II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG über den Eilantrag ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Zutreffend ist das SG in seinem Beschluss davon ausgegangen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung sowohl das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs (materieller Rechtsanspruch) wie auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes (besondere Eilbedürftigkeit) erfordert (
vgl. § 86b
Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)
i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung (
ZPO)). Im Rahmen des Eilverfahrens findet dabei regelmäßig nur eine summarische Prüfung statt (
vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl., § 86b Rn. 16c) . Die Prüfung hat jedoch um so eingehender zu erfolgen, wenn Grundrechte berührt sind und sich schwere und unzumutbare Nachteile für den Rechtssuchenden ergeben könnten, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (
vgl. BVerfGE 79, 69, (74); 94, 166, (216) sowie Beschl. v. 22.11.2002 - 1 BvR 1586/02 = NJW 2003, 1236). Maßgeblich ist danach in erster Linie der wahrscheinliche Verfahrensausgang im Hauptsacheverfahren: Ist das Begehren dort offensichtlich unzulässig oder unbegründet, kann ein Recht, das durch eine einstweilige Anordnung geschützt werden muss, nicht bestehen; bei offensichtlicher Zulässigkeit und Begründetheit des Hauptsachebegehrens ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung demgegenüber in der Regel zu entsprechen. Bei offener Prognose hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens erfolgt die Entscheidung anhand einer Abwägung der Interessen aller Beteiligten. Eine Vorwegnahme der Hauptsache kommt dabei nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen in Betracht (
vgl. erneut Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rn. 29 f., 31). Gemessen daran ist die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden.
Ein Erfolg des ASt. im Hauptsacheverfahren erscheint zunächst nicht offensichtlich gegeben oder auch nur überwiegend wahrscheinlich. Entgegen seiner Auffassung ergibt sich nicht bereits aus
§ 136 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (
SGB IX) ein Anspruch des behinderten Menschen auf Aufnahme in die WfbM, wenn die Hinderungsgründe einer Selbst- oder Fremdgefährdung
bzw. eines unverhältnismäßig hohen Betreuungs- und Pflegeaufwandes nicht vorliegen. Die Vorschrift berücksichtigt in ihrem dritten Teilsatz vielmehr auch "sonstige Umstände", die ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung des behinderten Menschen im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen und damit seiner Aufnahme (bereits in den Eingangs-/ Berufsbildungsbereich) entgegenstehen können. Darüber hinaus verlangt auch § 136
Abs. 2 Satz 1
SGB IX für die Aufnahme des behinderten Menschen zumindest die (begründete) positive Erwartung, dass er spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen wird. Wie schon die Vorgängerregelungen des Schwerbehindertengesetzes (§ 54
Abs. 2
SchwbG) hält auch das
SGB IX damit an dem Ansatz fest, dass nur solche behinderten Menschen in WfbM aufgenommen werden, bei denen eine entsprechende positive Prognose gestellt werden kann. Die Prognose ist an den Zielen der beruflichen Integrationsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder im Bereich der beschützten Werkstatt orientiert. Behinderte Menschen, die in diesem Sinne nicht "werkstattfähig" sind, werden von den Werkstätten gezielt ferngehalten (
vgl. Oppermann, in: Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, München 2003, § 5 Rn. 98
m.w.N.).
Die Feststellung dieser "Werkstattfähigkeit" obliegt dabei nach allgemeinen Grundsätzen dem Rehabilitationsträger im Rahmen seiner Verpflichtung zur umfassenden - und neutralen - Sachaufklärung (§ 20
Abs. 1, 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (
SGB X)). Davon vermitteln auch die vom ASt. angeführte Rahmenvereinbarung zwischen der Ag. und der Bundesarbeitsgemeinschaft für WfbM und der vom ASt. angesprochene Runderlass der Ag. keine Ausnahme: Ungeachtet der Frage, inwiefern diese überhaupt geeignet sind, dem ASt. eigene Rechte einzuräumen, sehen auch sie die "obligatorische" Durchführung des Eingangsverfahrens augenscheinlich nur für (bereits in die WfbM aufgenommene) "Teilnehmer" an den dortigen Maßnahmen vor, nicht aber einen - über die gesetzlichen Bestimmungen hinausreichenden - Rechtsanspruch darauf, als "Teilnehmer" in die WfbM aufgenommen zu werden. Vor diesem Hintergrund ist ein Erfolg des Hauptsacheverfahrens nicht wahrscheinlicher als sein Misserfolg: Zwar sprechen die Stellungnahme des Fachausschusses bei den H. vom 19. Juni 2007 (unter Beteiligung eines Vertreters der Ag.), die Beurteilung des Psychologischen Dienstes (Herr K.) der Ag. vom 24. Juli 2007, die Stellungnahmen der H. vom 20. September 2007 sowie die vom ASt. übersandten Aufzeichnungen über "Entwicklungen und Beobachtungen" im zur Zeit stattfindenden "Intensivpraktikum" für die Möglichkeit, dass eine dauerhafte "Werkstattfähigkeit" erreicht werden kann.
Dem stehen jedoch nicht nur die Beurteilungen des Ärztlichen Dienstes (
Dr. I.) der Ag. in den Stellungnahmen vom 3. Mai und 1. August 2007 und der Bericht von
Dr. I. über die Beobachtungen vom 16. Juli 2007 im Rahmen des (seinerzeitigen) Praktikums entgegen, sondern auch die Feststellungen des vom Amtsgericht - Vormundschaftsgericht -F. im Rahmen des dortigen Betreuungsverfahrens - NZS 32 XVII 89/05 - hinzugezogen Neurologen und Psychiaters N. in dem Gutachten vom 24. Mai 2005. Danach war (seinerzeit) eine Verständigung mit dem ASt. nicht möglich; er reagierte nur vereinzelt auf Ansprache und Aufforderung, "Kontakt mehr gestisch". Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten, die eine wesentliche Verbesserung seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten ermöglichen würden, bestanden danach nicht. Die abschließende Bewertung des vom ASt. geltend gemachten Anspruchs muss bei diesen erheblich widerstreitenden Beurteilungen aber dem Hauptsacheverfahren und der dort
ggf. weiter zu veranlassenden Sachaufklärung vorbehalten bleiben. Sie ist im vorliegenden Fall auch unter dem nach
Art. 3
Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (
GG) zu berücksichtigenden besonderen Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen oder sonstigen Grundrechten des ASt. nicht bereits im Eilverfahren geboten.
Die hiernach vorzunehmende Interessenabwägung führt ebenfalls nicht zum Erlass der vom ASt. begehrten einstweiligen Anordnung. Bei (nach dem Gesagten) als offen zu wertendem Verfahrensausgang in der Hauptsache hat sich der Senat auch von dem Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht überzeugen können. Dem ASt. drohen durch eine Verweisung auf das Hauptsacheverfahren keine schweren und unzumutbaren Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitung die spätere Hauptsacheentscheidung nicht mehr in der Lage wäre. Auf Anfrage des Gerichts hat der ASt. durch seinen Verfahrensbevollmächtigten selbst eingeräumt, dass grundsätzlich auch laufende Aufnahmen in den Eingangsbereich der H. zu einem späteren Zeitpunkt möglich, wenn auch für Schulabgänger normalerweise nicht üblich sind. Die für den ASt. somit durch ein weiteres Zuwarten verbleibenden Nachteile einer (möglichen) Lockerung des sozialen Kontaktes zu seinen vor ihm aufgenommenen (ehemaligen) Mitschülern, die Möglichkeit, nach einem späteren "Quereinstieg"
ggf. "komprimierteren Abläufen" in der WfbM zu unterliegen und die ebenfalls angeführte Belastungssituation seines Vaters, überwiegen die Nachteile nicht, die für die Ag. entstünden, wenn sie zunächst zur Förderung der Maßnahme verpflichtet würde, nach einem späteren Obsiegen in der Hauptsache aber die verauslagten Kosten (
ggf. erfolglos) zurückzufordern hätte.
Auch die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Förderung des ASt. zum Erhalt der antrainierten Fähigkeiten führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Ag. hat insoweit überzeugend darauf hingewiesen, dass der ASt. auch ohne direkte Aufnahme in eine WfbM nicht ohne Förderungsmöglichkeiten wäre, sondern
z.B. in der Struktur einer Tagesförderstätte weiter angemessen betreut und gefördert werden könnte. Darüber hinaus hat der ASt. augenscheinlich zur Zeit auch ohne förmliche Aufnahme in die H. die Möglichkeit, dort seine Fähigkeiten im Rahmen eines (weiteren) Praktikums zu festigen. Weshalb ihm eine Fortsetzung oder Wiederholung entsprechender Angebote in der Zwischenzeit nicht möglich sein sollte, ist nicht ersichtlich. Schließlich hatte der Senat zu berücksichtigen, dass eine Verpflichtung der Ag. in dem vom ASt. begehrten Sinne eine vollumfängliche Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten würde. Gründe, die dies ausnahmsweise rechtfertigen könnten, vermag der Senat im vorliegenden Fall auch insgesamt nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193
SGG.
Die Beschwerde gegen den PKH-Beschluss des SG vom 24. Juli 2007 ist zulässig, aber ebenfalls unbegründet. Der Rechtsverfolgung des ASt. konnte aus den dargestellten Gründen auch nach Auffassung des Senats bereits im erstinstanzlichen Eilverfahren nicht die für die Bewilligung von PKH nach § 73a
SGG i.V.m. § 114
ZPO erforderliche Erfolgsaussicht beigemessen werden. Das SG hat dazu zu Recht auf die Erfolgsaussichten des Eilverfahrens und nicht - wie der ASt. meint - auf die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens abgestellt. Aus den gleichen Gründen kommt auch die Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung des Eilantrags nicht in Betracht. Zwar hat der Senat im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens weitere Unterlagen von der Ag. angefordert. Dabei handelte es sich jedoch lediglich um die Beiziehung bereits vorhandener Unterlagen und nicht um die Veranlassung einer ergänzenden Sachaufklärung, die eine Bewilligung von PKH für die zuvor erhobene Beschwerde als gerechtfertigt erscheinen lassen könnte. Da PKH mithin nicht zu bewilligen war, war auch der Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt
Dr. J., O., abzulehnen, weil die Beiordnung eines Rechtsanwalts nur in Betracht kommt, wenn und soweit PKH bewilligt wurde (§ 73a
SGG i.V.m. § 121
ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177
SGG.