Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darum, ob dem im Dezember 1945 geborenen, seit September 2004 wegen einer beginnenden, leichtgradigen Demenzerkrankung Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehenden Antragsteller Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren sind.
Der Antragsteller beantragte im Februar 2006 bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen in einem Eingangsverfahren in den F. Werkstätten. Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2006 mit Hinweis darauf ab, das Leistungsvermögen des Antragstellers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei aufgrund seiner Erkrankung und seines fortgeschrittenen Alters dauerhaft aufgehoben und eine Eingliederung in das Erwerbsleben durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei nicht Erfolg versprechend. Die Aufnahme des Antragstellers in eine Werkstatt für behinderte Menschen würde vorrangig dazu dienen, ihm eine geregelte Tagesstruktur zu gewährleisten. Dies falle nicht in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Rentenversicherung. Dagegen hat der Antragsteller Klage bei dem Sozialgericht Hildesheim erhoben (Az.: S 4 R 278/06). Den auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung bezüglich der Übernahme der Kosten für das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich gerichteten Antrag des Antragstellers hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 3. Januar 2008 abgelehnt. Der geltend gemachte Anspruch auf die begehrten Maßnahmen sei nicht glaubhaft gemacht, weil nicht erkennbar sei, dass der Antragsteller nach Durchlaufen des Eingangsverfahrens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werde.
Gegen den ihm am 8. Januar 2008 zugestellten Beschluss wendet sich die am 29. Januar 2008 bei dem Sozialgericht eingegangene Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein Begehren unter Vorlage einer Stellungnahme der F. Werkstätten weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingereicht. Sie ist auch teilweise - soweit sie die Gewährung von Leistungen im Eingangsverfahren betrifft - begründet.
Gemäß § 86 b
Abs. 2
SGG kann eine einstweilige Anordnung getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzung liegt vor. Denn ein Zuwarten auf die Entscheidung der streitigen Bewilligung von Leistungen im Eingangsverfahren bis zum Abschluss des - erstinstanzlichen - Hauptsacheverfahrens würde die Verwirklichung der Rechte des Antragstellers voraussichtlich mindestens zu einem überwiegenden Teil vereiteln. Wäre die beantragte Maßnahme im Eingangsverfahren unmittelbar nach Antragstellung bewilligt worden, so hätte der Antragsteller nach Abschluss des Eingangsverfahrens bis zum Erreichen der Altersgrenze unter günstigen Voraussetzungen noch rund viereinhalb Jahre im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten können. Nach den von dem Sozialgericht im Hauptsacheverfahren mit Verfügung vom 24. Januar 2007 zu der voraussichtlichen weiteren Verfahrensdauer gegebenen Hinweisen ist mit dem erstinstanzlichen Abschluss des Rechtsstreites eher nicht mehr in diesem Jahr zu rechnen. Für den Fall des für den Antragsteller positiven Ausgangs des Hauptsacheverfahrens wird - sofern sich bis dahin nicht sein Gesundheitszustand nachteilig verändert haben sollte - allenfalls noch eine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen für die Dauer von rund eineinhalb Jahren in Betracht kommen können.
Der der einstweiligen Anordnung zugrunde liegende materiell-rechtliche Anspruch (Anordnungsanspruch) auf die Gewährung von Leistungen im Eingangsverfahren ist auch mit großer Wahrscheinlichkeit gegeben, so dass das Gericht zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes die im Tenor zum Ausdruck gebrachte Eilmaßnahme zu treffen hat, wenn auch mit der Ausführung der Eilmaßnahme insoweit die Hauptsacheentscheidung vorweggenommen ist.
Im Bereich des Rechts der Teilhabe am Arbeitsleben ist der Antragsgegnerin ein Ermessen eröffnet, das aber im vorliegenden Fall jedenfalls hinsichtlich der Frage der Gewährung einer Leistung im Eingangsbereich dem Grunde nach auf Null geschrumpft ist.
Die von der Antragsgegnerin in den im Hauptsacheverfahren angefochtenen Bescheiden angestellten Ermessenserwägungen sind fehlerhaft, weil sie in einer nicht der Ermächtigung entsprechenden Weise von dem Ermessen Gebrauch machen (§ 39
Abs. 1
SGB I). Die Gewährung einer Leistung im Eingangsverfahren einer Werkstatt für behinderte Menschen kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Versicherte dadurch voraussichtlich in die Lage versetzt werden wird, eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu den üblichen Bedingungen des Erwerbslebens zu verrichten. Gemäß
§ 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX dient das Eingangsverfahren vielmehr der Feststellung der weiteren Eingliederung des Versicherten ins Erwerbsleben. Dazu gehört insbesondere auch die Tätigkeit im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen, nicht lediglich die Fortführung der Eingliederung durch eine Leistung im Bildungsbereich. Ob mit Rücksicht darauf die Gewährung von Leistungen im Eingangsverfahren abgelehnt werden dürfte, wenn von vorneherein feststeht, dass jedenfalls nicht einmal eine Arbeit im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen in Betracht kommen wird, muss der Senat nicht entscheiden. Denn insbesondere angesichts der Ergebnisse des von dem Antragsteller schon in einer derartigen Werkstatt absolvierten Praktikums ist nicht davon auszugehen, dass er nicht einmal für eine Arbeit im Arbeitsbereich in Betracht kommen wird. Eine Eingliederung des Antragstellers in das Erwerbsleben - in einer Werkstatt für behinderte Menschen - ist vielmehr durchaus wahrscheinlich.
Das Ermessen für eine damit an sich von der Antragsgegnerin erneut zu treffende Entscheidung ist auf Null geschrumpft. Steht einerseits fest, dass die Verwirklichung einer beruflichen Integration Aufgabe der Antragsgegnerin ist (§ 9
Abs. 1
Nr. 2
SGB VI), und steht andererseits fest, dass eine Integration des Antragstellers im allgemeinen Erwerbsleben aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht in Betracht kommt, so verbleibt als einzig möglicher Weg einer Wiedereingliederung der über ein Eingangsverfahren in einer Werkstatt für behinderte Menschen. In diesem Zusammenhang kann die Antragsgegnerin - jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt noch - nicht das vorgerückte Lebensalter des Antragstellers berücksichtigen. Denn der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller - einen erfolgreichen Abschluss des Eingangsverfahrens vorausgesetzt - etwa wegen seines Lebensalters keine Chance mehr hätte, einen Arbeitsplatz im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen zu erhalten. Dass die Phase seiner Arbeit in einer solchen Tätigkeit womöglich absehbar begrenzt ist, spielt angesichts der strikt am Lebensalter orientierten Zugangsvoraussetzungen für eine Altersrente keine Rolle. Denn die Versagung sowohl einer Altersrente als auch einer beruflichen Wiedereingliederung würde zu einem Wertungswiderspruch führen, den der Senat dem Gesetz nicht entnehmen kann.
Ob im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin zu berücksichtigenden Gesichtspunkte von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ( § 13
Abs. 1 Satz 1
SGB VI) womöglich zu einem unmittelbar vor dem Eintritt der Regelaltersgrenze liegenden Zeitpunkt etwas anderes gelten könnte, muss im vorliegenden Zusammenhang nicht entschieden werden. Jedenfalls ist dem Rentenversicherungsrecht eine konkret auf das Individuum bezogene Kosten-Nutzen-Analyse bei der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe fremd. Deshalb kann dahinstehen, ob eine solche Analyse im gegenwärtigen Zeitpunkt tatsächlich gegen die Gewährung der streitigen Leistung an den Antragsteller spräche. Den Aufwendungen stünden im Übrigen einerseits mögliche Einsparungen bei der dem Antragsteller gewährte Rente (§ 96a
SGB VI) und andererseits mögliche Einnahmen von Beiträgen (§ 1 Satz 1
Nr. 2 Buchst a)
SGB VI) gegenüber.
Hinsichtlich der Auswahl der mit der Durchführung der Leistung im Eingangsverfahren zu beauftragenden Werkstatt wird die Antragsgegnerin eine Ermessensentscheidung zu treffen haben, bei der zwar der Wunsch des Antragstellers gemäß
§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB IX beachtlich sein kann, womöglich aber auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen.
Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Leistung im Eingangsverfahren oder die mit ihr angestrebte Arbeit des Antragstellers in dem Arbeitsbereich ihm bei der Gewinnung einer Strukturierung des Alltages und/oder von Lebenszufriedenheit hilft. Rehabilitationsziel ist die berufliche Eingliederung ohne Rücksicht auf die sich daraus ergebenden Folgewirkungen.
Die Beschwerde ist hingegen unbegründet, soweit mit ihr zugleich die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen im Bildungsbereich begehrt wird. Zwar mag auch insoweit allein der Zeitablauf die Wahrung der Rechte des Antragstellers vereiteln können, weil zu einem späteren Zeitpunkt bis zum Eintritt der Regelaltersgrenze die für eine Leistung im Bildungsbereich regelmäßig vorgesehene Frist von zwei Jahren (§ 40
Abs. 3 Satz 1
SGB IX) nicht mehr verbleiben könnte. Insoweit fehlt es jedoch jedenfalls an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches. Denn vor dem Abschluss der Leistung im Eingangsverfahren kann noch nicht feststehen, ob der Antragsteller von seinem Restleistungsvermögen her überhaupt die Voraussetzungen einer Entwicklung oder Verbesserung seiner Leistungs- und Erwerbsfähigkeit (§ 40
Abs. 1
Nr. 2
SGB IX) erfüllt. Gerade zu der Gewinnung der für diese Entscheidung erforderlichen Erkenntnisse soll das Eingangsverfahren dienen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob für ein auf die Gewährung von Leistungen im Bildungsbereich gerichtetes Begehren ein Rechtsschutzinteresse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegeben sein kann, wenn ein entsprechender Leistungsantrag an die Antragsgegnerin nicht bereits zuvor gestellt und von ihr abgelehnt worden ist. Ebenso braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht entschieden zu werden, ob und gegebenenfalls mit welcher Gewichtung bei der etwa später zu treffenden Entscheidung über eine Leistung im Bildungsbereich zu berücksichtigen sein kann, dass der Antragsteller womöglich nach Abschluss einer Bildungsmaßnahme schon aus zeitlichen Gründen kaum noch in der Lage sein wird, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung der §§ 183, 193
SGG und berücksichtigt das Ausmaß des jeweils teilweisen Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177
SGG.