Urteil
Kein Beginn der krankenversicherungsrechtlichen Versorgung mit der Übergabe der Verordnung an den Hörgeräteakustiker

Gericht:

LSG Rheinland-Pfalz


Aktenzeichen:

L 6 R 425/11


Urteil vom:

23.10.2013


Leitsatz:

Allein in der Übergabe der dem Versicherten ausgestellten vertragsärzlichen Hörgeräteverordnung an den Hörgeräteakustiker ist kein Leistungsantrag gegenüber der Krankenkasse zu sehen (entgegen BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, juris Rdnr. 20).

Rechtsweg:

SG Mainz, Urteil vom 17.05.2011 - S 5 R 145/09
BSG, Urteil vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R

Quelle:

Landesrecht Rheinland-Pfalz

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 17.05.2011 - S 5 R 145/09 - sowie der Bescheid der Beklagten vom 29.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2005 aufgehoben; die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3.360,84 EUR zur Beschaffung der Hörgeräte vom Typ Senso Diva SD-19 nebst Zubehör zu zahlen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin die erforderlichen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Übernahme von Kosten für eine Hörgeräteversorgung der Klägerin. Konkret macht die Klägerin die Erstattung von Kosten für zwei Hörgeräte vom Typ Senso Diva SD-19 in Höhe von 3.360,84 EUR geltend.

Die 1954 geborene Klägerin ist seit ihrer Kindheit schwerhörig und war ab den frühen 1980er Jahren als Arbeiterin am Fließband und in einem Reparaturbetrieb bei der D tätig. Auf Grund ihrer Qualifikation nahm die Klägerin einige Zeit später eine Tätigkeit im Bereich der Finanzbuchhaltung für die D auf, die sie auch noch im Jahre 2004 ausübte. Zu ihren Aufgaben zählte damals das Anlegen und Pflegen von Stammdaten für die D AG. Diese Aufgaben wurden zentral in der Niederlassung in S ausgeführt. Zum Tätigkeitsbereich der Klägerin gehörte die zentrale Stammdatenpflege in SAP R/3 mit Schwerpunkt Kreditorenstammdaten­, die Neuanlage von Stammdaten, das Pflegen vorhandener Stamm­daten, das Überwachen von Dubletten, das Sperren und Löschen von Stamm­daten etc.; die telefonische Beratung bezüglich der Kreditorenstammdaten konnte die Klägerin auf Grund ihrer eingeschränkten Hörfähigkeit nicht wahrnehmen. Zusätzliche Aufgaben der Klägerin waren u.a. die Einarbeitung/Ausbildung von Auszubildenden im Rahmen eines Praktikums bzw. die Teilnahme und Umsetzung von Teambesprechungen (mit bis zu 30 Mitarbeitern), Arbeitsunterwei­sungen (für bis zu 20 Mitarbeiter), Netz- und Telefonkonferenzen (vgl. die Arbeitsplatzbeschreibung durch den Arbeitgeber vom 04.10.2005, Bl. 29 der Gerichtsakte).

Erstmals erkannte die Versorgungsverwaltung der Klägerin 1985 einen Grad der Behinderung (GdB) zu. Seit Dezember 2000 ist bei der Klägerin ein GdB von 100 sowie die Merkzeichen RF und Gl anerkannt. In den Jahren 1990/1991 fand die erste Hör­geräteversorgung am linken Ohr der Klägerin statt. Ab 1996 befindet sich die Klägerin bei ihrem derzeitigen HNO-Arzt Dr. A in S in Behandlung. Eine beiderseitige Hörgeräteversorgung der Klägerin erfolgte 1998.

Dr. A verordnete der Klägerin unter dem 08.11.2004 auf einem entspre­chenden Vordruck neue Hörhilfen und nannte dazu als Diagnose "Schallempfin­dungsschwerhörigkeit beidseits". Mit dieser Hörgeräteverordnung wandte sich die Klägerin an das Hörgeräteakustikunternehmen R - Hörgeräte GmbH in S. Die Firma R erstellte unter dem 09.11.2004 einen Kostenvoran­schlag für eine beidseitige Hörgeräteversorgung der Klägerin mit dem Gerät Senso Diva SD-19 in Höhe von 3.445,84 EUR (= Gesamtpreis in Höhe von 4.438,25 EUR abzüglich Festbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 992,41 EUR). Unter Verwendung des betreffenden Antragsformulars der Beklagten und unter Beifügung des Kostenvoranschlages sowie der Hörgeräteverordnung vom 08.11.2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten von behinderungsbedingten Zusatzausstattungen, d.h. die Übernahme der Kosten des Hörge­rätes. Die Klägerin gab unter anderem an, dass sie für die behinderungsbedingten Zusatzausstattungen bislang bei keiner anderen Stelle einen Antrag gestellt habe. Der Antrag ging bei der Beklagten am 11.11.2004 ein.

Mit Bescheid vom 29.11.2004 lehnte die Beklagte der Klägerin gegenüber den Antrag auf Hörhilfeversorgung ab. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass kein berufsspezifischer Mehrbedarf, der über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu Lasten der Beklagten abzudecken sei, bestehe. In ständiger Rechtsprechung habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass die Aus­übung einer beruflichen Tätigkeit zu den elementaren Grundbedürfnissen des Menschen gehöre und daher die Krankenversicherung die für die Berufsausübung erforderlichen Hilfsmittel als medizinischen Ausgleich einer Behinderung zur Ver­fügung zu stellen habe. Entscheidend sei hierbei, dass der Hilfsmittelbedarf für jedwede Form der Berufsausübung bestehe. Eine Leistungspflicht durch den Rentenversicherer bestehe nicht.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 13.12.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung ihres Widerspruchs führte die Klägerin unter anderem aus, dass sie gerade bei ihrer Tätigkeit eine schnelle Auffassungsgabe benötige und daher nicht mehrmals nachfragen könne, was sie zu erledigen habe. Dazu gebe es viele unterschiedliche Geräusche in ihrem Büro (Telefone, Computer und Drucker), die zu erheblichen Belastungen führten. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Kommunikation in der Lehrlingsausbildung an ihrem Arbeitsplatz. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht bei jeder beruflichen Tätigkeit gegeben. Sie bedürfe der Hörhilfe speziell für ihren Arbeitsplatz, weil die Anforderungen und der Druck immer stärker würden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung unter anderem aus, dass Hilfs­mittel, die dem Ausgleich einer körperlichen Behinderung selbst dienten, also unmittelbar gegen die Behinderung gerichtet seien, zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörten (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V -). Die Übernahme von Kosten für Hilfsmittel in Form eines Hörgeräts als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben komme nur dann in Betracht, wenn das Hilfsmittel zum Ausgleich der Behinderung ausschließlich für einen bestimmten Arbeitsplatz bzw. für eine spezielle Form einer Berufsausbildung bzw. Berufsausübung benötigt werde. Die medizinischen Feststellungen hätten ergeben, dass die Klägerin auf speziell angepasste Hörgeräte angewiesen sei, jedoch seien diese (besondere Ausstattung) zum Ausgleich der Behinderung nicht ausschließlich bei der Ausübung eines bestimmten Berufs erforderlich. Ebenso bestehe der Hilfsmittelbedarf für jedwede Form der Berufsausübung. Bei der speziell ausgeübten Tätigkeit als Angestellte der D lägen keine speziellen beruflichen Anforderungen an das Hörvermögen vor, die eine Hörgeräteversorgung über die durch die gesetzliche Krankenversicherung zu leistende medizinische Grundversorgung erforderten.

Die Firma R stellte unter dem 16.03.2005 gegenüber der Klägerin eine Rechnung über zwei Hörgeräte nebst Zubehör vom Typ Senso Diva SD-19 mit Poti aus; die Firma R bezifferte darin den Gesamtpreis mit 4.333,25 EUR, brachte hiervon unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zuzahlung in Höhe von 20,00 EUR einen Festbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 972,41 EUR in Abzug und machte damit der Klägerin gegenüber noch einen Betrag in Höhe von 3.360,84 EUR geltend. Laut Angabe der beigeladenen Krankenkasse wurde die Hörgeräteverordnung nebst Kostenvoranschlag am 31.03.2005 bei ihr einge­reicht; die Beigeladenen entrichtete in der Folgezeit den Festbetrag in Höhe von 972,41 EUR an die Firma R (vgl. Schreiben der Beigeladenen vom 08.03.2011, Bl. 177 f. der Gerichtsakte; s. a. Bl. 36 der Gerichtsakte).

Die Klägerin hat am 31.03.2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Mainz erhoben.

Das SG hat einen ärztlichen Befundbericht bei Dr. A (Befundbericht vom 20.09.2005) sowie eine Arbeitsplatzbeschreibung der Firma T (Schreiben vom 04.10.2005) beigezogen. Des Weiteren hat das SG von Amts wegen ein hals-nasen-ohrenärztliches Sachverständigengutachten bei Dr. S eingeholt. In seinem Gutachten vom 06.11.2006 hat Dr. S unter anderem ausgeführt, dass sich bei den Stimmgabelproben keine Wahrnehmung ergeben habe; bei der tonaudiometrischen Untersuchung sei eine beiderseitige, weitgehend symmetri­sche Schwerhörigkeit festzustellen gewesen. Es ergebe sich daraus eine faktische Taubheit beidseits. Daher benötige die Klägerin nach heutigem medizinischen Standard eine Beidohrregelhörgeräteversorgung, um überhaupt in der Lage zu sein, auf auditivem Wege zu kommunizieren. Das bei der Untersuchung festge­stellte Hörvermögen sei nicht ausreichend zur Bewältigung einer schulischen Aus­bildung. Die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit sei für die Klägerin zweifelsfrei möglich wie für jeden vollständig Gehörlosen. Alle Tätigkeiten, die nicht auf eine auditive Kommunikationspflicht bzw. Kommunikationsfähigkeit zurück­griffen, seien denkbar. Eine Bürotätigkeit sei ebenfalls umsetzbar, solange nicht die Kommunikationsfähigkeit in außergewöhnlichem Maße gefragt sei. Die akusti­sche Kommunikation, etwa bei Publikumsverkehr, beim persönlichen mündlichen Informationsaustausch zwischen Kollegen bzw. beim Informationsfluss auf tele­fonischem Weg sei ohne Hörgeräteversorgung für die Klägerin nicht vorstellbar. Unter Beachtung der Arbeitsplatzsituation der Klägerin und auf Grund des Hörverlustes ergebe sich auch unter Zuhilfenahme von Hörgeräten ein ausgeprägtes Diskriminationsproblem. Eine ausreichende Diskrimination sei nur unter Zuhilfenahme von Hörgeräten in digitaler Mehrkanaltechnik und unter Ver­wendung spezieller Spracherkennungsprogramme sowie einem Störgeräuschunter­drückungsprogramm in suffizienter Art und Weise zu beheben. Auf Grund dessen - nicht zuletzt nach der Arbeitgeberauskunft - bestehe für die Klägerin die Notwen­digkeit einer hochklassigen Hörgeräteversorgung. Die technisch übliche Hörgerä­teversorgung des Regelfalles verfüge nicht über die erwähnte technische Aus­stattung. Die Klägerin sei ohne adäquate Hörgeräteversorgung den Anforderungen ihres Arbeitsplatzes nicht gewachsen.

Im Hinblick auf ausstehende Entscheidungen des BSG hat das SG das Verfahren mit Beschluss vom 27.03.2008 einstweilen zum Ruhen gebracht und durch Beschluss vom 13.03.2009 fortgesetzt. Mit Beschluss vom 04.09.2009 hat das SG die Deutsche BKK beigeladen, bei welcher die Klägerin krankenversichert ist.

Das SG hat die Firma R unter anderem zu der Frage gehört, welche Hörgeräte die Klägerin ausprobiert habe und welches Ergebnis die Anprobe gehabt habe. Des Weiteren habe mitgeteilt werden sollen, aus welchen Gründen keine Versorgung mit eigenanteilsfreien Hörgeräten habe erfolgen können, ob eigenanteilsfreie Hörgeräte ausprobiert worden seien und ob diese ausgereicht hätten, um allgemein eine Berufstätigkeit auszuüben bzw. den besonderen Anforderungen am konkreten Arbeitsplatz zu genügen, ob die Hörgeräte, mit denen die Klägerin schließ­lich ausgestattet worden sei, die billigste Variante gewesen seien, die für eine aus­reichende Versorgung erforderlich gewesen sei oder ob eine ausreichende Versorgung auch mit anderen Hörgeräten möglich gewesen wäre. Hierzu hat der Mitarbeiter der Firma R A D, im Schreiben vom 20.07.2010 unter Beifügung eines Anpass­berichts ausgeführt, dass unter anderem das Gerät Triano 3 P sowie das Gerät MAXX 411 angepasst worden sei. Die Versorgung mit eigenanteilsfreien Geräten sei auf Grund einer persönlichen Entscheidung der Klägerin nicht erfolgt. Das Gerät Triano 3 P sei zum Abgabezeitpunkt das eigenanteilsfreie Vergleichs­gerät in der Anprobe gewesen. Im Grundsatz habe diese Versorgung allgemein sicherlich den Anforderungen der damaligen Verträge genügt. Die Frage nach einem Ausgleich am Arbeitsplatz könne heute nicht mehr beantwortet werden, da konkrete Angaben hierüber nicht mehr auffindbar seien und es fraglich sei, ob dieser Punkt im Rahmen der Versorgung diskutiert worden sei. Die Frage nach der erfolgreichen Versorgung mit günstigeren Geräten sei nicht mehr zu beantworten. Die Klägerin habe die Wahl gehabt zwischen verschiedenen Preis- und Geräteklassen, welche auch getestet worden seien. Tatsächlich habe sie mit den angegebenen Geräten den besten objektiven sowie subjektiven Erfolg gehabt, was letztlich zum Kauf geführt habe. So sei jede Hörgeräteversorgung immer auch eine persönliche Entscheidung des Nutzers. Im objektiven Vergleich seien 5 % höhere Werte kein hinreichender Grund, aber die vorhandenen Features seien subjektiv durchaus spürbar und beeinflussten sicherlich die Kauf­entscheidung. Komfortfaktoren steigerten das Wohlgefühl und erhöhten die Akzeptanz. Allerdings sei die damalige Situation nach ca. fünf Jahren und häufigen Personalwechseln nur noch schwer nachzuempfinden.

Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung am 25.01.2011 durch das SG angehört worden und hat unter anderem ausgeführt, dass sie nach der Verord­nung durch den Arzt bei dem Hörgeräteakustiker verschiedene Geräte ausprobiert habe. Es müsste sich etwa um vier Geräte gehandelt haben, sie habe alle diese Geräte für einen kurzen Zeitraum in der Praxis ausprobiert. Das seien etwa vier Tage pro Gerät gewesen. Sie habe sich schließlich für das Gerät mit dem besten Erfolg entschieden und das Hörgerät gekauft. Den Vertrag mit dem Hörgeräte­akustiker habe sie erst abgeschlossen, als die Testung abgeschlossen gewesen sei. Sie habe damals dem Hörgeräteakustiker die beruflichen Anforderungen geschildert und er habe zu ihr gesagt, es gebe neue, bessere Geräte für sie. Das erste Hörgerät, das sie ausprobiert habe sei ganz schlecht gewesen. Dies habe sie auch schnell wieder zurück gebracht. Das zweite sei dann etwas besser gewesen. Am Schluss seien es zwei Geräte gewesen, die in die nähere Auswahl gekommen seien. Das eine Gerät, das sie schließlich gekauft habe, sei dann jedoch das bessere von beiden gewesen. Dies habe ihr mehr gebracht als das andere. Ihr sei es insbesondere darum gegangen, dass Lautes leiser und Leises lauter gemacht werde und Schallgeräusche einge­dämmt würden. Der Hörgeräteakustiker habe damals den Vorschlag gemacht, einen Antrag bei der Beklagten zu stellen.

Mit dem im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteil vom 17.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Erstattung der Kosten bei einer selbstbeschafften Leistung nach § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nicht vorlägen. Über den Antrag der Klägerin vom 11.11.2004 sei innerhalb der Frist des § 14 SGB IX entschieden worden. Eine unaufschiebbare Leistung, die rechtzeitig hätte erbracht werden können, habe nicht vorgelegen. Ebenso wenig sei eine Leistung zu Unrecht abgelehnt worden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2005 sei rechtmäßig. Zuständig für die Erbringung von Leistungen sei die Beklagte gewesen, da die Beklagte der erstangegangene Leistungsträger im Sinne von § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX gewesen sei. Die Beigeladene sei nicht zuständig gewesen, da bei ihr der Antrag auf Ausstattung mit einem Hörgerät erst am 31.03.2005 eingegangen sei. Die Beklagte habe somit als erstangegangener Träger unter allen rechtlich in Betracht kommenden Möglichkeiten den Anspruch der Klägerin zu prüfen gehabt. Die Klägerin habe jedoch keinen Anspruch auf Ausstattung mit den gewünschten und schließlich auch angeschafften digitalen Hörgeräten, die über die Festbetrags­versorgung hinausgingen, gehabt. Es sei bei Beachtung des Sachverständigengutachtens des Dr. S vom 06.01.2006 davon auszugehen, dass die Klägerin zwar wegen der Art und Schwere der Hörbehinderung in Bezug auf die konkreten Bedingungen und Anforderungen ihres Arbeitsplatzes auf eine Versorgung mit digitalen Hörgeräten mit Spezialausstattung angewiesen sei. Dies schließe jedoch nicht automatisch die Feststellung ein, dass nicht auch ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät die speziellen Anforderungen erfüllt hätte. Vorliegend lasse sich nicht feststellen, dass ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät die Anforderungen im Fall der Klägerin, auch unter Berücksichtigung des speziellen Arbeitsplatzes, nicht erfüllt hätte. Der die Versorgung ausführende Betrieb habe mitgeteilt, zum Abgabezeitpunkt sei das Gerät "Triano 3 P" das eigenanteilsfreie Vergleichsgerät in der Anprobe gewesen. Im Grundsatz habe diese Versorgung den Anforderungen genügt. Die Klägerin habe die Wahl zwischen verschiedenen Preis- und Geräteklassen gehabt, welche auch getestet worden seien. Diese Ausführungen zeigten, dass im Fall der Klägerin trotz der besonderen Anforderungen an die Hörgeräteversorgung eine Versorgung mit zum Festpreis erhältlichen Hörgeräten in zumutbarer Weise möglich gewesen wäre. Zwar sei das Gerät, für das sich die Klägerin entschieden habe, subjektiv besser gewesen und habe auch objektiv ein - wenn auch nur gering­fügig - besseres Hörvermögen erbracht. Die Unterschiede zwischen den getesteten Geräten seien jedoch so geringfügig, dass eine Versorgung mit dem Festbetragsgerät zumutbar und ausreichend gewesen wäre. Auch ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät hätte den Anforderungen am Arbeitsplatz der Klägerin genügt. Dies werde auch durch die Schilderungen der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt. Dahin gestellt bleiben könne, ob überhaupt ausreichend sicher habe festgestellt werden können, dass das von der Klägerin schließlich gewählte Hörgerät tatsächlich etwas besser gewesen sei als das Festbetragsgerät. Denn der erzielbare Erfolg des Einsatzes eines Hörgerätes lasse sich in der Regel nur auf der Basis einer längeren Anpassungsphase beurteilen. Die Versicherten benötigten in der Regel einige Wochen, um sich an den speziellen Verstärkungscharakter des jeweiligen Hörgerätes zu gewöhnen und den Gebrauch des speziellen Hörgerätes zu üben. Im Zuge der Eingewöhnung könne dann auch ein weiterer Hörgewinn erzielt werden. Erst am Ende einer solchen Entwicklung lasse sich die Verbesserung im jeweiligen Einzelfall bewerten. Ange­sichts des technischen Fortschritts sei auch mit den zu Festbeträgen erhältlichen Hörgeräten eine ausreichende Verbesserung des Hörvermögens möglich. Die Probephase sei hier unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin in der Verhandlung eher kurz gewesen, so dass unklar sei, ob bei einer längeren Anpas­sungsphase nicht sogar mit einem Festbetragsgerät eine gleiche oder zumindest annähernd gleiche bzw. sogar höhere Verbesserung des Hörvermögens hätte erreicht werden können. Dies sei angesichts der geringen Unterschiede in der ersten Anpassungsphase zumindest nicht auszuschließen.

Gegen das ihr am 15.08.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.09.2011 Berufung eingelegt.

Zur Begründung führt sie unter anderem aus, die Firma R habe bestätigt, dass über Monate hinweg verschiedene Hörsysteme aus allen Preisklassen getestet worden seien. Alle Systeme, darunter auch digitale Kassen­geräte, habe sie, die Klägerin, für mindestens 14 Tage zur Probe mit nach Hause bekommen. Eine ausreichende Diskrimination habe nur mit dem angepassten Hörgerät erreicht werden können. Weder mit Geräten zum Kassenfestbetrag noch mit anderen Geräten habe sie, die Klägerin, sich in ihrem Alltag und Berufsleben ausreichend verständigen können. Auch die anatomische Form der Ohrmuschel schränke die Hörgeräteauswahl ein. Da sie auf Grund der an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit auf das beste Sprachverstehen und die beste Geräuschunterdrückung angewiesen sei, sei das angepasste Hörsystem die einzige Lösung gewesen, um sich auch im Beruf in geräuschvoller Umgebung verständlich machen zu können. Die Bescheinigung sei von Herrn S W unterzeichnet worden, der die Hörgeräteanpassung betreut habe (vgl. Schreiben vom 15.09.2005, Bl. 271 der Gerichtsakte). Demgegenüber seien die Ausführungen im Schreiben der Firma R vom 20.07.2010 nicht auf Grund eigenen Erlebens verfasst worden. Diese Ausführungen seien das Ergebnis einer internen Prüfung. Zudem sei der lange Zeitablauf zu beachten und auch der Sachverständige Dr. S habe sich für die Notwendigkeit einer hochklassigen Hörgeräteversorgung hinsichtlich der Berufstätigkeit ausgesprochen.


Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 17.05.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Hörgeräteversorgung in Höhe von 3.360,84 EUR zu erstatten,

hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, ihr die Kosten für die Hörgeräteversorgung in Höhe von 3.360,84 EUR zu erstatten.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich zum einen auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung und trägt im Übrigen vor, dass ein Unterschied von 5 % bei den Messergebnissen zwischen der eigenanteilsfrei angebotenen Versor­gung und dem streitgegenständlichen Hörsystem nach Aussage verschiedener Ärzte in Vergleichsfällen auf subjektives Empfinden oder die tagesabhängige Verfassung der testenden Person zurückzuführen sei. Die Einhaltung des Beschaffungsweges werde darüber hinaus weiter angezweifelt, da sich die Klägerin bereits einen Tag nach Ausstellung der ohrenärztlichen Versorgung auf eine bestimmte Versorgung festgelegt habe. Zwar sei die Klägerin zur Befriedigung des Grundbedürfnisses "Hören" sowie zu jeder Berufsausübung auf eine angemessene Hörgeräteversorgung angewiesen; wenn allerdings ein angemessener Behinderungsausgleich eigenanteilsfrei möglich gewesen sei, bestehe nach der Rechtsprechung des BSG kein Anspruch auf eine höherwertige Versorgung.


Die Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung eine Kopie des bis 31.01.2005 gültigen Rahmenvertrages (RV) zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker und verschiedenen Landesverbänden von Krankenkassen, unter anderem dem der Beigeladenen, vom 23.03.1993 beigezogen. § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 RV lauten: "Leistungen nach diesem Vertrag dürfen nur aufgrund einer ohrenärztlichen Verordnung ... erbracht werden. Die Verordnung verliert ihre Gültigkeit, wenn sie nicht innerhalb von 6 Wochen nach ihrer Ausstellung vom Hörgeräteakustiker angenommen worden ist ... ." § 5 Abs. 3 RV lautet: "Die Leistungen sind entsprechend dem allgemeinen Stand der hörakustischen Erkenntnisse zu erbringen. Die Hörgeräteversorgung ist auf der Grundlage des Vergleichs des Hörerfolgs mit verschiedenen Hörgeräten durchzuführen." Schließlich bestimmt § 5 Abs. 4 Satz 1 bis 3 RV: "Im Rahmen der Anpassung sind dem Versicherten mindestens zwei zuzahlungsfreie Versorgungsvorschläge mit Hörgeräten ..., die dem aktuellen technischen Standard entsprechen, zu unterbreiten. Wählt der Versicherte eine andere Hörhilfe, kann der Hörgeräteakustiker dieses Gerät einschließlich Zubehör abgeben und dem Versicherten eine Zuzahlung in Rechnung stellen. In solchen Fällen hat der Versicherte auf der Rückseite der ärztlichen Verordnung folgende Erklärung abzugeben und zu unterschreiben: "Ich bin über das Angebot einer zuzahlungsfreien Versorgung informiert worden. Mit einer Zuzahlung für das (die) von mir ausgewählte(n) Hörgerät(e) bin ich einverstanden." Nach § 5 Abs. 4 Satz 5 RV gilt die Anpassung "als abgeschlossen, wenn der verordnende Vertragsarzt ... bestätigt hat, dass durch die vorgeschlagene Hörhilfe eine ausreichende Verbesserung der Hörfähigkeit erzielt wird und die Hörhilfe zweckmäßig ist". § 9 Abs. 1 Satz 1 RV lautet: " Die Rechnungen sind innerhalb von drei Wochen nach Eingang von der Krankenkasse zu begleichen."

Der Senat hat des Weiteren die ab 01.02.2005 geltende Vereinbarung über die Versorgung von Versicherten der Betriebs- , der Innungs- und der Landwirtschaftlichen Krankenkassen in Rheinland-Pfalz und im Saarland mit Hörsystemen (Versorgungsvereinbarung - VersV -) beigezogen. § 3 Abs. 5 VersV sieht vor, dass im "Rahmen der Anpassung ... dem Versicherten mindestens zwei eigenanteilsfreie Versorgungsvorschläge mit Hörsystemen, die dem aktuellen technischen Standard entsprechen, zu unterbreiten" sind, soweit Anlage 2 nichts anderes vorsieht (Satz 1). Diese Geräte müssen zur Versorgung des jeweiligen Hörverlustes geeignet sein (Satz 2). § 3 Abs. 6 VersV bestimmt, dass der Hörgeräteakustiker dem Versicherten die erforderlichen Mehrkosten in Rechnung stellen kann, wenn der Versicherte kein eigenanteilsfreies Gerät bzw. eine Versorgung über das Maß des Notwendigen und Zweckmäßigen hinaus wählt. § 3 Abs. 8 Satz 1 VersV sieht vor, dass der Versorgungszeitraum mit dem Abschluss der Anpassung beginnt. § 5 Abs. 1 VersV regelt, dass Leistungen nach der Vereinbarung einer Erstversorgung nur auf Grund der vertragsärztlichen Verordnung erbracht werden können (Satz 1). Im Rahmen einer Folgeversorgung nach Ablauf von sechs Jahren verzichtet die Krankenkasse auf die Vorlage einer neuen vertragsärztlichen Verordnung (Satz 2). Der Hörgeräteakustiker muss bei einer Folgeversorgung der Krankenkasse stets den Versorgungsbeginn mitteilen. (Satz 3). Vor Beginn jeder Versorgung soll die Versorgungsanzeige unter Beifügung der für die Indikationsstellung nötigen Informationen zur Prüfung und Zustimmung der zuständigen Krankenkasse vorgelegt werden (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VersV). Für die Abrechnung der Leistungen der Hörgeräteakustiker soll gemäß § 7 Abs. 1 VersV die Vorschrift des § 302 SGB V Anwendung finden. Die vollständig eingereichten Rechnungen sollten von der Krankenkasse innerhalb von vier Wochen nach Rechnungsstellung beglichen werden (§ 7 Abs. 3 bis 5 VersV). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 VersV tritt diese Vereinbarung zum 1. Februar 2005 in Kraft. Sie gilt nach Satz 2 für alle ohrenärztlichen Verordnungen auf Muster 15 und Folgeverordnungen unter Berücksichtigung der Sechsjahresfrist, bei denen die Versorgungsanzeige nach dem Stichtag erfolgt (Datum der Auftragserteilung durch den Versicherten). Folgeverordnungen nach diesem Vertrag sind auch für alle Versorgungen möglich, die vor Abschluss dieses Vertrages abgeschlossen wurden (Satz 3).

In der mündlichen Verhandlung am 23.10.2013 hat der Senat die Klägerin angehört. Die Klägerin hat unter anderem bekundet, dass für sie bei der Firma R zunächst der Zeuge B zuständig gewesen sei. Dieser habe ihr verschiedene Geräte vorgeschlagen, die sie auch ausprobiert habe. Später sei die Zeugin L für sie zuständig gewesen, mit der sie andere Geräte getestet habe. Da die Anforderungen am Arbeitsplatz gestiegen seien, habe sie nur deshalb ein neues Hörgerät gewollt. Später seien die Mitarbeiter D und W für sie zuständig gewesen. Sie habe die Geräte von der Firma R zum Ausprobieren mitbekommen; welche Geräte dies gewesen seien, wisse sie nicht mehr.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den Zeugen Brauch und die Zeugin L gehört. Der Zeuge B hat unter anderem ausgeführt, dass er vom 01.10. bis zum 19.11.2004 bei der Firma R beschäftigt gewesen sei. Der damals übliche Versorgungsablauf habe sich so gestaltet, dass verschiedene Geräte getestet und objektive Messungen durchgeführt worden seien. Auch die subjektive Entscheidung des Patienten habe eine Rolle gespielt. Ein Kostenvoranschlag sei eher gegen Ende der Versorgung erstellt worden. Ein Kostenvoranschlag wie vorliegend werde erstellt, wenn der Patient sich schon für ein bestimmtes Gerät entschieden habe. Auf Wunsch eines Patienten könne aber auch ein Kostenvoranschlag z.B. zum Preisvergleich erstellt werden. Der vorliegende Ablauf bei der Einreichung des Kostenvoranschlages spreche - und dies sei eine Vermutung - für eine bereits vorher durchgeführte Testung. Eine Weisung zur Reihenfolge der zu testenden Geräte habe nicht bestanden. Üblicherweise werde der Patient mit dem angepassten Gerät zum Ohrenarzt geschickt, um die Angaben des Hörgeräteakustikers zu überprüfen; erst dann werde der Kontakt zur Krankenkasse hergestellt, indem die Versorgung abgerechnet werde. Auf Grund des individuellen Hörverlustes kämen bei den Patienten verschiedene Geräteklassen, die mehrere Geräte umfassten, in Betracht. Auf Grund der Erfahrung könne man die Auswahl beschränken. Man könne jedoch nicht von Anfang an sagen, es komme nur ein bestimmtes Gerät in Betracht. Dem jeweiligen Patienten werde in der Regel ein zuzahlungsfreies Gerät angeboten.

Die Zeugin L hat unter anderem angegeben, bei der Firma R von 1998 bis 2008 beschäftigt gewesen zu sein. Einem Patienten habe damals ein zuzahlungsfreies Gerät angeboten werden müssen. Wenn er aber nicht gewollt habe, habe er es nicht ausprobieren müssen. Ein Kostenvoranschlag sei damals bei jeder Testung erstellt und dem Patienten mitgegeben worden. Offenbar sei dies auch bei dem vorliegenden Kostenvoranschlag der Fall gewesen. Ein normaler Testzeitraum habe sich auf acht bis zehn Tage belaufen, habe aber auch verlängert werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Aussagen der Klägerin sowie des Zeugen und der Zeugin wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Darüber hinaus wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten verwiesen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 144 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

Das SG hat mit Urteil vom 17.05.2011 die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung eines Betrages in Höhe von 3.360,84 EUR, den sie zum Erwerb zweier Hörgeräte vom Typ Senso Diva SD-19 mit Poti zuzüglich Zubehör nach Gewährung eines Festbetrages durch die Beigeladene in Höhe von 972,41 EUR noch aufzuwenden hatte. Die Ablehnung des Leistungsanspruchs durch die Beklagte im Bescheid vom 29.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Da sich die Klägerin die begehrten Hörgeräte ausweislich der Rechnung der Firma R vom 16.03.2005 selbst beschafft hat, ist die einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage die Vorschrift des § 15 Abs. 1 SGB IX (BSG, Urteil vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R -, SozR 4 - 3250 § 14 Nr. 8, hier zit. nach juris RdNr 12). § 15 Abs. 1 SGB IX normiert trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Teilhabeleistungen. Vorliegend ist von den in § 15 Abs. 1 Satz 1 bis 4 SGB IX geregelten unterschiedlichen Tatbeständen, die zur Kostenerstattungs­pflicht führen können, die in Satz 4 aufgeführte Tatbestandsalternative einschlägig. Nach dieser Vorschrift besteht die Erstattungspflicht dann, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.

Rehabilitationsträger im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ist der zuständige Rehabilitationsträger im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB IX. Der zuständige Rehabili­tationsträger im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX verant­wortliche Rehabilitationsträger (vgl. BSG a.a.O. Rdnr. 12 bis 14). Der gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX für die Leistungserbringung zuständige Rehabilitationsträger ist hier die Beklagte, deren Zuständigkeit sich aus § 14 SGB IX ergibt. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines Rehabilitationsantrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt der Rehabilitationsträger bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem seiner Auffassung nach zuständigen Rehabilitationsträger zu (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Wird nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX der Antrag nicht weiter gereicht, so stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. Muss für die Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, so hat der Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX).

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage der Zuständigkeit der Beklagten für die begehrte Rehabilitationsleistung dann, wenn der Leistungsantrag der Klägerin, der bei der Beklagten am 11.11.2004 eingegangen ist, mit Blick auf die Zuständig­keitsregelung des § 14 SGB IX als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag zu werten ist. Das heißt, dass eine Zuständigkeit der Beklagten nur dann gegeben ist, wenn sie als "erstangegangener" Rehabilitationsträger im Sinne von § 14 SGB IX anzusehen ist. Das ist dann der Fall, wenn sie derjenige Träger ist, der von dem Versicherten bzw. Leis­tungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Die einmal begründete Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers entfällt auch für nachfolgende Verfahren nicht (BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, zit. nach juris Rdnr. 17).

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die beklagte Rentenversicherung als erstangegangener Rehabilitationsträger für die begehrte Hörgeräteversorgung im Sinne des § 14 SGB IX anzusehen. Die Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich daraus, dass die Klägerin unmittelbar nach der Hörgeräteverordnung durch ihren HNO-Arzt Dr. A vom 08.11.2004 den bei der Beklagten am 11.11.2004 eingegangenen Antrag auf Gewährung von Teilhabeleistungen gestellt hat. Es liegen zur Überzeugung des Senats keine Hinweise dafür vor, dass vor der Beklagten noch die beigeladene Krankenkasse mit dem Begehren der Klägerin auf Gewährung einer Hörgeräteversorgung befasst worden wäre. Aus den in den Gerichtsakten enthaltenen Aufzeichnungen der Beigeladenen ergibt sich, dass diese erst nach dem 16.03.2005, als die Firma R den sich aus der Rechnung vom 16.03.2005 ergebenden Festbetrag einziehen wollte, mit der Angelegenheit befasst wurde. Diese Reihenfolge der Befassung der unterschiedlichen Träger mit der Abrechnung der von der Klägerin in Anspruch genommenen Hörgeräte wird auch durch die glaubhafte Aussage des Zeugen Brauch bestätigt. Dieser hat u.a. angegeben, dass der Kontakt zur Krankenkasse üblicherweise erst dann hergestellt worden sei, wenn der Patient sich endgültig für die betreffenden Geräte entschieden habe und die Abrechnung habe beginnen können. Für einen im vorliegenden Fall abweichenden Ablauf der Versorgung der Klägerin liegen keine Anhaltspunkte vor.

Die Übergabe der Hörgeräteverordnung durch die Klägerin an die Firma R am 08.11.2004 ist nicht als Antrag gegenüber der Beigeladenen zu werten. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 25.01.2011 angegeben, dass sie auf Anraten des Mitarbeiters der Firma R den Rehabilitationsantrag gerade bei der Beklagten gestellt hat. Auch in Anbetracht der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R - a.a.O. Rdnr. 20) ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - auf Grund der konkreten Gegebenheiten nicht schon in der Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung durch die Klägerin an die Firma R ein Leistungsantrag bei der Krankenkasse zu sehen. Hier liegen die Dinge eindeutig so, dass sich die Klägerin bewusst für eine Antragstellung bei der Beklagten entschieden hat. Sowohl die zum Zeitpunkt der Übergabe der Hörgeräteverordnung an die Firma R zwischen der Beigeladenen und den Hörgeräteakustikunternehmen geltenden vertragsrechtlichen Bestimmungen des Rahmenvertrages vom 23.03.1993 als auch die zum Abschluss der Versorgung ab dem 01.02.2005 geltenden Bestimmungen der Versorgungsvereinbarung sprechen nicht für eine quasi automatische Antragstellung bei der Krankenkasse im Moment der Übergabe der ärztlichen Hörgeräteverordnung beim Hörgeräteakustikunternehmen. § 8 RV i.V.m. Ziff. 1 Satz 1 der Anlage 5 (Abrechnungsverfahren) zum RV sieht vor, dass Rechnungen über abgeschlossene Versorgungen und sonstige Leistungen bis zum 15. des Folgemonats maschinenlesbar bei der zuständigen Krankenkasse in zweifacher Ausfertigung einzureichen sind. Ziff. 1 Satz 4 a.a.O. bestimmt, dass die "vollständig ausgefüllten kassenärztlichen Verordnungen und ggf. die genehmigten Kostenvoranschläge ... beizufügen" sind. Das nach diesen Bestimmungen einzuhaltende Verfahren zeigt, dass jedenfalls nach den Bestimmungen des Rahmenvertrages vom 23.03.1993 erst dann eine Befassung der Krankenkasse mit der Angelegenheit stattfindet, wenn die Versorgung praktisch schon erfolgt ist und nur noch die Abrechnung aussteht. In gleicher Weise gestalten sich auch die Rechtsbeziehungen der für die Zeit ab dem 01.02.2005 geltenden Versorgungsvereinbarung. Gemäß § 5 Abs.1 Satz 2 VersV ist bei einer Folgeversorgung - wie hier - die ohrenärztliche Verordnung für die Krankenkasse ohne Bedeutung, denn die Krankenkasse verzichtet auf die Vorlage einer neuen vertragsärztlichen Verordnung. Insoweit wird die ohrenärztliche Verordnung bei einer Folgeversorgung nur im Verhältnis zwischen dem Patienten bzw. Kunden und dem Hörgeräteakustiker relevant. Deshalb kann in der Vorlage einer Verordnung zur Folgeversorgung auch kein Antrag an die Krankenkasse zur Aufnahme einer Versorgung gesehen werden. Der Hörgeräteakustiker tritt sowohl bei einer Erstversorgung als auch bei einer Folgeversorgung erst vor Beginn der Versorgung mit der Krankenkasse in Kontakt (§ 5 Abs. 2 VersV) und stellt eine Versorgungsanzeige; der Beginn der Versorgung ist aber erst der Zeitpunkt, an dem die Anpassung gemäß § 5 Abs. 3 VersV abgeschlossen ist (§ 3 Abs. 8 Satz 1 VersV). Das heißt, dass auch nach den Regeln der Versorgungsvereinbarung die zuständige Krankenkasse erst gegen Ende des Anpassungsverfahrens erstmals mit der Angelegenheit befasst wird. Schließlich ergeben sich aus den gemäß § 7 Abs. 1 VersV für die Abrechnungen zwischen den beteiligten Krankenkassen und den Hörgeräteakustikern maßgebenden Vorschriften des § 302 SGB V keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der hier unstreitig erfolgten Übergabe der ohrenärztlichen Hörgeräteverordnung durch die Klägerin ein Antrag auf Versorgung durch die Beigeladene gestellt worden sein könnte. Erst aber wenn die Krankenkasse konkret um die Gewährung einer Leistung angegangen wird, z.B. hier durch eine Versorgungsanzeige, kann eine Antragstellung i.S.v. § 16 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) angenommen werden.

Es gibt daher nach den Vorschriften des zu Beginn der Anpassung geltenden Rahmenvertrages sowie nach den Regelungen der zum Zeitpunkt des Versorgungsbeginns geltenden Vorschriften der Versorgungsvereinbarung keinen Hinweis darauf, dass die Krankenkasse bereits zu einem früheren Zeitpunkt als dem 11.11.2004 in das Verfahren einzubeziehen wäre. Auch in der konkreten Konstellation spricht nichts dafür, dass die beigeladene Krankenkasse vor der Beklagten tatsächlich in irgendeiner Form mit der Versorgungsangelegenheit befasst worden wäre oder zu befassen gewesen wäre (vgl. zu einer jedoch tatbestandlich abweichenden Konstellation LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.08.2013 - L 13 R 2607/10 - , zit. nach juris RdNr. 3, 42 bis 47). Eine Versorgungsanzeige ist gegenüber der Beigeladenen jedenfalls vor dem Eingang des Antrags bei der Beklagten am 11.11.2004 nicht erfolgt.

Auch die Regelungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung lassen es nicht zu, bereits in der ärztlichen Verordnung von Hörgeräten und deren Vorlage bei dem Hörgeräteakustiker eine Antragstellung bei der Krankenkasse anzunehmen. Die Verordnung von Hilfsmitteln zu Lasten der zuständigen Krankenkasse gegenüber dem Versicherten ist Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung und unterliegt daher dem Arztvorbehalt (§§ 15 Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 2 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -SGB V-). Der Abschluss eines Versorgungsvertrages nach §§ 126, 127 SGB V ist Voraussetzung für die Abgabe von Hilfsmitteln an Versicherte und die Abrechnung der Leistungserbringer mit den Krankenkassen und betrifft einen anderen Rechtskreis. Mit der ärztlichen Verordnung (§ 33 Abs. 5a Satz 1 SGB V; Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Hilfsmittel in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-RL) vom 17.06.1992, hier in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung, BAnz Nr. 20 (S. 1523) vom 30.01.2004) konkretisiert der Vertragsarzt den Sachleistungsanspruch des Versicherten auf Gewährung von Hörhilfen (vgl. BSG, Urteil vom 23.01.2003 - B 3 KR 7/02 R -, SozR 4-2500 § 33 Nr. 1). Eine vorherige Bewilligungsentscheidung der Krankenkasse setzt eine Befassung der Krankenkasse mit dem Anliegen des Versicherten, jedenfalls eine Anfrage eines Vertragsarztes (vgl. zur Arzneimittelversorgung BSG, Urteil vom 20.03.2013 - B 6 KA 27/12 R -, SozR 4- 2500 § 106 Nr. 40) voraus. An einer solchen Befassung der Krankenkasse jedenfalls vor der Antragstellung bei der Beklagten am 11.11.2004 fehlt es hier. Der Vertragsarzt Dr. A hat bei der Verordnung vom 08.11.2004 weder als Vertreter der Krankenkasse noch als deren Beauftragter gehandelt, sondern hat bei der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung (§§ 72 Abs. 2, 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V) der Klägerin mitgewirkt. Der Hörgeräteakustiker war auch nicht als Hilfsperson des Vertragsarztes nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V anzusehen, da er ein anderes als das ärztliche Fachwissen benötigte (vgl. Höfler in KassKomm, 79. EL 2013, § 15 SGB V Rdnr. 6a). Der in den Hilfsmittel-RL geregelte Ablauf der Hörgeräteversorgung zeigt, dass die vertragsärztliche Verordnung von Hörgeräten nicht als Antrag gegenüber der Krankenkasse angesehen werden kann. Zunächst erfolgt durch den Vertragsarzt die Indikationsstellung (Untersuchung und Feststellung, ob der Patient zur Bedienung des Hörgerätes in der Lage ist und dieses tragen will) sowie anschließend die Verordnung (Hilfsmittel-RL F. 62 und 63.). Erst anschließend wird die Versorgung mittels Auswahl und Anpassung durch den Hörgeräteakustiker (Hilfsmittel- RL F. 64 bis 65) vorgenommen. Während der Anpassphase kann der Versicherte ohne weitere Angabe von Gründen die Hörsysteme zurückgeben, ohne dass der Krankenkasse Kosten entstehen (§ 5 Abs. 4 VersV). Nach Abschluss dieses Anpassungsvorgangs - nunmehr beginnt nach § 5 Abs. 8 Satz 1 VersV (vgl. auch § 5 Abs. 4 Satz 5 RV) der Versorgungszeitraum - muss sich der verordnende HNO-Arzt durch sprachaudiometrische Untersuchung vergewissern, dass die vom Hörgeräteakustiker vorgeschlagene Hörhilfe den angestrebten Verstehensgewinn erbringt und dass die selbsterhobenen Messwerte mit denen des Hörgeräteakustikers übereinstimmen (Hilfsmittel-RL Nr. 66). Aus den für den Versicherten, die Vertragsärzte und Krankenkassen verbindlichen Hilfsmittel-RL und den damit vorliegend in Übereinstimmung stehenden vertraglichen Regelungen geht zur Überzeugung des Senats hervor, dass von einer Antragstellung des Versicherten gegenüber der Krankenkasse durch ein Handeln des Hörgeräteakustikers erst mit Anzeige des Versorgungsbeginns ausgegangen werden kann (vgl. §§ 5 Abs. 1 Satz 4, 3 Abs. 8 Satz 1 VersV; § 5 Abs. 4 Satz 5 RV). Im Rahmen des vorherigen Anpassungsvorgangs ist noch unklar, ob es überhaupt zu einer Versorgung kommt, weshalb eine abschließende Prüfung durch den Arzt - auch bei einer Folgeverordnung wie vorliegend - vorausgesetzt wird, der dadurch die Verantwortung auch gerade im Hinblick auf § 12 Abs. 1 SGB V übernimmt.

Schließlich würde die Auffassung der Beklagten, dass mit der Übergabe des Hörgeräterezepts an den Hörgeräteakustiker gleichzeitig ein Antrag im Sinne von § 19 Satz 1 Sozialgesetz­buch Viertes Buch (SGB IV) an eine Krankenkasse gestellt worden wäre, jedenfalls vorliegend dazu führen, dass eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers von vornherein ausgeschlossen wäre, da die Übergabe der Hörgeräteverordnung zwangsläufig Grundlage für das Tätigwerden des Hörgeräteakustikers ist. Dass aber ein genereller Ausschluss der Zuständig­keit der gesetzlichen Rentenversicherung von der Hörgeräteversorgung im Teilhabefall nicht gesetzlich gewollt sein kann, ergibt sich bereits aus den Vorschriften der §§ 9 f. SGB VI, die die Teilhabe Versicherter am Arbeitsleben regeln. Für die Hörgeräteversorgung gelten jedenfalls bei einer fehlenden Versorgungsanzeige gegenüber der Krankenkasse keine abweichenden Regelungen. Zudem ist an dieser Stelle noch zu berücksichtigen, dass der gesetzliche Rentenversicherungsträger für den Fall, dass er als erster den Leistungsantrag erhält, nicht stets auch zur Leistungsgewährung verpflichtet ist. Das Gesetz sieht in § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX eine entsprechende Zuständigkeitsprüfung mit der Möglichkeit der Weiterleitung vor. Es ist dann Sache des "erstangegangenen" Trägers, im Sinne des Antragstellers schnellstmöglich die Zuständigkeit zu ermitteln und ggf. selbst den Anspruch abschließend zu prüfen oder eben weiterzuleiten. Der Beklagten wäre es hier ohne weiteres möglich gewesen, innerhalb der Zweiwochenfrist des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ihre Zuständigkeit zu prüfen und den Antrag der Klägerin an die Beigeladene weiterzuleiten. Jedenfalls dann wäre die Beigeladene für die Versorgung der Klägerin zuständig gewesen.

Vorliegend ist auch die weitere Voraussetzung des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, dass durch den verpflichteten Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt worden ist, erfüllt. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten war rechtswidrig, weil sie den Anspruch der Klägerin nach den §§ 9, 15 SGB VI i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 6 und § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX unberücksichtigt gelassen hat. Die Beklagte als gesetzliche Rentenversicherung erbringt als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter anderem Leistungen zur medizini­schen Rehabilitation (vgl. § 9 Abs. 1 SGB VI), wenn die persönlichen und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (vgl. §§ 10 und 11 SGB VI) erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sind. Diese Leistungs­voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die Klägerin fällt in den persönlichen Anwendungsbereich nach § 10 SGB VI, weil sie - dies ist unstreitig - so stark hörbehindert ist, dass sie deshalb die typischen Anforde­rungen ihrer Berufstätigkeit ohne die notwendige Hörgeräteversorgung nicht mehr erfüllen konnte. Dabei ist auf die konkret ausgeübte Beschäftigung - das ist hier die Tätigkeit der Klägerin in der Finanzbuchhaltung der D AG in der Niederlassung S - und nicht nur auf die generelle Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI abzustellen (vgl. BSG, a.a.O. Rdnr. 46 ff.). Dass die Klägerin auf eine gute Kommunikationsfähigkeit im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der D AG angewiesen war, ergibt sich nicht nur aus dem Vortrag der Klägerin, insbesondere in den mündlichen Verhandlungen am 25.01.2011 und am 23.10.2013, sondern auch aus der Arbeitsplatzbeschrei­bung ihres Arbeitgebers vom 04.10.2005. Darin ist ausgeführt, dass die Klägerin überwiegend mit EDV-Tätigkeiten befasst war. Des Weiteren war die Klägerin aber auch mit der Einarbeitung und Ausbildung von Auszubildenden im Rahmen eines Praktikumseinsatzes bzw. Aushilfskräften beschäftigt, so dass zu diesem Zweck eine ungestörte Kommunikation erforderlich war. Darüber hinaus musste die Klägerin an Teambesprechungen mit bis zu 30 Mitarbeitern teilnehmen und Arbeitsanweisungen an bis zu 20 Mitarbeiter weiterleiten. Dass die Klägerin bei ihrem Arbeitsplatz auf eine möglichst hochwertige Hörgeräteversorgung angewiesen war, hat auch der im sozialgerichtlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. S in seinem Sachverständigengut­achten vom 06.11.2006 zur Überzeugung des Senats nachvollziehbar dargelegt (vgl. Bl. 12 ff. des Gutachtens).

Anhaltspunkte für das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 SGB VI oder einen Ausschluss der Leistungspflicht nach § 12 SGB VI bestehen nicht; dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig. Darüber hinaus erfüllt die Klägerin die besonderen Voraussetzungen der Hilfsmittelversorgung der medizinischen Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger. Gemäß § 9 Abs. 1 SGB VI kann die gesetzliche Rentenversicherung unter anderem Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 15 SGB VI erbringen, für die in § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB VI auf die rehabilitationsrechtlichen Bestimmungen der §§ 26 bis 31 SGB IX verwiesen wird. Nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern. Zu diesen Leistungen gehören nach § 26 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX auch Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in § 31 SGB IX näher geregelt ist. Hierzu zählen nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX unter anderem Hilfsmittel, die unter Berück­sichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Diese Voraussetzungen sind hier ebenfalls erfüllt.

Als Hilfsmittel zum hier einschlägigen unmittelbaren Behinderungsausgleich dient ein Hörgerät ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw. die Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Ausübung der Erwerbs­tätigkeit ein Grundbedürfnis im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX ist (vgl. BSG, a.a.O. Rdnr. 49, 50). Zwar kommt an dieser Stelle dem Rehabilitationsträger gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ein Ermessen hinsichtlich Art, Dauer, Umfang und Durchführung der Rehabilitationsleistung zu. Vorliegend ist jedoch davon auszugehen, dass hier allein die Versorgung mit dem von der Klägerin beschafften Gerät in Betracht kam.

Vorab ist hierzu festzustellen, dass die Klägerin den vorgesehenen Beschaffungsweg eingehalten hat. Die Klägerin hat durch ihren am 11.11.2004 bei der Beklagten eingegangenen Antrag diese in die Beschaffung der Hörgeräte einbezogen. Es kann keine Rede davon sein, dass die Klägerin hier von vornherein - jedenfalls vor Erlass des Bescheides vom 29.11.2004 - auf ein bestimmtes Gerät einer bestimmten Marke festgelegt gewesen wäre. Vor dem Hintergrund der Aussagen des Zeugen Brauch und der Zeugin Lautenschläger in der mündlichen Verhandlung am 23.10.2013 ist die Annahme der Beklagten, die Klägerin sich habe auf Grund der zeitlichen Gegebenheiten (Hörgeräteverordnung vom 08.11.2004, Kostenvoranschlag vom 09.11.2004 und Antragseingang bei der Beklagten am 11.11.2004) nur auf ein einziges Gerät fokussiert, unzutreffend. Insbesondere der Zeuge Brauch hat bekundet, dass Kostenvoranschläge zu verschiedenen Zwecken und Zeitpunkten erstellt werden konnten, ohne dass dies zu einer konkreten Hörgeräteversorgung geführt haben muss. Daher deutet der eingereichte Kostenvoranschlag vom 09.11.2004 nicht zwangsläufig darauf hin, dass hier bereits eine Entscheidung für ein bestimmtes Gerät getroffen war. Zudem hat die Klägerin glaubhafterweise - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Mitarbeiters der Firma R vom 20.07.2010 - sowohl in der mündlichen Verhandlung von dem SG als auch im Termin am 23.10.2013 vor dem Senat dargelegt, mehrere Geräte getestet zu haben. Dieser Umstand wird auch dadurch bestätigt, dass die endgültige Rechnungsstellung erst vier Monate später erfolgt ist (Rechnung vom 16.03.2005). Es hat damit in der Zwischenzeit ausreichend Zeit und Gelegenheit für die Klägerin bestanden, verschiedene Geräte zu testen, zumal die ohrenärztliche Verordnung erst am 08.11.2004 ausgestellt war. Für die vom Zeugen B angesprochene Möglichkeit, dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine Testung abgeschlossen gewesen sein könnte, sprechen vor dem dargestellten zeitlichen Hintergrund keine zur Überzeugung des Senats vorhandenen Gesichtspunkte.

Dass vorliegend ein Anspruch der Klägerin auf eine bestimmte, nämlich die hier gewählte Versorgung bestand, ergibt sich - entgegen der Auffassung des SG - zum einen aus den Darlegungen des Sachverständigen Dr. S in seinem Gutachten vom 06.11.2006. Dieser hat ausgeführt (vgl. Seite 14 des Gutachtens = Bl. 70 der Gerichtsakte), dass die Klägerin ausschließlich mit Hörgeräten in digitaler Mehrkanaltechnik und unter Verwendung spezieller Spracherkennungsprogramme sowie einem Störgeräuschunterdrückungsprogramm versorgt werden kann. Dr. S hat in seinem Gutachten (a.a.O.) keinen Zweifel daran gelassen, dass eine andere Versorgung der Klägerin, d.h. eine Versorgung mit so genannten "Festbetragsgeräten" nicht ausreichend ist, um den Hörverlust im Hinblick auf die konkreten Anforderungen des Arbeitsplatzes adäquat auszugleichen. Zum anderen ist festzustellen, dass die Klägerin - wie bereits ausgeführt - verschiedene Geräte ausprobiert und letztlich das hier beschaffte Gerät als für ihre Bedürfnisse notwendiges Gerät (vgl. auch die Ausführungen des Mitarbeiters Werner der Firma R im Schreiben vom 15.09.2005) getestet hat. Zwar verweist die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf, dass das eigenanteilsfreie Gerät "Triano 3 P3" lediglich 5 % schlechter abgeschnitten habe als das letztlich beschaffte Gerät "Senso Diva 19" und diese Abweichung auch auf tagesformabhängige Faktoren zurückzuführen sein könne. Andererseits ist aber die Klägerin gemäß dem o.g. Gutachten auf die bestmögliche Kommunikation angewiesen, so dass nach Auffassung des Senats auch eine geringe Abweichung nicht hinzunehmen ist. Eine ebenso geeignete und erforderliche Form der Versorgung mit anderen Hörgeräten war nicht möglich. Daher war die Versorgung der Klägerin mit dem tatsächlich beschafften Gerät zur Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit zwingend erforderlich, so dass auf Seiten der Beklagten eine "Ermessensreduktion auf Null" gegeben ist. Damit sind auch die der Klägerin entstandenen Kosten in Höhe von 3.360,84 EUR, gegen deren Höhe keine Bedenken bestehen, auch als "erforderlich" im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB IX anzusehen.

Auf Grund dieses Anspruchs der Klägerin ist ihrer Berufung gegen das Urteil des SG Mainz vom 17.05.2011 stattzugeben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 SGG im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R - zugelassen.

Referenznummer:

R/R6287


Informationsstand: 17.10.2014