Der 1935 geborene Kläger ist in einer Wohnstatt für behinderte Menschen (WfBM) beschäftigt. Mit Vollendung seines 65. Lebensjahres stellte der Sozialhilfeträger die Kostenübernahme für die Werkstatt ab 31.12.2000 ein und verlangte, dass der Kläger eine Tagesbetreuung im Wohnheim erhalte.
Das Gericht gab der Klage teilweise statt und verpflichtete den beklagten Kostenträger zur Weitergewährung der Kosten für die Werkstatt bis zum 16.01.2002, dem Zeitpunkt, in dem im Wohnheim eine Tagesbetreuung sichergestellt sein könne. Dabei berücksichtigte das Gericht die Ergebnisse der Beweisaufnahme, in der der Wohnheimleiter bestätigt hatte, dass gegenwärtig nur für erkrankte Bewohner eine Tagesbetreuung gegeben sei, nicht aber für ältere Bewohner. Eine solche werde erst ab Januar 2002 vorhanden sein.
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die einzig mögliche Betreuung, die im konkreten Umfeld dem Kläger in zumutbarer Weise geboten werde, in der Weiterbeschäftigung in der Werkstatt zu sehen sei. Diese sei nicht ausschließlich auf die Eingliederung in das Arbeitsleben ausgerichtet, die mit Erreichung des Rentenalters von 65 Lebensjahren enden könne. Sie verfolge auch einen der Arbeit innewohnenden Zweck der Tagesausfüllung. Da der Kläger nicht einfach sich selbst überlassen werden könne, und eine Beschäftigung im Wohnheim gegenwärtig nicht angeboten werde, habe er einen Anspruch auf Weitergewährung der Hilfe für seine Beschäftigung in der Werkstatt. Dem stünden auch nicht Werkstattrichtlinien des beklagten Sozialhilfeträgers entgegen, die eine Begrenzung der Tätigkeit in der Werkstatt für das 65. Lebensjahr festlegen. Maßgeblich seien die konkreten Lebensumstände des Klägers, die von dem Beklagten bewertet werden müssten. Der lebensausfüllende Zweck der Tätigkeit in der Werkstatt werde auch dadurch unterstrichen, dass es in der Werkstatt eine Gruppe gebe, die an einer Tagesstruktur teilnehme. Dies sei eine zusätzliche Betreuungsform für Behinderte, die nicht konkret den ganzen Tag über im Fertigungsprozess eingebunden sein könnten. Es sei dem Kläger auch nicht zuzumuten, in ein anderes Heim mit einer Tagesbetreuung überzuwechseln, da er seit Jahrzehnten in seinem Wohnheim wohne. Der Ermessensspielraum des Beklagten nach § 4
Abs. 2 BSHG sei demgemäß so auszulegen, dass gegenwärtig keine Alternative zur Weiterbewilligung der Werkstattkosten bestehe, bis das Wohnheim eine eigene Tagesbetreuung geschaffen habe. Dieser Zeitpunkt sei mit dem 16.01.2002 erreicht.
Quelle:
Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/02