Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Der Kläger hat aus
§ 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung der für den Therapiestuhl "Wombat Upgrade" aufgewandten Kosten in Höhe von 3555,59 Euro.
Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach § 14
Abs. 1 Satz 2 bis 4
SGB IX festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser gemäß § 14
Abs. 4 Satz 1
SGB IX dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, die dem "zweitangegangenen Träger" einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den materiell-rechtlich originär zuständigen Rehabilitationsträger einräumt, der den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem
SGB X vorgeht und begründet ist, soweit der Versicherte von diesem die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können (
vgl. z.B. Bundessozilagericht (
BSG), Urteil vom 20.11.2008 -
B 3 KR 16/08 R (Kraftknoten)
m.w.N.), sind hier erfüllt. Der Kläger hat die notwendige Versorgung der Versicherten mit dem Therapiestuhl als zweitangegangener Rehabilitationsträger nach § 14
Abs. 1 Satz 1 - 4
SGB IX bewilligt, die Beklagte hat als selbständige öffentlich-rechtliche Körperschaft den Antrag an den Kläger im Sinne dieser Vorschrift weitergeleitet und für die Versorgung war ferner originär - vorrangig - die Beklagte zuständig.
Der Kläger hat der Versicherten in der heilpädagogischen Kindertagesstätte Leistungen der Eingliederungshilfe (
§ 54 SGB XII iVm §§ 55 Abs. 2 Nr. 2 ,
56 SGB IX) gewährt. Die Gewährung dieser heilpädagogische Maßnahmen, auf die jedes schwerstbehinderte noch nicht eingeschulte Kind Anspruch hat, fällt in die Zuständigkeit des Klägers. Zu diesen Leistungen im Vorschulalter rechnet u.a. der Transport des Kindes in die Einrichtung. Ob auch die Stellung eines Therapiestuhls als nach
§§ 31,
26 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX u.a. zu gewährendes Hilfsmitteln dazu zählen könnte, weil ohne einen im Einzelfall erforderlichen individuellen Therapiestuhl, der als individuelles Hilfsmittel von der Einrichtung nicht gestellt werden muss, die Leistungen in der Tageseinrichtung, auf die das schwerst-behinderte Kind Anspruch hat, nicht erbracht werden könnten, kann hier dahin gestellt bleiben. Eine insoweit bestehende Leistungsverpflichtung des Klägers nach dem
SGB XII wäre nämlich gemäß § 2
Abs. 2
SGB XII nachrangig gegenüber der hier nach
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestehenden Leistungsverpflichtung der Beklagten.
Nach § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V in der zum Zeitpunkt der Leistungsversorgung geltenden Fassung des
Art. 1
Nr. 20 lit. a bb des Gesetzes zur Modernisierung der
GKV vom 14.11.2003 (BGBl I
S. 2190 (§ 33
SGB V aF)) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 ausgeschlossen sind.
Die Versicherte hatte nach § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V aF Anspruch auf einen (zweiten) Therapiestuhl zur Nutzung in der heilpädagogischen Tageseinrichtung, weil dieser für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (
§ 12 Abs. 1 SGB V) erforderlich gewesen ist, kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ist (
vgl. hierzu
BSG SozR 4-2500 § 33
Nr. 26) und auch nicht nach § 34
Abs. 4
SGB V aus der
GKV-Versorgung ausgeschlossen ist.
Werden, wie hier, Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sog. mittelbarer Behinderungsausgleich im Sinne der Rechtsprechung des
BSG (
vgl. BSG SozR 4-2500 § 36
Nr. 2)) sind die Krankenkassen nach ständiger Rechtsprechung des
BSG, der der Senat folgt, nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig: Es geht insoweit nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der
GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (
vgl. § 1 SGB V sowie
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 5 Nr. 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der
GKV deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach ständiger Rechtsprechung des
BSG das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (
BSG SozR 4-2500 § 33 Nrn. 3, 7;
BSG SozR 3-3300 § 14
Nr. 14). Bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Mobilitätshilfen reicht die Verantwortung der
GKV über die Erschließung des Nahbereichs der Wohnung hinaus. Zu den Aufgaben der Krankenkassen gehört nämlich auch die Herstellung und die Sicherung der Schulfähigkeit eines Schülers
bzw. der Erwerb einer elementaren Schulausbildung (
vgl. BSG SozR 2200 § 182
Nr. 73;
BSG SozR 2200 § 182b
Nr. 28;
BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 22 und 40). Steht die Schulausbildung im Dienst der Vermittlung von grundlegendem schulischem Allgemeinwissen an Schüler im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht oder der Sonderschulpflicht (
vgl. dazu
BSG SozR 4-2500 § 33
Nr. 6), so hat ihn die Krankenkasse mit einem entsprechend geeigneten Hilfsmittel zu versorgen.
Der Besuch der Kindertagesstätte durch ein schwerstbehindertes Kind, für den hier wegen der mangelnden Transporteignung unstreitig ein zweiter Therapiestuhl benötigt wurde, dient zur Überzeugung des Senats, wie der Besuch eines Kindergartens für behinderte Dreijährige überhaupt, der Befriedigung von Grundbedürfnissen im vorbezeichneten Sinne, nämlich der Integration des Kindes wie seiner Vorbereitung auf den Erwerb schulischen Allgemeinwissens (
vgl. auch
LSG NRW, Urteil vom 23.09.2010 -
L 5 KR 117/09 (Revision anhängig: B 3 KR 13/10 R); SG Karlsruhe, Urteil vom 08.08.2007 -
S 5 KR 5364/06; SG Würzburg, Urteil vom 13.04.2010 -
S 4 KR 426/08).
Nach § 24
SGB VIII besteht für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schulbesuch Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung. Die ganz überwiegende Zahl der mehr als drei Jahre alten Kinder macht davon inzwischen auch Gebrauch. So lag nach der Bundesjugendstatistik 2006 die Betreuungsquote in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege der Bundesländer für Kinder von 3 bis unter 6 Jahren bei
rd. 87 % im Bundesdurchschnitt. Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege sollen nach § 22
Abs. 2
SGB VIII die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern, die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen und den Eltern dabei helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können. Der Förderungsauftrag umfasst nach § 22
Abs. 3
SGB VIII Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Er schließt die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen. Nach heutigem Verständnis ist der Kindergarten also auch eine Bildungseinrichtung (
vgl. Struck in Wiesner,
SGB VIII, 3. Aufl. 2006, vor § 22 Rz. 20). Über dieses Merkmal ist er mit der Schule verbunden, auf deren Besuch er vorbereitet. Dieser Umstand sowie die Formulierung eines Rechtsanspruchs in § 24
SGB VIII und der sehr hohe Grad der Inanspruchnahme der Einrichtungen belegen den Stellenwert des Kindergartenbesuchs und zeigen, dass er unter Berücksichtigung gesellschaftlicher wie staatlicher Einschätzung wie der Schulbesuch zum Erwerb eines schulischen Grundwissens, dem er regelmäßig und offenbar mit zunehmender Notwendigkeit vorausgeht, als Grundbedürfnis im Sinne der eingangs zitierten Rechtsprechung des
BSG zum Hilfsmittelrecht zu qualifizieren ist.
Wie das
BSG (SozR 3-2500 § 37
Nr. 5 (zur häuslichen Krankenpflege)) zudem betont, dienen nach § 2
Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) die sozialen Rechte der Erfüllung der in § 1
SGB I genannten Aufgaben, insbesondere der Schaffung gleicher Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit junger Menschen dienten. Dazu gehört bei Kindern die Wiederherstellung und Sicherung der Möglichkeit zur sozialen Integration unter Gleichaltrigen (
BSG SozR 3-2500 § 33
Nr. 27) in einem Kindergarten
bzw. in einer Kindertagesstätte sowie der Schulfähigkeit nach Eintritt der Schulpflicht (
BSG SozR 2200 § 182
Nr. 73;
BSG SozR 3-2500 § 33
Nr. 22). Wenn bereits bei nicht behinderten Kindern der Besuch eines Kindergartens offenbar regelmäßig (s.o.) als zur Vorbereitung auf die Schule geboten angesehen wird, muss dies für schwerstbehinderte Kinder mit erheblichen Entwicklungsverzögerungen wie die Versicherte erst recht gelten und zwar nicht nur unter dem Aspekt der Herstellung von Schulreife, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Integration. Kinder, die wie die Versicherte in ihrer Mobilität behinderungsbedingt stark eingeschränkt sind, können nur unter Schwierigkeiten und erheblichem (u.a. Transport-) Aufwand für die Eltern Kontakt zu Gleichaltrigen pflegen und sind mehr als nicht behinderte Kinder auf organisierte und betreute Kontaktgelegenheiten, wie sie Tageseinrichtungen bieten, angewiesen. Wenn gleichzeitig beachtet wird, dass inzwischen
ca. 87 % der Kinder zwischen 3 und 6 Jahren in Deutschland einen Kindergarten o.ä. besuchen (s.o.), reduziert sich die Möglichkeit zu Kontakt und Integration für ein Kinder mit Behinderung weiter. Es würde zu einer Isolierung des behinderten Kindes kommen, wenn es selbst eine solche Einrichtung nicht besuchen kann, denn die in Betracht kommenden gleichaltrigen Kontaktpersonen halten sich im Kindergarten auf und sind deshalb weitgehend nicht erreichbar.
Die Einwendungen der Beklagten und ihre Hinweise auf die Rechtsprechung des
BSG zur Limitierung des Grundbedürfnisse auf Bildung auf den durch die Schulpflicht vorgegebenen Rahmen überzeugen nicht. Eine schulische Bildung nach Erfüllung der Schulpflicht oder ein Studium mögen mit der Rechtsprechung des
BSG (
BSG SozR 4-2500 § 33
Nr. 6) kein Grundbedürfnis im Sinne der mehrfach zitierten Rechtsprechung zum Hilfsmittelrecht darstellen, weil die
GKV nur das staatlicherseits als Minimum angesehene Maß an Bildung zu fördern habe. Auch trifft es zu, dass es eine Kindergartenpflicht trotz entsprechender verschiedentlicher Vorstöße weiterhin nicht gibt (
vgl. dazu bei Struck in Wiesner,
SGB VIII, 3. Aufl. 2006, vor § 22 Rz. 12). Die Beklagte übersieht aber, dass nicht die Erfüllung der Schulpflicht das Grundbedürfnis ist, sondern der Erwerb elementarer Grundkenntnisse, und dass ein Kindergartenbesuch vor Beginn der Schulpflicht und
z.B. ein Studium nach ihrer Erfüllung nicht gleich zu bewerten sind. Die Phase der Befriedigung des fraglichen Grundbedürfnisses beginnt nämlich heute, wie oben ausgeführt, nicht erst in der Schule, sondern bereits im Kindergarten
bzw. in der Kindertagesstätte. Der dem Schulbesuch vorausgehende Kindergartenbesuch bereitet auf den Schulbesuch vor und soll namentlich die Schulfähigkeit gewährleisten. Er ermöglicht den Erwerb des staatlicherseits als Minimum angesehenen Maßes an Bildung und dient damit wie der Schulbesuch der Befriedigung des Grundbedürfnisses und geht, anders als ein Studium, nicht darüber hinaus.
Weil danach der Besuch der Kindertagesstätte als Grundbedürfnis anzuerkennen war, die Versicherte dazu eines Therapiestuhles bedurfte, dieser kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand ist und der der Klägerin 2003 für die Wohnung zur Verfügung gestellte Therapiestuhl zum täglichen Transport nicht geeignet war, hätte die Beklagte die Versicherte mit einem zweiten Therapiestuhl zu Lasten der
GKV versorgen müssen. Der Kläger, der diese Verpflichtung für die vorrangig verpflichtete Beklagte erfüllt hat, beansprucht deshalb zu Recht die Erstattung des Kaufpreises.
Der Zinsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in § 108
Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (
SGB X)
iVm § 44
Abs. 3 Satz 1
SGB I. Hiernach haben die Sozialhilfeträger und die anderen in § 108
Abs. 2
SGB X genannten Träger - und nur diese (
vgl. BSG SozR 4-2500 § 19
Nr. 4 RdNr. 29
m.w.N.) - auf Antrag Anspruch auf Verzinsung eines Erstattungsanspruchs mit 4 v.H. für den Zeitraum nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrages beim zuständigen Erstattungsverpflichteten bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung (§ 108
Abs. 2 Satz 1
Nr. 2
SGB X). Verzinst werden aber nur volle Euro-Beträge (§ 44
Abs. 3 Satz 1
SGB I). Diese Vorschriften gelten für Erstattungsansprüche nach § 14
Abs. 4
SGB IX entsprechend. § 14
Abs. 4
SGB IX begründet einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch, der den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem
SGB X vorgeht (BSGE 98, 267, 277, 279). Soweit dessen Regelungen nicht vorgreiflich sind, gelten deshalb im Erstattungsstreit zwischen den Rehabilitationsträgern die allgemeinen Vorschriften des
SGB X und damit auch die Zinsregelung des § 108 Abs 2
SGB X (
BSG Urt. vom 20.11.2008 -
B 3 KR 16/08 R).
Der auf volle Euro abgerundete Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten des von ihm im Dezember 2005 bezahlten Therapiestuhls ist danach mit 4 % dem 01.02.2006 zu verzinsen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a
SGG iVm § 154
Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und deshalb die Revision zugelassen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 1
Nr. 4
iVm § 52
Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz und entspricht der Höhe des geltend gemachten Erstattungsanspruchs.