Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Klägerin wendet sich gegen die bedarfsmindernde Anrechnung unterhaltssichernder Leistungen der Bundesagentur für Arbeit und des Mittagessens, das sie in einer Werkstatt für behinderte Menschen einnimmt, als Einkommen.
Die am ... geborene Klägerin, die am Down-Syndrom leidet, lebt im Haushalt ihrer Eltern, die vom Amtsgericht ... zugleich zu ihren Betreuern bestellt worden sind. Versorgungsrechtlich wurde bei ihr ab dem Zeitpunkt der Geburt ein Grad der Behinderung -
GdB - von 100 und das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt. Die Klägerin arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen, der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft A.. Dafür bewilligte die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit ...- der Klägerin für die Zeit vom 12. Dezember 2005 bis zum 11. September 2006 monatlich 57,00 Euro und für den Zeitraum vom 12. September 2006 bis zum 11. Dezember 2006 monatlich je 67,00 Euro als unterhaltssichernde Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Darüber hinaus wurden der Klägerin für den Zeitraum vom 12. Dezember 2005 bis zum 11. Dezember 2006 Fahrtkosten in Höhe von monatlich 201,00 Euro für die Fahrt zur Werkstatt und von der Werkstatt nach Hause bewilligt. Im Übrigen beziehen die Eltern der Klägerin von der Familienkasse 154,00 Euro monatliches Kindergeld für die Klägerin sowie von der Techniker Krankenkasse Pflegegeld in Höhe der Pflegestufe II.
Am 30. Januar 2006 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch -
SGB XII -. Mit Bescheiden vom 6. Februar 2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem
SGB XII. Bei der Berechnung der Höhe des Leistungsanspruchs wurden die der Klägerin von der Agentur für Arbeit geleisteten unterhaltssichernden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in monatlicher Höhe von 57,00 Euro als Einkommen berücksichtigt. Ferner wurde bei der Berechnung der Leistungshöhe eine Pauschale für den Sachbezug von Mittagessen, das die Klägerin in der Werkstatt einnimmt, in Höhe von monatlich 24,97 Euro als Einkommen berücksichtigt. Dagegen erhob die Klägerin am 24. Februar 2006 Widerspruch und machte geltend, die Berücksichtigung von der Agentur für Arbeit gewährten Ausbildungsgeldes in Höhe von 57, 00 Euro monatlich und die weitere Berücksichtigung des von ihr in der Werkstatt eingenommenen Mittagessens als Einkommen sei nicht zulässig. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheiden des Beklagten vom 13. September 2006 als unbegründet zurückgewiesen. In den Ausführungen der Widerspruchsbescheide hieß es, bei dem von der Agentur für Arbeit bewilligten Ausbildungsgeld in Höhe von derzeit monatlich 57,00 Euro handele es sich um eine unterhaltssichernde Leistung. Absetzung von staatlichen Leistungen, die der Unterhaltssicherung dienten, seien nach den Vorgaben des
SGB XII nicht vorgesehen. Da die Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem
SGB XII ausdrücklich nur zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt seien und das Ausbildungsgeld der Agentur für Arbeit ebenfalls der Unterhaltssicherung diene, handele es sich hierbei nicht um anrechnungsfreies Einkommen im Sinne von § 83
SGB XII. Es sei demzufolge auch in voller Höhe als Einkommen zu berücksichtigen. Zum Einkommen gehörten ferner alle Einkünfte in Geldeswert. Geldeswert seien auch Natural- und Sachbezüge. Die Einnahme des Mittagessens sei ein geldwerter Vorteil, der es rechtfertigte, den im Regelsatz bereits enthaltenen Betrag für das Mittagessen entsprechend zu kürzen. Danach seien vorliegend monatlich 24,97 Euro für das der Klägerin in der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft A. gewährte Mittagessen als bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat am 12. Oktober 2006 dagegen zum Sozialgericht Karlsruhe Klagen erhoben (S 4 SO 4758/06 und S 4 SO 4770/06). Das Gericht hat die beiden Klagen unter dem Aktenzeichen S 4 SO 4758/06 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (Beschluss vom 1. Dezember 2006).
Die Klägerin hält die Auffassung der Beklagten, das Ausbildungsgeld als unterhaltssichernde Leistung zu begreifen, für nicht haltbar. Behinderte Menschen hätten während einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen Anspruch auf Ausbildungsgeld. Hierbei werde als Bedarf im ersten Jahr 57,00 Euro monatlich und danach 67,00 Euro monatlich zugrunde gelegt. Als Einkommen seien grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Eine Nichtberücksichtigung komme aber bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11
Abs. 3
Nr. 1 a
SGB II in Betracht. Hiernach seien Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistung nach dem
SGB II dienten und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussten, dass daneben Leistungen nach dem
SGB II nicht gerechtfertigt wären. Ausbildungsgeld werde nicht für einen Zweck geleistet, für den sonst Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld zu gewähren wäre. Das Ausbildungsgeld sei seinem Charakter nach keine Leistung zur Bestreitung des Lebensunterhalts; ihm komme eher die Funktion einer Arbeitstrainingsprämie ("Belohnung") zu. Als zweckgebundene Leistung, die einem anderen Zweck als die Leistung nach dem
SGB II diene, sei das Ausbildungsgeld nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit Leistungen nach dem
SGB III daneben noch gerechtfertigt seien.
Auch die Anrechnung des ihr in der Werkstatt kostenfrei gewährten Mittagessens sei unzulässig. Nach Maßgabe von § 92
Abs. 2 Satz 4
SGB XII sei es Werkstattbeschäftigten nur dann zumutbar, sich an den Kosten des Mittagessens zu beteiligen, wenn ihr monatliches Einkommen 690,00 Euro übersteige. Diese Vorschrift zeige, dass Werkstattbeschäftigte, deren Einkommen unterhalb dieses Betrages liege, das Mittagessen als kostenfreie Sozialleistung erhalten müssten. Sinn und Zweck der Regelung würden unterlaufen, wenn Grundsicherungsberechtigte zwar keinen Kostenbeitrag nach § 93
SGB XII leisten müssten, durch die Regelsatzkürzung im Ergebnis aber ebenso wie einkommensstärkere Werkstattbeschäftigte zu den Kosten des Mittagessens herangezogen würden. Eine bedarfsmindernde Anrechnung des kostenlosen Mittagessens käme im Übrigen lediglich dann in Betracht, wenn sie durch das Essen Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart hätte. Dies sei aber nicht der Fall, weil sie von ihren Eltern kostenlos versorgt worden wäre, hätte sie kein Mittagessen in der Werkstatt bekommen. Nicht ihr, sondern allenfalls ihren Eltern seien somit Aufwendungen erspart geblieben. Ersparnisse ihrer Eltern könnten jedoch nicht dazu führen, dass das Mittagessen bedarfsmindernd auf ihre Grundsicherungsleistung angerechnet werde.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide des Beklagten vom 6. Februar 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13. September 2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr für den Zeitraum von Dezember 2005 bis Dezember 2006 Leistungen der Grundsicherung ohne Anrechnung
1. des von der Agentur für Arbeit gewährten Ausbildungsgeldes in Höhe von monatlich 57,00 Euro und
2. des von ihr in der Werkstatt für behinderte Menschen werkstatttäglich eingenommene Mittagessen
als Einkommen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält die volle Anrechnung des der Klägerin von der Agentur für Arbeit während des streitgegenständlichen Zeitraumes in Höhe von monatlich 57,00 Euro bewilligten Ausbildungsgeldes weiter für rechtens. Er bezieht sich dazu auf die gesetzliche Regelung des § 82
Abs. 3
SGB XII. Die Anrechnung des Sachbezuges Mittagessen bei den gewährten Sicherungsleistungen richte sich nach § 82
Abs. 1
SGB XII. Danach gehörten alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert zum Einkommen und seien somit bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen. Bei der Berechnung werde von einer 5-Tage-Woche ausgegangen. Urlaubs-, Krankheits- oder sonstige Fehlzeiten würden berücksichtigt. Obergrenze für die Bewertung sei der im maßgeblichen Regelsatz für die betreffende Leistung enthaltene Anteil. Dieser betrage für die Ernährung 38 %. Davon entfielen 2/5 auf das Mittagessen. Der angerechnete Betrag von monatlich 24,97 Euro errechne sich daher wie folgt: 276,00 Euro ( Regelsatz) x 38 % x 2/5 x 10/12 x 5/7 = 24,97 Euro. Die Anrechnung entspreche im Übrigen auch nach dem Nachranggrundsatz. Danach erhalte Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen könne oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägers anderer Sozialleistungen erhalte. Das der Klägerin in der Werkstatt gewährte Mittagessen werde bereits bei der Eingliederungsleistung der Agentur für Arbeit berücksichtigt. Somit würde, wenn das Mittagessen nicht als Einkommen angerechnet würde, eine doppelte Berücksichtigung dieses Bedarfs stattfinden.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Akten des Beklagten und der Akten des Gerichts (S 4 SO 4758/06 und S 4 SO 4770/06) Bezug genommen.
Die Klage ist zulässig aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 6. Februar 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13. September 2006 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf die Gewährung von Grundsicherungsleistung ohne Anrechnung des von ihr von der Agentur für Arbeit bezogenen Ausbildungsgeldes in Höhe von monatlich 57,00 Euro und des von ihr in der Tageseinrichtung für behinderte Menschen, Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Auenhof, eingenommenen Mittagessens als Einkommen.
Die Klägerin gehört als dauerhaft voll Erwerbsgeminderte, bei der es unwahrscheinlich (d.h. vorliegend: ausgeschlossen) ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, zu dem Personenkreis, der dem Grunde nach auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des
SGB XII erhalten kann. Der Anspruch besteht gemäß § 41
Abs. 2
SGB XII, soweit die Leistungsberechtigten ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrem Einkommen und Vermögen gemäß den §§ 82 bis 84 und 90
SGB XII selbst beschaffen können.
1. Die Anrechnung des der Klägerin von der Agentur für Arbeit ... aufgrund von
§ 44 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX unterhaltssichernd gewährten Ausbildungsgeldes beruht auf § 82
Abs. 3 Satz 2
SGB XII. § 83
Abs. 3
SGB XII bestimmt für Leistungsberechtigte nach dem
SGB XII einen Tätigkeitsabsetzungsbetrag. Zweck der Regelung ist, wie beim bisherigen Erwerbstätigkeits-
bzw. Werkstatttätigkeitsabzugsbetrag nach § 76
Abs. 2 a Bundessozialhilfegesetz - BSHG - der in dem Freibetrag nach § 11
Abs. 2
Nr. 6 und § 30
SGB II aufgegangen ist, einen höheren Bedarf des Erwerbstätigen oder des Werkstatttätigen - insbesondere für Ernährung, Kleidung, Körperpflege und persönliche Bedürfnisse - aufzufangen sowie zur Erwerbstätigkeit
bzw. Werkstattbeschäftigung zu motivieren. Für Erwerbstätige sieht § 82
Abs. 3 Satz 1
SGB XII deshalb vor, dass bei der Hilfe zum Lebensunterhalt ein Betrag in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens aus selbständiger oder nicht selbständiger Tätigkeit des Leistungsberechtigten abzusetzen ist. Für behinderte Menschen in Werkstätten, als Werkstattbeschäftigte, bestimmt dagegen § 82
Abs. 3 Satz 2
SGB XII abweichend von Satz 1 der Regelung, dass bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen von einem Entgelt 1/8 des Eckregelsatzes zuzüglich 25 vom Hundert des diesen Betrags übersteigenden Entgelts abzusetzen ist. Damit soll für leistungsberechtigte behinderte Menschen eine Gleichstellung mit stationär untergebracht behinderten Menschen erreicht werden (
vgl. Wahrendorf, in Grube/Wahrendorf,
SGB XII Sozialhilfe, Kommentar, 2005, § 83 Rn. 46 und Brühl, in LPK
SGB XII, Kommentar, 7. Auflage 2005, § 82 Rn. 85).
Die Klägerin erhält das vorliegend in puncto Anrechnung streitgegenständliche unterhaltssichernde Ausbildungsgeld der Agentur für Arbeit .. . nach Maßgabe von
§ 97 ff. SGB III in Verbindung mit
§ 33 und
§ 44 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX. Dabei handelt es sich um eine ergänzende Leistung zur Unterhaltssicherung (
vgl. Majerski/Pahlen, in Neumann/ Pahlen/ Majerski/ Pahlen,
SGB IX, Kommentar, 11. Auflage, 2005, § 44 Rn. 4), die vergleichbar dem Arbeitsförderungsgeld nach
§ 43 SGB IX ihre Ursache im sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis der Klägerin in der Werkstatt für behinderte Menschen hat. Das unterhaltssichernde Ausbildungsgeld ist damit Einkommen im Sinne von § 82
Abs. 1
SGB XII (vormals § 76
Abs. 1 BSHG).
Dieses Einkommen ist nach der Maßgabe von § 82
Abs. 3 Satz 2
SGB XII auf die von der Klägerin begehrten Grundsicherungsleistungen des Beklagten anzurechnen. Absetzungen von staatlichen Leistungen, die der Unterhaltssicherung dienen, sind gesetzlich nicht vorgesehen. Da das der Klägerin von der Agentur für Arbeit gewährte Ausbildungsgeld der Unterhaltssicherung dient, handelt es sich hierbei auch nicht um anrechnungsfreies Einkommen im Sinne von § 83
Abs. 1
SGB XII, mit der Folge, dass es in voller Höhe als Einkommen zu berücksichtigen ist. Das Ausbildungsgeld nach § 44
Abs. 1
Nr. 1
SGB IX wird zwar aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften im Sinne von § 83
Abs. 1
SGB XII erbracht. Es besteht aber Zweckidentität zwischen Ausbildungsgeld und Sozialhilfe im Sinne von § 83
Abs. 1
SGB XII. Der Zweck des Ausbildungsgeldes nach § 44
Abs. 1
Nr. 1
SGB IX liegt darin, zur Unterhaltssicherung der Klägerin beizutragen. Als solches dient es ebenso wie das Kindergeld der Sicherstellung des Lebensunterhalts des behinderten Menschen, zumindest ist es jedoch "zweckneutral" und schon deshalb bei der Gewährung von Sozialhilfe in Gestalt von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen (
vgl. ebenso für das Arbeitsförderungsgeld nach § 43
SGB IX: Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 22. Juli 2003, 5 K 912/02, NVwZ-RR, 2004, 42 f. unter Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. April 1984, 5 C 3.83 - BVerwGE 69, 177).
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch aus der Auffangregelung des § 82
Abs. 3 Satz 3
SGB XII nicht. Danach kann im Übrigen in begründeten Fällen ein anderer als in Satz 1 festgelegter Betrag vom Einkommen abgesetzt werden. Als Beispiele nennt die Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 15/1514,
S. 65) den Ferienjob eines Schüler oder das Erfordernis eines besonderen Anreizes. Danach kommen Erhöhungen vor allem bei an und für sich nicht zumutbaren, aber möglichen Tätigkeiten in Betracht. Die Vorschrift kombiniert einen unbestimmten Rechtsbegriff (in begründeten Fällen) mit einer Ermessensentscheidung (kann) . Unterstellt, man würde die Auffangregelung des Satzes 3 - die ausdrücklich nur Fälle des Satzes 1 des Absatz 3 erfasst - auch auf Werkstattbeschäftigte im Sinne von Satz 2 der Norm im Wege der Lückenschließung anwenden, fehlte es im Fall der Klägerin immer noch am tatbestandlichen Merkmal des "begründeten Falles". Denn Leistungsanreize für Behinderte sind grundsätzlich über § 16
SGB II zu steuern (
vgl. Wahrendorf, in Grube-Wahrendorf,
SGB XII, Kommentar, 2005, § 83 Rn. 47). § 82
Abs. 3 Satz 3
SGB XII könnte - auch in analoger Anwendung folglich nur dann greifen, wenn es eines besonderen Anreizes zur Beschäftigungsaufnahme in der Werkstatt für Behinderte bedürfte. Dafür ist vorliegend weder etwa ersichtlich noch etwas geltend gemacht worden.
2. Auch bei dem Mittagessen, welches die Klägerin arbeitstäglich in der Werkstatt für behinderte Menschen erhält, handelt es sich um Einkommen im Sinne von § 82
SGB XII. Zum Einkommen gehören gemäß § 82
Abs. 1 Satz 1
SGB XII grundsätzlich alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Dabei wird der Begriff der "Kost" in der Durchführungsverordnung zu § 82
SGB XII - DVO - als Einnahme die nicht in Geld besteht, ausdrücklich genannt (
vgl. § 2
Abs. 1 Satz 1 DVO). Der Anrechnung des Mittagessens als Einkommen steht nach der Auffassung der Kammer nicht entgegen, dass nach § 82
SGB XII nicht die Leistungen nach dem
SGB XII gehören. Denn dass der Klägerin in der Werkstatt gereichte Mittagessen kann nicht als Leistung nach dem
SGB XII qualifiziert werden. Dagegen spricht vor allem, dass die behinderten Menschen, wenn sie - wie die Klägerin - nicht Arbeitnehmer sind, zu den Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis stehen, soweit sich aus dem zugrundeliegenden Sozialleistungsverhältnis nichts anderes ergibt (
vgl. § 138 Abs. 1 SGB IX). Das Mittagessen erhält die Klägerin unstreitig im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses. Da die Klägerin einen Teil ihrer Ernährung damit jenseits des Regelungsbereiches der §§ 41
ff. SGB XII erhalten kann oder erhält, ist der Beklagte grundsätzlich befugt, die der Klägerin gewährte Unterhaltssicherung wegen der Nutzung des kostenlosen Mittagessens in der Werkstatt für Behinderte abweichend festzulegen.
Die über § 42
Abs. 1
Nr. 1 in Verbindung mit § 28
Abs. 1 Satz 1
SGB XII gewährten Pflegebedarfssätze könnten abweichend festgelegt werden, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anders gedeckt ist (§ 28
Abs. 1 Satz 2
SGB XII). Aus den nicht eingeschränkten Verweisen in § 42
Abs. 1
Nr. 1
SGB XII ergibt sich, dass die Regelung über die Bemessung des Regelsatzes nach den individuellen Verhältnissen nach § 28
Abs. 1 Satz 2
SGB XII uneingeschränkt gilt (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. September 2006,
L 23 SO 1094/ 05, Juris, Rn. 25; Schellhorn, in Schellhorn/Schellhorn/Hohn,
SGB XII, Kommentar, 17. Auflage, § 2005, § 42 Rn. 6 m. w. N.). Nach der Gesetzesbegründung zu § 28
SGB XII ist ein Bedarf
z. B. anderweitig gedeckt, wenn der Leistungsberechtigte einzelne Leistungen von dritter Seite erhält. Die Begründung des Gesetzgebers nennt insoweit ausdrücklich als Beispiel das "unentgeltliche Essen" (Bundestagsdrucksache 15/1514, Seite 59).
Auch die von der Klägerin dagegen angeführte Vorschrift des § 92
SGB XII steht dem nicht entgegen. § 92
SGB XII enthält Sonderregelungen für den Einsatz von Einkommen und Vermögen im Fall der Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und ist auf die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt auch nach dem 4. Kapitel nicht übertragbar (
vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. September 2006,
L 23 SO 1094/05, Juris, Rn. 26 m. w. N.). Insofern erfolgt auch entgegen der Auffassung der Klägerin keine verschleierte Kostenbeteiligung, sondern die zusätzlich zu der Hilfe in der Einrichtung im häuslichen Bereich gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt wird wegen der anderweitig sichergestellten Bedarfsdeckung gekürzt.
Schließlich rechtfertigt auch der sozialhilferechtliche Nachranggrundsatz (§ 2
SGB XII) eine Anrechnung für die kostenlose Inanspruchnahme des Mittagessens. Danach erhält Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialhilfeleistungen erhält. Das von der Werkstatt für behinderte Menschen zur Verfügung gestellte kostenlose Mittagessen stellt eine solche nach § 2
Abs. 1
SGB XII zumutbar wahrzunehmende Selbsthilfemöglichkeit dar, die von der Klägerin ja auch wahrgenommen wird (
vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Juli 2006,
L 8 SO 45/06 ER, Juris und Landessozialgericht Berlin- Brandenburg
a. a. O.). Dementsprechend verfängt auch das weitere Argument der Klägerin, sie wäre in jedem Fall zuhause kostenlos verpflegt worden, nicht. Denn auch eine Verpflegung im Elternhaus rechtfertigte nach dem Nachranggrundsatz des § 2
SGB XII als wahrzunehmende Selbsthilfemöglichkeit eine Anrechnung des Kostensatzes für das Mittagessen.
Vor dem Hintergrund dieser der Kammer nachvollziehbaren und in sich schlüssigen obergerichtlichen Rechtsprechung hat auch kein Anlass bestanden, eine Entscheidung in dem Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die beim Bundessozialgericht in den dortigen Verfahren B 8/9 SO 21/06 R und B 8/9 SO 3/07 anhängigen Rechtsfrage zur Anrechnungsfähigkeit des Werkstattmittagessens in Behinderteneinrichtungen als Einkommen auf Leistungen nach §§ 41
ff. SGB XII auszusetzen.
Auch der vom Beklagten für das werkstatttäglich von der Klägerin eingenommene Mittagessen der Höhe nach in Ansatz gebrachte Betrag von monatlich 24,97 Euro ist nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Bewertung der Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, verweist § 2
Abs. 1 Satz 2 DVO ausdrücklich auf die aufgrund von § 17
Abs. 2
SGB IV zuletzt festgelegten Werte der Sachbezüge. Die Klägerin hat hiergegen nichts vorgebracht; angesichts eines Kostenbeitrages von nur 24,97 Euro monatlich für das Mittagessen drängen sich der Kammer auch keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des festgesetzten Betrages auf, zumal der Beklagte seine Berechnung der Kammer transparent und nachvollziehbar erläutert hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.