständigen Beaufsichtigung zur Vermeidung einer Selbstgefährdung und der Hilfe bei alltäglichen Verrichtungen bedürfen (
vgl. z.B. BVerwG, FEVS 36, 1;
OVG Rheinland-Pfalz, ZfSH/SGB 2003, 614). Daran hat sich auch durch die oben dargestellten Änderungen des Schulrechts im Zusammenhang mit der zunehmenden integrativen Beschulung behinderter Kinder und Jugendlicher nichts geändert.
Danach hat der Sozialhilfeträger der gehörgeschädigten Antragstellerin die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen im Bereich der Sprachvermittlung zu gewährleisten, die ihr den inklusiven Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht ermöglichen oder erleichtern. Indem der die Kosten für die Gebärdensprachassistenz zugunsten der Antragstellerin zuletzt mit Bescheid vom ... bezogen auf das zweite Schulhalbjahr 2012/13 voll übernommen hat, hat er zur Überzeugung des Gerichts das derzeit und absehbar "erforderliche und geeignete" im Sinn von
§ 12 Nr. 1 EinglHV getan und damit ihren Anordnungsanspruch erfüllt.
Einen weiterreichenden Rechtsanspruch auf Finanzierung eines oder einer zur Simultanübersetzung fähigen Gebärdensprachdolmetschers/in hat die Antragstellerin für das laufende Schuljahr 2012/13 nicht substantiiert dargelegt. Im Gegenteil, sämtliche dem Gericht vorliegende aktuellen fachlichen Stellungnahmen halten die Unterstützung der Antragstellerin durch eine Gebärdensprachassistenz während des gesamten Schulunterrichts in der ersten Klasse für hinreichend. Namentlich handelt es sich dabei um die Empfehlung im Pädagogischen Bericht der ...-Schule für Hörgeschädigte vom ..., die sich darauf stützenden Entscheidung des Staatlichen Schulamts ... vom ..., die Ausführungen im Pädagogischen Bericht der Klassenlehrerin der Antragstellerin an der ... Grundschule ... vom ... und die übereinstimmenden Äußerungen Letzterer und der Sonderschulpädagogin M. anlässlich des Rundgesprächs vom ... Besonderes Gewicht misst das Gericht in diesem Zusammenhang den Ausführungen der Klassenlehrerin der Antragstellerin und der sie betreuenden Sonderschulpädagogin zu. Die Klassenlehrerin erlebt die Antragstellerin schulalltäglich, die Sonderpädagogin immerhin einmal wöchentlich. Damit sind beide authentisch und unmittelbar in der Lage und befähigt, den Lernprozess der Antragstellerin darzustellen, ihr Sozialverhalten im Klassenverband zu beurteilen und etwaige Defizite im Verstehen und Hören zeitnah zu ermitteln und zu hinterfragen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund des schlüssigen sich Einfügens und Fortschreibens der älteren Aussagen aus dem Jahr 2012 durch die aktuellen sachverständigen Feststellungen von Klassenlehrerin und Sonderpädagogin vom Januar 2013.
Bei alledem berücksichtigt das Gericht weiter, dass die Antragstellerin nicht in einer Regelgrundschule, sondern im jahrgangsgemischten Montessorizug einer solchen Grundschule in einer Klasse mit nur elf anderen - nichtbehinderten - Kindern gemeinsam unterrichtet wird. Die geringe Klassenstärke und das Montessoriprinzip zwischen Freiarbeit und gebundener Arbeit (
vgl. www.tulla-schule-vimbuch.de) -
"Die Kinder haben je nach Jahrgangsstufe täglich zwei bis drei Stunden Freiarbeit, aber auch gebundenen Unterricht. Die Freiarbeit ist der Schwerpunkt des Unterrichtsvormittags, in der jedes Kind selbst entscheidet, was, womit und mit wem es arbeiten möchte. In der von der Lehrerin geschaffenen vorbereiteten Umgebung erarbeitet sich das Kind den Lehrstoff selbstständig mit dem klassischen Montessori-Material sowie aufbauenden Materialien. Dabei kann das Kind sein Lerntempo selbst bestimmen, um sich einer Sache intensiv zu widmen. Jedes Kind sollte möglichst frei und selbstverantwortlich handeln können. Hiermit ist nicht nur der Inhalt der Tätigkeit gemeint, sondern auch die Art und Weise wie das Kind die Tätigkeit ausübt. Durch die Lehrerin hat das Kind eine Einführung in das jeweilige Material erhalten. Während der Freiarbeit löst das Kind aber auch Pflichtaufgaben, die die Lehrerin zusammenstellt. Für einige Kinder sind diese Pflichtaufgaben eine wichtige Strukturhilfe."
- erfordern - jedenfalls im ersten Schuljahr - keine Simultanübersetzung des Unterrichtsinhalts durch einen Gebärdensprachdolmetscher. Ein die Antragstellerin betreuender fähiger Sprachassistent reicht derzeit und bis auf Weiteres für ihre Inklusivbeschulung während des laufenden Schuljahres aus.
Die Prognose von Sonderschulpädagogin, dass die Antragstellerin auf längere Sicht "sicher einen Dolmetscher benötigen werde, der simultan übersetzt" (aus dem Vermerk des Antragsgegners über das am ... stattgehabte "Rundgespräch"), rechtfertigt derzeit und absehbar keine abweichende rechtliche Beurteilung. Denn die Sonderschulpädagogin führt im gleichen Zug aus, derzeit reiche der der Antragstellerin zur Verfügung stehende Kommunikationsassistent T. aus. Damit besteht derzeit und absehbar kein Anordnungsanspruch der Antragstellerin über einen Gebärdensprachassistenten hinaus einen simultan übersetzenden Gebärdensprachdolmetscher aus Mitteln der Eingliederungshilfe finanziert zu erhalten. Dagegen hat die Antragstellerin konkrete - durch Pädagogen oder Mediziner - erhobene Einwände oder Vorhalte nicht mehr vorgebracht. Solche sind für das Gericht zum maßgeblichen Zeitpunkt der Eilentscheidung auch unter Berücksichtigung der notwendig interessegeleiteten eidesstaatlichen Versicherung ihrer Eltern vom ... nicht ersichtlich. Im Hinblick auf einen künftig möglicherweise abweichenden eingliederungshilferechtlichen Bedarf der Antragstellerin - Übernahme der Kosten für eine/n simultane Gebärdensprachdolmetscher/in - ist der Antragsgegner aufgrund seiner Pflicht zur fortlaufenden Sachverhaltsaufklärung (
vgl. §§ 20, 21
SGB X, Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. Oktober 2007,
L 8 KR 228/06, JURIS Rn. 25) allerdings gehalten, die schulische Entwicklung der Antragstellerin ständig zu beobachten und für den Fall geänderter Verhältnisse seine Entscheidung für die Zukunft entsprechend anzupassen.
b) Weiterreichende Rechtsansprüche kann die Antragstellerin - entgegen ihrer Auffassung - auch nicht aus
Art. 24 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. 2008 II
S. 1419 - VN-Behindertenrechtsübereinkommen - VN-BRÜ -) herleiten.
Das VN-Behindertenrechtsübereinkommen trat in Deutschland am 29.03.2009 in Kraft, nachdem der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates dem Übereinkommen mit Vertragsgesetz vom 21. Dezember 2008 (BGBl. II
S. 1419) zugestimmt hatte. Mit dem Vertragsgesetz hat die Bundesrepublik Deutschland das völkerrechtliche Übereinkommen verbindlich übernommen. Es ist damit gemäß
Art. 59
Abs. 2 Satz 1
GG wirksamer Bestandteil des Bundesrechts geworden, soweit dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für die materiellen Regelungen zusteht. Das Vertragsgesetz des Bundes hat jedoch für diejenigen Teile des Übereinkommens, die nach
Art. 70
Abs. 1
GG dem Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder unterfallen, keine Umsetzung in nationales Recht bewirkt. Denn
Art. 32
Abs. 1
GG regelt nur die Verbandskompetenz für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge, und
Art. 59
Abs. 2 Satz 1
GG sieht hierzu verfahrensrechtlich die Beteiligung des Bundesgesetzgebers vor. Für die Umsetzung des Völkervertragsrechts in innerstaatliches Recht gelten indes ausschließlich die Regelungen in
Art. 70
ff. GG. Soweit eine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder - wie vorliegend das Schulrecht (
vgl. BVerfGE 75, 40, 66 f.; 106, 62, 132 und BVerwGE 104, 1, 6) - besteht, ist demgemäß dem Bund der gesetzgeberische Zugriff auf die betreffende Materie von Verfassungs wegen verwehrt (
vgl. BVerfG, Urteil vom 26. März 1957 - 2 BvG 1/55 -, BVerfGE 6, 309, 353 f., 362; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. November 2009 - 7 B 2763/09 -, NVwZ-RR 2010, 602; Streinz, in: Sachs (Hrsg.),
GG, 6. Aufl. 2011,
Art. 32 Rn. 37; Rojahn, in: von Münch/Kunig (Hrsg.),
GG, 6. Aufl. 2012,
Art. 32 Rn. 41
ff.). Das bundesstaatliche Recht der Eingliederungshilfe - §§ 53
ff. SGB XII - versteht das beschließende Gericht, wenn es - wie vorliegend - um "Hilfen zur angemessenen Schulbildung" nach § 54
Abs. 1
Nr. 1
SGB XII geht als Annexrecht zum vorrangigen Schulrecht. Der Sozialhilfeträger ist - wie ausgeführt - an die Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde nach § 82
Abs. 2 SchulG gebunden; damit folgt das Sozialhilferecht streng akzessorisch dem Schulrecht. Ohne schulrechtliche Grundentscheidung ist eine sozialhilferechtliche Kostenträgerentscheidung nicht möglich.
Der hier einschlägige
Art. 24
Abs. 1 und 2 VN-BRÜ enthält folgende Regelungen:
"(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel,
(a) die menschlichen Möglichkeiten sowie das Bewusstsein der Würde und das Selbstwertgefühl des Menschen voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt zu stärken;
(b) Menschen mit Behinderungen ihre Persönlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen zu lassen;
(c) Menschen mit Behinderungen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen.
(2) Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass
(a) Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderung nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden;
(b) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben;
(c) angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden;
(d) Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern;
(e) in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden."
Für die Auslegung von
Art. 24 VN-BRÜ macht sich das beschließende Gericht die in jeder Hinsicht überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg im Beschluss vom 21. November 2012,
9 S 1833/12, JURIS Rn. 55-60 zu eigen. Sie lauten:
Soweit in diesen Bestimmungen die Wörter "integrativ" und "Integration" verwendet werden, wird diese nicht verbindliche Übersetzung (
vgl. Art. 50 VN-BRÜ) ins Deutsche kritisiert, weil in der - unter anderen - verbindlichen englischen Fassung die Wörter "inclusive" und "inclusion" verwendet werden und zwischen einer Integration, die in erster Linie eine Anpassungsleistung von Schülern mit Behinderung an die bestehenden Schulstrukturen erfordere, und einer Inklusion, die im Wesentlichen fordere, dass sich das Schulsystem an den Fähigkeiten und Bedürfnissen der einzelnen Schüler orientiere, Unterschiede bestünden. Für vorzugswürdig wird zumeist der Begriff "Inklusion" gehalten (
vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 12.11.2009, a.a.O., 603; Faber/Roth, DVBl. 2010, 1193, 1195; Krajewski, JZ 2010, 120, 122; Riedel/Arend, NVwZ 2010, 1346, 1348). Allerdings verwendet auch die verbindliche französische Fassung in den beiden zitierten Absätzen des
Art. 24 VN-BRÜ unterschiedliche Begriffe ("insertion", "inclusif" und "intégration"). Welcher Begriff letztlich zutreffend ist, kann hier jedoch offen bleiben (ebenso: Nds.
OVG, Beschluss vom 16.09.2010 -
2 ME 278/10 -, Juris Rn. 13).
Denn jedenfalls betreffen die genannten Regeln das öffentliche Schulwesen, das nach dem Grundgesetz der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder zugeordnet ist (
vgl. BVerfG, Urteil vom 26.03.1957, a.a.O., 354). Daher bedarf
Art. 24 VN-BRÜ vor seiner Anwendbarkeit in Baden-Württemberg grundsätzlich der Umsetzung durch den Landesgesetzgeber. Eine entsprechende gesetzliche Umsetzung durch den Landesgesetzgeber ist bislang allerdings nur angekündigt.
Davon abgesehen erfüllt
Art. 24
Abs. 1 und 2 VN-BRÜ im Wesentlichen auch aus anderen Gründen nicht die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendbarkeit (
vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.01.2010 - 6 B 52/09 -, Juris Rn. 4; Nds.
OVG, Beschluss vom 16.09.2010, a.a.O., Rn. 14; Hess. VGH, Beschlüsse vom 12.11.2009 -
7 B 2763/09 -, a.a.O., 603 f., und vom 16.05.2012 -
7 A 1138/11.Z -, DÖV 735;
OVG NRW, Beschluss vom 03.11.2010 - 19 E 533/10 -, Juris). Die unmittelbare Anwendbarkeit einer Völkervertragsbestimmung ist nur dann zu bejahen, wenn sie alle Eigenschaften besitzt, welche ein Gesetz nach innerstaatlichem Recht haben muss, um berechtigen oder verpflichten zu können. Die Vertragsbestimmung muss nach Wortlaut, Zweck und Inhalt geeignet sein, rechtliche Wirkungen auszulösen. Insbesondere ist eine unmittelbare Vollzugsfähigkeit einer Vertragsbestimmung (sog. "self-executing") nur gegeben, wenn sie zur Entfaltung rechtlicher Wirkungen hinreichend bestimmt ist. Dagegen fehlt die unmittelbare Anwendbarkeit einer Vertragsbestimmung, wenn diese zu ihrer Ausführung noch einer normativen Ausfüllung bedarf (
vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.10.2006 - 6 B 33.06 -, Juris Rn. 4).
Art. 24
Abs. 1 und 2 VN-BRÜ genügt diesen Anforderungen im Wesentlichen nicht. Für eine hinreichende Bestimmtheit der genannten Vertragsabrede wäre insbesondere erforderlich, dass die gewählten Formulierungen in zumutbarer Weise erkennen lassen, ob das zu gewährleistende inklusive
bzw. integrative Bildungssystem voraussetzungslos gilt, oder ob hierfür näher zu bezeichnende tatbestandliche Voraussetzungen gegeben sein müssen. Die Regelungen sprechen selbst keine entsprechenden Verpflichtungen aus. Die in
Art. 24
Abs. 1 bis 2 VN-BRÜ gewählten Begriffe wie "recognize" (
Art. 24
Abs. 1 Satz 1 VN-BRÜ: "anerkennen"), "shall ensure" (
Art. 24
Abs. 1 Satz 2 VN-BRÜ: "gewährleisten" und
Art. 24
Abs. 2 VN-BRÜ: "stellen sicher"), sind von ihrem Wortlaut her lediglich auf ein vereinbartes Ziel ausgerichtet, ohne eine bestimmte Art und Weise der Zielerreichung festzulegen. Das in
Art. 24
Abs. 1 Satz 2 und
Abs. 2 Satz 1 Buchst. b VN-BRÜ genannte inklusive
bzw. integrative Bildungssystem steht im Kontext dieser Bestimmungen und ist dahin zu verstehen, dass es der Handlungsfreiheit der Vertragsstaaten überlassen bleibt, welche geeigneten Maßnahmen sie ergreifen, um die genannten Ziele zu erreichen. Damit spricht Überwiegendes dafür, dass sich die Vertragsbestimmungen in
Art. 24 VN-BRÜ für eine unmittelbare Anwendung auf die zu entscheidenden Lebenssachverhalte als zu unbestimmt erweisen (
vgl. Nds.
OVG, Beschluss vom 16.09.2010, a.a.O., Rn. 14; Hess. VGH, Beschluss vom 12.11.2009, a.a.O., 603 f.).
Art. 24
Abs. 1 und 2 VN-BRÜ könnte allenfalls im Rahmen einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung von
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG bundesrechtlich unmittelbar wirkende Bedeutung zukommen (ähnlich:
OVG NRW, Beschluss vom 03.11.2010, a.a.O.). Da es sich bei dem VN-Behindertenrechtsübereinkommen um grundrechtsrelevantes Völkerrecht handelt, dem der Bundesgesetzgeber zugestimmt hat, kann es - wie auch die EMRK - für die Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes von Bedeutung sein (
vgl. zur EMRK:
BVerfG, Urteil vom 04.05.2011 - 2 BvR 2333/08 u.a. -, BVerfGE 128, 326; zum VN-BRÜ: Hess. VGH, Beschluss vom 12.11.2009, a.a.O., 606; Riedel/Arend, a.a.O., 1349). Dies gilt insbesondere für
Art. 24
Abs. 2 Satz 1 Buchst. a VN-BRÜ, nach dem die Vertragsstaaten sicherstellen sollen, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden. Die Vorschrift kann in bestimmten Konstellationen sogar als unmittelbar anwendbares Diskriminierungsverbot verstanden werden (
vgl. Krajewski, a.a.O., 123). Entsprechend gilt dies auch für das allgemeine Diskriminierungsverbot in
Art. 5 Abs. 2 VN-BRÜ (
vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 12.11.2009, a.a.O., 605).
Hinsichtlich der übrigen oben genannten Bestimmungen des
Art. 24 VN-BRÜ ist jedoch auch bei deren Berücksichtigung im Rahmen einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes zu berücksichtigen, dass sie dem Vertragsstaat bei der Schaffung eines inklusiven
bzw. integrativen Bildungssystems einen Umsetzungsspielraum lassen. Darüber hinaus ist bei einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Benachteiligungsverbots aus
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG zu berücksichtigen, dass auch die Regelungen des VN-Behindertenrechtsübereinkommens zur Inklusion
bzw. Integration im Bildungsbereich nicht schrankenlos gelten. So bestimmt bereits
Art. 7 Abs. 2 VN-BRÜ, dass bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt ist, der vorrangig zu berücksichtigen ist. Es ist durchaus möglich, dass ein Kind selbst bei Wahrnehmung aller Unterstützungsmaßnahmen seine Persönlichkeit, Begabung, Kreativität sowie seine sonstigen geistigen Fähigkeiten (
Art. 24
Abs. 1 Satz 2 Buchst. b VN-BRÜ) in einer allgemeinen Schule nicht voll zur Geltung bringen kann. In einem solchen Fall würde jedenfalls eine inklusive Beschulung dem Sinn und Zweck des VN-Behindertenrechtsübereinkommen widersprechen (
vgl. Faber/Roth, a.a.O., 1198). Darüber hinaus kommen auch die Rechte anderer Kinder einer Schule als Schranke in Betracht. Diese Rechte sind etwa in
Art. 13 des Internationalen Pakts vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (BGBl. 1973 II
S. 1569) sowie in
Art. 28 und
19 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (BGBl. 1992 II
S. 121) verankert (
vgl. Krajewski/Bernhard, BayVBl. 2010, 134, 137
ff.; Faber/Roth, a.a.O., 1198 f.). Des Weiteren hat sich nach
Art. 4 Abs. 2 VN-BRÜ jeder Vertragsstaat hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte des VN-Behindertenrechtsübereinkommens verpflichtet, unter Ausschöpfung seiner verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit Maßnahmen zu treffen, um nach und nach die volle Verwirklichung dieser Rechte zu erreichen, unbeschadet derjenigen Verpflichtungen aus dem Übereinkommen, die nach dem Völkerrecht sofort anwendbar sind. Damit sind die Vertragsstaaten zur Verwirklichung der Ziele des Übereinkommens verpflichtet, voranzuschreiten, wobei hinsichtlich der Geschwindigkeit der Umsetzung dieser Pflicht die verfügbaren Mittel berücksichtigt werden können (
vgl. Krajewski/Bernhard, a.a.O., 138 f.; Faber/Roth, a.a.O., 1198 f.).
3. Aufgrund der vorstehend getroffenen Feststellungen fehlt es zugleich auch an einem Anordnungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung. Der Antragstellerin droht derzeit und absehbar durch die bloße Gewährung eines unterrichtsbegleitenden Gebärdensprachassistenten kein Nachteil. Sie besucht für das laufende Schuljahr 2012/13 weiter - wie von ihr und ihren Eltern gewünscht - den Montessorizug der Regelgrundschule in ihrem Wohnort unter ständiger Begleitung durch einen vom Antragsgegner finanzierten Gebärdensprachassistenten. Verwehrt wird ihr allein die vorläufige öffentliche Finanzierung von Simultandolmetscherkosten durch den Gebärdendolmetscher.
Angesichts der fehlenden Überzeugung des Gerichts von einem hinreichend glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch (siehe oben unter 2.) muss dem vorläufigen Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin der Erfolg versagt bleiben. Zwar stehen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch in einem wechselseitig bedingten Verhältnis. Es ist eine Wechselbezüglichkeit zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund im Sinne der Herstellung einer Gewichtungsrelation beachten; hierbei sind insbesondere die hypothetischen Folgen bei Versagung und Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu berücksichtigen (Krodel, Beck‘scher-online-Kommentar zu § 86b
SGG Rn. 75a). Zum selben Ergebnis gelangt man auch bei einer Güterabwägung (zum Meinungsstreit
vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl., 2012, § 86b Rn. 29a, wonach bei offenem Ausgang eine umfassende Interessenabwägung erforderlich sei und Krodel, Beck‘scher-online-Kommentar zu § 86b
SGG Rn. 68a, wonach sich eine Eilentscheidung in Vornahmesachen, die sich nur auf eine Interessenabwägung stützt, verbietet).
Fest steht lediglich, dass die Finanzierung der simultanen Dolmetscherkosten durch den Antragsgegner während des laufenden Restschuljahres 2012/13 aus Mitteln der Eingliederungshilfe nicht übernommen werden wird. Es ist aber nicht ersichtlich, welche gravierenden Nachteile der Antragstellerin kurzfristig drohen sollten, wenn sie - dauernd begleitet von einem ihr vom Antragsgegner zur Verfügung gestellten Gebärdensprachassistenten - für das laufende Schuljahr 2012/13 weiter inklusiv an der ... Grundschule ... unterrichtet wird. Damit fehlt es zugleich an einer besonderen Dringlichkeit für ihr Begehren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.