Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. November 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Der Kläger begehrt im Rahmen der Eingliederungshilfe von dem Beklagten die Erstattung der Kosten des Mittagessens in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) für die Zeit ab dem 1. Januar 2020.
Bei dem 1975 geborenen Kläger besteht ein Down-Syndrom. Es ist ein Grad der Behinderung (
GdB) von 100 mit Merkzeichen G, B und H festgestellt. Der Kläger ist verheiratet und lebt gemeinsam mit seiner Ehefrau in einer Einrichtung des ambulant betreuten Wohnens. Die Kosten hierfür werden von dem Beklagten im Wege der Eingliederungshilfe übernommen. Der Kläger bezieht seit September 2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg sowie Einkommen aus seiner Tätigkeit in der WfbM und hat aufgrund der Höhe seines Einkommens und des Einkommens seiner Ehefrau keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Für den Kläger ist seit November 2011 eine Betreuung eingerichtet (
vgl. Bestellungsurkunde des Notariats O. vom 15. November 2011).
Seit September 2001 erhält der Kläger Eingliederungshilfe für den Arbeitsbereich in der WfbM der Evangelischen Stiftung L. in L..
Mit Bescheid vom 8. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. Februar 2020 erhob der Beklagte für die Zeit vom 1. August 2019 einen Kostenbeitrag nach
§ 92 Abs. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XII; in der Fassung vom 17. Juli 2017- zukünftig nur a.F.) für das von dem Kläger in der WfbM eingenommene Mittagessen, da aufgrund seiner Einkommensverhältnisse die Einkommensgrenze nach § 92
Abs. 2 Satz 4
SGB XII a.F. überschritten sei. Dabei wurde pauschal ein Betrag von 3
EUR pro Mittagessen angesetzt und zugleich angeboten, eine individuelle Nachberechnung der tatsächlich in Anspruch genommenen Mittagessen nach Ablauf des Kalenderjahres vorzunehmen. Im sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Heilbronn (S 9 SO 555/20) hob der Beklagte die Bescheide auf und gab aus "verwaltungs- und prozessökonomischen Gründen und unter Hintanstellung von Bedenken" ein Anerkenntnis ab, welches von dem Kläger zur Erledigung des Rechtsstreits angenommen wurde.
Mit Bescheiden vom 16. Dezember 2019 und 7. August 2020 übernahm der Beklagte die Kosten der Fachleistung im Arbeitsbereich der Werkstatt und der Förder- und Betreuungsgruppe in der Einrichtung der Evangelischen Stiftung L. vom 1. Januar 2020 bis 31. Juli 2020
bzw. 1. August 2020 bis 31. Juli 2022 in Höhe der vereinbarten und jeweils gültigen Vergütungssätze abzüglich eines
ggf. zu leistenden Eigenanteils. Gleichzeitig hob er die bisher erteilten Kostenzusagen nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (
SGB X) zum 31. Dezember 2019 auf.
Bereits am 19. Dezember 2019 beantragte der Kläger, vertreten durch seinen Betreuer, für die Zeit ab Januar 2020 die Kosten des Mittagessens in der WfbM im Wege der Eingliederungshilfe zu übernehmen. Ersatzweise beantragte er die Gewährung eines Mehrbedarfs im Rahmen der Grundsicherung. Zur Begründung führte er aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
BSG) in seinem Urteil vom 14. Dezember 2017 -
B 8 SO 18/15 R - alle Besucher einer Werkstatt gleich zu behandeln seien. Nur weil eine Person keine Grundsicherung bekomme, dürfe sie nicht schlechter gestellt werden als ein Grundsicherungsempfänger. Da das Einkommen des Klägers und seiner Frau ab 2020 die Freibetragsgrenze bei der Eingliederungshilfe unterschreite, könne auch kein Eigenanteil verlangt werden.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2020 lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten für das Mittagessen für die Zeit ab Januar 2020 ab. Ab diesem Zeitpunkt würden im Rahmen der Eingliederungshilfe lediglich die reinen Fachleistungen der WfbM übernommen. Bezüglich der Kosten des Mittagessens sei in § 7
Abs. 1 der Übergangsvereinbarung zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (
BTHG) in Baden-Württemberg vom 18. April 2019 eine ausdrückliche Regelung getroffen worden, wonach im Hinblick auf den Mehrbedarf nach
§ 42b Absatz 2 SGB XII die Summe aus der Grund- und Maßnahmepauschale bei der Leistungsvergütung um 1,99
EUR kalendertäglich (99
EUR x 1/30 x 220 Tage x 1/365) reduziert werde. Damit seien die Kosten des Mittagessens nicht der Eingliederungshilfe, sondern der Grundsicherung zuzuordnen.
Hiergegen legte der Kläger am 22. Januar 2020 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf
§ 113 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), wonach die Kosten der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung zu übernehmen seien. Eine Vereinbarung, die das Land treffe, könne kein Bundesgesetz umgehen. Bei einem durchschnittlichen Preis von 3,40
EUR sei davon auszugehen, dass nicht nur die reinen Lebensmittelkosten, sondern auch die Kosten für Zubereitung, Verteilung
usw. enthalten seien. Zumindest zu diesem Teil handele es sich um Leistungen der Eingliederungshilfe.
Mit Bescheid vom 13. Februar 2020 lehnte der Grundsicherungsträger aufgrund des bei dem Kläger und seiner Ehefrau vorhandenen Vermögens auch die Gewährung eines Mehrbedarfs für das Mittagessen im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab. Ein Widerspruch wurde hiergegen nicht eingelegt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2020 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. Januar 2020 zurück. In Baden-Württemberg sei im Hinblick auf das Inkrafttreten der dritten Reformstufe des
BTHG aufgrund des noch nicht vorliegenden Rahmenvertrags und zur Verhinderung von Leistungsabbrüchen eine Übergangsvereinbarung abgeschlossen worden, mit welcher unter anderem die rechtliche Vorgabe der Trennung von Fachleistungen der Eingliederungshilfe und existenzsichernder Leistungen zum 1. Januar 2020 umgesetzt worden sei. Dieser Vereinbarung hätten auch die maßgeblichen Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderung ausdrücklich zugestimmt. Die Vertragsparteien würden davon ausgehen, dass bisher ermittelte Bedarfe und beschiedene Leistungen der Eingliederungshilfe zusammen mit den Bedarfen der Existenzsicherung durch die Übergangsvereinbarung zur Umsetzung des
BTHG in Baden-Württemberg zunächst in bestehender Höhe weiterlaufen sollten (Grundsatz der budgetneutralen Umstellung). Danach fänden die Kosten des Mittagessens durch diese Regelung nicht bei den Leistungen der Eingliederungshilfe, sondern bei der Berechnung der Leistungen der Grundsicherung Berücksichtigung.
Hiergegen hat der Kläger am 2. März 2020 Klage bei dem SG Heilbronn erhoben, die er im Wesentlichen damit begründet hat, dass es sich bei den Kosten der Zubereitung des Mittagessens um Eingliederungshilfeleistungen nach § 113
Abs. 4
SGB IX handele und diese daher vom Beklagten im Wege der Eingliederungshilfe zu übernehmen seien. Zudem sei auch der Betrag von 3,40
EUR täglich angesichts der Qualität der Mahlzeiten zu hoch angesetzt. Ferner sei es ungerecht, dass der Kläger, ob er nun am Mittagessen teilnehme oder nicht, immer denselben Betrag von 64,60
EUR zahlen müsse. Ergänzend hat der Kläger erneut auf die Entscheidung des
BSG vom 14. Dezember 2017 - B 8 SO 18/15 R - Bezug genommen. Auf Anforderung des SG hat der Kläger die "Zusatzvereinbarung Mittagessen" der Evangelischen Stiftung L. vom 23. März 2020 vorgelegt, welche von ihm
bzw. seinem Betreuer jedoch nicht unterzeichnet worden ist. Ziff. 3 der Vereinbarung, wonach angegeben werden soll, ob eine gemeinschaftliche Mittagsverpflegung gewünscht wird, hat der Kläger unbeantwortet gelassen. Tatsächlich hat er die Mittagsverpflegung jedoch in Anspruch genommen und die geforderten Beiträge unter Vorbehalt gezahlt.
Mit Beschluss vom 20. April 2020 hat das SG die Evangelische Stiftung L. gemäß § 75
Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zu dem Verfahren beigeladen. Die Beigeladene hat mitgeteilt, dass die aktuellen Kostenbeiträge für das Mittagessen in § 4 der Zusatzvereinbarung Mittagessen geregelt seien, wobei die Arbeitswochen aufgrund einer verwaltungsschonenden, transparenten und nachvollziehbaren Verwaltungspraxis unter Berücksichtigung der aktuellen Gesetzeslagen pauschaliert abgerechnet würden. Dadurch ergebe sich für den Kläger eine Fünf-Tage-Arbeitswoche mit 19 Arbeitstagen pro Monat. Durch die pauschalierte Abrechnung seien Abwesenheiten durch Urlaubs- und gesetzliche Feiertage bereits berücksichtigt. Es werde nach pauschalierten Werten abgerechnet, die sich an Mehrbedarfswerten der existenzsichernden Leistungen orientierten.
Mit Urteil vom 26. November 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Ob angesichts des fehlenden schriftlichen Vertrags des Klägers überhaupt ein wirksamer Vertrag mit einhergehender Kostenverpflichtung vorliege, könne dahinstehen, da selbst bei wirksamer Kostenverpflichtung kein Anspruch auf Übernahme der Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe bestehe. Die Kosten des Mittagessens in Höhe von 64,60
EUR, was der Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b
Abs. 2 Satz 3
SGB XII entspreche, seien nach dem Willen des Gesetzgebers eindeutig den Leistungen des Lebensunterhalts zuzuordnen und nicht vom Träger der Eingliederungshilfe, sondern vom Träger der Grundsicherung
bzw. der Hilfe des Lebensunterhalts zu tragen. Auch ein Anspruch des Klägers nach § 113
Abs. 4
SGB IX komme nicht Betracht, da dieser nach dem Gesetzeswortlaut wie auch nach den dargelegten Grundzügen nicht dem Kläger als Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe, sondern dem Leistungserbringer gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe zustehe und nicht die Kosten des Mittagessens, sondern die sächliche und personelle Ausstattung sowie die Anlagen des Leistungserbringers (für das Mittagessen) betreffe. Einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vermöge das Gericht nicht zu erkennen, da die vom Gesetzgeber neu vorgenommene Trennung in Fachleistungen und Leistungen zum Lebensunterhalt grundsätzlich sachgerecht sei.
Gegen das seinem Betreuer am 30. November 2020 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Dezember 2020 bei dem
LSG Baden-Württemberg eingelegte Berufung. Mit den Kosten des Mittagessens würden auch Fachleistungen finanziert, wofür die Ausführungen in der BT-Drs. 18/9522 sprächen. Hieraus ergebe sich, dass in dem Mehrbedarf nach § 42b
SGB XII nicht nur die Kosten für Lebensmittel enthalten seien, sondern auch Kosten für Fachleistungen. Letztere seien aber Leistungen der Eingliederungshilfe. Es entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers, dass Menschen mit Behinderung, die keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem
SGB XII aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse haben, selbst für die Kosten für Fachleistungen aufkämen. Wenn somit zumindest insoweit dem Kläger keine Leistungen von dem Beklagten gewährt würden, stelle dies eine Benachteiligung gegenüber den Empfängern von Grundsicherungsleistungen nach dem
SGB XII dar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. November 2020 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Januar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2020 zu verurteilen, ihm im Rahmen der Eingliederungshilfe für die Zeit ab 1. Januar 2020 die Kosten für das Mittagessen in der Werkstatt für behinderte Menschen des Beigeladenen zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Der Kläger könne mit seinem Vorbringen nicht durchdringen. Das gemeinschaftliche Mittagessen in einer WfbM gehöre eindeutig zu den existenzsichernden Leistungen und sei daher nicht den Fachleistungen der Eingliederungshilfe zuzuordnen. § 113
Abs. 4
SGB IX, auf den der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren abgehoben habe, stelle keine Anspruchsgrundlage für einen Leistungsempfänger dar. Der Kläger missverstehe zudem die zitierte BT-Drucksache. Hieraus lasse sich gerade nicht ein Leistungsanspruch des Leistungsempfängers herleiten, sondern lediglich ein entsprechender Anspruch für den Leistungserbringer. Entgegen der Auffassung des Klägers liege auch keine Ungleichbehandlung von Beziehern existenzsichernder Leistungen (denen ein Mehrbedarfszuschlag nach § 42b
Abs. 2 Satz 1
Nr. 1
SGB XII zusteht) und Nichtbeziehern solcher Leistungen vor. Zudem stehe der Kläger trotz Zahlung der Mittagessenspauschale finanziell seit 1. Januar 2020 sogar besser da als zuvor.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat auf ihre Stellungnahme im Klageverfahren vom 4. August 2020 verwiesen.
Mit Schreiben vom 8. März 2022 hat die Beigeladene den zwischen dem Kläger und der Beigeladenen vor dem Arbeitsgericht Heilbronn geschlossenen Vergleich vom 17. November 2021 vorgelegt. Danach stimmen die Beteiligten darin überein, dass der Kläger Verpflegungskosten für die Zeiträume Januar bis März 2020, Juni bis Dezember 2020 und Februar 2021 bis April 2021 i.H.v. insgesamt 384,21
EUR, wobei in diesem Betrag bereits die Kosten des Mittagessens für den Monat Dezember 2021 in Höhe von 55,52
EUR berücksichtigt sind, trägt. Ab Januar 2022 wird die Teilnahme des Klägers am Mittagessen einzeln erfasst und abgerechnet.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und gemäß § 151
Abs. 1
SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124
Abs. 2
SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte insbesondere nicht der Zulassung (§ 144
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, Satz 2
SGG).
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Mittagessens gegen den Beklagten im Rahmen der Eingliederungshilfe, weil es sich hierbei nicht um Leistungen der Eingliederungshilfe handelt.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 16. Januar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2020 (
vgl. § 95
SGG), mit welchem der Beklagte die Übernahme der Kosten des Mittagessens in der WfbM für die Zeit ab 1. Januar 2020 im Rahmen der Eingliederungshilfe abgelehnt hat. Insofern handelt es sich um eine zusätzliche Leistung und damit um einen abtrennbaren Streitgegenstand (
vgl. zu dieser Konstellation
BSG, Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 8/13 R - juris
Rdnr. 10). Der Ablehnungsbescheid erging nicht für einen bestimmten Zeitraum, sondern zukunftsoffen. Er knüpft auch nicht an den Bewilligungszeitraum des Bescheides vom 16. Dezember 2019 an, mit welchem der Beklagte die Kosten der Fachleistung im Arbeitsbereich der WfbM vom 1. Januar 2020 bis 31. Juli 2020 übernommen hat, weil der Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für das Mittagessen wegen fehlender Zuständigkeit abgelehnt hat und es sich bei den beantragten Leistungen nicht um solche der Eingliederungshilfe handelt (hierzu später). Es ist daher über den Anspruch bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (
BSG, Urteil vom 25. Juni 2008 - B 11b AS 45/06 R - juris
Rdnr. 28) zu entscheiden.
Richtige Klageart ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54
Abs. 1 und 4, § 56
SGG, mit der der Kläger statt einer Sachleistungsverschaffung einen Erstattungsanspruch geltend macht, weil er sich die Leistung (spätestens mit Vergleichsabschluss am 17. November 2021) selbst beschafft hat (
vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2008 -
B 8/9b SO 10/07 R - juris
Rdnr. 10
m.w.N.). Die durch das SG erfolgte (einfache) Beiladung der Leistungserbringerin nach § 75
Abs. 1
SGG ist demnach ausreichend. Eine notwendige Beiladung nach § 75
Abs. 2
SGG war hingegen nicht erforderlich. Bei der beantragten Kostenerstattung sind die Rechtsbeziehungen des Klägers zur Beigeladenen nicht unmittelbar betroffen, wie dies § 75
Abs. 2
SGG für die echte notwendige Beiladung voraussetzt. (
vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2008 - B 8/9b SO 10/07 - juris
Rdnr. 10).
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Kostenerstattung ist
§ 18 Abs. 6 SGB IX. Danach sind vom Rehabilitationsträger die Kosten für eine selbst beschaffte Leistung in der entstandenen Höhe u.a. dann zu erstatten, wenn er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Leistungsberechtigten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor, weil der Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten i.H.v. 64,60
EUR monatlich für das in der WfbM eingenommene Mittagessen im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Nach
§ 99 iVm.
§ 90 SGB IX erhalten Eingliederungshilfe Menschen mit Behinderung im Sinne von
§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX, die wesentlich in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind (wesentliche Behinderung) oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe gehören nach
§ 102 Abs. 1 SGB IX u.a. Leistungen zur Sozialen Teilhabe nach
§§ 76 ff SGB IX sowie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach
§ 49 ff. SGB IX, wozu auch die Leistungen für behinderte Menschen in anerkannten WfbM nach
§§ 56 ff. SGB IX gehören. Leistungen im Arbeitsbereich einer anerkannten WfbM erhalten Menschen mit Behinderungen, bei denen wegen Art oder Schwere der Behinderung eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einschließlich einer Beschäftigung in einem Inklusionsbetrieb (
§ 215 SGB IX) nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in Betracht kommt und die in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger vor, dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig (
vgl. Bewilligungsbescheide vom 16. Dezember 2019 und 7. August 2020).
Der Beklagte ist auch gemäß
§ 94 Abs. 1 SGB IX i.V.m. § 1
Abs. 1 Ausführungsgesetz zum Gesetzbuch Neuntes Buch (AGSGB IX BW) sachlich und gemäß
§ 98 SGB IX örtlich zuständiger Träger der Eingliederungshilfe.
Ob eine Kostenerstattung im Rahmen der Eingliederungshilfe schon deshalb ausscheidet, weil der Kläger mangels Unterzeichnung der "Zusatzvereinbarung Mittagessen" bereits keinem wirksamen Zahlungsanspruch des Beigeladenen ausgesetzt war (
vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 27. Juni 2011 - L 7 SO 797/11 ER-B - juris
Rdnr. 11
ff.) kann der Senat offenlassen. Selbst bei Vorliegen einer wirksamen Kostenverpflichtung besteht kein Anspruch gegen den Beklagten im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Das Mittagessen ist nach Inkrafttreten der Reformstufe 3 des Bundesteilhabegesetzes (
BTHG) zum 1. Januar 2020 und der daraus resultierenden Trennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe und der existenzsichernden Leistungen nach dem Willen des Gesetzgebers kein Bestandteil der Eingliederungshilfeleistungen, soweit die Kosten des Mittagessens die Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b
Abs. 2 Satz 3
SGB XII - wie hier - nicht überschreiten. Das
BTHG weicht insoweit von der alten Gesetzeslage ab, nach der das Mittagessen in einer WfbM nach der Rechtsprechung des
BSG zu den Eingliederungshilfeleistungen gehörte. Danach war das Mittagessen als integraler Bestandteil der entsprechenden Eingliederungshilfeleistung angesehen und nicht der Hilfe zum Lebensunterhalt zugeordnet worden (
BSG, Urteil vom 9. Dezember 2008 -
B 8/9b SO 10/07 R - juris).
Mit der Einführung des § 42b
Abs. 2
SGB XII ist der Gesetzgeber jedoch einen anderen Weg gegangen (
a. A. wohl Siefert in jurisPR-SozR 7/2017
Anm. 1) und hat einen pauschalierten Mehrbedarf geregelt, welcher neben der Abgeltung des Wareneinsatzes bei auswärtiger Verpflegung auch der Deckung von Aufwendungen, die durch die Zubereitung und Bereitstellung von gemeinschaftlichem Mittagessen außerhalb des persönlichen Wohnumfeldes entstehen, dient (
vgl. BT-Drs. 18/9522, Seite 201, 327f.). Können aus dem Mehrbedarf nicht alle über den Warenwert hinausgehenden Kosten für die Zubereitung und Bereitstellung
(z. B. Sach-, Personal und Investitionskosten) gedeckt werden, ist der ungedeckte Teilbetrag von der Eingliederungshilfe nach § 113
Abs. 4
SGB IX als Leistung zur Sozialen Teilhabe vom Eingliederungshilfeträger zu übernehmen (
vgl. Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Mehrbedarf bei gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung in Werkstätten für behinderte Menschen und in vergleichbaren tagesstrukturierenden Angeboten nach § 42b Absatz 2
SGB XII vom 28. Oktober 2019, abrufbar unter https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/w/files/aktuelles/19-10-28-rundschreiben-zu-c-42b-abs-2-sgb-xii.
pdf, zuletzt abgerufen am 8. März 2022; BT-Drs. 18/9522,
S. 327 f.).
Die gesamten Leistungen für das Mittagessen sind demnach der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des
SGB XII bzw. der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des
SGB XII und nur soweit im Einzelfall die Kosten für die Herstellung und Bereitstellung hierdurch nicht gedeckt werden, der Eingliederungshilfe zugeordnet. Den Regelungen in § 42b
Abs. 2
SGB XII und § 113
Abs. 4
SGB IX liegt damit die Annahme zugrunde, dass die Mittagsverpflegung aus zwei Quellen finanziert wird, nämlich zum Teil durch den Leistungsberechtigten mit den ihm nach § 42b
Abs. 2
SGB XII zu gewährenden Leistungen und zum Teil durch Leistungen zur sozialen Teilhabe des hierfür zuständigen Rehabilitationsträgers (Simon in Hauck/Noftz,
SGB XII, Stand April 2021, § 42b
Rdnr. 24). Der Anspruch nach § 42b
SGB XII ist mithin als Spezialregelung vorrangig (
vgl. auch Simon in jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020 [Stand 4. Januar 2021], § 42b
Rdnr. 17, der aber eine tatbestandliche Abgrenzung nach Leistungsanteilen für vorzugswürdig erachtet).
Die Beigeladene erhebt von dem Kläger für die Teilnahme am Mittagessen einen der Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b
SGB XII entsprechenden Betrag. Sie hat diesbezüglich vor dem SG angegeben, es werde dabei nach pauschalierten Werten abgerechnet. Eine tatbestandliche Abgrenzung nach Leistungsanteilen kommt demnach nicht in Betracht, ist aber auch deshalb schon nicht erforderlich, weil der von der Beigeladenen erhobene Betrag die Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b
SGB XII nicht überschreitet.
Etwas Anderes ergibt sich, entgegen der Auffassung des Klägers, auch nicht aus der Übergangsvereinbarung zur Umsetzung des
BTHG in Baden-Württemberg vom 18. April 2019. Nach § 7 der Übergangsvereinbarung wurde zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den Vereinigungen der Leistungserbringer für die Zeit ab 1. Januar 2020 bis längstens 31. Dezember 2021 vereinbart, die Summe aus Grund- und Maßnahmenpauschale bei der Leistungsvergütung um 1,99
EUR kalendertäglich zu reduzieren, weil ab 1. Januar 2020 für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung ein Mehrbedarf anerkannt wurde. Diese Übergangsvereinbarung berührt jedoch im sozial-
bzw. eingliederungshilferechtlichen Dreieck einzig die Rechtsbeziehungen zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen, so dass der Kläger schon aus diesem Grund hieraus nichts für sich ableiten kann.
Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist nicht gegeben. Insbesondere kann auch kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des
Art. 3 Grundgesetz (
GG), wie von dem Kläger vorgetragen, angenommen werden. Wird durch eine Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten, verletzt sie den allgemeinen Gleichheitssatz des
Art. 3
Abs. 1
GG (
BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06 u.a. - BVerfGE 126, 369 (397)
m.w.N., st. Rechtsprechung).
Art. 3
Abs. 1
GG gebietet, dass hinsichtlich der Ungleichbehandlung an ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal angeknüpft wird. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsgrundsätze reichen (
BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06 u.a. - BVerfGE 126, 369 (398)
m.w.N.). Auf dem Gebiet des Sozialrechts ist dem Gesetzgeber eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen (
BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06 u.a. - BVerfGE 126, 369 (398)
m.w.N.). Eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Klägers ist insoweit nicht ersichtlich. Eine Trennung von Fachleistungen und Leistungen des Lebensunterhaltes ist sachgerecht. Die Anknüpfung an die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist bei bedürftigkeitsabhängigen Leistungen ein sachgerechtes Differenzierungskriterium. Im Übrigen würde eine Gleichstellung lediglich bedeuten, dass - wie bei Hilfebedürftigen ohne Einkommen - ein Anspruch gegen den Grundsicherungsträger gegeben wäre. Ein Anspruch auf eine identische Leistung gegen unterschiedliche Sozialleistungsträger, je nach Bedürftigkeit des Antragstellers, ist dem Sozialrecht fremd.
3. Ein Anspruch des Klägers auf Leistungen nach § 42b
Abs. 1, 2 Satz 1
Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XII) gegen den Grundsicherungsträger besteht ebenfalls nicht, so dass auch dessen Beiladung nach § 75
Abs. 2
SGG unterbleiben konnte. Unabhängig davon, dass der Kläger schon einen entsprechenden Antrag weder im Klage- noch im Berufungsverfahren gestellt hat (
vgl. zur Notwendigkeit eines zumindest konkludenten Antrags Senatsbeschluss vom 15. März 2017 - L 7 AY 5085/17 - juris
Rdnr. 37), steht einer Verurteilung bereits entgegen, dass ein Anspruch des Klägers gegen den Grundsicherungsträger mit Bescheid vom 13. Februar 2020, gegen den der Kläger keinen Widerspruch eingelegt hat, bestandskräftig abgelehnt worden ist. Eine Verurteilung nach § 75
Abs. 5
SGG eines anderen Leistungsträgers kommt dann nicht mehr in Betracht (
BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 -
B 2 U 19/98 R - juris
Rdnr. 28
m.w.N.;
BSG, Urteil vom 13. August 1981 -
11 RA 56/80 - juris
Rdnr. 14 m.w.N).
Soweit die Klägervertreterin zuletzt auf den Beschluss des
LSG NRW vom 11. November 2021 - L 9 SO 225/21 B -, welcher sich mit einem Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf der Grundlage einer abweichenden Regelsatzfestsetzung auseinanderzusetzen hatte, Bezug genommen hat, verkennt sie, dass im hiesigen Verfahren Eingliederungshilfeleistungen und gerade nicht die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Streit stehen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
Abs. 1 Satz 1
SGG. Sie berücksichtigt, dass die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, so dass auch ihr Kosten nicht zu erstatten sind.
5. Die Revision wird gemäß § 160
Abs. 1 und
Abs. 2
Nr. 1
SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.