Die Klägerin verlangt die Zahlung von 1.130.752,30 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 01. Mai 1999 als Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Die Klägerin ist eine Behindertenwerkstatt und beschäftigt Behinderte, für die der Beklagte der zuständige Kostenträger ist. Sie unterhält Werkstätten in N, G und Sch, in denen zwischen 1995 und 1998 zwischen 209 und 277 Behinderte beschäftigt waren.
Bis 1995 erfolgte eine Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Behinderten durch die Beklagte. Ab 1995 erstattete die Beklagte diese Beträge nicht mehr, sondern erstattete die angefallenen Sozialversicherungsbeiträge nur noch als einzelne Kostenposition im Rahmen des laufend gezahlten Kostensatzes.
Nach § 5
Abs. 1
Nr. 7 Sozialgesetzbuch V (
SGB V) sind Behinderte in Behindertenwerkstätten versicherungspflichtig tätig. Dabei tragen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (Behinderter) nach § 249
Abs. 1
SGB V die Krankenversicherungsbeiträge jeweils zur Hälfte. Gemäß § 251
Abs. 2
SGB V hat bei Behinderten der Kostenträger (Beklagter) den Arbeitgeberanteil der Einrichtung zu erstatten. Behinderte in Werkstätten sind ebenfalls nach § 1
Abs. 2 Sozialgesetzbuch VI (
SGB VI) in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig tätig. Nach § 168
Abs. 1
Nr. 2
SGB VI werden auch dort die Sozialversicherungsbeiträge jeweils zur Hälfte vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen. Auch hier hat der Träger der Behinderteneinrichtung nach § 179
Abs. 1
SGB VI einen Erstattungsanspruch gegen den Bund oder den jeweiligen Kostenträger. In der Pflegeversicherung sind Behinderte in Behindertenwerkstätten nach § 20
Abs. 1
Nr. 7 und 8 Sozialgesetzbuch XI (
SGB XI) pflichtversichert. Nach § 58
Abs. 1
SGB XI tragen auch hier der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die darauf anfallenden Sozialversicherungsbeiträge jeweils zur Hälfte. § 59
Abs. 1
SGB XI verweist auf die Vorschriften der Krankenversicherung, so daß auch im Rahmen der Pflegeversicherung ein Erstattungsanspruch der Behinderteneinrichtung gegen den Kostenträger besteht.
Der Beklagte hat sich geweigert, die von der Klägerin geltend gemachten Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.130.752,30 DM für die Jahre 1995 bis 1998 an die Klägerin zu zahlen.
Die Klägerin hat am 07. Oktober 1999 vor dem Sozialgericht Altenburg Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Auffassung, daß der Beklagte verpflichtet sei, die noch nicht erstatteten Sozialversicherungsbeiträge für die Behinderten aus den Jahren 1995 bis 1998 an die Klägerin zu zahlen. Diese Sozialversicherungsbeiträge seien aufgrund der versicherungspflichtigen Beschäftigung der Behinderten in den Werkstätten der Klägerin tatsächlich an die jeweiligen Sozialversicherungsträger abgeführt worden, so daß die Erstattungsansprüche im Rahmen des
SGB V,
SGB VI und
SGB XI entstanden seien. Diese Erstattungsansprüche habe der Beklagte rechtswidrig nicht in voller Höhe befriedigt, da der Beklagte diese Sozialversicherungsbeiträge nicht in voller Höhe erstattet habe, sondern nur teilweise im Kostenansatz berücksichtigt und an die Klägerin ausgezahlt habe. Zur weiteren Begründung, insbesondere zur Höhe der Erstattungsforderung, wird auf die Klageschrift vom 06. Oktober 1999 verwiesen.
Die Klägerin beantragt;
die Beklagte zu verurteilen, 1.130.752,30 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 01.
Mai 1999 an die Klägerin zu zahlen.
Der Beklagte beantragt;
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, daß die Erstattungsforderung der Klägerin nicht zu Recht bestehe. Der Beklagte habe die streitgegenständigen Sozialversicherungsbeiträge als Bestandteil der prospektiv vereinbarten Entgelte (Pflegesätze) an die Klägerin ausgezahlt.
Ein weiterer Anspruch gegen den Beklagten bestehe daher nicht, da der Beklagte durch die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge als Bestandteil der prospektiv vereinbarten Entgelte die Erstattungsforderung erfüllt habe. Zur weiteren Begründung wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 14. Dezember 1999 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06. September 2000 und die Gerichtsakte verwiesen.
Die Klage ist zulässig.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist hier nach § 51
Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig. Bei dem vorliegenden Streit handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verwaltungsrechtlicher Natur, die ihre Wurzeln im Sozialrecht hat. Zwar handelt es sich bei der Klägerin nicht um einen Versicherten der gesetzlichen Sozialversicherung
bzw. Arbeitgeber und bei dem Beklagten nicht um einen Träger der gesetzlichen Sozialversicherung, aber dennoch ist hier der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Gegenstand der Klage ist der Streit zwischen den Beteiligten, ob der Beklagte verpflichtet ist, gesetzliche Sozialversicherungsbeiträge an den Kläger als Träger der Behinderteneinrichtung zu erstatten. Da sich die entsprechenden Erstattungsnormen sich im Sozialgesetzbuch V (
SGB V), im Sozialgesetzbuch VI (
SGB VI) und im Sozialgesetzbuch XI (
SGB VI) befinden, handelt es sich um eine Streitigkeit sozialrechtlicher Natur, für die der Rechtsweg zu den Sozialgerichten zulässig ist.
Die Klage ist eine reine Leistungsklage nach § 54
Abs. 5
SGG.
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf die Zahlung von 1.130.752,30 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 01. Mai 1999.
Der Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin 1.130.752,30 DM für von der Klägerin tatsächlich abgeführte Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 251
Abs. 2
SGB V, § 179
Abs. 1
SGB VI und § 59
Abs. 1
SGB XI an die Klägerin zu erstatten.
Der Beklagte kann gegen die Forderung der Klägerin nicht einwenden, daß die Forderung der Klägerin auf Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die in den Jahren 1995 bis 1998 beschäftigten Behinderten schon durch die anteilige Erstattung im prospektiv vereinbarten Kostensatz (Pflegesatz) erfüllt und damit erloschen sei.
Nach den auch hier anzuwendenden rechtlichen Grundsätzen des Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) erlischt ein Anspruch auf Zahlung einer Geldsumme, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird (§ 362
BGB). In einem Rechtsstreit hat dann der Gläubiger (Klägerin) darzulegen und zu beweisen, daß eine bestimmte Forderung gegenüber dem Schuldner (Beklagter) entstanden ist. Der Schuldner (Beklagter) kann dann Einreden und Einwendungen gegen die Forderung selbst oder ihre Höhe erheben und/oder darlegen und beweisen, daß die entsprechende Forderung durch eine Leistung erfüllt worden ist.
Die Frage der Erfüllung des Erstattungsanspruches ist hier der eigentliche Streitpunkt zwischen den Beteiligten. Während die Klägerin der Ansicht ist, daß ihre Erstattungsforderungen noch nicht in voller Höhe erfüllt worden seien, geht der Beklagte davon aus, daß die Erstattungsforderung durch die Zahlung in den prospektiv vereinbarten Kostensätzen, (Pflegesätzen) erloschen ist.
Dieser Auffassung des Beklagten kann nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat in der Klageschrift unter Vorlage der entsprechenden Listen nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, daß der Erstattungsanspruch über die Sozialversicherungsbeiträge der in den Jahren 1995 bis 1998 bei ihr beschäftigten Behinderten tatsächlich in der von ihr geltend gemachten Höhe entstanden ist. Sie hat für das Gericht nachvollziehbar an Hand der beigefügten Listen ausgeführt, für welche Behinderte Sozialversicherungsbeiträge gezahlt worden sind, in welcher Höhe diese gezahlt worden sind und zu welchem Teil diese Sozialversicherungsbeiträge von dem Beklagten schon erstattet worden sind.
Demgegenüber hat der Beklagte nicht dargelegt und bewiesen, daß diese Erstattungsforderung der Klägerin durch Erfüllung vollständig erloschen ist. Der Beklagte hat keinerlei Nachweise darüber vorgelegt, daß er die entsprechenden Erstattungsforderung der Klägerin bezüglich des einzelnen Behinderten tatsächlich
z. B. durch Überweisung des jeweiligen Geldbetrages erfüllt hat. Auch entsprechende Quittungen seitens der Klägerin liegen nicht vor. Vielmehr beruft sich der Beklagte darauf, daß die entsprechenden Erstattungsforderungen durch anteilige Leistungen in den Kostenansätzen (Pflegesätzen) gezahlt worden und damit erfüllt worden seien.
Dies kann jedoch nicht nachvollzogen werden. Es liegt schon keine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten darüber vor, daß die Klägerin der Erfüllung ihrer Erstattungsansprüche bezüglich der tatsächlich entstandenen Sozialversicherungsbeiträge durch anteilige Leistungen in den Kostenansätzen zugestimmt hat. Eine solche ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten (Erfüllungsvereinbarung) läßt sich in den von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen nicht auffinden.
Zum anderen wäre eine solche Vereinbarung auch rechtswidrig. Der Gesetzgeber hat in den betreffenden Vorschriften des
SGB V, des
SGB VI und des
SGB XI ausdrücklich eine Erstattungspflicht der Kostenträger gegenüber den Trägern der Behinderteneinrichtungen festgelegt.
Diese Erstattungsforderung ist aber nicht fähig, in einem Kostenansatz (Pflegesatz) berücksichtigt zu werden. Vielmehr hat diese Erstattungsforderung nach dem Sinn der rechtlichen Regelungen getrennt von den Pflegesätzen abgerechnet zu werden. Dies hat einmal seinen Grund darin, daß es sich bei den Sozialversicherungsbeiträgen um einen reinen Durchlaufposten bei dem Träger der Behinderteneinrichtung handeln soll. Der Träger der Behinderteneinrichtung soll diese Sozialversicherungsbeiträge wie ein Arbeitgeber tatsächlich abführen und dafür einen Erstattungsanspruch gegen den Kostenträger erlangen. Dieser Erstattungsanspruch steht daher außerhalb des von dem Kostenträger zu gewährenden Pflegesatzes, sondern stellt einen völlig eigenständigen Erstattungsanspruch dar.
Zum anderen folgt diese völlige Eigenständigkeit des Erstattungsanspruches auch daraus, daß das sozialversicherungspflichtige Entgelt eines Behinderten in einem Jahr durchaus Schwankungen unterworfen ist, so daß es dazu kommen kann, daß aufgrund dieser Schwankungen der Erstattungsanspruch in seiner Höhe von Monat zu Monat schwankt oder über das Jahr verteilt hin in unterschiedlicher Höhe besteht. Würde man nun zulassen, daß eine Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge in einem gleichbleibenden Pflegesatz erfolgen könnte, könnte dies dazu führen, daß einmal zu viel und einmal zu wenig erstattet wird. Dies ist aber nicht der Sinn der gesetzlichen Regelung. Vielmehr soll die gesetzliche Regelung dazu führen, daß die Sozialversicherungsbeiträge aus den oben genannten Gründen als reiner Durchlaufposten bei dem Träger der Behinderteneinrichtung erstattet werden. Somit kann dieser Posten nicht in den Pflegesätzen berücksichtigt werden.
Die Höhe der Erstattungsforderung hat die Klägerin nachvollziehbar und schlüssig durch die Vorlage der entsprechenden Listen dargelegt und bewiesen. Das Gericht hat keinen Zweifel an der Höhe der begehrten Forderung.