Der Kläger leidet an Autismus in Form des Asperger-Syndroms und wünschte nach dem Schulabschluss in den Mariaberger Heimen in Gammertingen die Aufnahme in die dortige WfbM, in der er bereits als Schüler ein Praktikum absolviert hatte. Die Bundesagentur für Arbeit befürwortete hingegen nur die Aufnahme in die zu seinem Elternhaus näher gelegene WfbM in Gomaringen. Das LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 8.04.2009 - Az: L 8 AL 520/09 ER-B) gab dem Eilantrag des Klägers statt, auch im Hauptsacheverfahren vor dem SG Reutlingen obsiegte er.
Das SG prüfte zunächst die inzwischen von der BA bestrittene Werkstattfähigkeit des Klägers wegen seines hohen Betreuungsbedarfs (Personalschlüssel von 1:1 während des Schulpraktikums). Vom Grundsatz her müsste jede WfbM nach § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB IX jedem behinderten Menschen unabhängig von der Schwere der Behinderung einen Arbeitsplatz anbieten. Es gebe jedoch unterschiedliche Betreuungskonzepte und bauliche Gegebenheiten der einzelnen WfbM. Das Eingangsverfahren habe daher das Ziel, nicht nur die Werkstattfähigkeit zu prüfen, sondern auch die Eignung der betreuenden WfbM. Dies könne zum Ergebnis haben, dass eine an sich räumlich zuständige WfbM sich als weniger geeignet erweise als eine entfernter liegende WfbM. Maßstab sei, ob sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ergebe, wenn die näherliegende WfbM gewählt würde. Eine fehlende Eignung der WfbM in Gomaringen ergebe sich aus den Weglauftendenzen des Klägers. Es gebe dort nur eine Pausenaufsicht von drei Mitarbeitern für 180 Beschäftigte, die Toilette sei außerhalb des eigentlichen Werkstattbereichs gelegen, und die WfbM liege in einem Industriegebiet mit stark befahrenen Autostraßen. In der WfbM Gammertingen sei man hingegen auf den Personenkreis mit Tendenz zum Weglaufen besser vorbereitet und haben schon behinderte Menschen gezielt mit diesem Syndrom aufgenommen. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass der Kläger in der WfbM in Gomaringen einer erheblichen Lärmbelästigung ausgesetzt sei, die ihm wegen seiner Geräuschempfindlichkeit (Hyperakusis) nicht zuzumuten sei.
Die Werkstattfähigkeit des Klägers bewege sich in einem Grenzbereich: Nach der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 14.08.2002 - Az: L 13 AL 2380/02 ER-B) habe ein behinderter Mensch, der voraussichtlich für die gesamte Zeit seiner Teilnahme an einer Maßnahme im Berufsbildungsbereich eine Beaufsichtigung benötige, die den in der WVO vorgesehenen Personalschlüssel von 1:6 überschreite, keinen Anspruch auf Förderung seiner Teilnahme. Der Kläger erbringe eine Arbeitsleistung von überdurchschnittlicher Güte. Trotz seiner Weglauftendenzen sei nicht von einer erheblichen Selbstgefährdung auszugehen. Er sei in dem letzten Monat zweimal weggelaufen, habe aber nicht das Gelände der Einrichtung verlassen, die in einem verkehrsberuhigten Bereich ohne Durchgangsverkehr liege. Eine 1:1 Betreuung sei für den Kläger nicht mehr notwendig, er könne in einer Gruppe mit einem Personalschlüssel 1:6 betreut werden.