II. Der Antrag ist zulässig. Der Zulässigkeit des Antrags steht hier nicht entgegen, dass der Antragsteller gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 12.08.2009 noch keine Klage erhoben hat. Grundsätzlich ist der Antrag auf einstweilige Anordnung auch zulässig, wenn die Hauptsache noch nicht anhängig ist und die Klagefrist noch läuft. Er wird erst unzulässig, wenn der angefochtene Bescheid in Bestandskraft erwächst (Keller in Meyer-Ladewig
SGG § 86b Rz 26d - 27).
Der Widerspruchsbescheid vom 12.08.2009 wurde am 13.08.2009 zur Post gegeben und gilt damit am 15.08.2009 als bekannt gegeben. Die Klagefrist läuft und eine Klageerhebung ist nach Angaben des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers beabsichtigt. Damit ist das Hauptsachverfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist zulässig.
Der Antrag ist auch begründet.
Rechtsgrundlage für die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung ist § 86 b
Abs. 2 Satz 2
SGG. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein Anordnungsanspruch (Erfolgsaussicht der Hauptsache) und ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) sind glaubhaft zu machen. Grundsätzlich darf die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Nur ausnahmsweise kann unter engen Voraussetzungen eine Vorwegnahme der Hauptsache geboten sein.
Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er hat einen Anspruch darauf, dass ihm die Antragsgegnerin für die Dauer des Eingangsverfahrens in der WfbM eine Vertrauens- und Bezugsperson zur Seite stellt und die Kosten dafür trägt.
Rechtsgrundlage für die begehrte Leistung ist
§ 102 Abs. 2 SGB III in Verbindung mit
§ 40 SGB IX. Nach § 102
Abs. 2
SGB IX werden Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen nach § 40
SGB IX erbracht. Nach § 40
Abs. 1
Nr. 1
SGB IX erhalten behinderte Menschen Leistungen im Eingangsverfahren einer anerkannten Werkstatt zur Feststellung, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung für die Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben ist sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den behinderten Menschen in Betracht kommen und um einen Eingliederungsplan zu erstellen. Das Eingangsverfahren wird generell vor Aufnahme einer Tätigkeit in einer WfbM durchgeführt (
vgl. Götze in Hauck/Noftz
SGB IX K § 40 Rz. 2). Leistungen im Eingangsverfahren werden grundsätzlich für alle behinderten Menschen erbracht, denen die WfbM nach
§ 136 Abs. 2 S. 1 SGB IX offen steht und die ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen können. Unerheblich ist, ob Erwerbsfähigkeit in dem Sinne vorliegt oder erreicht werden kann, dass der behinderte Mensch mindestens drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann. Das Eingangsverfahren dauert drei Monate (§ 40
Abs. 2
S. 1
SGB IX). Zuständiger Rehabilitationsträger für die Leistungen ist u.a. die Bundesagentur für Arbeit (
§ 42 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX).
Nach den ärztlichen Feststellungen im Gutachten vom 10.06.2009 wird ausdrücklich die Eingliederung des Antragstellers in eine WfbM empfohlen. Der Antragsteller kann ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Arbeitsleistung erbringen. Im ärztlichen Gutachten vom 10.06.2009 wird eingeschätzt, dass der Antragsteller einfache manuelle Tätigkeiten unter Anleitung ausführen kann. Der Antragsteller wird für gemeinschaftsfähig und - nach einer Eingewöhnungsphase - für grundsätzlich werkstattfähig erachtet.
Einer Aufnahme des Antragstellers in das Eingangsverfahren steht nicht § 136
Abs. 2
S. 2
SGB IX entgegen. Nach der genannten Vorschrift können u.a. behinderte Menschen nicht in die WfbM aufgenommen werden, bei denen das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege die Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich oder sonstige Umstände ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich nicht dauerhaft zulassen. Insbesondere kann nicht eingewandt werden, dass der in
§ 9 Abs. 3 S. 2 Werkstättenverordnung vorgesehene Personalschlüssel für die Fachkräfte in Werkstätten nicht ausreicht, um den notwendigen Betreuungsbedarf des Antragstellers zu decken. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dieser Personalschlüssel ausdrücklich nur die Anzahl der Fachkräfte im Berufsbildungsbereich und im Arbeitsbereich der Werkstätten regelt. Im Eingangsverfahren gilt eine eigene Regelung. Insoweit sieht § 9
Abs. 4 Werkstättenverordnung vor, dass zur Durchführung des Eingangsverfahrens Fachkräfte des Berufsbildungsbereichs und der begleitenden sozialen Dienste eingesetzt werden sollen, wenn der zuständige Rehabilitationsträger keine höheren Anforderungen stellt. Nach
§ 10 Abs. 2 Werkstättenverordnung sollen als begleitende Dienste für je 120 behinderte Menschen in der Regel ein Sozialpädagoge oder Sozialarbeiter zur Verfügung stehen, darüber hinaus im Einvernehmen mit dem zuständigen Sozialleistungsträgern pflegerische, therapeutische und nach Art und Schwere der Behinderung sonstige Fachkräfte zur Verfügung stehen. Mit der besonderen Regelung für die Personalausstattung im Eingangsverfahren trägt der Verordnungsgeber dem Umstand Rechnung, dass es gerade in diesem Bereich der Werkstätten erhöhten Betreuungsbedarf gibt und eröffnet insoweit die Möglichkeit, Personal aufzustocken und je nach Schwere der Behinderung sonstige Fachkräfte zur Verfügung zu stellen. Im übrigen ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der erhöhte Betreuungsbedarf bis zum Abschluss der Eingewöhnung und damit nur vorübergehend und nicht dauerhaft besteht.
Nach § 40
Abs. 1
SGB IX hat die Antragsgegnerin als nach § 42
Abs. 1
Nr. 1
SGB IX zuständiger Rehabilitationsträger alle zur Durchführung des Eingangsverfahren notwendigen Leistungen zu erbringen. Zu Recht weist sie darauf hin, dass daneben
§ 109 SGB III nicht anzuwenden ist. Die Leistungen nach § 40
SGB IX umfassen grundsätzlich auch den aufgrund der Art und Schwere der Behinderung des Antragstellers, für die Teilhabe am Eingangsverfahren notwendigen Bedarf für eine Vertrauens- und Bezugsperson.
Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die begehrte Leistung ist nicht durch Weiterleitung des Antrags an den vermeintlich zuständigen Sozialhilfeträger entfallen. Insbesondere kann sie sich im anhängigen Verfahren nicht darauf berufen, dass der hier beigeladene Sozialhilfeträger die Kosten für die im Eingangsverfahren in der WfbM notwendige Vertrauens- und Bezugsperson vorrangig im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54
SGB XII zu tragen hat, weil jedenfalls die Leistungszuständigkeit der Antragsgegnerin als erstangegangener Rehabilitationsträger für den hier unstreitigen Rehabilitationsbedarf nach
§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX gegeben ist und sie im Zweifel auch über die Leistungen nach §§ 53, 54
SGB XII zu entscheiden hat.
Nach § 14
Abs. 1
S. 1
SGB IX stellt der Rehabilitationsträger bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung nach zuständigen Rehabilitationsträger zu (§ 14
Abs. 1
S. 2
SGB IX). Wird der Antrag nicht weiter geleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14
Abs. 2
S. 1
SGB IX). Diese Zuständigkeit erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in der Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (
BSG Urteil vom 26.06.2007 -
B 1 KR 34/06 R - und Urteil vom 20.11.2008 -
B 3 KN 4/07 KR R - beide veröffentlicht in juris). Zweck der Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern die Zuständigkeit schnell und dauerhaft zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (
BT-Drucksache 14/5074 S. 95 zu
Nr. 5 und
S. 102 f zu § 14). Zuständigkeitskonflikte zwischen den verschiedenen Rehabilitationsträger sollen grundsätzlich nicht zu Lasten der Betroffenen gehen.
Die Antragsgegnerin hat es hier versäumt, den Antrag an den vermeintlich zuständigen Sozialhilfeträger gemäß § 14
SGB IX weiter zu leiten. Nach Auffassung des Gerichts wurde der Antrag auf Aufnahme des Antragstellers in eine WfbM nicht erst am 18.06.2009 gestellt. Bei verständiger Würdigung ist bereits das erste persönliche Gespräch zwischen der Antragsgegnerin und der Mutter als Betreuerin des Antragstellers in der WfbM am 02.04.2009 als Antragstellung zu werten. Bereits zu diesem Zeitpunkt hat die Mutter des Antragstellers unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Aufnahme des Sohnes in eine WfbM wünscht und dass es hierfür einer besonderen Betreuung während einer Eingewöhnungsphase bedarf. Diesen "Antrag" hat die Antragsgegnerin im folgenden auch geprüft und bearbeitet, indem sie die ärztliche und psychologische Begutachtung des Antragstellers durchführen ließ. Der Antrag vom 02.04.2009 hätte unverzüglich, d.h. binnen zwei Wochen, spätestens bis zum 16.04.2009 an den vermeintlich zuständigen Leistungsträger weiter geleitet werden müssen. Soweit die Antragsgegnerin den Sozialhilfeträger erst am 18.06.2009 von der Antragstellung in Kenntnis gesetzt hat, erfolgte dieses verspätet. Selbst wenn die Antragsgegnerin daher die Auffassung vertritt, dass der hier unstreitige Rehabilitationsbedarf mit Leistungen nach §§ 53, 54
SGB XII abzudecken ist, hat sie diese Leistungen in eigener Zuständigkeit zu prüfen und gegebenenfalls Erstattungsansprüche gegen die Beigeladene zu erheben. Im übrigen dürfte auch der durch Aktenvermerk vom 18.06.2009 dokumentierte Sachverhalt nicht den Anforderungen entsprechen, die an eine Weiterleitung von Anträgen unter Rehabilitationsträgern im Sinne von § 14
SGB IX zu stellen sind.
Ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) ist gegeben. Angesichts der üblichen Verfahrensdauer an den Sozialgerichten ist es dem Antragsteller nicht zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Der Antragsteller hat Anspruch auf eine angemessene Teilhabe am Arbeitsleben, die durch die Aufnahme in das Eingangsverfahren der WfbM zu gewährleisten ist. Dieser Anspruch würde vereitelt, wenn der Antragsteller zunächst für die Dauer des Hauptsacheverfahrens lediglich in einer der WfbM angegliederten Gruppe betreut würde. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist daher geboten.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193
SGG.