Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 86 b
Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b
Abs. 2 Satz 3
SGG i. V. m. §§ 920
Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung -
ZPO -).
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Übernahme des Eigenanteils an den Kosten seiner Unterbringung im Internat für Sehgeschädigte (K W) im Rahmen der Eingliederungshilfe glaubhaft gemacht.
Dieser Anspruch folgt aus
§§ 53,
54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i. V. m.
§ 12 Eingliederungshilfeverordnung - EinglHVO -. Danach sind Leistungen der Eingliederungshilfe auch Hilfen zu einer allgemeinen Schulbildung, vor allem im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht, und diese Hilfen umfassen auch Maßnahmen zugunsten behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, den Behinderten den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Der Antragsteller gehört aufgrund seiner Sehbehinderung unstreitig zum Personenkreis des § 53
SGB XII. Die bedarfsgerechte Beschulung des Antragstellers begründet ferner das Erfordernis seiner Unterbringung in dem der Schule angegliederten Internat als Bestandteil der Hilfe zur angemessenen Schulbildung. Denn die streitgegenständlichen - anteiligen - Kosten des Besuchs des Internats in K W stellen sich als notwendige Folge seiner Behinderung dar. Sie entstehen nicht wie beim regulären Schulbesuch eines nicht behinderten Kindes als notwendige Bedürfnisse des täglichen Lebens, sondern notwendigerweise durch die besonderen Verhältnisse seiner Behinderung. Eine angemessene Schulbildung kann der Kläger nach den Feststellungen des Förderausschusses vom 31. Januar 2005 nur in einer Schule für Sehbehinderte erlangen. Die seinem Wohnort nächstgelegene Schule für Sehbehinderte befindet sich in K W in einer Entfernung von 101
km. Eine tägliche Anreise ist dem Antragsteller wegen dieser Entfernung nicht zuzumuten. Aus diesem Grund ist eine Unterbringung in dem der Schule angegliederten Wohnheim zwingend erforderlich, wovon auch der Antragsgegner ausgeht. Anders als im Fall eines nicht behinderten Schülers, der sich aus freien Stücken für den Besuch eines Internates entscheidet, ist die Unterbringung des Antragstellers zur Wahrnehmung einer bedarfsgerechten Beschulung für ihn unumgänglich. Die hierfür anfallenden Aufwendungen sind dem Antragsteller, anders als einem nicht behinderten Schüler, durch seine Behinderung aufgezwungen. Daher sind sie notwendiger Bestandteil der Hilfe zur angemessenen Schulbildung. Ob der Antragsteller daneben einer besonderen behindertengerechten Betreuung in dem der Schule angeschlossenen Internat bedarf, kann dahinstehen. Denn bereits seine allein der Entfernung der Schule vom elterlichen Wohnort geschuldete Unterbringung in dem Wohnheim stellt sich als Maßnahme dar, die erforderlich und geeignet ist, dem Antragsteller den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht überhaupt erst zu ermöglichen. Insoweit ist der Fall entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht anders zu beurteilen als der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedene Fall zur Übernahme von Fahrtkosten für den Schulbesuch (
vgl. BVerwGE 48, 228
ff.).
Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe gemäß § 2
Abs. 1
SGB XII steht dem hier geltend gemachten Eingliederungsanspruch nicht entgegen. Dies gilt zunächst hinsichtlich einer vom Antragsgegner geltend gemachten Kostentragungspflicht des Schulträgers nach den Bestimmungen des BbgSchulG. Denn der Nachrang der Sozialhilfe setzt voraus, dass ein solcher Anspruch rechtzeitig durchgesetzt werden kann und die anderweitige Hilfe tatsächlich bereitsteht. Letzteres ist vorliegend aber nicht der Fall. Vielmehr gewährt der örtlich zuständige Schulträger nach dem vom Antragsteller eingereichten Schreiben der Betreiberin des Internats für Sehgeschädigte, der S S F C
gGmbH, vom 06. Juli 2005 die für die Unterbringung in dem Internat anfallenden Heimkosten nur zum Teil und verlangt gemäß § 114
Abs. 4 Satz 2 und 3 BbgSchulG eine angemessene Kostenbeteiligung der Schüler
bzw. deren Eltern. Von den Eltern des Antragstellers wird auf dieser Grundlage neben der Beteiligung an den Kosten der Verpflegung in dem Wohnheim in Höhe von 90,00
EUR die hier streitgegenständliche Beteiligung an den Kosten der Unterkunft in Höhe von 135,00
EUR monatlich erhoben.
Der Antragsteller
bzw. dessen Eltern können auch nicht darauf verwiesen werden, sich durch einen Antrag nach § 115 Satz 3 BbgSchulG selbst zu helfen. Nach dieser Vorschrift kann das Land Schülerinnen und Schülern Zuschüsse gewähren zu den Kosten der Unterkunft und Verpflegung, insbesondere für 1. den Besuch von Spezialschulen oder Spezialklassen und 2. Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf beim Besuch von Schulen, wenn nicht eine geeignete Schule in dem Landkreis oder der kreisfreien Stadt der Wohnung besteht. Denn abgesehen davon, dass es sich bei dieser Vorschrift um eine Ermessensvorschrift handelt und ein nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null gegebener Anspruch auf Zuschuss zu den Kosten der Eigenbeteiligung vor dem Hintergrund der leeren Haushaltskassen des Landes ungewiss ist, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Hilfesuchende einen Rechtsanspruch gegen einen Dritten hat, sondern darauf, ob er die benötigte Hilfe auch tatsächlich erhalten oder den Anspruch gegen den Dritten rechtzeitig realisieren kann (Bundesverwaltungsgericht, 5 C 38.92, Buchholz 436.0 § 2 BSHG
Nr. 16). Letzteres ist aber nicht der Fall.
Der Antragsteller kann auch nicht auf einen gegenüber der Sozialhilfe vorrangigen Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern verwiesen werden. Denn
§ 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB XII mutet Eltern behinderter schulpflichtiger Kinder - unabhängig von ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen - bei Leistungen zu einer angemessenen Schulbildung mit notwendiger Heimunterbringung lediglich zu, die Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen aufzubringen. Sinn dieser Vorschrift ist es, die Eltern behinderter mit denen nicht behinderter Kinder hinsichtlich der aus einer angemessenen Schulbildung ihrer Kinder folgenden Lasten wirtschaftlich gleichzustellen (
vgl. BVerwGE 48, 228). Im Übrigen hat der Antragsteller durch die im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens eingereichten Unterlagen auch glaubhaft gemacht, dass seine Eltern aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zur Zahlung des Kostenbeitrages nicht in der Lage sind.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung steht nicht entgegen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung des Senats der Zeitraum, für den der Antragsteller Eingliederungshilfe begehrt, bereits abgelaufen ist. Denn der Antragsteller hat durch Vorlage des Mahnschreibens der Internatsträgerin vom 10. Januar 2006 glaubhaft gemacht, dass eine gerichtliche Entscheidung notwendig ist, weil ansonsten die fristlose Kündigung seines Betreuungsvertrages droht, wodurch seine bedarfsangemessene Beschulung gefährdet wäre. Der Antragsteller kann auch nicht auf den vorübergehenden Einsatz des seinen Eltern für ihn gewährten Kindergeldes verwiesen werden. Denn abgesehen davon, dass es sich bei dem Kindergeld nicht um Einkommen des Antragstellers, sondern seiner Eltern handelt, ist nach den zum Prozesskostenhilfeverfahren eingereichten Unterlagen über die Einkommensverhältnisse der Eltern des Antragstellers auch hinreichend glaubhaft, dass diesen ein Einsatz des Kindergeldes bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht zuzumuten wäre.
Da die Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren erfolgreich war und beim Antragsteller kein einsetzbares Einkommen oder Vermögen in Form eines Anspruches auf Prozesskostenhilfevorschuss gegen seine Eltern vorhanden ist, ist ihm auch nach § 73 a
Abs. 1 Satz 1
SGG i. V. m. § 114
ZPO Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint erforderlich (§ 121
Abs. 2
ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193
SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177
SGG).