Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat der zulässigen Klage zu Recht in dem der Anfechtung durch den Beklagten unterliegenden Umfang stattgegeben, denn, soweit das SG den Beklagten verurteilt hat, ist die Klage begründet. Allerdings bedurfte der Tenor des Urteils des SG im Hinblick auf den eigentlichen Klagegegenstand und den von den Beteiligten abgeschlossenen Teilerledigungsvergleich der Klarstellung.
I. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54
Abs. 1 Satz 1, 56
SGG zulässig.
1. Gegenstand der Klage ist der Ablehnungsbescheid vom 04.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2010 (§ 95
SGG). Der Bescheid vom 22.04.2010 hat diesen Bescheide ebenso wenig abgeändert oder ersetzt wie die Bescheide vom 04.10.2010 und 22.02.2011 sowie alle folgenden Bescheide, in denen der Beklagte der Klägerin vorläufig die von ihr begehrten Leistungen gewährt hat. Bei dem Bescheid vom 22.04.2010 handelt es sich um einen vorläufigen Bewilligungsbescheid, der in Ausführung des rechtskräftigen Beschlusses des SG im Eilverfahren
S 17 SO 138/10 ER erlassen worden ist. Solche Ausführungsbescheide werden nach ständiger Rechtsprechung des
BSG nicht gemäß § 96
SGG Gegenstand des Verfahrens und erledigen auch nicht teilweise den Ablehnungsbescheid gemäß § 39
Abs. 2
SGB X. Mit dem das Verfahren abschließenden Urteil verlieren alle Ausführungsbescheide ihre Wirkung (
vgl. BSG, Urt. v. 11.12.2007 -
B 8/9b SO 20/06 R -, juris Rn. 12
m.w.N.;
LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.03.2012 - L 12 AS 3569/11 -, juris Rn. 19). Für die weiteren Bescheide, in denen die vorläufige Bewilligung für die nachfolgenden Semester fortgesetzt wurde, gilt nichts anderes. Der Beklagte hat sie lediglich zur Abwendung weitere Eilverfahren erlassen, ohne von seiner - endgültigen - Leistungsablehnung im Bescheid vom 04.11.2009 Abstand zu nehmen. Der Ablehnungsbescheid vom 04.11.2009 ist deshalb weiterhin gültig und wirksam.
2. In zeitlicher Hinsicht hat der Senat nur über die Leistungsverpflichtung des Beklagten bis zum 15.09.2010 zu entscheiden. Zwar ist bei einer unbefristeten Ablehnung eines Begehrens, wie sie hier im Bescheid vom 04.11.2009 erfolgt ist, grundsätzlich der gesamte, bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht verstrichene Zeitraum streitgegenständlich. Eine zeitliche Begrenzung kommt nur dann in Betracht, wenn der Kläger selbst sein Begehren in zeitlicher Hinsicht beschränkt oder auf einen erneuten Leistungsantrag ein weiterer Ablehnungsbescheid ergeht (zum Ganzen
BSG Urt. v. 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R -, juris Rn. 8 m.w.N; Urt. v. 25.08.2011 - B 8 SO 19/10 R -, juris Rn. 9). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Senat ist jedoch aufgrund des Verbots der reformatio in peius im Berufungsverfahren (§ 202
SGG i.V.m. § 528
Abs. 2
ZPO) gehindert, über eine Verpflichtung des Beklagten auch in der Zeit nach dem 15.09.2010 zu entscheiden. Das SG hat die Verurteilung des Beklagten auf den Zeitraum bis zum 15.09.2010 beschränkt. Die Klägerin hat diese Beschränkung der Leistungsverpflichtung des Beklagten nicht angefochten. Vielmehr hat allein der Beklagte Berufung eingelegt. Ob das SG von einem zu engen Streitgegenstand ausgegangen ist und § 123
SGG zu Lasten der Klägerin verletzt hat, hat er Senat deshalb nicht zu prüfen.
3. Inhaltlich ist das Begehren im Sinne von § 123
SGG, das die Klägerin zuletzt vor dem SG verfolgt hat, nach ihrem wohlverstandenen Interesse dahingehend auszulegen, dass der Beklagte die für die Beauftragung von Dolmetschern und Mitschreibkräften im Zeitraum vom 20.05.2010 bis zum 22.07.2010 tatsächlich entstandenen Kosten übernimmt. Nur soweit die Klägerin entsprechende Hilfskräfte beauftragt
bzw. in Anspruch genommen hat, entstehen ihr Kosten, deren Deckung durch Leistungen des Beklagten sie begehrt. Soweit weder Dolmetscher noch Mitschreibkräfte für sie tätig geworden sind, d.h. im Zeitraum bis zum 19.05.2010 und nach dem 22.07.2010 bis zum Ende des Zeitraums, über den das SG entschieden hat, begehrt sie offensichtlich keine Leistungen des Beklagten. Eine Klage wäre insoweit mangels Rechtsschutzbedürfnisses auch unzulässig, weil ein Anspruch der Klägerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht käme. Denn Sozialhilfeleistungen kommen von vornherein nur in Betracht, soweit die Klägerin Aufwendungen hatte oder den von ihr beauftragten Kräften noch Entgelt schuldet (
vgl. BSG, Urt. v. 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R -, juris Rn. 11). Auch eine (Fort- setzungs-)/Feststellungsklage (
vgl. dazu
BSG, a.a.O., Rn. 12) würde insoweit von vornherein ausscheiden, weil es im Hinblick auf die später tatsächlich entstandenen Kosten, die auch streitgegenständlich sind, insoweit am Feststellungsinteresse
bzw. ebenfalls am Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Eine Änderung des Urteils des SG und einer Abweisung der Klage für den Zeitraum bis zum 19.05.2010 und ab dem 23.07.2010 ist insoweit nicht erforderlich. Auch wenn das SG den Beklagten abstrakt zur "Übernahme der Kosten für Gebärdensprachdolmetscher für höchstens 11,5 Wochenstunden Vorlesungen und sonstige Lehrveranstaltungen, davon 7 Stunden in Doppelbesetzung" verurteilt hat und in den Entscheidungsgründen auf den genauen Umfang der entstandenen Kosten nicht eingegangen ist, ist es erkennbar davon ausgegangen, dass der Beklagte nur insoweit zur Leistung verpflichtet ist, als die Klägerin Dolmetscher und Mitschreibkräfte tatsächlich beauftragt und in Anspruch genommen hat. Dies kommt hinreichend deutlich dadurch zum Ausdruck, dass das SG den Beklagten zur Übernahme von "Kosten" verurteilt hat, womit in Anbetracht des auch vom SG im Tatbestand festgehaltenen Geschehensablaufs nur die tatsächlichen Kosten gemeint sein können. In Bezug auf die Mitschreibkräfte hat das SG zudem ausdrücklich auf den "Bedarf" der Klägerin abgestellt. Es genügt deshalb eine entsprechende Klarstellung des Tenors, ohne dass der Berufung des Beklagten teilweise stattgegeben werden müsste.
4. In der Sache ist das Begehren der Klägerin darauf gerichtet, dass der Beklagte die vorläufig übernommenen Kosten für Dolmetscher und Mitschreibkräfte endgültig übernimmt und auf die Rückforderung der vorläufig verauslagten Geldbeträge gegenüber der Klägerin verzichtet. Die Klägerin begehrt insoweit eine Geldleistung.
Zwar war das Begehren ursprünglich auf die Gewährung einer Sachleistung in Gestalt der Sachleistungsverschaffung gerichtet: Der Beklagte hatte jedenfalls die begehrte Bereitstellung der Dolmetscher nicht selbst, sondern durch Dritte, d.h. die Dolmetscher
bzw. Dolmetscherbüros, mit denen er seinerseits Verträge zu schließen hat, zu erbringen (§§ 75
ff. SGB XII,
vgl. § 75
Abs. 1 Satz 2
SGB XII). Er hätte deshalb die begehrte Leistung als Sozialhilfeträger dadurch zu erbringen gehabt, dass er durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung der Schuld beitritt, die die Klägerin durch Beauftragung eines Dienstleisters, der Dolmetscherleistungen gegen Entgelt bereitstellt und seinerseits mit dem Beklagten als Sozialhilfeträger Verträge nach § 76
SGB XII geschlossen hat, begründet (
vgl. insoweit
z.B. BSG, Urt. v. 23.08.2013 - B 8 SO 10/12 R -, juris Rn. 10; sog. sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis). Das SG hat dementsprechend auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren konstruktiv zutreffend die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Kosten für Dolmetscher und Mitschreibkräfte und nicht zur Gewährung von Geldleistungen ausgesprochen.
Durch die vorläufige Leistungsgewährung des Beklagten ist aber, was den Inhalt des geltend gemachten Anspruchs anbetrifft, eine wesentliche Änderung eingetreten. Der Beklagte hat mit dem Bescheid vom 22.04.2010 zwar in Ausführung des Eilbeschlusses des SG vorläufig Leistungen gewährt, er hat jedoch den potentiellen Dienstleistern gegenüber nicht durch einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung einen Beitritt zu den potentiellen zivilrechtlichen Verbindlichkeiten der Klägerin diesen gegenüber erklärt. Ein vorläufiger Beitritt zu einer zivilrechtlichen Verbindlichkeit der Kläger gegenüber den von ihr beauftragten Dienstleistern, durch den ein vorläufiges zivilrechtliches Gesamtschuldverhältnis entstünde, wäre zivilrechtlich nur durch Vereinbarung einer auflösenden Bedingung im Sinne von § 158
BGB möglich. Hierfür ist jedoch nichts ersichtlich. Der Beklagte hat sich im Bescheid vom 22.04.2010 vielmehr nur der Klägerin gegenüber vorläufig verpflichtet, deren Verbindlichkeiten zu erfüllen. Auch wenn nach den Ausführungen im Bescheid vom 22.04.2010 die von der Klägerin beauftragten Dolmetscher ihre Rechnungen unmittelbar beim Beklagten einreichen sollten, waren sie nicht Mitadressaten des Bescheids vom 22.04.2010 und sollten keinen eigenen Anspruch gegen den Beklagten erhalten (
vgl. insoweit auch § 329
BGB). Der Beklagte hat sodann auch ohne Vorbehalt die Rechnungen der Dolmetscher beglichen und damit als Dritter im Sinne von § 267
BGB die Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber den von ihr beauftragten Dolmetschern erfüllt. Der Vorläufigkeitsvorbehalt im Hinblick auf die noch ausstehende Hauptsacheentscheidung erfolgte und wirkte vielmehr allein gegenüber der Klägerin. Infolge dessen ist für die Annahme des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses kein Raum mehr. Da sämtliche Ansprüche der von der Klägerin beauftragten Dienstleister erfüllt und damit erloschen sind (
vgl. § 362
Abs. 1
BGB), sind diese an dem im Hauptsacheverfahren streitgegenständlichen Sozialrechtsverhältnis nicht mehr beteiligt. Der zunächst streitgegenständliche Anspruch der Klägerin auf Sachleistungsverschaffung hat sich vielmehr, ähnlich wie bei zwischenzeitlicher Deckung des Bedarfs durch eigene oder Leistungen Dritter, in einen Geldleistungsanspruch umgewandelt, wobei es nunmehr - ähnlich wie bei zunächst darlehensweise gewährten Leistungen (siehe dazu
BSG, Urt. v. 18.02.2010 - B 4 AS 5/09 R -, juris Rn. 10) - nur noch darum geht, ob die vorläufig bewilligten Leistungen endgültig zu gewähren sind mit der Folge, dass die Klägerin die verauslagten Beträge nicht erstatten muss. Dementsprechend waren die von der Klägerin beauftragten Dienstleister vorliegend auch nicht gemäß § 75
Abs. 2 1. Alt notwendig beizuladen (
vgl. insoweit auch
BSG, Urt. v. 22.03.2012 - B 8 SO 30/10 R -, juris Rn. 16 bei zwischenzeitlicher Kostenübernahme durch Dritte).
Aus den Ausführungen zu 1. folgt nichts anderes. Auch wenn der Bescheid vom 22.04.2010 als Ausführungsbescheid den angefochtenen Ablehnungsbescheid nicht ersetzt hat, hat er aufgrund der vorstehend dargelegten Zusammenhänge den streitgegenständlichen Sozialhilfeanspruch inhaltlich verändert.
Dementsprechend ist auch insoweit eine Klarstellung des Tenors des SG notwendig. Der Beklagte wird durch diese Klarstellung nicht entgegen § 202
SGG i.V.m. § 528
Abs. 2
ZPO zusätzlich beschwert. Das SG wollte ausweislich seiner Ausführungen auf
S. 22 f. des Urteils offensichtlich zum Ausdruck bringen, dass der Beklagte den gesamten Bedarf der Klägerin im Hinblick auf Gebärdendolmetscher und Mitschreibkräfte abzudecken hat. Es hat, weil es die Wirkungen des Bescheids vom 22.04.2010 und die erfolgte vorläufige Leistungsgewährung des Beklagten nicht erkannt hat, lediglich die Verpflichtung des Beklagten inhaltlich falsch umschrieben. Der Beklagte hat zudem den Umfang des von der Klägerin geltend gemachten Bedarfs und die Höhe der im streitgegenständlichen Zeitraum entstandenen Kosten entsprechend den vorläufig bewilligten Leistungen in dem vor dem Senat geschlossenen Teilerledigungsvergleich unstreitig gestellt.
II. Die Klage ist, soweit ihr das SG stattgegeben hat, auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf endgültige Übernahme der durch Beauftragung von Gebärdendolmetschern und Mitschreibkräften im Zeitraum vom 20.05.2010 bis zum 22.07.2010 entstandenen Kosten von insgesamt 10.824,56 Euro aus § 19
Abs. 3
i.V.m. §§ 53,
54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII und
§ 13 Eingliederungshilfeverordnung (EinglHV).
1. Der Beklagte ist für die begehrte Leistung nicht nur mangels rechtzeitiger Weiterleitung des bei ihm gestellten Antrags gemäß
§ 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), sondern als überörtlicher Sozialhilfeträger auch nach § 97
Abs. 3
Nr. 1
SGB XII (materiell) sachlich zuständig. Eine abweichende Zuständigkeit ist weder durch Landesrecht noch durch die Satzung des Beklagten (
vgl. § 99
Abs. 3
SGB XII i.V.m. § 3
Abs. 1 Landesausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (
SGB XII) - Sozialhilfe - für das Land Nordrhein-Westfalen (
AG-SGB XII NRW)) bestimmt.
2. Die Klägerin erfüllt die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des
SGB XII gemäß
§ 19 Abs. 3 SGB XII sowohl dem Grunde nach als auch - bis auf einen Kostenbeitrag von 100,- Euro im Juni 2010 - im Hinblick auf die Höhe der im streitgegenständlichen Zeitraum entstandenen Kosten. Hiervon ist aufgrund des von den Beteiligten im Termin am 27.03.2014 geschlossenen Teilerledigungsvergleich auszugehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des 8. Senats des
BSG können einzelne unselbstständige Aspekte eines Streitgegenstandes durch einen "echten" Vergleich, der ein gegenseitiges Nachgeben voraussetzt, unstreitig gestellt werden (
vgl. BSG, Urt. v. 20.09.2012 - B 8 SO 4/11 R -, juris Rn. 13). Einen solchen zulässigen Teilerledigungsvergleich haben die Beteiligten hier u.a. in Ansehung der Bedürftigkeit der Klägerin im Sinne von § 19
Abs. 3
SGB XII im streitgegenständlichen Zeitraum geschlossen. Das gegenseitige Nachgeben liegt darin, dass sich einerseits die Klägerin zu einer Kostenbeteiligung in Höhe von 100,- Euro für Juni 2010 bereit erklärt und der Beklagte andererseits auf weitergehende Einwendungen betreffend die Bedürftigkeit der Klägerin im Sinne von § 19
Abs. 3
SGB XII dem Grunde und der Höhe nach verzichtet und diese unstreitig gestellt hat. Dass der geltend gemachte Klageanspruch nur nach Maßgabe des Vergleichs vom 27.03.2014 besteht, ist im Tenor klargestellt worden.
3. Die Klägerin hat gemäß §§ 53, 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII i.V.m. § 13 EinglHV im streitgegenständlichen Zeitraum dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der Kosten für Dolmetscher und Mitschreibkräfte während ihres Studiums der Druck- und Medientechnologie an der Universität X mit dem angestrebten Abschluss Bachelor.
Nach § 53
Abs. 1 Satz 1
SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (53
Abs. 3
SGB XII). Leistungen der Eingliederungshilfe sind nach § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII u.a. die Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule. Näheres regelt hierzu die nach
§ 60 SGB XII erlassene Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglHV). Nach § 13
Abs. 1
Nr. 5 EinglHV umfasst die Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf im Sinne des § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII u.a. die Hilfe zur Ausbildung an einer Hochschule oder einer Akademie. Diese Hilfe wird nach § 13
Abs. 2 EinglHV gewährt, wenn
1. zu erwarten ist, dass das Ziel der Ausbildung oder der Vorbereitungsmaßnahmen erreicht wird,
2. der beabsichtigte Ausbildungsweg erforderlich ist,
3. der Beruf oder die Tätigkeit voraussichtlich eine ausreichende Lebensgrundlage bieten oder, falls dies wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht möglich ist, zur Lebensgrundlage in angemessenem Umfang beitragen wird.
Diese Voraussetzungen liegen vor.
a) Die Klägerin hat Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe als Pflichtleistung gemäß § 53
Abs. 1
SGB XII, d.h. das "Ob" der Gewährung steht nicht im Ermessen der Beklagten, denn die Klägerin ist als Gehörlose gemäß
§ 1 Nr. 5 EinglHV wesentlich behindert im Sinne von § 53
Abs. 1
SGB XII. Näherer Feststellungen zum Ausmaß der Einschränkungen der Teilhabefähigkeit bedarf es bei Gehörlosen nicht (
vgl. BSG, Urt. v. 19.05.2009 -
B 8 SO 32/07 R -, juris Rn. 14).
b) Bei den begehrten Leistungen handelt es sich ihrer Art nach um Leistungen der Eingliederungshilfe, die nicht anderen Kapiteln des
SGB XII zuzuordnen sind. Die Klägerin begehrt nicht etwa Leistungen, die ihren Lebensunterhalt und die Ausbildungskosten, die auch Nichtbehinderten entstehen, decken sollen. Ihr Begehren beschränkt sich vielmehr auf solche Aufwendungen und Kosten, die ausschließlich wegen ihrer Behinderung entstehen und bei Nichtbehinderten nicht anfallen. Solche Leistungen, die behinderungsbedingten Besonderheiten Rechnung tragen sollen, sind von den Leistungen der Eingliederungshilfe umfasst (
vgl. zum Ganzen
BVerwG, Urt. v. 19.10.1995 -
5 C 28.95 -, juris Rn. 10
ff.).
c) Das von der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum absolvierte Studium stellt eine schulische Ausbildung für einen "angemessenen Beruf" im Sinne von § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII, § 13
Abs. 1
Nr. 5 EinglHV dar. Der Senat schließt sich insoweit - vorbehaltlich der nachfolgenden Ausführungen - den zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil an und nimmt auf sie Bezug (§ 153
Abs. 2
SGG). Darüber hinaus nimmt der Senat auf die den Beteiligten bekannten Ausführungen des 20. Senats im Beschluss vom 13.08.2010 -
L 20 SO 289/10 B ER -, juris Rn. 41
ff. Bezug, denen er sich - vorbehaltlich der nachfolgenden Ausführungen - nach eigener Prüfung ebenfalls anschließt.
Das Berufungsvorbringen des Beklagten führt zu keiner anderen Bewertung.
aa) Nach Auffassung des Senats liegt eine Ausbildung für einen "angemessenen Beruf" im Sinne von § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII, § 13
Abs. 1
Nr. 5 EinglHV vor, wenn auch ein nichtbehinderter Mensch in der Rolle des behinderten Leistungsberechtigten im konkreten Einzelfall bei Anstellen vernünftiger Erwägungen den gewählten Ausbildungsweg eingeschlagen hätte. Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich:
Der Beklagte weist zunächst zutreffend darauf hin, dass weder im
SGB XII noch im
SGB IX noch in der EinglHV definiert wird, was unter einem "angemessenen" Beruf zu verstehen ist (
vgl. zum Begriff der "angemessenen Schulbildung" im Sinne von § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGB XII ebenso
BSG, Urt. v. 23.08.2013 - B 8 SO 10/12 R -, juris Rn. 21) und deshalb der Bedeutungsgehalt durch die anerkannten Methoden juristischer Auslegung erschlossen werden muss.
Insoweit weist der Beklagte auch zutreffend darauf hin, dass dem Begriff der "Angemessenheit" gerade im juristischen Sprachgebrauch stets ein Abwägungsvorgang innewohnt. So wird der Begriff "Angemessenheit" beispielsweise häufig als Synonym für die im Rahmen der Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmende Prüfung der sog. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verwendet. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist stets eine Abwägung der betroffenen gegenläufigen Rechtsgüter erforderlich. Dies legt es nahe, dass nicht jeder von dem behinderten Menschen erstrebte Beruf deshalb angemessen ist, weil sich der behinderte Mensch für ihn entschieden hat, sondern auch objektive Kriterien im Rahmen eines Abwägungsvorgangs berücksichtigt werden müssen. Hierfür spricht auch § 9
Abs. 2 Satz 1
SGB XII, wonach die grundsätzlich für die Leistungsgewährung maßgeblichen Wünsche der Leistungsberechtigten nur beachtlich sind, soweit sie angemessen sind.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass dem Wunsch des behinderten Menschen beliebige, vermeintlich objektive, gesellschaftspolitisch wertende oder finanzielle Erwägungen als gegenläufige Interessen im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit gegenübergestellt werden können. Die erforderliche Abwägung hat sich vielmehr an den Zielen der Eingliederungshilfe, namentlich der Eingliederung des behinderten Menschen in die Gesellschaft (§ 53
Abs. 3 Satz 1
SGB XII), zu orientieren. Mit Eingliederung ist dabei nicht ein Mindestmaß an Teilhabe gemeint, das auch kaum ohne externe, nicht normtextbezogene Wertungen bestimmt werden könnte (
vgl. dazu auch
BSG, Urt. v. 02.02.2012 -
B 8 SO 9/10 R -, juris Rn. 27). Im Hinblick auf das in
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG enthaltene Förderungsgebot (siehe dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth,
GG, 11. Aufl. 2011,
Art. 3 Rn. 142, 147) muss es vielmehr auf die Verhältnisse nichtbehinderter Menschen ankommen (siehe insoweit auch
BSG, Urt. v. 23.08.2013 - B 8 SO 24/11 R -, juris Rn. 16). Das in
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG enthaltene Förderungsgebot verpflichtet insbesondere den Gesetzgeber dazu, im Rahmen des Möglichen, d.h. im Rahmen seines grundsätzlichen weiten Gestaltungsspielraums, durch geeignete Maßnahmen die Lebensverhältnisse von Behinderten und Nichtbehinderten anzugleichen. Auch wenn sich aus diesem Förderungsgebot regelmäßig keine konkreten verfassungsrechtlichen Ansprüche des behinderten Menschen ableiten lassen, kann der Verfassungsauftrag als abstrakte Zielbestimmung, nicht als Gebot einer bestimmten Leistung, für die Auslegung solcher einfach-rechtlicher Bestimmungen herangezogen werden, die gerade der Umsetzung des Förderungsgebotes dienen. Hierzu gehören die Vorschriften über die Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des
SGB XII und gerade auch § 53
Abs. 3 Satz 1
SGB XII mit seiner Bestimmung der Ziele der Eingliederungshilfe.
Von daher geht auch der Einwand des Beklagten fehl, die in
Art. 1
Abs. 1
GG garantierte Menschenwürde sei das Maß aller Dinge im Sozialhilferecht. Es trifft zwar zu, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das seine Grundlage im Übrigen nicht allein in
Art. 1
Abs. 1
GG findet, sondern aus einer untrennbaren Verbindung von
Art. 1
Abs. 1
GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des
Art. 20
Abs. 1
GG folgt (dazu Aubel, in Emmenegger/Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
S. 273 (278
ff.)), die verfassungsrechtliche Wurzel der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Dritten und Vierten Kapitel des
SGB XII darstellt. Bei der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel geht es jedoch um mehr als die Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz, sondern um gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen und die Beseitigung faktischer Benachteiligungen Behinderter in der Lebenswirklichkeit.
Die maßgebliche Berücksichtigung der Ziele der Eingliederungshilfe und die Heranziehung der Verhältnisse nichtbehinderter Menschen als Maßstab für die Bestimmung eines "angemessenen Berufs" im Sinne von § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII, § 13
Abs. 1
Nr. 5 EinglHV stellt auch sicher, dass den Wünschen des behinderten Menschen nicht entgegen § 9
Abs. 2 Satz 1
SGB XII schrankenlos zu entsprechen ist. Vielmehr muss die gewählte Ausbildung geeignet sein, die Eingliederung des behinderten Menschen im Sinne einer gleichberechtigten Teilhabe nachhaltig zu erreichen. Insoweit kommt es darauf an, ob auch ein nichtbehinderter Mensch in der Rolle des behinderten Menschen bei Anstellen vernünftiger Erwägungen den betreffenden Ausbildungsweg eingeschlagen hätte. Dies schließt zum einen die Förderung solcher Ausbildungen aus, für die der behinderte Mensch nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten ungeeignet ist und die er deshalb bei prognostischer Betrachtung voraussichtlich nicht erfolgreich beenden wird (
vgl. hierzu auch § 13
Abs. 2
Nr. 1 EinglHV). Insoweit deckt sich der Begriff eines "angemessenen Berufs" mit dem Begriff der "angemessenen Schulbildung" im Sinne von § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGB XII,
§ 12 EinglHV, die nach herrschender Rechtsprechung einen Anspruch auf die Ermöglichung einer dem individuellen Potential des Betreffenden entsprechenden Bildung vorsehen (dazu
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17.01.2013 - 12 B 1360/12 -, juris Rn. 5; abweichend bei bereits bestehendem Schulabschluss
VG Augsburg, Urt. v. 17.10.2000 - Au 3 K 99.823 -, juris Rn. 33
ff.). Zum anderen sind auch solche Ausbildungen nicht förderungsfähig, die nicht geeignet sind, die Lebensverhältnisse des behinderten Menschen zu verbessern,
z.B. weil sie keine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass nach abgeschlossener Ausbildung eine Arbeitsstelle gefunden werden kann (
vgl. dazu auch § 13
Abs. 2
Nr. 3 EinglHV). Bei Anstellen vernünftiger Erwägungen würde auch ein nichtbehinderter Mensch einen solchen Ausbildungsweg nicht einschlagen. Maßgeblich sind allerdings stets die individuellen Verhältnisse im Einzelfall (
vgl. insoweit auch
BSG, Urt. v. 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R -, juris Rn. 26)
bb) Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch, ob dann, wenn der behinderte Mensch bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt und sogar eine Tätigkeit in dem erlernten Beruf ausübt, eine andere angestrebte Tätigkeit ein "angemessener Beruf" im Sinne von § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII, § 13 EinglHV sein kann. Für die Annahme eines strengeren Maßstabs, etwa dergestalt, dass nur in Ausnahmefällen insoweit von einem "angemessenen Beruf" auszugehen ist, lässt sich keine normative Grundlage finden (in der Sache ebenso für die Förderung einer höheren Schulbildung nach § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGB XII, § 12 EinglHV
LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 15.12.2008 -
L 7 SO 4639/08 ER-B -, juris Rn. 10;
VG München, Urt. v. 16.05.2002 - M 15 K 00.244 -, juris Rn. 25; abweichend
VG Augsburg, Urt. v. 17.10.2000 - Au 3 K 99.823 -, juris Rn. 33
ff.). Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob der bislang ausgeübte Beruf ebenfalls nach unter aa) genannten Kriterien "angemessen" ist, denn in Abhängigkeit von den Kenntnissen und Fähigkeiten des behinderten Menschen und nach den objektiven Gegebenheiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt können durchaus mehrere und verschiedene Tätigkeiten als "angemessener Beruf" im Sinne von § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII in Betracht kommen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der betreffende behinderte Mensch den höchsten, nach § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII vorgesehenen Bildungsabschluss, nämlich der Hochschulabschluss, noch nicht gefördert durch Eingliederungshilfe erlangt hat (zu diesem Gesichtspunkt
LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.02.2011 -
L 2 SO 379/11 ER-B -, juris Rn. 8). Einschränkungen können sich allenfalls aus dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit ergeben (dazu unten d) bb)).
Aus § 13
Abs. 2
Nr. 3 EinglHV folgt unabhängig davon, ob sich aus dieser untergesetzlichen Vorschrift überhaupt Folgerungen für den Begriff eines "angemessenen Berufs" im Sinne von § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII ziehen lassen, nicht dass bei Sicherung des Lebensunterhalts durch einen bereits ausgeübten Beruf keine weitere Förderung mehr in Betracht kommt. Vielmehr verlangt § 13
Abs. 2
Nr. 3 EinglHV - positiv -, dass der beabsichtigte Beruf voraussichtlich eine ausreichende Lebensgrundlage bietet, und schließt nicht - negativ - die Förderung bei bereits bestehender ausreichender Lebensgrundlage aus.
Soweit im zivilrechtlichen Unterhaltsrecht oder im Recht der Ausbildungsförderung nach dem
BAföG Einschränkungen für die Unterstützung oder die Förderung von Zweitausbildungen
bzw. die Förderung älterer Auszubildender vorgesehen sind, können diese Wertungen auf die Leistungen der Eingliederungshilfe und die Auslegung des Begriffs "angemessener Beruf" nicht übertragen werden. Während es bei der Leistung von Unterhalt oder von Ausbildungsförderung vornehmlich
bzw. ausschließlich um die Sicherung des Lebensunterhalts oder des ausbildungsspezifischen Bedarfs geht, dienen die Leistungen der Eingliederungshilfe allein dem Ausgleich behinderungspezifischer Nachteile und verfolgen damit eine andere Zielrichtung. Dass ein Studierender nach Vollendung des 30. Lebensjahres nach § 10
Abs. 3 Satz 1
BAföG grundsätzlich keine Studienförderung erhalten kann, bedeutet lediglich, dass er, wenn er sich dennoch für das Studium entscheidet, selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen muss. Wenn eine behinderte Studentin, wie die Klägerin, dementsprechend ebenfalls selbst für ihren Lebensunterhalt sorgt, kann ihr im Hinblick auf die Leistungen der Eingliederungshilfe nicht entgegen gehalten werden, sie sei für das Studium zu alt.
Historische oder entstehungsgeschichtliche Erwägungen führen nicht weiter. Zwar fand sich in § 40
Abs. 1
Nr. 5 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in der bis zum 30.06.2001 geltenden Fassung eine Vorschrift, die speziell auf Ausbildungen nach bereits abgeschlossener Berufsausbildung zugeschnitten war. Danach umfasste die Eingliederungshilfe auch Hilfe zur Fortbildung im früheren oder einem diesem verwandten Beruf oder zur Umschulung für einen angemessenen Beruf oder eine sonstige angemessene Tätigkeit; Hilfe konnte auch zum Aufstieg im Berufsleben gewährt werden, wenn die Besonderheit des Einzelfalles dies rechtfertigte. Diese Vorschrift ist jedoch zum 01.07.2001 ersatzlos gestrichen worden. Über die Motive des Gesetzgebers geben die Gesetzgebungsmaterialien keine Auskunft. In der Begründung des entsprechenden Gesetzentwurfs (
BT-Drucks 14/5074, S. 124) heißt es lediglich, die Neuregelung gehe nicht hinter das alte Recht zurück. Daraus kann geschlossen werden, dass eine Verschlechterung der Leistungen nicht beabsichtigt war, also die Streichung des § 40
Abs. 1
Nr. 5 BSHG a.F. Leistungen der Eingliederungshilfe bereits ausgeübtem Beruf nicht ausschließen oder einschränken sollte. Die Schlussfolgerung, dass im Rahmen des verbliebenen § 40
Abs. 1
Nr. 4 BSHG, dem § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGB XII entspricht, eine weitergehende (Aufstiegs-)Ausbildung nur in Ausnahmefällen durch Leistungen der Eingliederungshilfe gefördert werden sollte, kann jedoch nicht gezogen werden.
Auch aus der bereits unter dem BSHG entwickelten Verwaltungspraxis ergibt sich nichts für die Auslegung des § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII. Die überkommene Verwaltungspraxis kann nur insoweit maßgeblich für die Auslegung einer Vorschrift sein, als sie in irgendeiner Weise Eingang in den Normtext gefunden hat,
z.B. weil der Gesetzgeber eine bestimmte Verwaltungspraxis "legalisieren" will. Hierfür ist nichts ersichtlich.
Im Hinblick auf das Ziel der Eingliederungshilfe können sich Einschränkungen bei bereits ausgeübtem Beruf nur insoweit ergeben, als ein nichtbehinderter Menschen mit entsprechenden Kenntnissen und Fertigkeiten die Ausbildung für den vom behinderten Menschen erstrebten weiteren oder anderen Beruf nicht angegangen wäre. Hier wird regelmäßig eine Rolle spielen, ob der erstrebte weitere Berufsabschluss in sachlichem Zusammenhang mit der bisherigen Berufsausübung steht und realistische Chancen für eine berufliche Verbesserung bei erfolgreichem Abschluss des weiteren Ausbildungsgangs bestehen. Hierbei wird auch das Lebensalter des behinderten Menschen zu berücksichtigen sein, denn ab einem bestimmten Lebensalter können berufliche Verbesserungen unrealistisch erscheinen. Maßgeblich sind aber stets die individuellen Umstände des Einzelfalls.
cc) Nach diesen Grundsätzen ist das von der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum absolvierte Studium der Druck- und Medientechnologie an der Universität X mit dem angestrebten Abschluss Bachelor als Ausbildung für einen "angemessenen Beruf" im Sinne von § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII, § 13 EinglHV zu werten.
(1) Die Klägerin bot nach ihren Kenntnissen und Fähigkeiten, gleichgültig ob man auf den Zeitpunkt des Erlasses des Ablehnungsbescheids vom 04.11.2009, den Erlass des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2010 oder den Zeitraum vom 20.05.2010 bis zum 22.07.2010 abstellt, bei prognostischer Betrachtung die Gewähr dafür, dass sie das begonnene Studium voraussichtlich würde erfolgreich abschließen können. Sie verfügte nicht nur über die Allgemeine Hochschulreife als Zugangsberechtigung, sondern auch über einschlägige praktische Berufserfahrung, die ihr voraussichtlich in dem Studium von Nutzen sein würde. Der spätere Verlauf des Studiums gibt keinen Anlass, diese Prognose in Frage zu stellen. Die Klägerin hat zwar einige Prüfungen nicht bestanden. Sie kann diese aber noch wiederholen. Dies wäre nach § 14
Abs. 6 Satz 1 der Prüfungsordnung für den Bachelor Studiengang Druck und Medientechnologie an der Bergischen Universität X vom 26.01.2005 erst dann nicht mehr möglich, wenn ihr Maluskonto den Wert von 70 Maluspunkten überstiege. Die Klägerin hat aber wegen der nicht bestandenen Prüfungen bislang nur 22 Maluspunkte erhalten. Dass die Klägerin die Regelstudienzeit von 6 Semestern (§ 3
Abs. 1 der Prüfungsordnung) überschritten hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Es ist davon auszugehen, dass die Überschreitung der Regelstudienzeit auf der Behinderung der Klägerin beruht und nicht auf mangelnde Fähigkeiten zurückzuführen ist (
vgl. insoweit auch das bei dem Beklagten eingereichte Attest ihres Hausarztes
Dr. F, Bl. 28 der Verwaltungsakte). Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden auch nicht durch die bislang nur durchschnittlichen Noten den Klägerin in Frage gestellt. Bei den Leistungen nach den § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII handelt es sich nicht um Elitenförderung. Sie zielen vielmehr auf eine Gleichstellung von behinderten Studierenden mit durchschnittlichen nichtbehinderten Studierenden ab.
(2) Für die Aufnahme des Studiums lassen sich auch vernünftige Erwägungen anführen, die auch ein nichtbehinderter Mensch angestellt hätte.
Das Studium Druck und Medientechnologie steht in sachlichem Zusammenhang mit dem bisherigen Berufsweg der Klägerin. Aus der vom Senat eingeholten Auskunft der Bergischen Universität X geht zudem hervor, dass ein großer Teil der Studierenden dieser Fachrichtung bereits, wie die Klägerin, über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt. Dieser Schluss kann nach Auffassung des Senats durchaus aus der Anzahl derjenigen Studierenden gezogen werden, die nicht über die Allgemeine Hochschulreife als Zugangsberechtigung verfügen, sondern deren Vorbildung im Sinne von § 1
Abs. 3 Satz 1 der Prüfungsordnung als gleichwertig anerkannt ist. Die berufliche Vorbildung der Klägerin stellt damit keine Besonderheit gegenüber ihren nichtbehinderten Kommilitonen dar.
Der von der Klägerin angestrebte höhere Bildungsabschluss als Bachelor Druck und Medientechnologie bietet ihr auch eine realistische Aussicht auf eine Verbesserung ihrer beruflichen Situation. Dies ergibt sich aus der vom Senat eingeholten Auskunft der Bundesagentur für Arbeit. Danach haben die Absolventen des Studiengangs Druck und Medientechnologie schon deshalb bessere Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt, weil es zu Verdrängungsprozessen dergestalt kommt, dass Stellen für Mediengestalter durch Hochschulabsolventen besetzt werden. Zudem sind nach der Auskunft der Bundesagentur für Arbeit die Verdienstmöglichkeiten erfolgreicher Absolventen des Studiengangs Druck und Medientechnologie deutlich besser. Dieser Gesichtspunkt ist gerade im Falle der Klägerin einschlägig, denn ihr Verdienst, den sie bei ihrem jetzigen Arbeitgeber vor dem Studium in einer Vollzeittätigkeit erhalten hat, lag erheblich unter dem Durchschnitt. Nach der vom Senat eingeholten Auskunft der Bundesagentur für Arbeit können Mediengestalter Bruttovergütungen zwischen 2.341,- Euro und 2.928,- Euro monatlich erhalten. Der Bruttoverdienst der Klägerin betrug vor ihrem Studium demgegenüber nur 1.850,- Euro.
Darüber hinaus hat die Klägerin aber auch bei erfolgreichem Studienabschluss durchaus realistische Chancen, bei ihrem bisherigen Arbeitgeber beruflich aufzusteigen. Auf Befragen des Senats hat dieser angegeben, der Klägerin könnte u.U. mehr Eigenverantwortung gegeben werden, was auch mit Gehaltssteigerungen verbunden wäre. Gründe, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln, sind nicht ersichtlich.
Nicht zuletzt deshalb führt der Umstand, dass die Klägerin bei Beginn des Studiums bereits ihr 30. Lebensjahr vollendet hatte, nicht dazu, dass in ihrem Fall berufliche Verbesserungschancen unrealistisch erscheinen. Darüber hinaus strebt die Klägerin nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Ende des Jahre 2014 den Abschluss ihres Studiums an. Dies vorausgesetzt, hätte sie bei Abschluss der geförderten Ausbildung ihr 35. Lebensjahr vollendet. In Anbetracht des Umstandes, dass das Studium Druck und Medientechnologie gerade auch von solchen Personen gewählt wird, die schon über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, erscheint ein solches Alter bei Abschluss des Studiums nicht gänzlich ungewöhnlich. Zudem hätte die Klägerin bis zum Erreichen der Regelaltersrente noch gut 30 Jahre vor sich, die sie mit einer qualifizierteren Erwerbstätigkeit füllen könnte.
Vor diesem Hintergrund stellt der Studiengang Druck und Medientechnologie auch aus Sicht eines nichtbehinderten Menschen in der Lage der Klägerin eine vernünftige Option dar.
d) Die Klägerin erfüllt auch die Voraussetzungen des § 13
Abs. 2 EinglHV.
aa) Im Hinblick auf die berufliche Vorbildung der Klägerin ist es im Sinne von § 13
Abs. 2
Nr. 1 EinglHV zu erwarten, dass die Klägerin das Studium erfolgreich abschließen wird und damit das Ziel der Ausbildung erreichen wird. Insoweit wird auf die Ausführungen zu c) cc) (1) Bezug genommen.
bb) Der beabsichtigte Ausbildungsweg ist auch erforderlich im Sinne von § 13
Abs. 2
Nr. 2 EinglHV.
(1) Der Senat teilt insoweit allerdings nicht die Auffassung des SG, wonach sich "erforderlich" nicht auf die weitere Ausbildung und den erstrebten weiteren Berufsabschluss, sondern nur auf den Bildungsgang bezieht und mithin lediglich zu prüfen sein soll, ob der erstrebte Berufsabschluss auch über einen anderen Bildungsweg erreichen wäre. Eine solche Sichtweise erscheint dem Senat gerade auch im Vergleich zu den Voraussetzungen für die Leistungen zur angemessenen Schulbildung nach § 12 EinglHV zu eng. Auch der Wortlaut des § 13
Abs. 2
Nr. 2 EinglHV zwingt nicht zu einer entsprechenden Auslegung. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 13
Abs. 1 EinglHV ergibt sich vielmehr, dass Bezugspunkt der Erforderlichkeitsprüfung "ein" angemessener Beruf sein muss. Im Rahmen von § 13
Abs. 2
Nr. 2 EinglHV ist deshalb auch zu berücksichtigen, ob der behinderte Mensch bereits einen anderen "angemessenen Beruf" ausübt, und zu prüfen, ob der mit der beschrittenen Ausbildung erstrebte andere "angemessene Beruf" und die damit gewünschte berufliche Veränderung erforderlich sind.
Wie auch bei anderen Leistungen der Eingliederungshilfe muss für die Erforderlichkeit aber ein individueller, einzelfallbezogener Maßstab gelten, der die angemessenen Wünsche des behinderten Menschen und die Verhältnisse nichtbehinderter Menschen berücksichtigt (
vgl. insoweit
BSG, Urt. v. 29.09.2009 -
B 8 SO 19/08 R -, juris Rn. 22; Urt. v. 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R -, juris Rn. 26). Insoweit bedarf es bezogen auf den Beginn der Ausbildung oder den Beginn der begehrten Hilfen einer Prognose (
vgl. BSG, Urt. v. 23.08.2013 -
B 8 SO 24/11 R -, juris Rn. 18). Entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu c) aa) und bb) kann die Erforderlichkeit nicht unter Bezugnahme auf beliebige, vermeintlich objektive, gesellschaftspolitisch wertende oder finanzielle Erwägungen verneint und der behinderte Mensch auf einen irgendwie gearteten Mindeststandard oder die abstrakt gesehen bereits erfolgte berufliche Eingliederung verwiesen werden. Maßgebliches Beurteilungskriterium ist vielmehr, ob auch ein nichtbehinderter Mensch in der individuellen Lage des behinderten Menschen bei Anstellen vernünftiger Erwägungen eine berufliche Veränderung und zur Erreichung dieses Ziels einen anderen oder höheren Bildungsabschluss angestrebt hätte. Insoweit kommt es nach Maßgabe der Umstände des Einzelfall darauf an, ob ein nachvollziehbarer Anlass für berufliche Veränderungen besteht, ob die erstrebten beruflichen Veränderungen auch ohne weitere Ausbildung und einen höheren Bildungsabschluss gleichermaßen möglich sind und ob die erstrebten beruflichen Veränderungen in angemessenem Verhältnis zu den Belastungen und Risiken stehen, die auch für nichtbehinderte Menschen mit einer mehrjährigen Berufsausbildung und einer damit einhergehenden Unterbrechung der (Vollzeit-)Berufstätigkeit verbunden sind. Insoweit kann auch eine Rolle spielen, ob die bisherige berufliche Tätigkeit schon längere Zeit ausgeübt wurde und zwischen dem letzten Berufsabschluss und der Aufnahme der weiteren Ausbildung ein längerer Zeitraum liegt. Die Anforderungen an die Plausibilität für eine berufliche Veränderung können mit zunehmender Dauer der Ausübung der bisherigen beruflichen Tätigkeit wachsen. Allerdings kann sich u.U. gerade auch aus längerer beruflicher Tätigkeit eine Notwendigkeit nach beruflicher Veränderung ergeben. Zudem ist behinderungsbedingten Besonderheiten Rechnung zu tragen.
(2) Nach diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Einzelfall bezogen auf den Beginn der streitgegenständlichen Hilfen im April 2010 und auch unter Berücksichtigung des weiteren Geschehensablaufs die Erforderlichkeit des beabsichtigten Ausbildungswegs nicht verneint werden. Zum einen ist und war der eingeschlagene Bildungsgang, das Studium Druck und Medientechnologie, für den erstrebten Berufsabschluss erforderlich. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen (§ 153
SGG). Zum anderen ist und war auch die angestrebte berufliche Verbesserung durch einen höheren Bildungsabschluss selbst erforderlich.
Es lassen sich plausible Gründe dafür anführen, dass die Klägerin trotz ihrer seit 2003 ausgeübten Berufstätigkeit einen höheren Bildungsabschluss in Gestalt des Bachelors Druck und Medientechnologie anstrebt und hierfür ein Studium begonnen hat. Zum einen hat die Klägerin ihre Entscheidung ausführlich reflektiert. Sie hat im Berufungsverfahren nachvollziehbar dargelegt, dass sie sich nach der bisherigen Berufstätigkeit fachlich weiterentwickeln will und der breit gefächerte Studiengang ihr Beschäftigungsmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen und Branchen ermöglichen würde. Zum anderen und vor allem besteht im Falle der Klägerin auch ein nachvollziehbarer wirtschaftlicher Anlass für eine berufliche Weiterentwicklung. Ihr jetziger Arbeitgeber zahlte ihr zuletzt für ein Vollzeittätigkeit monatlich 1.850,- brutto und damit ein Gehalt, das nach der vom Senat eingeholten Auskunft der Bundesagentur für Arbeit deutlich unter dem durchschnittlichen Gehalt für Arbeitnehmer mit vergleichbarer Ausbildung wie die Klägerin liegt. Zudem zahlt ihr Arbeitgeber ausweislich der auf Aufforderung des Senats eingereichten Kontoauszüge der Klägerin in sehr unregelmäßigen Abschnitten. Von daher würde jeder nichtbehinderte Mensch in Erwägung ziehen, sich beruflich zu verändern und sich insoweit gerade auch vor diesem Hintergrund besser zu qualifizieren.
Ohne den angestrebten Studienabschluss ist die angestrebte berufliche Veränderung nach der Überzeugung des Senats nicht möglich. Die Klägerin kann nicht darauf verwiesen werden, sich mit der vorhandenen Berufsausbildung bei anderen Arbeitgebern zu bewerben, um so eine besser bezahlte Arbeitsstelle zu erhalten. Nach der vom Senat eingeholten Auskunft der Bundesagentur für Arbeit waren im August 2012 1.114 ausgebildete Mediengestalter arbeitslos gemeldet bei lediglich 80 offen gemeldeten Stellen. Demgegenüber waren lediglich 17 Ingenieure/innen im Bereich Druck- und Medientechnik arbeitslos gemeldet. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Situation auf dem Arbeitsmarkt im April 2010 eine andere war. Die deshalb ohnehin eingeschränkten Aussichten der Klägerin, als lediglich ausgebildete Mediengestalterin eine neue Arbeitsstelle zu finden, waren nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit wegen der Behinderung der Klägerin noch schlechter zu beurteilen, weil die Eingliederungschancen schwerbehinderter Menschen grundsätzlich erschwert sind. Berücksichtigt man darüber hinaus den von der Bundesagentur geschildeten "Verdrängungseffekt", wonach erfolgreiche Absolventen des Studiengangs Druck und Medientechnologie den ausgebildeten Mediengestaltern generell vorgezogen werden, erscheint der von der Klägerin gewählte Weg, durch das Studium Druck und Medientechnologie eine höhere Qualifikation zu erwerben, der einzig erfolgversprechende Weg, um eine berufliche Verbesserung zu ermöglichen.
In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen steht und stand die angestrebte berufliche Veränderung auch in angemessenem Verhältnis zu den Risiken und Belastungen des begonnenen Studiums. Auch wenn es keinesfalls gewiss ist, dass die Klägerin nach erfolgreichem Abschluss des Studiums eine besser bezahlte Arbeitsstelle findet und auch die Ausführungen ihres Arbeitgebers zu Aufstiegsmöglichkeiten der Klägerin in seinem Betrieb äußerst vage sind, begründet allein der erfolgreiche Abschluss des begonnenen Studiums eine realistische, bessere Chance der Klägerin auf eine berufliche Verbesserung. Gerade im Hinblick auf die aus den dargestellten Gründen schwierige Situation bei ihrem bisherigen Arbeitgeber hätte deshalb auch ein nichtbehinderter Mensch die Belastungen des Studiums auf sich genommen.
Dass zwischen dem Abschluss der Ausbildung zur Mediengestalterin und dem Beginn des Studiums ein Zeitraum von etwa sechs Jahren liegt, führt unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zu einer anderen Bewertung. Zwar hat die Bergische Universität X auf Befragen des Senats die Einschätzung geäußert, dass sich die meisten der Studierenden mit abgeschlossener Berufsausbildung kurze Zeit nach Beendigung der Berufsausbildung für ein Studium entscheiden und nicht vorher erst längere Zeit berufstätig sind. Für diese Einschätzung lagen der Universität jedoch keine Zahlen vor, so dass es sich letztlich um eine bloße Vermutung handelt. Im Hinblick auf die erhebliche Behinderung der Klägerin erscheint es in jedem Fall nachvollziehbar und vernünftig, dass die Klägerin zunächst beruflich Fuß fassen wollte, bevor sie eine weitere Ausbildung begann. Wegen ihrer erheblichen Behinderungen muss der Klägerin ohnehin ein längerer Zeitraum zugestanden werden, um durch Berufsausübung ihre Fähigkeiten besser einschätzen und beurteilen zu können, ob sie eine weitergehende Qualifikation nach ihren Kenntnissen und Fertigkeiten erreichen, ein Studium bewältigen und sich realistischerweise beruflich verbessern kann.
cc) Der nach erfolgreichem Studienabschluss für die Klägerin mögliche Beruf bietet nach der vom Senat eingeholten Auskunft der Bundesagentur für Arbeit voraussichtlich auch eine ausreichende Lebensgrundlage im Sinne von § 13
Abs. 2
Nr. 3 EinglHV. Auf die Ausführungen zu c) cc) (2) wird Bezug genommen.
e) Die Einschaltung von Gebärdendolmetschern und Mitschreibkräften als begehrte Leistung der Eingliederungshilfe war im streitgegenständlichen Zeitraum ebenfalls dem Grunde nach erforderlich.
aa) Dass die begehrten Hilfen im Sinne von § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB XII ihrerseits erforderlich sein müssen, ergibt sich zwar ausdrücklich weder aus dieser Vorschrift noch aus § 13 EinglHV (
vgl. demgegenüber § 12 EinglHV). Die Beschränkung der Leistungen der Eingliederungshilfe auf die erforderlichen Leistungen folgt aber auch ohne ausdrückliche Normierung aus dem Nachranggrundsatz gemäß § 2
Abs. 1
SGB XII (
vgl. insoweit das Urteil des Senats v. 30.08.2012 -
L 9 SO 452/11 -, juris Rn. 37) und der allgemein für alle Teilhabeleistung geltenden Vorschrift des
§ 4 Abs. 1 SGB IX. Erforderlich ist eine Leistung dann, wenn unter Anlegung des auch insoweit geltenden individuellen Maßstabs keine verfügbaren Möglichkeiten der Selbsthilfe bestehen oder kostengünstigere Lösungen hätten gewählt werden können (
vgl. insoweit
BSG, Urt. v. 20.09.2012 -
B 8 SO 15/11 R -, juris Rn. 14).
bb) Die von der Klägerin begehrten Hilfen sind in diesem Sinne erforderlich. Auf Selbsthilfe kann die Klägerin nicht zumutbar verwiesen werden. Die Klägerin hat nachvollziehbar geschildert und durch Vorlage von Fachliteratur glaubhaft gemacht, dass sie nicht in der Lage ist, einer Vorlesung nur durch Lippenablesen vollständig zu folgen und auch bei Tätigwerden von Gebärdendolmetschern nicht alles selbst mitschreiben kann. Der Senat hat keinen Anlass, an den Angaben der Klägerin zu zweifeln, zumal auch der Beklagte insoweit keine Einwände geltend macht. Die Klägerin kann auch nicht darauf verwiesen werden, sich den Lernstoff ausschließlich im Selbststudium durch Lektüre von Lehrbücher o.Ä. anzueignen. Ebenso wie nichtbehinderte Studierende muss sie die Möglichkeit haben, einer mündlichen und didaktisch aufbereiteten Erläuterung des Stoffes, wie sie in einer Vorlesung erfolgt
bzw. erfolgen sollte, zu folgen, um so zu einem besseren Verständnis zu gelangen.
f) In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen stehen die begehrten Leistungen, auch was die Art und Weise der Leistungserbringung anbetrifft, nicht im Ermessen des Beklagten, so dass es auch auf etwaige Ermessensfehler des Beklagten nicht ankommt. Es handelt sich vielmehr um eine gebundene Entscheidung. Zwar ist nach § 17
Abs. 2
SGB XII über Form und Maß der Sozialhilfe nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das
SGB XII das Ermessen nicht ausschließt. Soweit der Sozialhilfe Begehrende jedoch von seinem Wunsch und Wahlrecht (§ 9
Abs. 2 Satz 1
SGB XII) Gebrauch macht und eine Leistung begehrt, die in der Eingliederungshilfe-VO geregelt ist, kommt es nur auf die in der Eingliederungs-VO normierten Voraussetzungen an und ist für eine Ermessenentscheidung des Sozialhilfeträgers kein Raum. Bei den Vorschriften der Eingliederungshilfe-VO handelt es sich in der Sache um das in § 17
Abs. 2
SGB XII vorgesehene Ermessen konkretisierende Regelungen, die die Gewährung der in der Eingliederungshilfe-VO normierten Leistungen an ihrer Natur nach anspruchsbegrenzende Voraussetzungen ("angewiesen sein", "Geeignetheit", "Erforderlichkeit") knüpft. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist nicht zuletzt im Hinblick auf das Wunsch- und Wahlrecht des Betroffenen kein Gesichtspunkt mehr denkbar, der im Wege einer Ermessensausübung die Ablehnung der begehrten Leistung rechtfertigen könnte. Dies muss auch dann gelten, wenn, wie hier, die Erforderlichkeit der begehrten Leistungen als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu prüfen ist.
4. Den Anspruch der Höhe nach, d.h. was den Umfang der Inanspruchnahme von Gebärdendolmetschern und Mitschreibkräften im streitgegenständlichen Zeitraum und die dadurch verursachten Kosten anbetrifft, haben die Beteiligten in dem vor dem Senat geschlossenen Teilerledigungsvergleich unstreitig gestellt. Dementsprechend war der Beklagte ohne weitergehende Prüfung zur endgültigen Tragung aller im Zeitraum vom 20.05.2010 bis zum 22.07.2010 vorläufig übernommenen Kosten nach Maßgabe des Teilerledigungsvergleichs vom 27.03.2014 zu verurteilen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193
SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin nach dem Teilerledigungsvergleich nur zu einem geringen Teil unterliegt.
IV. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160
Abs. 2
SGG), liegen nicht vor. Die die Entscheidung des Senats tragenden rechtlichen Grundsätze lassen sich ohne weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung des
BSG ableiten. Im Übrigen geht es im Wesentlichen um die Entscheidung eines Einzelfalls.