Urteil
Werkstatt für behinderte Menschen - Keine Anrechnung von Mittagessen auf die Grundsicherung

Gericht:

LSG Berlin-Brandenburg


Aktenzeichen:

L 23 SO 1094/05


Urteil vom:

28.09.2006


Leitsatz:

Das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 30. September 2005 und die Bescheide des Beklagten vom 27. Dezember 2004 und 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2005 und der Bescheid vom 24. Mai 2005 werden geändert. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 30. April 2005 in Höhe von monatlich 375,70 EUR und für die Zeit vom 1. Mai 2005 bis 30. Juni 2005 in Höhe von 367,59 EUR monatlich abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen zu gewähren. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen. Der Beklagte trägt ein Fünftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Revision wird zugelassen.

Rechtsweg:

SG Neuruppin Urteil vom 30. September 2005 - S 14 SO 23/05

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von höheren Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII.

Die 1981 geborene Klägerin ist seelisch behindert und seit Februar 2003 in der anerkannten Werkstatt für Behinderte der L K P e. V., P Werkstätten, beschäftigt. Der Arbeitslohn aus der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), der für die Monate Dezember 2004 bis März 2005 jeweils 101,40 EUR und für die Monate April und Mai 2005 jeweils 112,20 EUR betrug und sich aus einem Grundlohn von 67,00 EUR, einem Steigerungsbetrag von 8,40 EUR bzw. 19,20 EUR (Monate April und Mai) und einem Arbeitsförderungsgeld (AFÖG) von 26,00 EUR zusammensetzte, wurde der Klägerin jeweils zu Beginn des Folgemonats auf ihr Konto überwiesen. Von der Werkstatt wurden der Klägerin gemäß § 2 Abs. 4 des Werkstattvertrags eine kostenfreie Beförderung und die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung ( Mittagessen) gewährt. Sie bezog von dem Beklagten seit Februar 2003 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz GSiG. Seit November 2004 bewohnt sie allein eine Wohnung in der Pstraße in W, für die eine vertragliche Miete in Höhe von 174,00 EUR zzgl. Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 37,60 EUR und Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 30,00 EUR geschuldet werden. Das Kindergeld wurde der Klägerin auf ihr Konto überwiesen.

Im November 2004 stellte die Klägerin einen Antrag auf Weitergewährung der Grundsicherungsleistungen ab 01. Januar 2005. Mit Bescheid vom 27. Dezember 2004 gewährte ihr der Beklagte Leistungen nach dem SGB XII Viertes Kapitel, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 in Höhe von monatlich 360,59 EUR. Für das kostenlose Mittagessen in der WfbM nahm er bei der Bedarfsfeststellung einen monatlichen Abzug von 44,00 EUR (20 Arbeitstage x 2,20 EUR) vor. Bei der Berechnung des zur Bedarfsdeckung einzusetzenden Einkommens bereinigte er das Einkommen der Klägerin aus der WfbM um Beträge für Arbeitsmittel (5,20 EUR) und Arbeitsförderungsgeld (26,00 EUR) und zog einen vom bereinigten Einkommen berechneten Selbstbehalt bei WfbM Einkommen in Höhe von 49,88 EUR sowie die von der Klägerin gezahlten Beiträge für die Haftpflicht- und Hausratversicherung (zusammen 11,71 EUR) ab.

Die Klägerin legte Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass es sich bei dem kostenfrei eingenommenen Mittagessen nicht um Einkünfte in Geld oder Geldeswert, sondern um eine Sozialleistung handele, die nicht angerechnet werden dürfe. Ferner sei das Kindergeld nicht als Einkommen anzurechnen und sei die Einkommensberechnung nicht nachvollziehbar. Der Selbstbehalt sei vom Gesamtentgelt zu berechnen, das aus Werkstatteinkommen, Arbeitsfördergeld und Arbeitsmittelpauschale bestehe. In der Berechnung des Beklagten seien diese Leistungen zu Unrecht schon vorher abgezogen worden.

Am 28. Februar 2005 hob der Beklagte den Bescheid vom 27. Dezember 2004 für die Zeit ab 01. März 2005 auf und bewilligte der Klägerin für den Zeitraum vom 01. März 2005 bis zum 30. Juni 2005 Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich 359,29 EUR. Die Änderung begründete er mit einem Fehler des Computerprogramms, nach dem der Selbstbehalt beim WfbM Einkommen ab 01. Januar 2005 zu hoch berechnet worden sei. Da es sich um einen Fehler der Behörde handele, erfolge eine Änderung des Bescheids nur mit Wirkung für die Zukunft. Der Beklagte setzte nunmehr von dem Einkommen aus der WfbM einen Selbstbehalt von 48,58 EUR ab.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2005 zurück. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, in dem Regelsatz von 331,00 EUR sei der gesamte Ernährungsbedarf enthalten. Durch das kostenlose Mittagessen in der WfbM komme es zu einer häuslichen Ersparnis. Der Regelsatz sei daher zu reduzieren, da es sonst zu einer Doppelleistung käme. Das Kindergeld sei Einkommen. Bei der Berechnung des Selbstbehaltes aus dem Einkommen in der WfbM sei das Werkstatteinkommen zunächst um die Arbeitsmittelpauschale und das Arbeitsfördergeld zu bereinigen.

Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Neuruppin hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, der Abzug vom Regelsatz in Höhe von 44,00 EUR wegen des ihr im Rahmen der Eingliederungshilfe gewährten Mittagessens sei rechtswidrig. Die Deckung des gesamten Lebensunterhaltes sei durch den Regelsatz pauschaliert. Diese Pauschale könne nicht wegen Sachzuwendungen gekürzt werden. Es käme allenfalls eine Anrechnung als Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII in Betracht. Dies sei aber ausgeschlossen, weil das ihr gewährte Mittagessen eine Leistung des SGB XII und daher kein Einkommen sei. Eine Rechtsgrundlage für die Reduzierung der Heizkosten um Warmwasseranteile sei nicht ersichtlich. Die Berechnung des einzusetzenden Einkommens sei fehlerhaft. Der Freibetrag nach § 82 Abs. 3 SGB XII sei von dem Entgelt aus der Beschäftigung in der WfbM zu berechnen und nicht von dem Betrag, der nach Abzug der nach § 82 Abs. 2 SGB XII zu berücksichtigenden Positionen vom Entgelt verbleibe. Das Kindergeld erhielten ihre Eltern, es sei daher nicht ihr Einkommen.

Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27. April 2004 (Az.: 7 K 3298/02) die Auffassung vertreten, dass ein Abzug von 44,00 EUR pro Monat vom Regelsatz für die häusliche Ersparnis rechtmäßig sei. Das einzusetzende Einkommen sei korrekt berechnet worden. Im Rahmen des § 82 Abs. 3 SGB XII sei vom bereinigten Nettoeinkommen auszugehen. Ausweislich ihrer Kontoauszüge erhalte die Klägerin selbst das Kindergeld. Die Reduzierung der Heizkosten um die Warmwasseranteile sei rechtmäßig, diese Kosten seien bereits in der Regelleistung enthalten. Mit Bescheid vom 24. Mai 2005 hat der Beklagte den Bescheid vom 28. Februar 2005 mit Wirkung zum 1. Juni 2005 wegen eines veränderten Werkstattlohns von 112,20 EUR aufgehoben und der Klägerin für den Monat Juni 2005 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 351,19 EUR bewilligt.

Das Sozialgericht Neuruppin (SG) hat den Beklagten mit Urteil vom 30. September 2005 unter Abänderung der Bescheide vom 27. Dezember 2004 und 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2005 verpflichtet, der Klägerin Grundsicherungs-leistungen ab 01. Januar 2005 bis 28. Februar 2005 in Höhe von 368,99 EUR und ab 01. März 2005 bis 30. Juni 2005 in Höhe von 367,69 EUR monatlich zu gewähren und die Differenz zu den bereits geleisteten Zahlungen an die Klägerin auszuzahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien hinsichtlich der Nicht-berücksichtigung des Erhöhungsbetrages des Arbeitsentgeltes aus der WfbM abzuändern. Im Übrigen seien die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII seien vom Einkommen der Klägerin das Arbeitsförderungsgeld und die Erhöhungsbeträge im Sinne von § 43 Satz 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch SGB IX abzusetzen. Den Erhöhungsbetrag von 8, 40 EUR monatlich, den die Klägerin als Leistungszuschlag für ihre Tätigkeit in der WfbM erhalte, habe der Beklagte zu Unrecht nicht abgesetzt. Die Berechnung des Selbstbehaltes habe der Beklagte korrekt vorgenommen, ebenso den Abzug der Warmwasserkosten und die Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen. Der Abzug von 44,00 EUR vom Regelsatz für das kostenlose Mittagessen in der Werkstatt sei nicht zu beanstanden. Insoweit sei der Bedarf der Klägerin anderweitig gedeckt. Der Ansatz von 2,20 EUR pro Mittagessen und Arbeitstag sei nicht unangemessen. Gemäß § 287 Abs. 2 Zivil-prozessordnung ZPO i. V. m. § 202 Sozialgerichtsgesetz SGG komme insoweit eine Schätzung in Betracht. Es sei nicht erkennbar, dass sich der Betrag von 2,20 EUR pro Anwesenheitstag in der Werkstatt im Vergleich zu den für die eigenständige Zubereitung einer warmen, ausgewogenen Mittagsmahlzeit regelmäßig erforderlichen Kosten für Lebensmittel sowie Kochenergie als unangemessen darstelle. Im Übrigen betrage der Wert eines Mittagessens nach der Sachbezugsverordnung 2,61 EUR pro Tag. Das SG hat die Berufung zugelassen.

Sowohl Klägerin als auch Beklagter haben gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Die Klägerin wendet sich mit ihrem Rechtsmittel gegen den Regelsatzabzug in Höhe von 44,00 EUR monatlich sowie gegen die Berechnung der Höhe des zur Bedarfsdeckung einzusetzenden Einkommens aus der WfbM. Die Grundsicherung sei keine konkret den Bedarf deckende Leistung, so dass sich eine Kürzung des Regelsatzes verbiete. Auch widerspreche die Kürzung dem Sinn des § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII. Durch diese Regelung würden behinderte Menschen nach dem Willen des Gesetzgebers davon befreit, sich an den Kosten des Lebensunterhalts in einer Einrichtung zu beteiligen. Dies könne nicht durch Kürzung des Regelsatzes unterlaufen werden. Der Gesetzgeber habe den Menschen mit Behinderung bewusst eine Kostenbeteiligung ersparen wollen, weil diese behinderungsbedingt nicht in der Lage seien, kostenbewusst einzukaufen und kostenbewusst Lebensmittel zu verwahren. Auch habe der Gesetzgeber fördern wollen, dass behinderte Menschen eine klare Tagesstruktur und gesundes Essen erhalten und darauf nicht aus Kostengründen verzichten. Jedenfalls sei die Höhe der Regelsatzkürzung zu reduzieren. Der Ansatz für die Kosten eines Mittagessens im Regelsatz sei niedriger als 2, 20 EUR. Gehe man von einem Anteil für Ernährung von 50 % aus, so könne der Anteil für das Mittagessen allenfalls 35 % betragen. Daraus ergebe sich ein Betrag von 1,54 EUR pro Mittagessen. Des Weiteren habe das Sozialgericht den Freibetrag des § 82 Abs. 3 SGB XII zu Unrecht von dem nach § 82 Abs. 2 SGB XII bereinigten Einkommen berechnet. Dies widerspreche dem Gesetzeswortlaut.


Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 30. September 2005 sowie die Bescheide des Beklagten vom 27. Dezember 2004 und 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2005 sowie des Bescheides vom 24. Mai 2005 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr - der Klägerin - ab 01. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 424,90 EUR monatlich zu zahlen,

sowie die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.


Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 30. September 2005 abzuändern und die Klage der Klägerin im vollen Umfang abzuweisen

sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.


Er wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen die vom Sozialgericht vorgenommene Einkommensbereinigung. Bei dem in der WfbM als Bestandteil des Arbeitsentgeltes gezahlten leistungsabhängigen Steigerungsbetrages im Sinne von § 138 Abs. 2 SGB IX handele es sich nicht um einen Erhöhungsbetrag im Sinne von § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII. Die Absetzung des in der Gehaltsabrechnung der Klägerin ausgewiesenen Betrages in Höhe von 8,40 EUR durch das Sozialgericht sei daher zu Unrecht erfolgt. Im Übrigen liege bei der Berechnung durch das Sozialgericht auch ein Rechenfehler vor. Nach korrekter Berechnung ergebe sich ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 12,83 EUR. Daraus ergebe sich für die Monate Januar bis Mai 2005 eine Grundsicherungsleistung in Höhe von jeweils 356,37 EUR und für Juni 2005 ein Betrag in Höhe von 348,27 EUR.

Gegen die Berufung der Klägerin hat der Beklagte eingewandt, der Abzug für das kostenlose Mittagessen sei zu Recht erfolgt. Die Bedarfe seien abweichend vom Regelsatz festzulegen, wenn im Einzelfall ein Bedarf anderweitig gedeckt sei. Der Gesetzgeber habe Bestimmungen zur Abweichung vom Regelsatz bei anderweitiger Bedarfsdeckung ausdrücklich vorgesehen. Daneben enthalte die mit der WfbM abgeschlossene Leistungsvereinbarung nach §§ 97 ff. SGB III und § 75 ff. SGB XII Kostensatzbestandteile für Fahrdienst und Verpflegung. Kostenträger hierfür sei der Beklagte. Ohne eine Regelsatzkürzung würde somit eine Doppelzahlung bezüglich des Mittagessens erfolgen. Die Vorschrift des § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII sei nicht einschlägig. Ein Behinderter, der nicht privilegiert sei und sein Mittagessen in einer Werkstatt bezahlen müsse, habe 2,30 EUR pro Mahlzeit zu entrichten. Er habe der Berechnung des für das Mittagessen anzusetzenden Betrags die Sachbezugsverordnung 1994 (BGBl. I S. 3849, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Oktober 2004, BGBl. I S. 2663) zugrunde gelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Beklagten vom 11. September 2006 ( Bl. 86 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Hefter) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die vom SG zugelassenen Berufungen sind zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen sind sie unbegründet.

Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung ihr Begehren weiterverfolgt, den Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII ohne abweichende Festlegung des Regelsatzes wegen des ihr kostenlos in der WfbM zur Verfügung gestellten Mittagessens zu verurteilen, hat ihre Berufung teilweise Erfolg (s. zu 1.). Soweit sie die Berücksichtigung eines höheren Freibetrages für Erwerbstätige nach § 82 Abs. 3 SGB XII erstrebt, ist ihre Berufung begründet (s. zu 2.). Die angefochtenen Bescheide sind insoweit teilweise rechtswidrig, der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin weitere Leistungen der Grundsicherung zu gewähren.

Die Berufung des Beklagten ist begründet soweit sie sich gegen die vom SG vorgenommene Einkommensbereinigung wendet (s. zu 3.).

Streitgegenstand ist der vom Beklagten mit den angefochtenen Bescheiden vom 27. Dezember 2004 und 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2005 geregelte Leistungszeitraum von Januar bis Juni 2005. Der Bescheid vom 24. Mai 2005, mit dem der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 28. Februar 2005 für den Monat Juni 2005 abgeändert hat, ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

Zu 1. Die Klägerin gehört aufgrund ihrer Behinderung zum Personenkreis der Leistungsberechtigten nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII. Sie hat gemäß §§ 41, 42, 28 SGB XII bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen einen Anspruch gegen den Beklagten auf den Regelbedarf, der durch den notwendigen Lebensunterhalt bestimmt wird. Der notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Da die Klägerin einen Teil ihrer Ernährung anderweitig erhalten kann und erhält, ist der Beklagte grundsätzlich befugt, die der Klägerin gewährte Grundsicherung wegen der Nutzung des kostenlosen Mittagessens in der WfbM abweichend festzulegen. Die über § 42 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gewährten Regelbedarfssätze können abweichend festgelegt werden, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist (§ 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) . Aus dem nicht eingeschränkten Verweis in § 42 Satz 1 Nr. 1 SGB XII ergibt sich, dass die Regelung über die Bemessung des Regelsatzes nach den individuellen Verhältnissen nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII uneingeschränkt gilt (Schellhorn in Schellhorn /Schellhorn/Hohm, SGB XII, Komm., 17. Aufl., 2005, § 42, Rn. 6 m. w. N.; Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, 2005, § 42 Rn. 3). Nach der Gesetzesbegründung zu § 28 SGB XII ist ein Bedarf z. B. anderweitig gedeckt, wenn der Leistungsberechtigte einzelne Leistungen von dritter Seite erhält. Die Begründung des Gesetzgebers nennt insoweit als Beispiel ausdrücklich "unentgeltliches Essen" (BT- Drs. 15/1514 S. 59).

Die von der Klägerin angeführte Vorschrift des § 92 SGB XII steht dem nicht entgegen. § 92 SGB XII enthält Sonderregelungen für den Einsatz von Einkommen und Vermögen im Falle der Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und ist auf die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel nicht übertragbar (ganz herrschende Meinung: Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, am angegebenen Ort, § 92 Randnummer 15; Lücking in Hauck/ Noftz, am angebenen Ort § 92 Randnummer 17; Bieretz Harder in LPK SGB XII, 7. Auflage, 2005, § 92 Randnummer 8; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 28. Juli 2006 - L 8 SO 45/06 ER -, Juris). Insofern erfolgt auch entgegen der Auffassung der Klägerin keine verschleierte Kostenbeteiligung, sondern die zusätzlich zu der Hilfe in einer Einrichtung im häuslichen Bereich gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt wird wegen der anderweitig sichergestellten Bedarfsdeckung gekürzt.

Schließlich rechtfertigt auch der Nachranggrundsatz (§ 2 SGB XII) eine Anrechnung für die kostenlose Inanspruchnahme des Mittagessen. Danach erhält Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialhilfeleistungen erhält. Das in der WfbM zur Verfügung gestellte kostenlose Mittagessen stellt eine solche nach § 2 Abs. 1 SGB XII wahrzunehmende Selbsthilfemöglichkeit dar, die von der Klägerin auch wahrgenommen wird ( vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, a. a. O., m. w. N.).

Allerdings ist der vom Beklagten in Ansatz gebrachte Betrag von monatlich 44,00 EUR zu beanstanden. Nach Angabe des Beklagten hat er diesen Wert in der Weise ermittelt, dass für jedes in der Werkstatt eingenommene Mittagessen ein Betrag von 2,20 EUR in Ansatz gebracht wurde, wobei sich dieser Betrag an den Beträgen in § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Bewertung der Sachbezüge vom 19. Dezember 1994 - Sachbezugsverordnung - (BGBl. I Seite 3849), geändert durch Verordnung vom 22. Oktober 2004 (BGBl. I Seite 2663), orientiert. Nach der Sachbezugsverordnung wird der Wert eines als Sachbezug zur Verfügung gestellten Mittagessens auf monatlich 78, 25 EUR angesetzt. Da nach Einschätzung des Beklagten 85 % der Behinderten, die in den Werkstätten beschäftigt seien, bei den Eltern wohnten und somit Haushaltsangehörige seien, habe er den Betrag für das Mittagessen heruntergerechnet und auf 80 % des Betrages laut Sachbezugsverordnung, d. h. auf 62,60 EUR monatlich, festgesetzt. Dies ergebe bei 30 Arbeitstagen 2,08 EUR pro Arbeitstag für das Mittagessen. Für die Besorgung und Zubereitung der Lebensmittel erhöhe sich dieser Betrag auf 2,20 EUR pro Essen. Bei der Regelsatzfestsetzung sei von 20 Arbeitstagen ausgegangen worden.

Diese Verfahrensweise berücksichtigt nicht, dass bei der Festlegung eines abweichenden Bedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nicht von dem Wert des zur Deckung des Bedarfes erhaltenen Sachbezugs ausgegangen werden kann, sondern von der Höhe des - anderweitig gedeckten - Bedarfes. Bei der Bemessung des anzusetzenden Betrages ist daher der entsprechende im Regelsatz enthaltene Bedarfsanteil in Ansatz zu bringen. Der im Regelsatz enthaltene Anteil für ein Mittagessen beträgt aber im Fall der Klägerin derzeit lediglich 1,77 EUR.

Seit dem 01. Januar 2005 bemisst sich der Ernährungsbedarf anhand der statistisch ausgewiesenen Ernährungsausgaben der untersten 20 % der in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 repräsentierten Ein-Personen Haushalte nach Herausnahme der Empfänger von Sozialhilfeleistungen (vgl. § 2 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung des § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Regelsatzverordnung (RSVO) - vom 3. Juni 2004, BGBl. I 1067). Der durchschnittliche Monatsaufwand aller Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 1800,- DM für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren betrug nach der EVS 1998 265 DM (Daten des statistischen Bundesamtes zitiert nach Frommann, NDV 2004 S. 246, 249). Die Bundesregierung hat bei der Festlegung der Regelsätze unter Beachtung des Lohnabstandsgebots, das einen Unterschied der Regelsatzleistungen zu den untersten Einkommensschichten fordert (§ 28 Abs. 4 SGB XII), insoweit einen Betrag von 252,14 DM in Ansatz gebracht und festgelegt, dass von dieser Position 96 % dem notwendigen Bedarf im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB XII zugerechnet werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 RSVO). Danach ergibt sich für Ernährung und Getränke ein Betrag von 123,76 EUR monatlich bzw. 4,12 EUR täglich (vgl. Frommann, NDV 2004 S. 246, 249 sowie DPW: "Zum Leben zu wenig " www.sozialpolitik-aktuell.de/docs/existenzminimum dpwv. pdf). Der Gesamtanteil für Ernährung entspricht hierbei einem Anteil von 36 % im Eckregelsatz der alten und 38,4 % im Eckregelsatz der neuen Bundesländer (vgl. Hoffmann in LPK SGB XII § 27 Rn. 11). Entsprechend der Wertung des § 1 Abs. 1 Sachbezugsverordnung bewertet der Senat den Anteil des Mittagessens an dem Gesamternährungsbedarf mit 2/5, so dass sich vorliegend ein Betrag von täglich 1,65 EUR (2/5 von 4,12 EUR) ergibt (vgl. auch OVG Lüneburg, FEVS 39, 108,114). Da die Einnahme des Mittagessens in der WfbM auch Aufwendungen für Kochenergie u. ä. erspart, erscheint eine Erhöhung dieses Betrages - wie vom Beklagten vorgenommen - um 0,12 EUR angemessen. Hierbei ist davon auszugehen, dass der im Regelsatz enthaltene Anteil für Strom 20,74 EUR im Monat, d. h. ca. 0,69 EUR am Tag, beträgt (vgl. Frommann a.a.O. S. 250; www.fb4.fh-frankfurt.de/projekte/agtuwas/regelsaetze. pdf). Der Ansatz von rd. 1/6 dieses Betrages für die Zubereitung der täglichen warmen Hauptmahlzeit, für die ca. 1 Kilowattstunde Strom benötigt wird (vgl. www.vattenfall.de "Energie Sparen macht Spass und spart Geld" ( pdf-Datei) S. 21), ist jedenfalls nicht überhöht. Andere geeignete tatsächliche Grundlagen, diesen Anteil an der Leistung zu bemessen, sind nicht ersichtlich. Für die Anrechnung einer anderweitigen Bedarfsdeckung ist somit ein Betrag von täglich 1,77 EUR und monatlich 35,40 EUR - unter Berücksichtigung von durchschnittlich 20 Arbeitstagen - anzusetzen.

Ob der Beklagte statt einer abweichenden Festlegung des Regelsatzes das zur Verfügung gestellte Mittagessen bei der Berechnung des Einkommens gemäß § 41 Abs. 2 i. V. m. § 82 Abs. 1 SGB XII als Sachbezug ansetzen und ob er hierbei von den höheren Werten der Sachbezugsverordnung hätte ausgehen können, brauchte nicht entschieden zu werden. Für diesen Fall dürfte nach Auffassung des Senats jedenfalls wegen der Verpflichtung, den notwendigen Lebensunterhalt im Einzelfall nach dem Dritten Kapitel des SGB XII sicherzustellen (§ 2 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - DVO § 82 SGB XII) im Ergebnis kein Unterschied bei der zu gewährenden Leistung bestehen (so auch LSG Niedersachsen-Bremen a. a. O.) .

Zu 2. Soweit die Klägerin die Berücksichtigung eines höheren Freibetrages für Erwerbstätige nach § 82 Abs. 3 SGB XII erstrebt, ist ihre Berufung begründet. Das Sozialgericht hat der Berechnung des Freibetrages für Erwerbstätige nach § 82 Abs. 3 SGB XII zu Unrecht das nach § 82 Abs. 2 SGB XII bereinigte Erwerbseinkommen zugrunde gelegt.

Bei dem Absetzungsbetrag wegen selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit nach § 82 Abs. 3 SGB XII ist von dem Bruttobetrag des damit erworbenen Einkommens auszugehen (Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a. a. O. § 82 Rn. 48) . Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des vorliegend einschlägigen Satz 2 der Vorschrift, wonach bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen von dem "Entgelt" ein Achtel des Eckregelsatzes zzgl. 25 v. H. des diesen Betrag übersteigenden "Entgelts" abzusetzen ist. Hätte der Gesetzgeber keine Anknüpfung an das Bruttoentgelt regeln wollen, hätte er dies deutlich zum Ausdruck bringen können. Dass es sich insoweit nicht um ein Redaktionsversehen handelt, erhellt insbesondere die Fassung des vergleichbaren § 30 Zweites Buch Sozialgesetzbuch SGB II , der die Freibeträge bei Erwerbstätigkeit im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende regelt. Die bis zum 01. Oktober 2005 geltende Fassung dieser Vorschrift lautete: "Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist von dem um die Absetzbeträge nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 bereinigten monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein Betrag abzusetzen." Nach erheblicher Kritik an dieser Fassung, die ausdrücklich das bereinigte Einkommen zum Anknüpfungspunkt für die Berechnung des Freibetrages für Erwerbstätigkeit bestimmte, legte der Gesetzgeber mit der ab 01. Oktober 2005 geltenden Fassung fest, dass nunmehr von dem - unbereinigten - Bruttoeinkommen auszugehen sei (vgl. im Einzelnen Schmidt in Oestreicher, SGB XII, SGB II, Komm.; Stand Juni 2006, § 30 Rn. 38). Die ab 01. Oktober 2005 geltende Neuregelung der Vorschrift hat folgenden Wortlaut: "Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen."

Der Begriff "ferner" in § 82 Abs. 3 SGB XII ist entgegen der Auffassung des SG nicht im Sinne von "weiterhin, zusätzlich, alsdann", so zu verstehen, dass Bezugspunkt für die Berechnung des Absetzungsbetrages nach Absatz 3 das nach Absatz 2 der Vorschrift ermittelte Einkommen wäre und mit dem Begriff "ferner" eine Reihenfolge der Berechnung vorgegeben wird. Das Wort "ferner" ist vielmehr erforderlich, um klarzustellen, dass die Absetzung für Erwerbstätigkeit nur bei der Einkommensberechnung bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung erfolgt, nicht aber etwa bei der Eingliederungshilfe.

Das von der Klägerin durch ihre unselbständige Tätigkeit in der WfbM erworbene "Entgelt" betrug in den Monaten Januar bis April 2005 jeweils 101,40 EUR und in den Monaten Mai und Juni 2005 jeweils 112,20 EUR. Auszugehen ist hierbei vom tatsächlichen Zufluss des Entgelts bei der Klägerin ("Zuflusstheorie", vgl. BVerwGE 108, 296, 299). So dass nicht, wie es der Beklagte getan hat, auf das in der Gehaltsabrechnung für den jeweiligen Monat ausgewiesene Entgelt abzustellen war, sondern auf dasjenige, das im jeweiligen Monat dem Konto der Klägerin tatsächlich gutgeschrieben worden war.

Der vom Einkommen abzusetzende Freibetrag für Erwerbstätige gemäß § 82 Abs. 3 SGB XII betrug für die Klägerin somit in den Monaten Januar bis April 2005 jeweils 56,39 EUR und in den Monaten Mai und Juni 2005 jeweils 59, 08 EUR. Die Feststellung hat nach der folgenden Berechnung zu erfolgen:

Freibetrag gem. § 82 Abs. 3 SGB XII Jan-April Mai/Juni Entgelt aus WfbM 101,40 EUR 112,20 abzüglich 1/8 Eckregelsatz 41,38 EUR 41,38 verbleiben 60,02 EUR 70,82 davon abzüglich 25 % 15,01 EUR 17,70 Freibetrag § 82 Abs. 3 56,39 EUR 59,08.

Zu 3. Die Berufung des Beklagten ist teilweise begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht bei der Einkommensbereinigung nach § 82 Abs. 2 SGB XII den im Werkstattlohn der Klägerin enthaltenen sog. "Steigerungsbetrag" als Erhöhungsbetrag im Sinne von § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII abgesetzt.

Nach § 41 Abs. 2 SGB XII haben Leistungsberechtigte nach Abs. 1 - wie die Klägerin - Anspruch auf Leistungen, soweit sie ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrem Einkommen und Vermögen gemäß §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII beschaffen können. Die Bestimmung, in welchem Umfang Einkommen auf die Leistungen des Vierten Kapitels angerechnet wird, erfolgt gemäß § 82 SGB XII. § 82 Abs. 2 SGB XII bestimmt die vom Einkommen absetzbaren Beträge (Nettoprinzip). Nach § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII sind vom Einkommen abzusetzen das Arbeitsförderungsgeld und Erhöhungsbeträge des Arbeitsentgelts im Sinne von § 43 Satz 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Der sog. Steigerungsbetrag im Werkstattlohn der Klägerin, der in den Monaten Dezember 2004 bis März 2005 8,40 EUR und in den Monaten April und Mai 2005 19,20 EUR betrug, ist kein Erhöhungsbetrag im Sinne dieser Vorschrift und daher nicht vom Einkommen der Klägerin abzusetzen.
Die Klägerin hat als behinderter Mensch, der im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten beschäftigt ist, Anspruch auf ein Arbeitsentgelt (§ 138 SGB IX). Dieses setzt sich gemäß § 138 Abs. 2 SGB IX aus einem Grundbetrag und einem Steigerungsbetrag zusammen. Der Grundbetrag entspricht dem Ausbildungsgeld, das die Bundesanstalt für Arbeit nach § 107 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) leistet und das ab 01. Januar 2002 monatlich 67,00 EUR beträgt. Der Steigerungsbetrag bemisst sich nach der individuellen Arbeitsleistung, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte (§ 138 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Ihn kann die Werkstatt unter Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 BGB einseitig festlegen.

Das Arbeitsentgelt nach § 138 Abs. 2 SGB IX wird ergänzt durch das Arbeitsförderungsgeld (AFÖG) nach § 43 SGB IX. Durch das AFÖG wird eine zusätzliche Leistung eingeführt, die in vollem Umfang denjenigen behinderten Menschen zukommen soll, die nur über geringfügige Arbeitsentgelte verfügen (vgl. Gesetzesbegründung BT Drucks. 14/4800, Seite 28). Das AFÖG ist vollständig unabhängig von der Arbeitsleistung und wird ohne weitere Vorbedingungen an jeden Beschäftigten in der Werkstatt ausgezahlt. Es handelt sich um eine Zuzahlungspauschale durch die jeweiligen Rehabilitationsträger. Sie beträgt höchstens 26,00 EUR im Monat und ergänzt das Arbeitsentgelt in folgender Weise: Übersteigt das Arbeitsentgelt nicht den Betrag von 299,00 EUR, wird das AFÖG in voller Höhe von 26,00 EUR an den behinderten Menschen ausgezahlt. Liegt das Arbeitsentgelt dagegen zwischen 299,00 EUR und 325,00 EUR, dient das AFÖG der Aufstockung des Arbeitsentgelts auf 325,00 EUR. Bei einem über dem genannten Höchstbetrag liegenden Arbeitsentgelt besteht kein Anspruch auf AFÖG ( ausführlich: Knittel, SGB IX Kommentar Stand August 2003, § 43 Rn. 5/6). Gemäß § 43 Satz 4 SGB IX können auf die Zahlung dieses AFÖG Erhöhungen der Arbeitsentgelte angerechnet werden, die auf der Zuordnung der Kosten im Arbeitsbereich der Werkstatt gemäß § 41 Abs. 3 Bundessozialhilfegesetz in der ab 01. August 1996 geltenden Fassung BSHG a. F. oder gemäß § 41 Abs. 3 SGB IX beruhen. Diese Anrechnungsmöglichkeit soll verhindern, dass die zuständigen Rehabilitationsträger doppelte Leistungen erbringen müssen, und zwar sowohl eine Vergütungserhöhung aufgrund der seit dem 01. August 1996 geltenden Rechtslage zur Verbesserung der Entlohnung der Beschäftigten und zusätzlich zu dem gleichen Zweck das AFÖG (Knittel, a. a. O., Rn. 16).

Mit den in § 43 Satz 4 SGB IX angesprochenen Leistungen gemäß § 41 Abs. 3 SGB IX bzw. § 41 Abs. 3 BSHG a. F. verhält es sich wie folgt: Die Werkstätten erhalten für ihre Leistungen im Arbeitsbereich von dem zuständigen Rehabilitationsträger angemessene Vergütungen. Die nach Maßgabe des § 41 Abs. 3 zu zahlenden Vergütungen werden jeweils durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen der Werkstatt und dem Rehabilitationsträger festgelegt.

Die von den Rehabilitationsträgern erbrachten Kostensätze sind Bestandteil des Arbeitsergebnisses der Werkstatt. Sie gelten neben den Umsatzerlösen, Zins- und sonstigen Erträgen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit als Erträge der WfbM (§ 12 Abs. 4 Satz 2 Werkstättenverordnung vom 13. August 1980 (BGBl. I Seite 1365), zuletzt geändert durch Verordnung vom 02. November 2005 (BGBl. I Seite 3119 - WVO). Nach Abzug der notwendigen Kosten des laufenden Betriebes im Arbeitsbereich der Werkstatt bilden diese Erträge das "Arbeitsergebnis" im Sinne von § 138 SGB IX (§ 12 Abs. 4 Satz 1 WVO). Die für den dem beschäftigten behinderten Mitarbeiter nach § 138 Abs. 2 SGB IX gezahlten sog. Steigerungsbetrag zur Verfügung stehenden Mittel hängen ab von dem Arbeitsergebnis im Sinne des § 12 Abs. 4 WVO und somit mittelbar auch von den vom Rehabilitationsträger erbrachten Kostensätzen nach § 41 Abs. 3 SGB IX. Dieser mittelbare Zusammenhang macht jedoch den so genannten Steigerungsbetrag, mit dem der einheitliche Grundbetrag des Arbeitsentgeltes nach der individuellen Arbeitsleistung des behinderten Menschen "erhöht" wird, nicht zu einem Erhöhungsbetrag im Sinne von § 43 Satz 4 SGB IX.

§ 43 Satz 4 SGB IX regelt vielmehr, unter welchen Voraussetzungen der Rehabilitationsträger das zunächst an die WfbM zu zahlende AFÖG kürzen kann. Dies ist nämlich nur dann möglich, wenn zuvor eine Erhöhung der Arbeitsentgelte aufgrund einer Vereinbarung zwischen Rehabilitationsträger und Werkstatt stattgefunden hat.

In der Gesetzesbegründung (BT Drucks. 14/5800, Seite 33) heißt es insoweit: "Hat ein Rehabilitationsträger aufgrund der Zuordnung der Kosten im Arbeitsbereich der Werkstatt gemäß § 41 Abs. 3 Bundessozialhilfegesetz in der ab 01. August 1996 geltenden Fassung an die Werkstatt bereits eine höhere Vergütung gezahlt, aufgrund derer die Werkstatt die Arbeitsentgelte erhöhen konnte, kann dieser Erhöhungsbetrag auf das Arbeitsförderungsgeld angerechnet werden. Dasselbe gilt auch bei einer Zuordnung der Kosten nach § 41 Abs. 3. Damit können finanzielle Doppelbelastungen der zuständigen Kostenträger vermieden werden."

Regelmäßig ist von einer Erhöhung der Arbeitsentgelte aufgrund einer Vereinbarung zwischen Rehabilitationsträger und Werkstatt i. S. v. § 43 Satz 4 SGB IX nur dann auszugehen, wenn dieser Betrag ausdrücklich als "Stützungsbetrag für das Arbeitsentgelt" oder ähnlich benannt worden war (Knittel, SGB IX, Kommentar, § 43 Rdnr. 18 m. w. N.). Ob im Einzelfall auch die Höhe des sog. Steigerungsbetrages darauf beruht, dass das Arbeitsentgelt aufgrund einer Vereinbarung zwischen Rehabilitationsträger und Werkstatt erhöht worden ist und der Steigerungsbetrag somit teilweise auch als "Erhöhungsbetrag" i. S. v. § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII bezeichnet werden könnte, kann dahin stehen. Denn § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII zweite Alternative betrifft ausschließlich den Fall, dass das AFÖG im Hinblick auf eine Erhöhung des Arbeitsentgelts nur gekürzt ausgezahlt worden ist.

Denn § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII dient dem ausdrücklichen Zweck des § 43 SGB IX, durch das AFÖG die Einkommenssituation behinderter Menschen zu verbessern, die nur über geringfügige Arbeitsentgelte verfügen. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass diese zusätzliche Leistung dem behinderten Menschen in vollem Umfang zukommt und bestimmt, dass das AFÖG vom Einkommen abzusetzen ist und damit bei der weiteren Prüfung der Bedürftigkeit außer Betracht bleibt (vgl. auch die amtliche Begründung BT Drucks. 15/1514, abgedruckt bei Mergler/Zink, SGB XII, Komm., Juli 2005, § 82).

Für die in einer vollstationären Einrichtung lebenden Beschäftigten war bereits nach altem Recht (§ 85 Abs. 2 Satz 2 und 3 BSHG) gewährleistet, dass von ihnen die Aufbringung der Mittel in Höhe des AFÖG nicht verlangt wurde. Für in Privathaushalten lebende Beschäftigte in einer Werkstatt galt eine derartige Regelung nicht. Mit der Neufassung des § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII wird nunmehr sichergestellt, dass das AFÖG für beide Personengruppen in vollem Umfang als Einkommen anrechnungsfrei bleibt (Lücking, a. a. O., § 82 Rn. 70).

Die Bestimmung des § 82 Abs. 2 Nr. 5 zweite Alternative SGB XII, dass auch Erhöhungs-beträge des Arbeitsentgelts im Sinne von § 43 Satz 4 des neunten Buches vom Einkommen abzusetzen sind, regelt - ausschließlich - den Fall, dass das AFÖG vom Rehabilitationsträger aufgrund von Vereinbarungen mit der Werkstatt i. S. v. § 43 Satz 4 SGB IX nur gekürzt gezahlt wurde. Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass auch in diesem Fall dem Behinderten entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Regelung der volle Betrag des AFÖG ungeschmälert zugute kommt (vgl. Schellhorn, a. a.O., § 82 Rn. 45; Schellhorn/Schellhorn, BSHG, Komm. , 16. Aufl., 2002, § 85 Rn. 37). Für diesen Fall bestimmt § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII, dass auch die Anteile am Entgelt, die das Entgelt aufgrund einer Vereinbarung zwischen Rehabilitationsträger und Werkstatt i. S. v. § 43 Satz 4 SGB IX erhöht und dadurch zu einer Kürzung des AFÖG geführt haben, vom Einkommen abzusetzen sind. Ist eine Kürzung des AFÖG nicht erfolgt, findet die zweite Alternative des § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII keine Anwendung.

So liegt es im Fall der Klägerin, in dem eine Kürzung des AFÖG nicht erfolgt ist. Der Klägerin ist vielmehr nach ihrer Lohn-/Gehaltsabrechnung ein ungekürzter AFÖG Betrag von 26,00 EUR ausgezahlt worden. Dies deckt sich mit der Mitteilung des Beklagten, dass im Land Brandenburg vom Anrechnungsrecht nach § 43 Satz 4 SGB IX gemäß dem Rundschreiben des Landessozialamtes Nr. 8/2001 kein Gebrauch gemacht wird. Eine Absetzung weiterer Bestandteile des Werkstattentgelts der Klägerin findet somit nicht statt.

Nach Maßgabe der zu 1) bis 3) dargestellten Grundsätze ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Grundsicherungsleistungen für die Monate Januar bis April 2005 in Höhe von 375,10 EUR und für die Monate Mai und Juni 2005 in Höhe von 364,99 EUR. Dieser errechnet sich wie folgt:

Bedarf Jan-April Mai/Juni Regelsatz 331,00 EUR 331,00 EUR abzüglich anderweitige Bedarfsdeckung 35,40 EUR 35, 40 EUR Unterkunftsbedarf 236,20 EUR 236,20 EUR Bedarf 531,80 EUR 531,80EUR einzusetzendes Einkommen Jan-April Mai/Juni Kindergeld 154,00 EUR 154,00 EUR Werkstatteinkommen 101,40 EUR 112,20 abzüglich Versicherung § 82 Abs. 2 Nr. 3 11,71 EUR 11,71 abzüglich Arbeitsmittelpauschale § 82 Abs. 2 Nr. 4 5,20 EUR 5,20 abzüglich AFÖG § 82 Abs. 2 Nr. 5 26,00 EUR 26,00 abzüglich Freibetrag § 82 Abs. 3 56,39 EUR 59,08 einzusetzendes Einkommen 156, 10 EUR 164,21EUR zu gewährende Leistung 375,70 EUR 367,59 EUR.

In Höhe dieses Anspruchs ist der Beklagte abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen zu weiteren Leistungen der Grundsicherung an die Klägerin verpflichtet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits. Berufungsziel der Klägerin war die Gewährung weiterer Leistungen in Höhe von 399,16 EUR (laut Klage- und Berufungsantrag 6 x 424,90 EUR, d. h. 2.549,40 EUR, an Stelle der vom Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum bereits geleisteten 2.150,24 EUR). Sie hat nach der obigen Berechnung einen Anspruch auf Leistungen in Höhe von insgesamt 2.237,98 EUR und somit gegen den Beklagten einen Anspruch auf weitere Leistungen in Höhe von 87,74 EUR, das entspricht ca. 1/5.

Die Revision wird zur Klärung der Rechtsfrage, ob die Gewährung eines kostenlosen Mittagessens in einer Werkstatt für Behinderte bei der Gewährung von Grundsicherungs-leistungen einen Abzug vom Regelsatz rechtfertigt und ob ein solcher Abzug ggf. unter Zugrundlegung der Sachbezugsverordnung oder nach der Regelsatzversordnung unter Herausrechnung des im Regelsatz enthaltenen Anteils für ein Mittagessen zu erfolgen hat, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.

Referenznummer:

R/R2669


Informationsstand: 14.05.2007