Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 4. Mai 2015 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme von Mietkosten für die Wohnung am früheren Wohnort während einer Internatsunterbringung anlässlich einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme vom 1. November 2013 bis zum 31. Juli 2014 in Höhe von 264,00
EUR monatlich streitig.
Die 1989 geborene Klägerin ist ein behinderter Mensch und stand bis zum 31. Oktober 2013 beim Beigeladenen in Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB II). Ab 1. Juli 2013 erhielt sie Kosten für Unterkunft und Heizung für eine eigene Wohnung in G. mit einer Wohnfläche von circa 32 qm und einer Warmmiete von 264,00
EUR monatlich, in die sie mit Zustimmung des Beigeladenen wegen eines schwerwiegenden Grundes bei Personen vor Vollendung des 25. Lebensjahres gemäß § 22
Abs. 5
SGB II eingezogen war.
Vom 21. Oktober 2013 bis zum 31. Juli 2014 nahm die Klägerin an einer durch die Beklagte geförderten berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme in H. Berufsbildungswerk I. mit Internatsunterbringung teil. Die Beklagte bewilligte unter anderem mit Bescheiden vom 5. November 2013 und 17. Februar 2014 Ausbildungsgeld in Höhe von 104,00
EUR monatlich sowie Anreise-, Rückreise- und Fahrkosten für Familienheimfahrten. Die Klägerin erhielt ferner abgezweigtes Kindergeld in Höhe von 184,00
EUR monatlich.
Die zuletzt durch Bescheid vom 10. Juli 2013 bewilligten SGB II-Leistungen von 1. Juli bis zum 31. Dezember 2013 wurden durch Bescheid des Beigeladenen vom 21. Februar 2014 mit Wirkung vom 1. November 2015 eingestellt, weil spätestens ab diesem Tage der Anspruch gemäß § 7
Abs. 5
SGB II entfallen sei. Gegen den auf Widerspruch der Klägerin ergangenen Widerspruchsbescheid des Beigeladenen vom 16. Juni 2014 ist beim Sozialgericht (SG) Lüneburg unter dem Aktenzeichen S 25 AS 727/14 ein Klageverfahren anhängig, welches das SG durch Beschluss vom 4. Dezember 2014 ohne Zustimmung der Klägerin von Amts wegen zum Ruhen gebracht hat.
Die Stadt G. lehnte die Bewilligung von Wohngeld gemäß § 20
Abs. 2 Wohngeldgesetz ab, weil der Klägerin dem Grunde nach Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder nach den Bestimmungen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch -
SGB III - zustehen würden (Bescheid vom 31. März 2014). Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 und Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2014 lehnte der Beigeladene eine Bewilligung von Arbeitslosengeld II
bzw. von Leistungen an Auszubildende gemäß § 27
SGB II ab 1. November 2013 ab.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin vom 16. Januar 2014 auf Übernahme der Unterkunftskosten für die bisherige Wohnung in G. während der Internatsunterbringung mit gesondertem Bescheid vom 24. Februar 2014 ab, weil die Zuständigkeit für die Übernahme der Kosten dieser Wohnung beim Beigeladenen liege. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin unter Vorlage einer Bescheinigung des H. Berufsbildungswerkes geltend, dass sie regelmäßig das Internat an jedem zweiten Wochenende im Monat sowie während der 21 Urlaubstage verlassen müsse, da dort kein Betreuungspersonal zur Verfügung stehe. Sie benötige zusätzlich eine eigene Wohnung, weil sie aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung ihrer Eltern verwiesen werden dürfe. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil sie für die Übernahme der Kosten für die Wohnung in G. nicht zuständig sei. Zudem hätte die Klägerin an den Ort der Maßnahme umziehen können, wodurch die Kosten für eine internatsmäßige Unterbringung entfallen wären.
Durch Beschluss vom 28. März 2014 - S 18 AL 32/14 ER - verpflichtete das SG Lüneburg die Beklagte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, der Klägerin vorläufig für die Zeit vom 1. November 2013 bis zum 31. März 2014 Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 792,00
EUR und für die Zeit vom 1. April 2014 bis zum 31. Juli 2014 Unterkunftskosten in Höhe von 200,00
EUR monatlich zu gewähren.
Die Klägerin hat am 18. Juli 2014 Klage beim SG Lüneburg erhoben und eine Stellungnahme des psychologischen Dienstes vom H. Berufsfortbildungswerk vom 22. September 2014 vorgelegt. Danach leide die Klägerin an einer Depression, Epilepsie, Migräne, Lernbehinderung und Dyskalkulie. Während der berufsvorbereitenden Maßnahme seien psychologische Einzelgespräche, eine Betreuung durch den Gesundheitsfachdienst sowie pädagogische und sozialpädagogische Hilfen im Alltag und beim Umgang mit Ämtern und Behörden erforderlich gewesen. Die Klägerin sei in vielen Bereichen auf Unterstützung und Hilfestellungen angewiesen gewesen. In einer eigenen Wohnung außerhalb des Internats hätte sie die wichtige pädagogische Unterstützung nicht erhalten können.
Die Beklagte hat erwidert, eine Kostenübernahme für den Fall, dass die Jugendlichen bereits vor der Ausbildung über eigenen Wohnraum verfügten, sei im Rahmen der Leistungsgewährung zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Ausbildungsgeld nicht möglich. Im Fall des Scheiterns der Berufsfindung hätte die Klägerin umgehend wieder gegen den Beigeladenen einen Anspruch auf die Übernahme der Unterkunftskosten für einen eigenen Wohnraum.
Das SG hat mit Urteil vom 4. Mai 2015 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014 verurteilt, für den Zeitraum vom 1. November 2013 bis zum 31. Juli 2014 die Kosten für die Wohnung in G. in Höhe von 264,00
EUR monatlich zu übernehmen. In den Gründen hat es ausgeführt, die Beklagte sei gemäß
§ 127 Abs. 1 Satz 2 SGB III zur Übernahme der Wohnkosten verpflichtet. Danach seien als Teilnahmekosten auch weitere Aufwendungen anzusehen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen, sowie Kosten für Sonderfälle der Unterkunft und Verpflegung. Bei der Vorschrift des § 127
Abs. 1 Satz 2
SGB III handele es sich um eine Generalklausel, die den Eingliederungserfolg absichern und verhindern solle, dass kostspielige Eingliederungsmaßnahmen erfolglos blieben, weil bestimmte Leistungen nicht gewährt werden könnten. Diese Voraussetzungen seien im Falle der Klägerin erfüllt, weil ausweislich der Stellungnahme des psychologischen Dienstes beim H. Berufsbildungswerk eine Internatsunterbringung aus Behinderungsgründen erforderlich gewesen sei. Der Klägerin sei ferner nicht zumutbar, sich in der übrigen Zeit bei den Eltern aufzuhalten. Um den Erfolg der Maßnahme zu gewährleisten, sei von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen. Das an die Klägerin ausgezahlte Kindergeld bleibe gemäß § 127
Abs. 2
Nr. 1
SGB III anrechnungsfrei.
Die Beklagte hat am 3. Juni 2015 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Voraussetzungen für Sonderfälle der Unterkunft und Verpflegung im Sinne von § 127
Abs. 1 Satz 2
SGB III in
§ 128 SGB III seien abschließend geregelt worden und beträfen ausschließlich Fallgestaltungen einer auswärtigen Unterbringung, bei denen der behinderte Mensch nicht in einem Wohnheim, Internat oder einer besonderen Einrichtung untergebracht sei. Die Kosten für die Wohnung am Heimatort seien jedoch nicht zwingend und unmittelbar durch die Aufnahme der Ausbildung entstanden. Die hier vorliegende Konstellation falle deshalb nicht unter die Sonderregelung des § 128
SGB III. Auch im Rahmen der Berufsausbildungsbeihilfe könnten Kosten für die Wohnung am Heimatort, soweit der Auszubildende vorübergehend eine andere Ausbildungsstätte besuchen müsse, nicht nach
§ 64 SGB III übernommen werden, weil sie nicht unmittelbar durch die Berufsausbildung entstehen würden. Wenn nach Auffassung des Bundessozialgerichts alle abstrakt förderungsfähigen Ausbildungen im Rahmen der Systeme der sozialen Leistungen gleich zu behandeln seien, könne dies nur dazu führen, dass die Klägerin - wie eine nichtbehinderte Auszubildende - gehalten sei, beim Beigeladenen ein Darlehen gemäß § 27
Abs. 4
SGB II in Anspruch zu nehmen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Lüneburg vom 4. Mai 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Klägerin trägt vor, es sei ein untragbares Ergebnis, wenn ihre Unterkunftskosten von keiner Stelle übernommen würden, denn dies hätte bedeutet, dass sie in Zeiten, in denen sie sich nicht im Internat habe aufhalten können, obdachlos gewesen wäre oder aber die Maßnahme hätte abbrechen müssen, um Leistungen nach dem
SGB II zu erhalten. Mit Ende der berufsvorbereitenden Maßnahme sei sie für den Monat August 2014 wieder in ihre Wohnung in G. gezogen. Seit dem 1. September 2014 absolviere sie im H. Bildungswerk eine dreijährige Ausbildung zur Gärtnerin. Nach Ablauf der Probezeit habe sie die Wohnung in G. aufgegeben und sei zum 1. Januar 2015 in eine Internatswohnung des J. Bildungswerks eingezogen, die ständig bewohnt werden könne. Die Kosten für diese Internatswohnung habe wie die Internatskosten während der berufsvorbereitenden Maßnahme die Beklagte übernommen. Ein Darlehen nach dem
SGB II von dem Beigeladenen möchte die Klägerin nicht in Anspruch nehmen.
Der Beigeladene, durch Beschluss des Senats vom 24. September 2015 an dem Verfahren beteiligt, trägt vor, die Übernahme von Mietrückständen/Unterkunftskosten nach § 27
Abs. 4
SGB II sei nach Verneinung eines besonderen Härtefalles bestandskräftig abgelehnt worden. Aus demselben Grunde scheide auch die Gewährung einer Beihilfe oder eines Darlehens in besonderen Härtefällen gemäß § 22
Abs. 1 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XII) aus.
Der Senat hat vom H. Berufsbildungswerk eine Auskunft vom 16. August 2016 über die Frage eingeholt, warum die Klägerin während der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme nicht - wie später während der Berufsausbildung - in dem Internat untergebracht wurde, das ständig bewohnt werden konnte.
Wegen des umfassenden Sachverhalts und des vollständigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Vorgänge der Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils sowie zur Klageabweisung. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Unterkunftskosten für ihre Wohnung in G. während der auswärtigen Internatsunterbringung im Rahmen der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme vom 1. November 2013 bis zum 31. Juli 2014.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014, mit dem sie auf den gesonderten Antrag der Klägerin vom 16. Januar 2014 auf Übernahme der Unterkunftskosten für die zusätzlich zu der Internatsunterbringung vorgehaltene bisherige Wohnung entschieden hat. Es steht nicht entgegen, dass die Beklagte bereits mit bestandskräftigen Bescheiden über den Umfang der Forderung durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben entschieden hatte. Dem Leistungssystem der §§ 112 ff
SGB III ist nämlich keine Regelung zu entnehmen, dass über die Teilnahmekosten nur einheitlich zu entscheiden wäre. Die Beklagte war folglich nicht gehalten, den zusätzlichen Antrag der Klägerin vom 16. Januar 2014 über ein ihr bis dahin unbekanntes Begehren als Überprüfungsantrag im Rahmen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB X) verfahrensmäßig abzuwickeln. Die sonstigen Teilnahmekosten sowie die Höhe des Ausbildungsgeldes sind zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
Der Klägerin stehen keine weiteren Teilnahmekosten in Höhe von 264,00
EUR monatlich zu.
1. Die Teilnahmekosten sind als eigenständige Leistung neben dem Ausbildungsgeld in den
§§ 127 und
128 SGB III geregelt. Gemäß § 127
Abs. 1 Satz 1
SGB III bestimmen sich Teilnahmekosten nach den
§§ 33,
44,
53 und
54 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IX). Sie beinhalten nach § 127
Abs. 1 Satz 2
SGB III auch weitere Aufwendungen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen, sowie Kosten für Sonderfälle der Unterkunft und Verpflegung. Werden behinderte Menschen auswärtig untergebracht, aber nicht in einem Wohnheim, Internat, einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen oder bei der oder dem Auszubildenden mit voller Verpflegung, so wird gemäß § 128
SGB III ein Betrag in Höhe von 269,00
EUR monatlich zuzüglich der nachgewiesenen behinderungsbedingten Mehraufwendungen erbracht.
2. Die Beklagte hat vorliegend nach § 127
Abs. 1 Satz 1
SGB III in Verbindung mit § 33
Abs. 7
Nr. 1
SGB IX, wonach zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch die Übernahme der erforderlichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung gehört, wenn für die Ausführung einer Leistung eine Unterbringung außerhalb des eigenen oder des elterlichen Haushaltes wegen Art und Schwere der Behinderung oder zur Sicherung des Erfolgs der Teilhabe notwendig ist, die Kosten für Unterkunft und Verpflegung am Maßnahmeort als Teilnahmekosten zu tragen. Da sich der Bedarf der Klägerin nach
§ 123 Abs. 1 Nr. 2 SGB III richtet, umfasst diese Verpflichtung der Beklagten die gesamten Internatskosten beim H. Berufsbildungswerk I.. Zu diesen Teilnahmekosten gehört nicht die Miete für die bereits vor Beginn und unabhängig von der Maßnahme angemietete Wohnung in G., weil diese nicht durch die Maßnahme unmittelbar verursacht wird. Der Förderrahmen des Teilhaberechts bei behinderten Menschen am Arbeitsmarkt beschränkt sich auf die durch die Berufsausbildung
bzw. Erreichung des Arbeitsplatzes ausgelöste Bedarfslage. Nicht erfasst vom Leistungskatalog sind dagegen Aufwendungen, die ohne unmittelbaren Bezug zur Berufsausbildung zum Bestandteil der persönlichen Lebensführung gehören, die Verbesserung der Lebensqualität bewirken sowie elementare Grundbedürfnisse befriedigen und sich auf diese Weise nur mittelbar bei der Berufsausbildung auswirken (
BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 -
B 7 AL 16/04 R - Rz. 21, SozR 4-3250 § 14
Nr. 1).
3. Als Rechtsgrundlage kommt auch nicht § 127
Abs. 1 Satz 1
SGB III in Verbindung mit § 33
Abs. 1, 3
Nr. 6 und
Abs. 8
Nr. 6
SGB IX in Betracht. Hiernach gehören die Kosten der Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung in angemessenem Umfang zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die erbracht werden, wenn sie erforderlich sind, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leitungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Es kann offenbleiben, ob aus § 33
Abs. 8 Satz 1 1. Halbsatz
SGB IX abzuleiten ist, dass diese Regelung nicht auf berufsvorbereitende Maßnahmen anwendbar sein soll (verneinend Bayrisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. Juli 2015 -
L 7 AS 594/14 -). Denn bei der Wohnung in G. handelt es sich nicht um eine behindertengerechte Wohnung, deren Unterhaltung zwecks Erhaltung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin erforderlich wäre. Sie stellt insbesondere keinen behinderungsbedingten Zusatzbedarf dar, der vom Rehabilitationsträger getragen werden muss.
4. Entgegen der Auffassung des SG (so auch
LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. April 2013 -
L 2 AS 951/12 B ER - und Thüringer
LSG, Beschluss vom 2. Juli 2014 - L 9 AS 656/14 B ER -) taugt § 127
Abs. 1 Satz 2
SGB III nicht als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin. Diese Norm erfasst Kosten in Sonderfällen der Unterkunft, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen. Es handelt sich um eine Auffangvorschrift (Luik in Eicher/Schlegel, SGB III-Kommentar, § 127 Rdz. 98; Kador in NK-Großkommentar, 5. Auflage 2013, § 127 Rdz. 86), die besondere Einzelfälle ergänzend zu den in § 127
Abs. 1 Satz 1
SGB III erfassten Kosten auch solche erfasst, die speziell aufgrund der Behinderung notwendig sind. Hierzu zählen Aufwendungen für gesundheitlich besonders betroffene behinderte Menschen am Ort der Maßnahme,
z. B. in Gestalt von Spezialtoiletten, Aufenthaltsräumen und allgemeinen Betreuungseinrichtungen (Großmann in Hauck/Noftz, SGB III-Kommentar, Stand April 2015, § 127
Rdnr. 268). Zu verlangen ist weiterhin, dass diese zusätzlichen Leistungen in Sonderfällen unmittelbar durch die Maßnahme entstehen und ferner unvermeidbar sein müssen. Außerdem werden nur solche Kosten erfasst, die nicht schon ("... weiterer ...") in anderen Vorschriften über Teilnahmekosten geregelt sind, wie
z. B. bei der Unterbringung in einem Internat (
BSG, Urteil vom 9. November 1983 -
7 RAr 48/82 - SozR 4100 § 56
Nr. 14). Es ist zwar aus Sicht der Klägerin verständlich, dass sie erst endgültig nach I. umziehen wollte, wenn sich daraus eine dauerhafte Ausbildungsperspektive ergeben hätte. Diese Einstellung ist aber dem privaten Lebensbereich zuzuordnen und nicht unmittelbar und unvermeidbar durch die Teilnahme an der Maßnahme bedingt. Diese Kosten stellen folglich keine wegen der Berufsvorbereitungsmaßnahme ausgelöste Bedarfslage, die im gestaffelten Sozialleistungssystem den Leistungen der Teilhabe am Arbeitslegen zuzuordnen ist. An diesem Ergebnis kann nur der Gesetzgeber etwas ändern.
5. Nach einem Urteil des
LSG Hamburg vom 29. Juni 2016 - L 2 AL 41/15 - Revision anhängig beim
BSG, Az.: B 11 AL 15/16 R -) sei die Regelung für Teilnahmekosten bei Fortbildungsmaßnahmen im Lichte des Grundsatzes einer umfassenden Leistungspflicht des zuständigen Trägers im Rahmen eines Gesamtleistungspaketes auszulegen, weil § 128
SGB III im Ergebnis darauf abstelle, ob durch die Maßnahme eine Unterbringung an einem anderen Ort als dem bisherigen Wohnort veranlasst werde. Zur Schließung von Deckungslücken müsse deshalb der Begriff der auswärtigen Unterbringung auch auf Fallkonstellationen ausgedehnt werden, in denen eine eigene Unterkunft subsidiär zu Internatsunterbringung zwar vorhanden sei, das Recht der Teilhabeleistungen indes keine Mittel speziell für deren Vorhalten vorsehe (Rdz. 45). In diesem Fall sei gemäß § 128
SGB III der pauschalierte Betrag in Höhe von 269,00
EUR monatlich zuzüglich der nachgewiesenen behinderungsbedingten Mehraufwendungen zu gewähren (Rdz. 46). Dieser Auffassung ist nicht zu folgen.
a) Der Gesetzgeber hat die Teilnahmekosten bei auswärtiger Unterbringung außerhalb des eigenen oder des elterlichen Haushaltes für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts abschließend in §§ 127, 128
SGB III geregelt. Danach werden zwei Fallgestaltungen unterschieden. Bei Unterbringung des behinderten Menschen in einer der in § 123
Abs. 1
Nr. 2
SGB III genannten Einrichtungen ist Rechtsgrundlage für die Teilnahmekosten § 127
Abs. 1 Satz 1
SGB III in Verbindung mit §§ 33
Abs. 7
Nr. 1
SGB IX. In diesen Fällen hat der behinderte Mensch mit der Abwicklung der Teilnahmekosten nichts zu tun; die Abrechnung erfolgt direkt zwischen der Beklagten und dem Träger der Einrichtung auf der Basis eines öffentlich-rechtlichen Vertrages durch Pauschalsätze pro Teilnehmer. Den zweiten Fall regelt § 128
SGB III, nämlich wenn bei notwendiger auswärtiger Unterbringung der behinderte Mensch nicht in einem Wohnheim, Internat, einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen wohnt. Kann also der behinderte Mensch während der Maßnahme nicht an seinem Wohnort verbleiben und wohnt aus sachlichen Gründen am Maßnahmeort nicht in einer Einrichtung, sondern in einer Wohngemeinschaft oder einer selbst angemieteten Wohnung, gewährleistet § 128
SGB III eine Gleichbehandlung dadurch, dass ein zusätzlicher Leistungsbetrag von 269,00
EUR monatlich zuzüglich der nachgewiesenen behinderungsbedingten Mehraufwendungen verlangt werden kann (Großmann in Hauck/Noftz, SGB III-Kommentar, Stand Januar 2015, § 128 Rdz. 27). Wie von diesem Normverständnis des § 128
SGB III heraus (auswärtige Unterbringung in einer Einrichtung einerseits oder außerhalb einer Einrichtung anderseits) die Schlussfolgerung gezogen werden soll, dass eine dritte Fallkonstellation (zusätzliche eigene Wohnung neben der Internatsunterbringung) vom Gesetzgeber geregelt werden müsste, obwohl - wie das
LSG Hamburg zu Recht hervorhebt - das Teilhaberecht behinderter Menschen am Arbeitsleben nach
§§ 112 ff SGB III keine Mittel speziell für diese Disposition des behinderten Menschen vorsieht, ist nicht nachvollziehbar.
b) Zu dieser Lückenfüllung sieht sich das
LSG Hamburg durch das Urteil des
BSG vom 11. November 1993 -
7/9b RAr 16/92 - (SozR 3-4480 § 29
Nr. 2, juris Rdz. 16) berechtigt. Dem damals geltenden Rehabilitationsrecht (§ 5
Abs. 2 Satz 1 und
Abs. 3 Reha-Angleichungsgesetz
i. V. m. § 10 Reha-Anordnung) hatte das
BSG den Grundsatz einer umfassenden Leistungspflicht des zuständigen Trägers im Rahmen eines Gesamtleistungspaketes entnommen, so dass weitere Leistungen eines anderen Trägers nicht erforderlich werden sollten. Dieses
BSG-Urteil ist aber aus mehreren Gründen auf die hier anzuwendende Rechtslage nicht übertragbar.
aa) Bereits die Sachverhalte unterscheiden sich erheblich voneinander. In dem Urteil des
BSG aus dem Jahre 1993 ging es um die Frage, ob ein zunächst bewilligtes Mittagessen während der geförderten Teilnahme im Arbeitstrainingsbereich einer Behindertenwerkstatt auch dann als Leistung der berufsfördernden Rehabilitation nach § 56
Abs. 3 Arbeitsförderungsgesetz (
AFG) zu zahlen war, nachdem der behinderte Mensch aus Nicht-Behinderungsgründen in einem Wohnheim untergebracht war und dafür der Sozialhilfeträger Eingliederungshilfe bewilligt hatte. Es war nur darüber zu entscheiden, ob der Begriff "internatsmäßige Unterbringung" durch die Fixierung auf einen bestimmten Maßnahmezweck gekennzeichnet sei. Das
BSG hatte eine internatsmäßige Unterbringung in dem Wohnheim verneint, weil Ausbildung und Rehabilitation einerseits sowie Unterkunft und Verpflegung anderseits nicht im Zusammenhang stünden, so dass der dortige Kläger als Pendler anzusehen war und die Beklagte als Rehabilitationsträger weiterhin die Kosten einer Mittagsmahlzeit in der Behindertenwerkstatt zu übernehmen hatte. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um Kosten von Unterkunft und Verpflegung für die Tage, an denen die Klägerin an der berufsvorbereitenden Maßnahme teilgenommen hat, für die die Beklagte als Maßnahmeträger unzweifelhaft aufkommen muss und zwar auch dann, wenn die Klägerin nicht in der Einrichtung gespeist hat, sondern aus eigenen Mitteln außerhalb. Streitig sind hier vielmehr Kosten, die bereits vor Beginn der Maßnahme begründet worden sind und unabhängig von der Teilnahme an der Maßnahme entstehen.
bb) Entscheidend ist ferner, dass sich seit dem vom
LSG Hamburg zitierten
BSG-Urteil die normative Ausgangslage geändert hat. Der vom
BSG im Jahr 1993 in § 5
Abs. 2 Satz 1 und
Abs. 3 Reha-Angleichungsgesetz in Verbindung mit § 10 Reha-Anordnung ermittelte Grundsatz des Rehabilitationsrechts bezüglich einer umfassenden und abschließenden Leistungspflicht eines einzelnen Trägers existiert in dieser Form im geltenden Teilhaberecht behinderter Menschen am Arbeitsleben nicht mehr. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber für eine andere Lösung entschieden, nämlich dass während der geförderten Teilnahme am Arbeitsleben nicht nur die Beklagte, sondern
z. B. auch der Grundsicherungsträger zeitgleich zuständig sein kann, etwa für einen nichtausbildungsbedingten Bedarf (
BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 28/07 - SozR 4-4200 § 3
Nr. 9) oder allgemein für ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27
Abs. 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (
SGB II) in der bis zum 31. Juli 2016 gültigen Fassung (
a. F.).
cc) Während nach § 56
Abs. 2
Nr. 6
AFG sonstige Leistungen zu gewähren waren, die unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung erforderlich wurden, werden nunmehr sonstige Leistungen als Teilnahmekosten nach §§ 127, 128
SGB III nur dann erstattet, wenn diese durch die Maßnahme unmittelbar entstehen und wegen der Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar sind, also nicht nur erforderlich (Großmann in Hauck/Noftz, SGB III-Kommentar, Stand April 2015, § 127 Rdz. 267). Es ist folglich nicht mehr ausreichend, dass die Kosten nur anlässlich der Teilnahme an einer Maßnahme entstehen, sondern müssen unmittelbar und zwingend durch die bewilligte Förderleistung verursacht werden. Das trifft vorliegend auf die Klägerin nicht zu. Ihre Wohnung in Walsrode ist nicht als unerlässlicher Bestandteil der Berufsfindungsmaßnahme anzusehen.
dd) Die geänderte Rechtslage hat auch in der späteren Rechtsprechung des
BSG Ausdruck gefunden. In dem vom
LSG Hamburg zitierten Urteil des
BSG vom 11. November 1993 - 7/9b RAr 16/92 - juris Rdz. 19 war noch zu lesen, dass die Befriedigung allgemeiner Lebensbedürfnisse auch zum Aufgabenkreis eines Rehabilitationsträgers zu rechnen seien, um eine vollständige und dauerhafte Eingliederung der Behinderten zu erreichen. Von dieser umfassenden Leistungspflicht des zuständigen Rehabilitationsträgers im Rahmen eines Gesamtleistungspaketes ist das
BSG in der Folgezeit abgerückt. So wird
z. B. im
BSG-Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 7 AL 16/04 R - SozR 4-3250 § 14
Nr. 1, juris Rdz. 21 unter Bezugnahme auf diverse Kommentarstellen hervorgehoben, dass Kosten, die zum Bestandteil der persönlichen Lebensführung gehören, die Verbesserung der Lebensqualität bewirken sowie elementare Grundbedürfnisse befriedigen und sich auf diese Weise nur mittelbar bei der Berufsausbildung auswirken, nicht durch Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben förderungsfähig sind. Die Beibehaltung der früheren Wohnung in G. durch die Klägerin ist weder aus behinderungsbedingten Gründen noch aus Gründen der Teilnahme an der Fördermaßnahme bedingt, sondern durch ihre private Lebensführung beeinflusst. Sofern sie zu diesem Verhalten einen berechtigten Grund hat und nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt, ist dieses Lebensrisiko vom Grundsicherungsträger aufzufangen, nicht aber durch weitere Teilnahmekosten für Eingliederungsmaßnahmen.
ee) Die vom
LSG Hamburg vertretene Auffassung würde schließlich auf der Rechtsfolgenseite zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Wäre die Klägerin
z. B. nicht in der Einrichtung untergebracht worden, hätte sie für die Unterbringung außerhalb der Einrichtung im I. Anspruch auf 269,00
EUR aus unmittelbarer Anwendung des § 128
SGB III sowie auf weitere 269,00
EUR für die frühere Wohnung in G. aus analoger Anwendung des § 128
SGB III. Darüber hinaus würde dieser zusätzliche Beitrag allen Teilnehmern zustehen, die nicht hilfebedürftig im Sinne des
SGB II sind und ihre bisherige Wohnung unabhängig von den Schließzeiten des Internats behalten wollen.
6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Übernahme der zusätzlichen Unterkunftskosten aus dem
SGB III hat. Das ergibt sich indirekt aus den Urteilen des
BSG vom 6. August 2014 - B 4 AS 55/13 R - und vom 17. Februar 2015 -
B 14 AS 25/14 R -. Dort ging es zwar in erster Linie um die fehlende Anwendung des § 27
Abs. 3
SGB II a. F., sonst hätte das
BSG die Beklagte beiladen und verurteilen müssen (
vgl. jetzt
BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 -
B 14 AS 40/15 R -, Terminbericht
Nr. 39/16). Dieses Ergebnis entspricht der Rechtslage anderer Rechtsgebiete des Sozialleistungsrechts. Auch nach der gesetzlichen Rentenversicherung
bzw. der gesetzlichen Unfallversicherung existiert keine Rechtsgrundlage, nach der während einer Rehabilitation mit auswärtiger Unterbringung auch die (gegebenenfalls anteiligen) bisherigen Wohnkosten erstattet werden. Denn Ergebnis der Rechtsprechung des
LSG Hamburg ist es auch, dass diese zusätzlichen Kosten immer und ausnahmslos unabhängig vom finanziellen Bedarf des behinderten Menschen von der Beklagten erstattet werden müssen.
7. Die Klägerin kann die Kosten für die weiterhin angemietete Wohnung in G. nicht gegen den Beigeladenen geltend machen.
a) Einen Anspruch auf einen Zuschuss zu den Unterkunftskosten nach § 27
Abs. 3
SGB II a.F. besteht nicht, weil sich der Bedarf der Klägerin nach § 124
Abs. 3 in Verbindung mit § 123
Abs. 1
Nr. 2
SGB III bemisst, der in § 27
Abs. 3
SGB II a. F. nicht aufgeführt ist (
BSG, Urteil vom 17. Februar 2015 - B 14 AS 25/14 R -, juris Rdz. 45).
b) Das Begehren der Klägerin findet in § 27
Abs. 4 Satz 1
SGB II a. F. seine Anspruchsgrundlage. Danach können als Darlehen Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erbracht werden, sofern der Leistungsausschluss nach § 7
Abs. 5
SGB II eine besondere Härte bedeutet. Diese Voraussetzungen sind durch den entstandenen Hilfebedarf an den Wochenenden und in den Ferien, in denen die Klägerin nicht im Internat bleiben kann, erfüllt. Unter diesen Bedingungen besteht begründeter Anlass für die Annahme, dass die Ausbildung ansonsten nicht beendet werden kann und damit das Risiko künftiger Erwerbslosigkeit droht (so auch Bayrisches
LSG, Urteil vom 23. Juli 2015 - L 7 AS 694/14 -). Von einer weiteren Darlegung kann der Senat absehen, weil die Klägerin kein Darlehen begehrt und allein die Zuschussleistung Streitgegenstand ist.
c) Ein Anspruch auf Beihilfe in besonderen Härtefällen, wenn der Anspruch bei Auszubildenden dem Grunde nach ausgeschlossen bleibt, ist als Ermessensleistung in § 22
Abs. 1 Satz 2
SGB XII vorgesehen. Diese Rechtsgrundlage ist jedoch für die Klägerin nicht anwendbar. Anders als beim Leistungsausschluss für
EU-Ausländer nach § 7
Abs. 1 Satz 2
Nr. 2
SGB II bleibt für Auszubildende das Tor für Sozialleistungen nicht grundsätzlich verschlossen. Denn das
SGB II hat in § 27
Abs. 4
SGB II a. F. eine Härtefallregelung vorgesehen und damit im Sinne eines Rückausschlusses eine Leistungsberechtigung nach dem
SGB II dem Grunde nach normiert. Dass die Regelung in § 22
Abs. 1 Satz 2
SGB XII günstiger ist, weil neben Darlehen auch Beihilfen möglich sind, ist ohne Bedeutung (Eicher in juris-PK
SGB XII, 2. Auflage 2014, § 21
Rdnr. 39).
Die Kostenentscheidung beruht auf Anwendung des § 193
SGG. Da die Klägerin unterliegt, muss sie selbst für die eigenen außergerichtlichen Kosten aufkommen.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG) zugelassen.