Urteil
Keine Übernahme der den Festbetrag übersteigenden Kosten einer Hörgeräteversorgung

Gericht:

LSG Berlin-Brandenburg 16. Senat


Aktenzeichen:

L 16 R 408/14


Urteil vom:

11.11.2015


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Übernahme der Kosten für die Versorgung der Klägerin mit Hörgeräten.

Die Klägerin ist 1957 geboren. Sie leidet an einer mittel- bis hochgradigen degenerativen Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Die Klägerin ist bei der Beklagten renten- und bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert und seit 2008 als Pflegehelferin beschäftigt.

Mit der ohrenärztlichen Verordnung einer Hörhilfe des HNO-Facharztes Dr. A vom 14. Dezember 2009, auf der als Kostenträger die Beigeladene eingetragen war, wandte sich die Klägerin zwecks Folgeversorgung mit Hörgeräten an die Firma Hörgeräte Akustik F & (nachfolgend: Hörgeräteakustiker). Der Hörgeräteakustiker fertigte am 17. Februar 2011 eine Versorgungsanzeige über die beidohrige Folgeversorgung der Klägerin mit Hörgeräten an, nachdem bei ihr zuvor sechs Hörgerätetypen, davon zwei zuzahlungsfreie, auch an ihrem Arbeitsplatz getestet worden waren. Ausweislich der nachfolgenden Hörgeräte-Anpassung (vgl Anpassbericht vom 8. März 2011, auf den verwiesen wird) wurde der gegenständliche Hörgerätetyp Acto Mini Ex HdO des Fabrikats Oticon beidseitig ausgewählt.

Die HNO-Fachärztin Frau S bescheinigte am 14. März 2011 auf dem Verordnungsvordruck die Zweckmäßigkeit der vorgeschlagenen Hörhilfe, und die Klägerin bestätigte gegenüber dem Hörgeräteakustiker am 24. März 2011 den Erhalt der Geräte. Unter demselben Datum erklärte sie, sich für eine Versorgung mit Eigenanteil entschieden und kein eigenanteilsfreies Versorgungsangebot gewünscht zu haben. Ferner sei sie mit einer von ihr zu leistenden höheren Vergütung bei einem Hörsystem mit privatem Eigenanteil sowie Reparaturmehrkosten einverstanden. Der Hörgeräteakustiker stellte der Klägerin am 13. April 2011 Kosten in Höhe von 2.025 EUR (Zwischensumme 3.217,80 EUR abzüglich Kassenleistung iHv 1.192,80 EUR) in Rechnung, die die Klägerin am 26. bzw. 29. April 2011 teils in bar, teils bargeldlos mittels EC bzw. anteilig im Wege eines vom Hörgeräteakustiker vermittelten Darlehens (Finanzkaufvertrag der V Bank über 1.200 EUR) beglich.

Die Klägerin beantragte am 14. April 2011 bei der Beklagten auf dem hierfür vorgesehenen Formular Teilhabeleistungen in Form eines Zuschusses für hochwertige Hörgeräte, da sie ihre Tätigkeit ohne solche nicht ausüben könne.

Mit einem nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid vom 20. April 2011 übernahm die Beigeladene gegenüber der Klägerin für die Hörgeräteversorgung Kosten in Höhe einer Pauschale von 1.192,80 EUR und wies zugleich darauf hin, dass die Klägerin für den Fall, dass sie eine Versorgung mit privatem Eigenanteil wählen sollte, die Mehrkosten für das Hörsystem, die Ohranpassstücke sowie für Reparatur- und Wartungsleistungen selbst zu tragen hätte.

Mit Bescheid vom 29. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Gewährung der über dem Festbetrag der Krankenkassen liegenden Kosten für die Anschaffung einer Hörhilfe lägen mangels ausschließlich berufsbedingten Bedarfs für eine Hörhilfe nicht vor. Besondere berufsspezifische Anforderungen an das Hörvermögen wären nicht gegeben.

Im sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Berlin (SG) eine Stellungnahme des Hörgeräteakustikers (Eingang am 27. September 2012) und einen Befundbericht der Ärztin Frau S-T vom 10. Januar 2013 eingeholt. Hierauf wird jeweils verwiesen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. April 2014 abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe weder gegen die Beklagte noch gegen die Beigeladene einen Erstattungsanspruch in Höhe von 2.025 EUR, weil die Selbstbeschaffung der Hörgeräte nicht kausal auf eine Ablehnung der Leistungserbringung durch den Leistungsträger zurückzuführen sei. Die Klägerin sei spätestens mit Erstellung der Eigenanteilsrechnung vom 13. April 2011 verpflichtet gewesen, den über den Festbetrag hinausgehenden Rechnungsbetrag von 2.025 EUR an den Hörgeräteakustiker zu bezahlen und das Hörgerät abzunehmen. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte sie sich endgültig für das gegenständliche Gerät entschieden und mit dem Hörgeräteakustiker einen diesbezüglichen Kaufvertrag geschlossen, der durch die Eigenanteilsrechnung schriftlich fixiert worden sei. Anhaltspunkte dafür, dass es sich lediglich um einen unverbindlichen Kostenvoranschlag gehandelt hätte, beständen nicht. Die Beklagte hätte den Antrag erst nach der Selbstbeschaffung, nämlich am 29. November 2011, abgelehnt; die Beigeladene hätte ihre Leistungsbewilligung am 20. April 2011 auf den Festbetrag beschränkt, worin zugleich die Ablehnung einer weitergehenden Kostenübernahme zu sehen sei. Nichts anderes folge daraus, dass die Eigenanteilsrechnung des Hörgeräteakustikers bereits den Kassenanteil von 1.192,80 EUR ausgewiesen hätte. Denn es fehle gleichwohl an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Kostenlast der Klägerin. Im Übrigen lägen die renten- und krankenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rehabilitationsleistung nicht vor. Denn es beständen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die von ihr beschafften Hörgeräte in der konkreten Arbeitsumgebung signifikant besser geeignet wären als die getesteten zuzahlungsfreien Geräte.

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, sie habe erst nach der Festbetragsbewilligung durch die Beigeladene am 20. April 2011 und nicht schon am 13. April 2011 eine Kaufentscheidung getroffen. Sie hätte zwar am 24. März 2011 die Geräte ausgewählt; ein Kaufvertrag sei bis zur Bewilligung des Festbetrages aber nicht geschlossen worden. Es wäre ihr mit den zuzahlungsfreien Geräten nicht möglich gewesen, ihren Arbeitsplatz zu erhalten. Es sei ihr nicht um Bequemlichkeit oder bloßen Komfort gegangen und es könne ihr nicht angelastet werden, dass der subjektive Gebrauchsvorteil nicht hätte objektiviert werden können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2014 und den Bescheid der Beigeladenen vom 20. April 2011 zu ändern und die Beigeladene zu verurteilen, ihr für die beidseitige Versorgung mit den Hörgeräten Oticon Acto Mini Ex HdO weitere Kosten in Höhe von 2.025 EUR zu erstatten, hilfsweise, die Einholung eines hals-nasen-ohrenärztlichen Sachverständigengutachtens sowie eines Sachverständigengutachtens eines Hörgeräteakustikers.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt, nachdem sie in der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2015 den Bescheid vom 29. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2012 aufgehoben hat.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Eine Kostenerstattungspflicht ihrerseits komme nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. Januar 2013 - B 3 KR 5/12 R - nicht in Betracht.

Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Beigeladenen haben vorgelegen und sind, soweit erforderlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Rechtsweg:

SG Berlin Urteil vom 28.04.2015 - S 69 R 1317/12

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag (vgl § 36 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) übersteigenden Kosten der von ihr beschafften Hörgeräte, und zwar nur noch gegen die Beigeladene, nachdem die Beklagte den mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 29. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2012 aufgehoben und die Klägerin die Berufung insoweit sinngemäß zurückgenommen hat (vgl §§ 156 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) hat. § 75 Abs. 5 SGG eröffnet insofern die Befugnis, anstelle des ursprünglich verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers - hier der beklagten Rentenversicherung - nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Der maßgebende Bescheid der Beigeladenen vom 20. April 2011 hinsichtlich der sinngemäßen Ablehnung der den Festbetrag übersteigenden Kosten ist auch nicht in Bestandskraft erwachsen - dies würde eine Verurteilung von vornherein ausschließen -, weil er erst nach Stellung des Teilhabeantrags der Klägerin gegenüber der Beklagten am 14. April 2011 erging, mithin Gegenstand des einheitlichen Verwaltungsverfahrens gemäß § 86 SGG geworden ist (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 - B 3 KR 5/12 R - juris Rn 12, 59 mwN).

Die zulässige Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Den Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung für die selbst in Höhe von 2.025 EUR finanzierte beidseitige Versorgung mit Hörgeräten macht die Klägerin zwar zu Recht mit der statthaften kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 SGG) geltend. Die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf Erstattung der durch den Festbetrag (§ 36 SGB V) nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung.

Als Grundlage für den geltend gemachten Anspruch kommen einerseits § 13 Abs. 3 SGB V und andererseits § 15 Abs. 1 Satz 4 iVm Satz 3 Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) in Betracht. Die für einen Erstattungsanspruch der Klägerin erforderlichen Voraussetzungen sind indes weder nach der einen noch nach der anderen Rechtsgrundlage gegeben, wie vom SG zutreffend ausgeführt worden ist.

Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse dann, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht, wie in der Rechtsprechung des BSG geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr vgl BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - juris Rn 12; Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - juris Rn 10 jeweils mwN). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 2/08 R - juris Rn 25).

Der erforderliche Ursachenzusammenhang ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gegeben, wenn die Kostenbelastung des Versicherten wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruht (vgl BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - aaO Rn 11). Dies ist hier nicht der Fall. Zwar ist eine Hilfsmittelleistung nicht schon mit deren Auswahl selbst verschafft. Denn eine solche ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 aaO Rn 44). Wie vom SG ausgeführt, hat sich die Klägerin aber iS eines unbedingten Verpflichtungsgeschäfts (vgl BSG, aaO Rn 44 mwN) dem Hörgeräteakustiker gegenüber bereits am 24. März 2011 dahingehend gebunden, dass sie sich unabhängig von einer zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorliegenden Entscheidung der Beigeladenen für das gegenständliche Hörgerätesystem unter Inkaufnahme eines Eigenanteils entschieden hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die Probephase nach Durchführung der Anpassmessungen am 8. März 2011 abgeschlossen, und die Klägerin war eine endgültige rechtliche Verpflichtung dem Hörgeräteakustiker gegenüber eingegangen, der auch im Falle der Ablehnung des über den Festbetragspauschalen liegenden Leistungsbegehrens durch die Beigeladene die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels von der Klägerin verlangen konnte. Anders sind ihre Erklärungen vom 24. März 2011, wonach sie eine Hörgeräteversorgung mit Eigenanteil ausgewählt hätte und die Hörgeräte ihr zugleich nach entsprechender Anpassung endgültig ausgehändigt worden waren, nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht auszulegen. Darauf, ob der Hörgeräteakustiker im Kulanzwege das Geschäft rückabgewickelt hätte - was tatsächlich trotz Ablehnung von den Festbetrag übersteigenden Kosten durch die Beigeladene nicht der Fall war - oder der Kaufpreis in Höhe des Eigenanteils seitens des Hörgeräteakustikers zunächst gestundet worden war, wie sich daraus ergibt, dass dieser die Rechnung für die Klägerin erst am 13. April 2011 fertig gestellt und sich sodann offensichtlich mit einer Bezahlung - teilweise in bar, teilweise bargeldlos per EC und im Übrigen im Wege der Darlehensfinanzierung - am 26. April 2011 bzw. 29. April 2011 einverstanden erklärt hatte, kommt es nicht an. Hiermit wurde der bereits geschlossene Kaufvertrag allein in finanzieller Hinsicht entsprechend der Abreden der Vertragsparteien erfüllt. Dafür, dass die bindenden Erklärungen erst zu jenem Zeitpunkt abgegeben worden wären, wie die Klägerin geltend macht, obgleich ihr die Hörgeräte schon am 24. März 2011 endgültig ausgehändigt worden waren, bestehen dagegen keine Anhaltspunkte, insbesondere nicht für einen Kauf auf Probe iS des § 454 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Denn die Probephase war am 24. März 2011, wie ausgeführt, ausweislich der Hörgeräteanpassung vom 8. März 2011 abgeschlossen. Hiergegen spricht im Übrigen, dass die Klägerin selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem SG eingeräumt hat, sie sei sich im Zeitpunkt ihrer Kaufentscheidung bewusst gewesen, dass sie möglicherweise die über den Festbetrag hinausgehenden Kosten würde selbst tragen müssen. Dies kann sich aber allein auf ihre dem Hörgeräteakustiker gegenüber abgegebenen Erklärungen vom 24. März 2011 bezogen haben, die die für den Abschluss eines Kaufvertrages wesentlichen Erklärungen zum Gegenstand hatten. Entsprechende Erklärungen folgen auch nicht aus dem Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages iSv § 492 BGB am 26. April 2011, den die Klägerin in Anspruch genommen hatte, um den Kaufpreis für die Hörgeräte in voller Höhe aufbringen zu können. Soweit ihr aufgrund dessen ein Widerrufsrecht (vgl. § 495 BGB) zustand, mit der Folge, dass sie im Falle eines - von ihr tatsächlich nicht ausgeübten - Widerrufs auch an den Kaufvertrag nicht mehr gebunden gewesen wäre (vgl. § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB), folgt hieraus nichts Abweichendes. Denn erst die Ausübung des Widerrufsrechts wandelt den Vertrag ex nunc in ein Abwicklungsverhältnis um (vgl. § 357 BGB), während die widerrufliche Erklärung des Verbrauchers in Bezug auf den Darlehensvertrag sowie der zugrunde liegende Vertrag mit der Folge eines unbedingten Erfüllungsanspruchs gültig sind (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 69. Auflage 2010, § 355 Rn 4). Soweit die Klägerin schließlich gemeint haben sollte, sie hätte die Hörgeräte mangels Bezahlung am 24. März 2011 noch gar nicht gekauft, handelte es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum (vgl. § 119 BGB). Im Übrigen hatte sich die Klägerin jedenfalls im Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung der Beigeladen am 20. April 2011 bereits auf die gegenständlichen Hörgeräte vorzeitig festgelegt (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 - juris Rn 44), so dass hierdurch die Selbstbeschaffung nicht mehr kausal beeinflusst werden konnte. Eine frühere Leistungsablehnung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Hörgeräteakustiker auf der Eigenanteilsrechnung vom 13. April 2011 bereits eigenmächtig die pauschale Kassenleistung in Höhe von 1.192,80 EUR ausgewiesen hatte. Dahinstehen kann insoweit, ob vorliegend die Beigeladene bereits vor der Selbstbeschaffung mit dem Leistungsbegehren der Klägerin befasst war, ob sie die theoretische Möglichkeit gehabt hätte, den einheitlichen Leistungsantrag vom 14. Dezember 2009 zu bescheiden oder ob die vom BSG gerügte Externalisierung iS einer am "lean management" orientierten Handhabung des gesamten Vorgangs der Leistungserbringung zu Lasten der Versicherten die Gefahr der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges in sich birgt. Denn zwingende Gründe, etwa unter Heranziehung des Rechtsgedankens des sogenannten Systemversagens (vgl hierzu etwa BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 - B 1 KR 44/12 R - juris Rn 17 ff; Urteil vom 8. September 2015 - B 1 KR 14/14 R - juris jeweils mwN) oder des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, wonach die Verletzung von Pflichten, die dem Sozialleistungsträger gegenüber den Leistungsberechtigten aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegen, für Leistungsberechtigte einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen kann (vgl ausführlich BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994 - 4 RA 64/93 - SozR 3-2600 § 58 Nr 2, juris Rn 9 ff), vom Erfordernis einer nach den bundesrechtlichen Regelungen in § 13 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 SGB V bzw. § 15 Abs. 1 Satz 4 Fall 2 SGB IX notwendigen, der Selbstbeschaffung kausal zugrunde liegenden rechtswidrigen Ablehnung durch den zuständigen Rehabilitationsträger (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, aaO Rn 43, 45) abzusehen ist, sind nicht gegeben. Insofern müsste offensichtlich oder zumindest plausibel vorgetragen sein, dass das in Rede stehende Verfahren der Hörgeräteversorgung es der Klägerin unmöglich gemacht hätte, vor der Selbstbeschaffung auf eine Entscheidung der Krankenkasse bzw. des Rehabilitationsträgers zu drängen. Dies ist indes nicht der Fall. Schließlich kann insoweit offenbleiben, ob die Klägerin das Hörgerät nur unter der Bedingung kaufen wollte, dass die Beigeladene auch den über dem Festbetrag liegenden Betrag bewilligen würde. Abgesehen davon, dass die nach dem objektiven Empfängerhorizont vorzunehmende Auslegung der maßgebenden Erklärungen eine entsprechende Deutung nicht zulässt, wäre in einem solchen Fall der mit dem Hörgeräteakustiker geschlossene Vertrag gar nicht wirksam geworden, so dass mangels Selbstbeschaffung ein Erstattungsanspruch von vornherein nicht entstanden wäre.

Bei dieser Sachlage war der Senat weder auf den pauschalen Beweisantrag der Klägerin hin noch von Amts wegen zu weiteren Ermittlungen angehalten (vgl. § 103 SGG). Denn angesichts der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges durch die Klägerin kann dahinstehen, ob die Beigeladene ihre krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt hat (§ 12 Abs. 2 SGB V) oder ob sie nach Maßgabe von §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) iVm §§ 26 bis 31 SGB IX als im Außenverhältnis zuständiger Leistungsträger zur Erstattung der Mehrkosten verpflichtet gewesen wäre. Nur vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin weder geltend gemacht hat noch hierfür Anhaltspunkte bestehen, dass die Messungen des Hörgeräteakustikers, wie sie sich aus dem Anpassbericht vom 8. März 2011 ergeben, unzutreffend wären. Objektivierte Vorteile in Bezug auf die ausgewählten Geräte folgen aus diesem, wie die Klägerin eingeräumt hat, nicht, vielmehr hätten sich die von ihr erlebten Gebrauchsvorteile der teureren Geräte nicht ausreichend messbar mit objektivierbaren Verfahren herausstellen lassen. Bei dieser Sachlage würde sich die Einholung von Sachverständigengutachten - sei es durch einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder durch einen Hörgeräteakustiker - aber auch als eine Beweiserhebung "ins Blaue" hinein darstellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor

Referenznummer:

R/R7010


Informationsstand: 15.11.2016