1. Die nach § 151
Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGG, da sich die begehrte weitergehende Versorgung ausweislich des vorgelegten Kostenvoranschlags auf 4.087,45
EUR beläuft.
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Versorgung mit zwei Hörgeräten der Marke widex über den bereits bewilligten Festbetrag hinaus. Mit diesen Hörgeräten ist die Klägerin bis aktuell nicht (endgültig) versorgt, für die derzeitige Nutzung hat sie keine Kosten zu tragen; eine Kostenerstattung wird daher nicht begehrt. Streitbefangen sind die (beiden) Bescheide vom 06.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2016, soweit darin eine Versorgung über den Festbetrag hinaus abgelehnt wird. Die ursprünglich angefochtenen Bescheide vom 23.03.2016 und 28.04.2016 haben sich demgegenüber erledigt. Die Beklagte hat sie mit Bescheiden vom 06.07.2016 aufgehoben. Sie sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.
Der Bescheid der Beklagten vom 30.08.2017, der auf die Rücknahme einer vermeintlich eingetretenen fiktiven Genehmigung gerichtet ist und nach § 96
SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, steht demgegenüber nicht zur Überprüfung durch den Senat, da insoweit keine Berufung eingelegt wurde. Das Urteil des SG ist insoweit in Rechtskraft erwachsen.
3. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat den Klagen zu Unrecht stattgegeben. Die Bescheide der Beklagten vom 06.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten. Ein Anspruch auf die begehrte Versorgung mit Hörgeräten über den Festbetrag hinaus ergibt sich weder aus einer Genehmigungsfiktion (dazu a) noch dem krankenversicherungsrechtlichen Leistungsrecht (dazu b) noch aus sonstigem Rehabilitationsrecht (dazu c).
a) Ein Anspruch aus einer Genehmigungsfiktion scheidet für das hier begehrte Hilfsmittel aus.
Ein Anspruch ergibt sich nicht nach
§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V. Denn § 13
Abs. 3a Satz 9
SGB V (in der seit 26.02.2013 geltenden Fassung von
Art. 2
Nr. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten - PatRVerbG - vom 20.02.2013, BGBl. I
S. 277, gültig bis 31.12.2017) verweist für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auf das Rehabilitations- und Teilhaberecht, das in
§§ 14 und
15 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX; in der seit 01.07.2001 geltenden Fassung durch
Art. 1 und 68
SGB IX vom 19.06.2001, BGBl. I
S. 1046, gültig bis 31.12.2017 [im Folgenden a.F.], sowie in
§§ 14 bis
24 SGB IX i.d.F. von
Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen [Bundesteilhabegesetz -
BTHG] vom 23.12.2016, BGBl. I
S. 3234, m.W.v. 01.01.2018) ein eigenständiges, in sich geschlossenes System bei Überschreitung von Entscheidungsfristen mit entsprechenden Sanktionen vorhält. Die Regelungssysteme von § 13
Abs. 3a
SGB V einerseits und von §§ 14, 15
SGB IX a.F. (nunmehr §§ 14 bis 24
SGB IX) schließen sich gegenseitig aus. Daher findet § 13
Abs. 3a
SGB V insgesamt auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zur Vermeidung sonst nicht auflösbarer Normkonflikte keine Anwendung (ausführlich hierzu
BSG, Urteile vom 08.03.2016 -
B 1 KR 25/15 R -, in juris, Rn. 12
ff. und vom 15.03.2018 -
B 3 KR 18/17 R -, in juris Rn. 15
ff.). Maßstab für die Systemabgrenzung ist bei alledem allein das objektive Recht. Der Ausschluss des Anwendungsbereichs von § 13
Abs. 3a
SGB V für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation durch § 13
Abs. 3a Satz 9
SGB V schließt eine Leistungsgewährung über § 13
Abs. 3a
SGB V aus, unabhängig davon, ob sie der Versicherte für eine nichtrehabilitative Leistung halten durfte und sie
i.S.d. § 13
Abs. 3a Satz 7
SGB V als erforderlich ansehen durfte. Zwar wird die Versorgung mit Hilfsmitteln in
§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V systematisch der Krankenbehandlung zugeordnet. Für eine systemgerechte Zuordnung des jeweils zu beurteilenden Hilfsmittels bedarf es aber einer Differenzierung nach dessen Funktionalität und Zwecksetzung. Nach dieser Abgrenzung finden die Regelungen des § 13
Abs. 3a
SGB V allein auf Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung (
§ 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGB V) Anwendung, denn als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind alle anderen Hilfsmittel vom Anwendungsbereich des § 13
Abs. 3a
SGB V ausgenommen (
BSG, Urteil vom 15.03.2018 - B 3 KR 18/17 R -, in juris Rn. 22 f., Urteil des erkennenden Senats vom 26.06.2019 - L 5 R 1195/18 -, n.v.).
Die vorliegend begehrten Hörgeräte dienen nicht der Krankenbehandlung, da sie das Funktionsdefizit (Schwerhörigkeit) nicht kurativ behandeln. Der vom Regelfall abweichende Körperzustand bleibt als solcher im Wesentlichen unverändert. Vielmehr wird die Funktionsbeeinträchtigung ausgeglichen
bzw. die beeinträchtigte Körperfunktion ersetzt. Es handelt sich mithin um Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich und damit um Leistungen der medizinischen Rehabilitation
i.S.d. § 13
Abs. 3a Satz 9
SGB V.
Die fiktive Genehmigung des nicht rechtzeitig verbeschiedenen Leistungsantrages erforderte nach der damit maßgeblichen bis zum 31.12.2017 geltenden Regelung des § 15
Abs. 1 Sätze 1 - 4
SGB IX a.F. u.a. eine Fristsetzung des Antragstellers an den Rehabilitationsträger. Da eine Fristsetzung durch die Klägerin
i.S.d. § 15
SGB IX a.F. nicht erfolgt ist, sind auch die Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs aufgrund einer rehabilitationsrechtlichen Fiktion nicht erfüllt.
b) Aus dem krankenversicherungsrechtlichen Leistungsrecht ergibt sich der geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht.
Nach §§ 27
Abs. 1 Satz 2
Nr. 3, 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln wie u.a. Hörhilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um u.a. eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind, sowie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (
§ 12 Abs. 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind. Die Leistungspflicht der Krankenkasse ist mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist (§ 12
Abs. 2
SGB V).
(1) Hörgeräte sind solche Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich, da sie die Funktionsbeeinträchtigung (Schwerhörigkeit) ausgleichen
bzw. die beeinträchtigte Körperfunktion (Hören) ersetzen. Als solche stellen sie keinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar und sind auch nicht nach § 34
Abs. 4
SGB V aus der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Die Klägerin ist aufgrund der bei ihr bestehenden hereditären pancochleären hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits auf eine Versorgung mit Hörgeräten angewiesen. Der sprachaudiometrisch ermittelte Hörverlust beträgt beidseits 60 % (Sprachverstehen ohne Hörsysteme 40 %). Dies entnimmt der Senat der entsprechenden ohrenärztlichen Verordnung des
Dr. H. vom 05.03.2015 über eine beidseits notwendige Hörhilfe und dem Anpassungsbericht der Firma Hörakustik D. V. vom 29.02.2016. Dies wird auch von der Beklagten und der Beigeladenen nicht in Abrede gestellt.
(2) Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird (
BSG, Urteil vom 17.12.2009 -
B 3 KR 20/08 R -, in juris Rn. 14). Insoweit hat der in § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V als 3. Variante genannte Zweck für die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen (zum Folgenden
BSG, Urteil vom 24.01.2013 -
B 3 KR 5/12 R -, in juris Rn. 31
ff.).
(a) Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier das Hören - selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (
§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens im Sinne von
§ 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX a.F., weil die Erhaltung
bzw. Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (
BSG, Urteil vom 24.01.2013 -
B 3 KR 5/12 R -, in juris, Rn. 31;
BSG, Urteil vom 16.09.2004 -
B 3 KR 20/04 R -, in juris Rn. 12). Das Maß der notwendigen Versorgung mit Hörhilfen erschöpft sich daher nicht in der Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache, sondern umfasst im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen (
vgl. auch § 19
Abs. 1 HilfsM-Richtlinie). Die gesetzliche Krankenversicherung hat ihren Versicherten daher die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik (§ 2
Abs. 1 Satz 3
SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Das schließt auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein (
BSG, Urteile vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, in juris Rn. 31 und vom 30.10.2014 -
B 5 R 8/14 R -, in juris, Rn. 47).
Auch in Fällen des mittelbaren Behinderungsausgleichs, wenn also die Erhaltung
bzw. Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden, ist von der gesetzlichen Krankenversicherung ein Hilfsmittel zu gewähren, wenn damit die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden könnten und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens - wie das Hören - betroffen ist. Dann sind die Krankenkassen allerdings nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig (
BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, in juris, Rn. 32). Es geht insoweit nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Über die der gesetzlichen Krankenversicherung zugewiesene medizinische Rehabilitation hinausgehende Zwecke sind anderen Sozialleistungssystemen zugewiesen (
BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -, in juris Rn. 16;
BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, in juris Rn. 31). Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind - entgegen des als überholt anzusehenden Urteils des 13. Senats des
BSG vom 21.08.2008 (
B 13 R 33/07 R -, in juris; digitales Hörgerät für Lagerarbeiter) - für die Hilfsmittelversorgung nach dem
SGB V grundsätzlich unbeachtlich (
BSG, Urteile vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -, in juris Rn. 14, vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, in juris Rn. 33 sowie vom 30.10.2014 -
B 5 R 8/14 R -, in juris Rn. 47).
(b) Für den Versorgungsumfang, insbesondere die Qualität, Quantität und Diversität der Hilfsmittelausstattung kommt es aber sowohl beim unmittelbaren als auch beim mittelbaren Behinderungsausgleich allein auf den Umfang der mit dem begehrten Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an. Ohne Wertungsunterschiede besteht in beiden Bereichen Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (ständige Rechtsprechung des
BSG, etwa Urteile vom 16.04.1998 -
B 3 KR 6/97 R -, in juris, Rn. 17 und vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, in juris Rn. 34). Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche Innovationen aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken. Maßgeblich ist daher, ob das teurere Hilfsmittel im Vergleich zu kostengünstigeren anderen im Alltag - d.h. nicht nur in einzelnen, nicht zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählenden Lebensbereichen - wesentliche Gebrauchsvorteile bietet. Dabei muss es um Verbesserungen gehen, welche die Funktionalität betreffen (
BSG, Urteil vom 15.03.2018 - B 3 KR 18/17 R -, in juris Rn. 42
m.w.N.). Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33
Abs. 1 Satz 9
SGB V in der ab 11.05.2019 geltenden Fassung; früher § 33
Abs. 1 Satz 5
SGB V).
(c) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe steht zur Überzeugung des Senats fest, dass ein entsprechender Behinderungsausgleich auch durch ein Hörgerät zum Festbetrag bei der Klägerin zu erreichen ist.
Das von der Klägerin getestete, zum Festbetrag angebotene digitale Hörgerät AS verfügt über vier Kanäle (ermöglichen eine individuelle und feine Anpassung des Hörsystems an den Hörverlust), vier Hörprogramme (zur manuellen Einstellung auf unterschiedliche Situationen, wovon eines als TV- oder als Telefonprogramm eingestellt werden kann), Rückkopplungsunterdrückung, Störgeräuschunterdrückung und ein omnidirektionales sowie ein direktional-statisches Richtmikrofon. Dies entnimmt der Senat der Darstellung im Internet zur Ausstattung des AS (wiki.leichthoerig.de/index.php?title=Techlevel) sowie der Stellungnahme der Hörgeräteakustikmeisterin Sch. vom 26.04.2016. Die technische Ausstattung, die auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wird, gewährleistet mithin nicht nur eine Verständigung im Einzelgespräch unter direkter Ansprache, sondern auch das Hören und Verstehen in großen Räumen und bei störenden Nebengeräuschen (insbesondere Rückkopplungsunterdrückung, Störgeräuschunterdrückung, direktionales Richtmikrofon) sowie das Telefonieren. Die Einwände der Klägerin gegen das Festbetragsgerät vermögen den Senat nicht zu überzeugen. Insbesondere ihre Ausführungen, das Telefonieren sei ihr mit dem zuzahlungsfreien Gerät nicht möglich, sind für den Senat nicht nachvollziehbar. Insoweit hat die Hörgeräteakustikmeisterin Sch. dargelegt, dass aufgrund der vorliegenden Messungen das Telefonieren mit Hörgeräten sowie das Fernsehschauen ohne (weitere) Hilfsmittel möglich ist. Unabhängig davon ist dieser Einwand insbesondere anhand der von der Firma Hörakustik D. V. mitgeteilten Messergebnisse als objektivierbare Größe überwiegend nicht nachzuvollziehen. So erreichte die Klägerin beim Freiburger Sprachtest sowohl mit dem zuzahlungsfreien als auch mit dem begehrten streitgegenständlichen Gerät ohne Störschall ein Sprachverstehen von 100 %. Auch unter Störschall war der Hörgewinn nahezu identisch. Die Differenz zwischen den beiden Gerätetypen unter Störschall von 5 % bewertete die Hörgeräteakustikmeisterin Sch. fachkundig und für den Senat überzeugend als nicht signifikant. Insoweit führte sie nachvollziehbar aus, dass sich der Unterschied von 5 % innerhalb der Messtoleranz bewege. Der Freiburger Sprachtest ist nach § 21
Abs. 2
ff. HilfsM-Richtlinie ein normiertes Verfahren und ermöglicht einen objektiven Vergleich zwischen den getesteten Hörgeräten. Zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen sah sich der Senat daher nicht veranlasst. Die weitergehenden Eigenschaften der begehrten Hörgeräte bedingen keinen wesentlichen Gebrauchsvorteil im oben beschriebenen Sinne gegenüber dem Festbetragsgerät, sondern bieten nur eine komfortablere Gestaltung im Alltag, was Hörgeräteakustikmeisterin Sch. ausdrücklich bestätigte.
(d) Den auf Grundlage des
§ 36 SGB V durch Beschluss des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen vom 01.11.2013 festgesetzten Festbetrag (Hörgerät für schwerhörige Versicherte, ausgenommen für an Taubheit grenzend schwerhörige Versicherte) hat die Beklagte mit Bescheiden vom 06.07.2016 bereits bewilligt. Damit hat sie ihre krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht erfüllt (§§ 12
Abs. 2, 33
Abs. 7
SGB V).
c) Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräte ergibt sich auch nicht aus anderen rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen.
(1) Da die §§ 14 bis 24
SGB IX i.d.F. des
BTHG lediglich für solche Anträge gelten, die seit dem Inkrafttreten dieser Regelungen am 01.01.2018 gestellt wurden (
BSG, Urteil vom 15.03.2018 - B 3 KR 18/17 R -, in juris Rn. 45), finden auf den spätestens im Februar 2016 gestellten Antrag noch die Regelungen der §§ 14
ff. SGB IX a.F. Anwendung. Die zumindest mangels nicht fristgerechter Weiterleitung des Rehabilitationsantrags nach § 14
Abs. 2 Satz 1
SGB IX a.F. an die Beigeladene (Antrag vom 29.02.2016; Schreiben an die Beigeladene vom 23.03.2016) begründete umfassende Prüfungs- und gegebenenfalls auch Leistungszuständigkeit der beklagten Krankenkasse als zuerst angegangene Leistungsträgerin erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (
BSG, Urteil vom 15.03.2018 - B 3 KR 18/17 R -, in juris Rn. 47
m.w.N.).
(2) Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt neben Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter anderem Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (
vgl. § 9
Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]), wenn die persönlichen und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (
vgl. §§ 10 und 11
SGB VI) erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12
SGB VI ausgeschlossen sind. Die gesetzliche Rentenversicherung kann unter anderem Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 15
SGB VI erbringen (§ 9
Abs. 1
SGB VI), für die in § 15
Abs. 1 Satz 1
SGB VI auf die rehabilitationsrechtlichen Bestimmungen der
§§ 42 bis
47 SGB IX (
§§ 26 bis
31 SGB IX a.F.) verwiesen wird. Nach § 42
Abs. 1
Nr. 2
SGB IX werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen u.a. erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern; zu diesen Leistungen gehören nach § 42
Abs. 2
Nr. 6
SGB IX (§ 26
Abs. 1
Nr. 2,
Abs. 2
Nr. 6
SGB IX a.F.) auch Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in § 47
SGB IX (§ 31
SGB IX a.F.) näher geregelt ist. Hierzu zählen nach § 47
Abs. 1
Nr. 3
SGB IX (§ 31
Abs. 1
Nr. 3
SGB IX a.F.) unter anderem Hilfsmittel, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Als Hilfsmittel zum hier einschlägigen unmittelbaren Behinderungsausgleich dient ein Hörgerät ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens, weil die Erhaltung
bzw. die Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist (siehe bereits oben). Ob die Ausübung der Erwerbstätigkeit ein Grundbedürfnis im Sinne von § 47
Abs. 1
Nr. 3
SGB IX (§ 31
Abs. 1
Nr. 3
SGB IX a.F.) ist, ist unerheblich (
vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, juris Rn. 49 f.). Wählt ein Versicherter ein zum Behinderungsausgleich geeignetes Hilfsmittel in einer über das medizinisch Notwendige hinausgehenden aufwändigeren Ausführung, trägt die Krankenkasse nur die Kosten des Hilfsmittels in der notwendigen Ausstattung, während die Mehrkosten grundsätzlich vom Versicherten selbst zu tragen sind (§ 33
Abs. 1 Satz 9
SGB V [früher § 33
Abs. 1 Satz 5 SGB V] und § 47
Abs. 3
SGB IX [§ 31
Abs. 3
SGB IX a.F.]). Ist die höherwertige Ausstattung dagegen zwar nicht für den Alltagsgebrauch, wohl aber aus rein beruflichen Gründen erforderlich, fallen die Mehrkosten, die sonst der Versicherte selbst tragen müsste, dem Rentenversicherungsträger zur Last (
BSG, Urteil vom 15.03.2018 - B 3 KR 18/17 R -, in juris Rn. 53;
vgl. 3 b) (2) (a)).
Die von der Klägerin begehrte aufwändigere Versorgung mit den streitbefangenen Hörgeräten ist nicht in diesem Sinne aus rein beruflichen Gründen erforderlich. Die Klägerin ist als Lehrerin für behinderte Kinder beschäftigt. In diesem Rahmen betreut sie z.T. auch schwerstbehinderte Kinder. Die Klägerin verwies u.a. auf Gespräche mit Umgebungslärm sowie darauf, dass ihr das Singen und Musizieren mit Schülern mit den zuzahlungsfreien Hörsystemen nicht möglich sei. Des Weiteren sei es ein Problem für sie, die Brille auf- oder abzusetzen oder die Haare zurückzustreichen. Dieses Problem stelle sich auch beim Be- und Entkleiden der Schüler, die während des Vorgangs an ihren Ohren oder Haaren "wursteln", sodass die Lautstäke der Geräte verstellt werde. Dadurch, dass die Telefone in der Schule auf dem Gang platziert seien, seien die Telefonate mit großem Störgeräusch zu führen. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Lautstärkeeinstellung des Hörsystems vorab den Anforderungen beim Telefonieren angepasst, das Hörprogramm ausgewählt und das integrierte Richtmikrophon entsprechend ausgerichtet werden kann. Gleiches gilt für das Vorbereiten des Singens und Musizierens mit den Schülern. Auch die sich in Lehrerkonferenzen von Seiten der Klägerin geschilderten Probleme sowie die im Rahmen der Tätigkeit erforderliche Kommunikation, insbesondere Gespräche unter Störgeräusch und Telefonate, sind nicht auf den konkreten Arbeitsplatz der Klägerin beschränkt, vielmehr finden sie in gleicher oder ähnlicher Form auch im Privatleben oder in den meisten anderen beruflichen Tätigkeiten statt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin ausschließlich in ihrer konkreten beruflichen Tätigkeit auf eine besondere
bzw. spezielle Hörfähigkeit - wie etwa bei akustischen Kontroll- oder Überwachungsarbeiten oder beim feinsinnigen Unterscheiden zwischen bestimmten Tönen und Klängen wie beispielsweise bei der Tätigkeit eines Klavierstimmers - angewiesen wäre. Telefonate, Mehrpersonengespräche und Verständigungen unter Störgeräuschen gehören nahezu zu jedem privaten und beruflichen Alltag. Störschall tritt auch in vielen Bereichen des täglichen Lebens, sei es im Straßenverkehr, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Einkaufs- und kulturellen Einrichtungen auf (Sächsisches
LSG, Urteil vom 07.02.2012 -
L 5 R 286/11 -, juris Rn. 23).
(3) Ein Anspruch als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach
§ 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4b SGB IX (
§ 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX a.F.) kommt nicht in Betracht. Dieser bestimmt, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch Hilfsmittel umfassen, "es sei denn, dass ... solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können". Da dies gemäß § 15
Abs. 1 Satz 1
SGB VI,
§ 42 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (
§ 26 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX a.F.) für Hörgeräte der Fall ist, scheidet eine Qualifizierung der Hörgeräte als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
i.S.d. § 49 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 und 7, Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b
SGB IX (
§ 33 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 und 6, Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX a.F.)
i.V.m. §§ 9, 10, 11, 16
SGB VI von vornherein aus (
BSG, Urteil vom 30.10.2014 -
B 5 R 8/14 R -, in juris Rn. 48
m.w.N.).
(4) Einen Rehabilitationsbedarf zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft macht die Klägerin für die begehrte Versorgung selbst nicht geltend. Ein solcher ist unter Berücksichtigung des durch das Festbetragsgerät zu erreichenden, oben dargelegten Behinderungsausgleichs auch nicht ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
Abs. 1 Satz 1,
Abs. 4
SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160
Abs. 2
SGG) nicht vorlagen.