Der Kläger begehrt mit der Klage die Gewährung von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz ohne Anrechnung eines Einkommens für die ihm mittags in der Werkstatt für Behinderte gewährte Beköstigung.
Der im Jahre 1970 geborene Kläger bewohnt eine Oberwohnung im Hause seines Vaters, der auch sein Betreuer ist. Der Beklagte bewilligte dem Kläger, der bisher von der für den Beklagten handelnden Stadt G. Hilfeleistungen zum Lebensunterhalt bezogen hatte, für die Zeit ab 1. Januar 2003 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger hiergegen Klage, die unter dem Aktenzeichen 4 A 131/03 beim Verwaltungsgericht (
VG) Osnabrück anhängig war, und beanstandete die Anrechnung des für ihn von seinem Vater bezogenen Kindergeldes auf den Hilfebedarf. Durch Annahme eines Vergleichsvorschlages in Form eines Beschlusses des
VG vom 26. Februar 2004 schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, wonach sich der Beklagte verpflichtete, dem Kläger Grundsicherungsleistungen ohne Anrechnung von Kindergeld für die Zeit ab 1. Januar 2003 zu gewähren. Weiterhin heißt es in dem Vergleich: "Die Beteiligten sind darüber einig, dass damit alle im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche ausgeglichen sind."
Mit Schreiben vom 9. März 2004 teilte der Beklagte den damaligen und jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass aufgrund des Vergleiches eine Neuberechnung der Grundsicherungsleistung ohne Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen erfolge. Es errechne sich eine Nachzahlung in Höhe von 2.310,--
EUR für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. März 2004, die an den Kläger ausgezahlt werde.
Hiergegen legte der Kläger mit folgender Begründung Widerspruch ein: Es sei zu beanstanden, dass der Beklagte bei der Berechnung der Einkünfte einen Betrag in Höhe von monatlich 47,92
EUR für das ihm, dem Kläger, zur Verfügung stehende, kostenfreie Mittagessen in der Werkstatt für Behinderte angesetzt und in Abzug gebracht habe. Es sei zwar gerechtfertigt gewesen, einen derartigen Abzug bei den bisher gewährten Sozialhilfeleistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt vorzunehmen, da sich der danach zu gewährende Regelsatz an dem tatsächlich gegebenen Bedarf orientiere und in diesem ein Anteil von
ca. 20 % für das Mittagessen enthalten gewesen sei. Aus diesem Grunde habe die Rechtsprechung eine Minderung des Regelsatzes für zulässig erklärt, weil der Bedarf anderweitig gedeckt gewesen sei. Die Grundsicherung stelle jedoch eine pauschalierte Leistung dar, die nicht nach dem Bedarfsdeckungsgrundsatz wie der Regelsatz der Hilfe zum Lebensunterhalt errechnet werde. Sie könne daher nur gemindert werden, wenn Einkommen vorliege. Das Mittagessen sei aber kein Einkommen im Sinne von § 76 BSHG. Es handele sich nicht um Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Das kostenfreie Mittagessen in der Werkstatt sei integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe nach § 40 BSHG und ein Teil der Vergütung, die die Werkstatt von dem zuständigen Rehabilitationsträger erhalte. Es sei somit eine Sozialleistung, die nach § 77 BSHG nicht angerechnet werden dürfe.
Den Widerspruch des Klägers, dessen Vertretung die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers im Laufe des Widerspruchsverfahrens übernommen hatten, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2004 aus folgenden Gründen zurück: Das in der Werkstatt gewährte kostenfreie Mittagessen sei als Sachbezug und somit als Einkommen im Sinne des Grundsicherungsgesetzes zu werten. Nach § 76
Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), der
gem. § 3
Abs. 2 Grundsicherungsgesetz auch für die Ermittlung des Grundsicherungsanspruches Gültigkeit habe, würden zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert gehören. Sachbezüge, wie
z.B. kostenlose Verpflegung, würden Einkünfte in Geldeswert darstellen. Die Anrechnung des Mittagessens als Sachbezug im Rahmen der Einkommensberechnung zur Ermittlung des Grundsicherungsanspruches sei deshalb korrekt und entspreche den derzeit geltenden rechtlichen Vorgaben. Durch die Anrechnung des Sachbezuges als Einkommen solle eine doppelte Kostenübernahme aus öffentlich rechtlichen Mitteln verhindert werden. Die Leistungen der Grundsicherung würden nämlich durch die Anerkennung des jeweils maßgebenden Regelsatzes der Sozialhilfe u.a. bereits die vollen Kosten für die Ernährung beinhalten, so dass eine Gegenrechnung des bereits kostenlos erhaltenen Mittagessens als Einkommen die logische Folge sei. Der sich durch das kostenlos zur Verfügung gestellte Mittagessen ergebene geldwerte Vorteil belaufe sich z.Zt. auf monatlich 47,92
EUR. Dieser Betrag sei im Rahmen der Ermittlung des Grundsicherungsanspruchs als Einkommen aus Sachbezug zugrunde gelegt worden. Auch stehe § 77
Abs. 1 BSHG der vorgenommenen Anrechnung des Sachbezuges nicht entgegen. Hiernach seien Leistungen, die aufgrund öffentlich rechtlicher Bestimmung zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt würden, nur insoweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck diene. Bei der im Rahmen der Eingliederungshilfe
gem. § 40 ff BSHG insoweit kostenlos übernommenen Aufwendungen für Verpflegung handele es sich um eine zweckidentische Leistung zu der im Rahmen der Grundsicherung übernommenen Kosten für Ernährung, so dass auch aus diesem Grunde eine Anrechnung als Einkommen zulässig sei.
Gegen den am 14. Dezember 2004 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 13. Januar 2005 unter Wiederholung seines Vorbringens im Widerspruchsverfahren Klage erhoben.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter entsprechender Aufhebung seines Bescheides vom 9. März 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2004 zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz ohne Anrechnung eines Einkommens für das in der Werkstatt gewährte kostenfreie Mittagessen zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf der angefochtenen Bescheide,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens des Verwaltungsgerichts Osnabrück 4 A 131/03.
Die Klage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet. Der Beklagte hat im Grundsatz zu Recht das dem Kläger in der Werkstatt gewährte Mittagessen als Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigt, allerdings ist der hierfür in Ansatz gebrachte Betrag von monatlich 47,92
EUR rechtlich zu beanstanden.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) für den hier maßgeblichen Zeitraum hat. Nach § 3
Abs. 2 des Gesetzes gelten für den Einsatz von Einkommen die §§ 76 ff BSHG und die dazu erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Nach § 76
Abs. 1 Satz 1 BSHG gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Nach § 2
Abs. 1 der Durchführungsverordnung zu § 76 BSHG sind für die Bewertung von Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Kost, Wohnung und sonstige Sachbezüge), die aufgrund des § 170
Abs. 1 Satz 2 RVO (= § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch -
SGB IV -) für die Sozialversicherung zuletzt festgesetzten Werte der Sachbezüge maßgebend. Allerdings bestimmt Satz 2 der Vorschrift, dass die Verpflichtung, den notwendigen Lebensunterhalt im Einzelfall nach Abschnitt 2 des Gesetzes sicherzustellen, unberührt bleibt.
Aus den dargelegten Vorschriften ergibt sich somit, dass grundsätzlich eine kostenlose Beköstigung als Einkommen im Rahmen der Grundsicherung zu berücksichtigen ist. Soweit der Kläger meint, es ergebe sich etwas anderes aus § 77 BSHG, kann auf die diesbezüglichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen werden.
Allerdings ist der vom Beklagten in Ansatz gebrachte Betrag von monatlich 47,92
EUR zu beanstanden. Nach Angaben des Beklagten wurde dieser Wert in der Weise ermittelt, dass für jedes in der Werkstatt eingenommene Mittagessen ein Betrag von 2,50
EUR in Ansatz gebracht wurde, wobei unter Berücksichtigung von Urlaub 230 Arbeitstage zugrunde gelegt wurden. Der Betrag von 2,50
EUR orientiert sich offensichtlich an den in § 1
Abs. 1 der Verordnung zur Bewertung der Sachbezüge vom 19. Dezember 1994 (BGBl. I
S. 3849), geändert durch die Verordnung vom 7. November 2002 (BGBl. I
S. 4339) und durch die Verordnung vom 23. Oktober 2003 (BGBl. I
S. 2103) genannten Werten für ein Mittagessen. Nach Auffassung des Gerichts berücksichtigt diese Verfahrensweise nicht hinreichend, dass nach § 2
Abs. 1 Satz 2 der Durchführungsverordnung zu § 76 BSHG die Verpflichtung, den notwendigen Lebensunterhalt im Einzelfall nach Abschnitt 2 des Gesetzes sicherzustellen, unberührt bleibt. Daraus folgt nach Auffassung des Gerichts, dass für einen Sachbezug nicht die in der Sachbezugsverordnung genannten Geldbeträge, sondern der entsprechende im Regelsatz enthaltene Anteil in Ansatz zu bringen ist. Bei der Bemessung dieses Anteils orientiert sich das Gericht an § 2 der Regelsatzverordnung in der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung, da die bisherigen Grundsicherungsleistungen (erhöhter Regelsatz) in etwa gleich so hoch waren wie die nunmehr zu gewährenden Regelsatzleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (
SGB XII). Danach ist der im Regelsatz eines Haushaltsvorstandes enthaltene Anteil für Nahrungsmittel einschließlich Getränke und Tabakwaren mit
ca. 130
EUR zu bewerten (
vgl. Mergler/Zink;
SGB II, Stand: Oktober 2004, § 20
Rdnr. 18). Da dem Kläger nur der Regelsatz für einen Haushaltsangehörigen in Höhe von 80 % des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes gewährt wird, ist von dem vorgenannten Betrag vorliegend nur ein Wert von 104
EUR (80 % von einer 130
EUR) zu berücksichtigen, was einem Betrag von täglich 3,47
EUR (104
EUR /30 Tage) entspricht. Entsprechend der Wertung des § 1
Abs. 1 Sachbezugsverordnung ist der Anteil des Mittagessens an dem Gesamternährungsbedarf mit 2/5 zu bewerten, so dass sich vorliegend ein Betrag von 1,388
EUR (2/5 von 3, 47
EUR) ergibt. Da die Einnahme des Mittagessens in der Werkstatt für Behinderte auch Aufwendungen für Kochfeuerung und ähnliches erspart, erscheint es dem Gericht angemessen, für den hier streitigen Sachbezug einen Betrag von täglich 1,4
EUR in Ansatz zu bringen.
Bei der Berechnung des Monatswertes ist der Beklagte von 230 Arbeitstagen des Klägers ausgegangen. Dies erscheint der Kammer überhöht. Von den regelmäßig 365 Tagen eines Kalenderjahres sind zunächst für die Wochenenden 104 Tage abzuziehen, so dass 261 Tage verbleiben. Unter Berücksichtigung von Urlaub (
ca. 30 Tage) mit gesetzlichen Feiertagen sowie von Tagen, in denen die Werkstatt aus sonstigen Gründen nicht geöffnet hat, ist der Ansatz von 220 Arbeitstagen angemessen. Demnach errechnet sich vorliegend ein Jahreswert von 308,00
EUR (220 Arbeitstage x 1,4
EUR)
bzw. ein Monatswert von 25,67
EUR. Nur in dieser Höhe erscheint die Berücksichtigung des Sachbezuges als Einnahme gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG und trägt dem Verfahrenserfolg des Klägers angemessen Rechnung.