Der Antrag ist zulässig und begründet, weshalb der Antragsgegnerin aufzugeben war, der Antragstellerin für den Fall der Aufnahme in die Werkstatt für behinderte Menschen in P. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für das am 08. August 2005 beginnende 3-monatige Eingangsverfahren bis auf weiteres zu gewähren.
1. Der Antrag ist zulässig. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im allgemeinen statthaft. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes (Artikel 19
Abs. 4 Grundgesetz) ist es geboten, auch in sozialgerichtlichen Verfahren vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn der Bürger ein Tätigwerden der Verwaltung, dessen Durchsetzung im Klageverfahren mit einer Verpflichtungs-, Leistungs- oder Feststellungsklage zu erreichen wäre, begehrt (BVerfGE 46, 166). Auch im vorliegenden Fall ist der Antrag
gem. § 86 b
Abs. 2
S. 2
SGG statthaft, obgleich die Antragstellerin sich (auch) gegen den Ablehnungsbescheid vom 10. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Juli 2005 wendet. Dies ergibt sich daraus, dass der Antrag der Antragstellerin seitens der Antragsgegnerin abgelehnt wurde und der eine Leistung der Antragsgegnerin begehrenden Antragstellerin eine aufschiebende Wirkung gerade nicht weiterhelfen würde (siehe Mayer/Ladewig, § 86 a
SGG Rn. 6). Ausgehend davon, dass nicht die Antragsgegnerin, sondern nur der paritätisch besetzte Fachausschuss über die Aufnahme der Antragstellerin in die Werkstatt für behinderte Menschen in P. durch Abgabe einer Empfehlung an die Reha-Träger (mit-)entscheidet, war der Antrag der Antragstellerin dahin auszulegen, dass die begehrte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nur für den Fall der Aufnahme begehrt wird, wie sie dies auch am 18. Juni 2004 bei der Antragsgegnerin im Verwaltungsverfahren beantragt hatte. Da die Antragstellerin zudem zugleich Hauptsacheklage zum Sozialgericht Cottbus erhoben hat, stellte sich die Frage nicht mehr, ob der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits vor Klageerhebung zulässig ist (s. § 86b
Abs. 3
SGG).
2. Der Antrag ist auch begründet. Gemäß § 86 b
Abs. 2 Satz 2
SGG sind einstweiligen Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer solchen Regelungsanordnung ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn der Antragsteller schlüssig dargelegt und glaubhaft macht, einen Rechtsanspruch auf die gewünschte Maßnahme zu haben. Vom Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist auszugehen, wenn der Antragsteller bei einem Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache Gefahr laufen würde, seine Rechte nicht mehr realisieren zu können. Die einstweilige Anordnung soll dann verhindern, dass der Antragsteller vor vollendete Tatsachen gestellt wird, bevor er wirksam Rechtsschutz erlangen kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
a) Die Bundesagentur für Arbeit erbringt behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern (
§ 97 Abs. 1 SGB III). Hierzu zählen auch berufsfördernde und ergänzende Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen im Eingangsverfahren
bzw. im Berufsbildungsbereich in Werkstätten für behinderte Menschen, wenn die Maßnahmen erforderlich sind, um die Leistungsfähigkeit des Behinderten zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen. Behinderte werden in diesem Bereich nur gefördert, sofern erwartet werden kann, dass sie nach Teilnahme an dieser Maßnahme in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des
§ 136 Abs. 2 SGB IX zu erbringen (
§ 102 Abs. 2 SGB III). Auf diese Leistungen besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch. Ein Ermessen steht der Bundesagentur für Arbeit weder bei der Überprüfung des Anspruchs auf berufliche Rehabilitation dem Grunde nach noch hinsichtlich des Umfangs der zu gewährenden Reha-Leistungen zu. Grundsätzlich sind die Hilfen zu gewähren, die erforderlich sind. Allein diese Zielsetzung bestimmt Art und Umfang der Hilfe. Dies kann daher auch Reha-Leistungen umfassen, die durch Anordnung nicht geregelt sind. Ein Rechtsanspruch des Betroffenen besteht auch auf Förderung in einer Werkstatt für behinderte Menschen unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung, sofern Werkstatttauglichkeit des Behinderten gegeben ist. Die Werkstatt steht nämlich nach § 136
Abs. 2
SGB IX allen behinderten Menschen im Sinne des
Abs. 1 unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlicher verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden. Aus
§ 137 Abs. 1 SGB IX resultiert eine Aufnahmeverpflichtung seitens der Werkstatt für behinderte Menschen, sofern der behinderte Mensch im regionalen Einzugsgebiet der Werkstatt wohnt. Nach
§ 8 Abs. 3 der Werkstättenverordnung (WVO) muss die Werkstatt mit öffentlichen oder sonstigen Verkehrsmitteln in zumutbarer Zeit erreichbar sein.
b) Gemessen an diesen Vorgaben kann der Bescheid vom 10. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Juli 2005 nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Betrachtung schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Antragstellerin entgegen der Annahme der Antragsgegnerin im Regionaleinzugsgebiet der Werkstatt für behinderte Menschen in P. gemäß §§ 136, 137
SGB IX in Verbindung mit § 3
Abs. 2 BSHG
bzw. § 9
Abs. 2
SGB XII wohnt, nicht auch nur überhaupt Mehrkosten im Sinne der genannten Bestimmungen entstehen und darum die Leistungen durch die Rehabilitationsträger als gewährleistet anzusehen sind.
Dass die Antragstellerin mit ihrem Wohnort L im Regionaleinzugsgebiet der Werkstatt für behinderte Menschen in P. sich befindet, ergibt sich daraus, dass diese - etwa im Unterschied zur Werkstatt für behinderte Menschen in L. - nur 18,61
km statt - wie etwa die Werkstatt für behinderte Menschen in L. - 35,92
km vom Wohnort der Antragstellerin entfernt liegt und zudem vom Wohnort der Antragstellerin zur Werkstatt für behinderte Menschen eine direkte Busverbindung (Bus 21) eingerichtet ist und die Fahrzeit von L nach P. sich auf
ca. 25 (bei Benutzung des Pkw)
bzw. ca. 47 Minuten (bei Benutzung des Busses inklusive Fußwege zur Haltestelle von jeweils
ca. 4 Minuten) beläuft. Denn die Beurteilung des Einzugsgebietes richtet sich nach Überzeugung des Gerichts nach der Erreichbarkeit der Werkstatt für behinderte Menschen vom Wohnort der Antragstellerin. Es genügt nach § 8
Abs. 3
WVO, dass die Werkstatt für behinderte Menschen mit öffentlichen oder sonstigen Verkehrsmitteln in zumutbarer Zeit erreichbar ist (siehe auch Götze, in: Hauck § 137
SGB IX Rn. 7).
Eine von dieser Beurteilung
ggf. abweichende Netzwerkplanung ist demgegenüber nach Überzeugung des Gerichts unbeachtlich, da die höherrangigen gesetzlichen Vorgaben insoweit vorgehen (ebenso SG Stuttgart v. 10.5.2002, Az.
S 17 AL 6128/01 ER bzgl. eines gesetzeswidrigen, für den Antragsteller im dortigen Verfahren nachteiligen Betreuungsschlüssels aufgrund einer internen Vereinbarung zwischen der Werkstatt für behinderte Menschen, dem Landeswohlfahrtsverband und dem Landesarbeitsamt; insoweit auch vom
LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 14.8.2002, Az.
L 13 AL 2380/02 ER-B, nicht moniert). Hinzu kommt, dass entgegen der im Widerspruchsbescheid vom 05. Juli 2005 angeführten Begründung, wonach aufgrund eines besonders einzurichtenden Fahrdienstes zwischen L und der Werkstatt für behinderte Menschen in L. unverhältnismäßige Mehrkosten entstünden, aufgrund der pauschalen, einen Fahrdienst einschließenden Kostenregelung zwischen den Leistungsträgern und den Werkstätten für behinderte Menschen gerade nicht auch nur überhaupt Mehrkosten entstehen. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Gewährleistung von Leistungen durch die Rehabilitationsträger gemäß §§ 136, 137
SGB IX nicht gegeben sein soll. Auch die Rehabilitationsträger haben letztlich die Rechtsauffassung des Sozialgerichts Cottbus zur Beurteilung des Einzugsgebietes und der Mehrkosten zu beachten.
c) Auch ein Anordnungsanspruch ist nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Betrachtung gegeben. Sofern die gesetzlichen Erfordernissen vorliegen, besteht gemäß
§§ 3 Abs. 5,
102 Abs. 2 SGB III,
§ 40 SGB IX ein Rechtsanspruch auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Vorliegend hat auch die Antragsgegnerin eingeräumt, dass die Antragstellerin die persönlichen Voraussetzungen erfüllt und es sich bei der Werkstatt für behinderte Menschen in P. um eine anerkannte Werkstatt handelt. Sie hat darum auch gegenüber der Werkstatt für behinderte Menschen in P. einen Eingliederungsvorschlag für die Antragstellerin in der Werkstatt für behinderte Menschen in P. unterbreitet. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin gemäß § 137
Abs. 1 in Verbindung mit § 136
Abs. 2
SGB IX in Verbindung mit § 3
Abs. 2 BSHG
bzw. § 9
Abs. 2
SGB XII auch im regionalen Einzugsgebiet der Werkstatt für behinderte Menschen in P. wohnt und Mehrkosten nicht entstehen, weshalb Leistungen durch die Rehabilitationsträger gemäß §§ 136, 137
SGB IX als gewährleistet anzusehen sind (siehe oben II. 2. a). Vor diesem Hintergrund ist die Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts der Antragstellerin hinsichtlich einer Förderung des Eingangsverfahrens für den Fall der Aufnahme in die Werkstatt für behinderte Menschen in P. zu beachten.
Im Übrigen läge nach Überzeugung des Sozialgerichts Cottbus, ließe man sich einmal auf die Mehrkostenargumentation der Antragsgegnerin ein, in der Person der Antragstellerin ein atypischer Fall vor, der es geboten erscheinen ließe, von der Vorgabe des § 3
Abs. 2
S. 3 BSHG
bzw. § 9
Abs. 2
S. 3
SGB XII abzuweichen. Dies folgert das Gericht aus den von der Antragstellerin in der Werkstatt für behinderte Menschen bereits abgeleisteten Praktika, die ihre Integrationschancen wesentlich erhöhen dürften.
Dem Anordnungsanspruch steht auch nicht entgegen, dass zunächst nicht die Antragsgegnerin, sondern nur der paritätisch besetzte Fachausschuss über die Aufnahme der Antragstellerin in die Werkstatt für behinderte Menschen in P. durch Abgabe einer Empfehlung (mit-)entscheidet. Zum einen begehrt die Antragstellerin vorliegend Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur für den Fall der Aufnahme (siehe oben unter II.1.). Zum anderen hat der Fachausschuss ebenso wie bereits die Rehabilitationsträger (siehe oben unter II.2.b) letztlich die Rechtsauffassung des Sozialgerichts Cottbus zur Beurteilung des Einzugsgebietes und der Mehrkosten zu beachten. Aus
§ 2 Abs. 2 WVO ergibt sich gerade keine Berechtigung des Fachausschusses, von den höherrangigen gesetzlichen Vorgaben abzuweichen und die bei Vorliegen der Voraussetzungen
gem. § 137
Abs. 1
SGB III bestehende Aufnahmeverpflichtung der Werkstatt für behinderte Menschen zu unterlaufen. Seine Aufgabe ist vielmehr die Einzelfallbeurteilung in fachlicher Hinsicht, die dem Gericht ohne Zuziehung von Sachverständigen im Eilverfahren kaum möglich ist.
d) Schließlich ist auch ein Anordnungsgrund gegeben, da die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (zu den Anforderungen siehe etwa SG Stuttgart, a.a.O.). Zum einen ist überhaupt zum 08. August 2005 eine Regelung für eine Aufnahme der Antragstellerin in eine Werkstatt für behinderte Menschen zu treffen, da sie ansonsten aufgrund der Berufstätigkeit ihrer Betreuerin tagsüber allein zu Hause wäre und das Eingliederungsziel am Besten erreicht werden kann, wenn das Eingangsverfahren möglichst zeitnah zum Abschluss der Förderschule begonnen werden kann. Um die Belastungen aufgrund des Fahrdienstes von L nach L. und eine daraus resultierende psychische Dekompensation der Antragstellerin zu vermeiden, erscheint zudem gerade die Förderung durch Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben für den Fall der Aufnahme für behinderte Menschen in P. nötig.
Insbesondere dies hat die Antragstellerin durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung nach Überzeugung des Gerichts auch hinreichend glaubhaft gemacht. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin einräumte, den bei Inanspruchnahme des Fahrdienstes von L nach L. entstehenden zeitlichen und daraus auch resultierenden gesundheitlichen Belastungen nicht entgegenwirken zu können.
Dabei liegt eine gegebenenfalls unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache deshalb nicht vor, weil vorliegend lediglich das 3-monatige Eingangsverfahren anstelle der im Eingliederungsvorschlag der Antragsgegnerin unterbreiteten Maßnahme vom 08. August 2005 bis 07. November 2006, bei der zusätzlich der Berufsbildungsbereich berücksichtigt wurde, in Rede steht (siehe auch Beschl. d.
LSG Baden-Württemberg, a.a.O., das gerade die Vorschaltung des Eingangsverfahrens betont). Im Übrigen wäre ein Rechtsschutz der Antragstellerin sonst nicht zu erreichen und zur Vermeidung der soeben dargestellten wesentlichen Nachteile ein Abwarten des langjährigen Hauptsacheverfahrens im Blick auf den angestrebten Eingliederungserfolg unzumutbar, zumal die Antragstellerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegen würde.
Nach alledem war dem Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung zu entsprechen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.