Urteil
Kranken- und Rentenversicherung - Maßgebliche Antragstellung iS des § 14 SGB IX bei Hörgeräteversorgung - Bestmögliche Versorgung - Keine Aufspaltung der Antragstellung - Abgrenzung der Leistungspflicht im Hilfsmittelbereich

Gericht:

LSG Baden-Württemberg


Aktenzeichen:

L 13 R 2607/10


Urteil vom:

20.08.2013


Leitsätze:

Die Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteversorgung an den Hörgeräteakustiker und die Weiterleitung an die zuständige Krankenkasse ist als maßgebliche Antragstellung im Sinne des § 14 SGB IX anzusehen. Die Antragstellung ist auf bestmögliche Hörgeräteversorgung gerichtet; eine Aufspaltung in zwei separate Leistungsanträge (auf Bewilligung des Festbetrags und auf über den Festbetrag hinausgehende "Premiumversorgung") scheidet aus (Anschluss an BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, B 3 KR 5/12 R - Juris).

Die Abgrenzung des Umfangs der Leistungspflicht zwischen der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung im Bereich von geltend gemachten Teilhabeleistungen richtet sich danach, ob das begehrte Hilfsmittel - hier das Hilfsmittel Hörhilfe - dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dient (Leistungspflicht der Krankenversicherung) oder ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile bietet (Leistungspflicht der Rentenversicherung).

Rechtsweg:

SG Konstanz Urteil vom 28.04.2010 - S 4 R 1150/08

Quelle:

Justizportal des Landes Baden-Württemberg

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. April 2010 abgeändert.

Die Beigeladene wird unter Abänderung des Bescheids vom 28. Juni 2007 verurteilt, der Klägerin die über den Festbetrag hinausgehenden Kosten für die Hörgeräteversorgung mit zwei Hörgeräten der Marke Phonak Savia 22 stereo in Höhe von insgesamt 3.946,50 EUR zu erstatten.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beigeladene hat der Klägerin 3/4 der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Die Beklagte hat der Klägerin 1/4 der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten für Hörgeräte streitig, soweit sie den Festbetrag der Krankenkasse übersteigen.

Die 1949 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Rentenversicherungsträger renten- und bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert. Sie leidet an Presbyakusis beidseits und ist auf Hörgeräte angewiesen. Seit 1994 ist sie als Buchhalterin und Personalsachbearbeiterin bei der Firma Sp. Electronic GmbH & Co. KG in S. versicherungspflichtig beschäftigt.

Der behandelnde Vertragsarzt Dr. B. verordnete der Klägerin am 27. Juni 2007 aufgrund der Diagnose Presbyakusis Hörhilfen beidseits. Die Beigeladene bewilligte am 28. Juni 2007 eine Kostenübernahme in Höhe von 1.212,80 EUR; dieser Betrag setzt sich aus dem Festbetrag von 823,00 EUR sowie einer Reparaturpauschale in Höhe von 194,90 EUR je Hörgerät zusammen.

Am 5. November 2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Kostenübernahme des Eigenanteils bei hochwertigen Hörgeräten. Sie gab an, bei dem beruflich bedingten starken Außenkontakt mit Kunden am Telefon und Mitarbeitern im Personalbereich durch ihre starke Hörbehinderung sehr stark gehandicapt zu sein, da sie immer mehrmals nachfragen müsse. Das habe sich zuletzt sehr verstärkt, so dass sie Sorge habe, ihrer Position nicht mehr gerecht zu werden.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2007 legte sie die Verordnung einer Hörhilfe durch den Hals-Nasen-Ohren Arzt Dr. B. sowie einen Kostenvoranschlag des Hörgeräteakustikers vom 7. Dezember 2007 und eine ärztliche Bescheinigung des Dr. B. vom 21. Dezember 2007 vor. Aus dem Kostenvoranschlag des Hörgeräteakustikers O. geht hervor, dass insgesamt vier Hörgeräte getestet wurden, das Gerät Phonak Savia 22, das Gerät Phonak eXtra 22 ITC, das Gerät Siemens Artis S sowie das Gerät Siemens Infiniti Basic. Mit dem Gerät Phonak Savia 22 konnte subjektiv ein Sprachverständnis von 95 %, mit dem Gerät Phonak eXtra 22 ITC von 85 %, mit dem Gerät Siemens Artis S von 85 % sowie mit dem Gerät Siemens Infiniti Basic von 80 % erreicht werden. Durch den Hörgeräteakustiker wurde vorgeschlagen, die Klägerin mit dem Gerät Phonak Savia 22 Stereo zu versorgen. Verschiedene HdO-Systeme seien zur Probe geliefert worden. Die Klägerin wünsche eine IdO-Versorgung mit Lautstärkeregulierung. Das volldigitale Phonak Savia 22 mit Lautstärkewippe sei subjektiv am besten gewesen. Das Verstehen im Störschall sei mit 60 % zu beziffern. Die HdO-Otoplastiken seien am 7. Dezember 2007 geliefert worden zu einem Preis von 1.192,80 EUR (1.212,80 EUR abzüglich 20,00 EUR gesetzliche Gebühr). Unter dem 21. Dezember 2007 bescheinigte Dr. B., sich davon überzeugt zu haben, dass durch die vorgeschlagene Hörhilfe eine ausreichende Hörverbesserung erzielt werde. Das vorgeschlagene Gerät sei zweckmäßig. Weiter wird vorgelegt eine Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 11. Juli 2007 über die Geräte Phonak Savia 22 sowie das Festbetragsgerät Siemens Infiniti Basic (Bl. 17 f der Verwaltungsakte). Unter dem 7. Dezember 2007 wurde ein Kostenvoranschlag für die Stereo-Hörgeräteversorgung mit dem Gerät Phonak Savia 22 erstellt, wonach sich die Gesamtkosten auf 4.850,- EUR belaufen, nach Abzug des Anteils der Krankenkasse in Höhe von 823,- EUR belaufe sich der Endbetrag auf 4.027,- EUR.

Die endgültige Rechnung wurde am 16. Januar 2008 gestellt und betrug 3.946,50 EUR (für die Hörgeräte jeweils 2.384,75 EUR abzüglich des Kassenfestbetrags von 823,00 EUR); sie wurde durch die Klägerin am 16. Januar 2008 beglichen.

Mit Bescheid vom 21. Januar 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 10 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien nicht erfüllt. Ein höherwertiges Hörgerät wegen besonderer Höranforderungen sei im Berufsbild Buchhalterin nicht erforderlich. Zum Ausgleich der Hörminderung sei die Versorgung mit geeigneten Hörgeräten durch die Krankenversicherung ausreichend.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 27. Januar 2008 Widerspruch ein. Sie widerspreche insbesondere der Aussage, dass ein höherwertiges Hörgerät für sie als Buchhalterin nicht erforderlich sei. Sie habe diverse Hörgeräte getestet und es sei bei allen anderen u.a. ein Problem mit dem Telefonieren aufgrund der starken Rückkopplungsgeräusche entstanden. Auch als Buchhalterin müsse sie häufig mit Kunden und Lieferanten telefonieren. Sie sei außerdem nicht nur als Buchhalterin tätig, sondern fertige auch die Lohnabrechnungen und habe dementsprechend Kontakt mit Mitarbeitern, Krankenkassen etc.. Auch insoweit müsse sie sich gut verständigen können. Auch mit einem Hörgerät sei sie noch immer benachteiligt und behindert. Ein Hörgerät sei notwendig, um den Arbeitsplatz zu erhalten.

Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme, in der unter dem 1. Februar 2008 angegeben wurde, eine besondere berufliche Anforderung an das Hörvermögen liege als Buchhalterin nicht vor und ein adäquates, suffizientes Hörgerät nach der Krankenkassenversorgung sei ausreichend, wies die Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2008 zurück. Dem Begehren könne nicht entsprochen werden. Die Versorgung mit Hörhilfen gehöre grundsätzlich nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 33 Abs. 8 Nr. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Nach §§ 27, 32 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe der Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasse u.a. auch die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln, soweit diese nicht nach § 34 SGB V ausgeschlossen seien. Zur Krankenbehandlung gehöre auch die Ausstattung mit Hilfsmitteln, die erforderlich seien, um eine Behinderung auszugleichen. Bei den begehrten Hörhilfen handle es sich um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V, das erforderlich sei, um die bestehende Hörminderung auszugleichen. Damit sei klargestellt, dass Hörhilfen zu Leistungen nach den vorgenannten Vorschriften gehörten. Es liege im Versorgungsauftrag der Krankenkasse, für den Ausgleich der Funktionsstörung mittels adäquater Hörhilfen zu sorgen. Eine Leistungsgewährung seitens der Beklagten könne nur dann in Betracht kommen, wenn die Hörhilfe - ggf. auch eine besondere Ausstattung - als höherwertige Hörgeräteversorgung über den Versorgungsauftrag der Krankenkasse hinaus erforderlich sei, um den speziellen beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Dies müsse jedoch nach ärztlicher Prüfung verneint werden.

Hiergegen hat die Klägerin am 22. April 2008 Klage beim SG Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung ihrer Klage hat sie ergänzend zu ihrem bisherigen Vortrag vorgebracht, sie habe viel Kontakt mit Mitarbeitern, teilweise auch in den Produktionshallen, wo es sehr laut sei. Sie habe bereits verschiedene Hörgeräte ausprobiert, insbesondere beim Telefonieren und in lauter Umgebung komme es jedoch durch starke Rückkopplungsgeräusche, Zwischentöne sowie Rauschen und Pfeifen zu Problemen. Allein mit dem hochwertigen Gerät Phonak Savia 22 sei das Telefonieren möglich gewesen. Bei der Auswahl der Hörgeräte habe sie sich von einer Hörgeräteakustikmeisterin beraten lassen. Vergleichbare Geräte, die von der Krankenkasse finanziert würden, hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine von der Hörgeräteakustikerin zusammengestellte Kostenaufstellung der zur Probe gelieferten Hörgeräte vom 15. Oktober 2008 ist vorgelegt worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 4. November 2009 hat sie weiter ergänzend angegeben, sie habe den Antrag unmittelbar bei der Beklagten gestellt, da die zuständige Krankenversicherung erklärt habe, dass von ihr nicht mehr als der Festbetrag übernommen werden könne. Sie habe sowohl digitale als auch analoge Hörgeräte getestet.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass vorliegend zur Wiederherstellung des Hörvermögens eine adäquate Hörgeräteversorgung der Krankenkasse ausreichend sei, um den Beruf der Buchhalterin weiter ausüben zu können. Daher bleibe die Krankenkasse für die Hilfsmittelversorgung zuständig. Eine Kostenübernahme für Hilfsmittel wie Hörgeräte als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben komme nur dann in Betracht, wenn dieses Hilfsmittel ausschließlich zum Ausgleich einer Behinderung bei der Ausübung eines bestimmten Berufs oder einer bestimmten beruflichen Bildungsmaßnahme benötigt würde, mithin nicht nur die Funktionsstörung in medizinischer Hinsicht beseitigt werden soll, sondern die Folgeerscheinung der Behinderung für eine bestimmte berufliche Verrichtung ausgeglichen werden müsse. Für die Beklagte als Trägerin von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben könne sich ein Versorgungsauftrag nur ergeben, wenn ein besonders ausgeprägtes Hörvermögen dem Berufsbild und seiner typischen Ausübungsumgebung eigen sei. Dies treffe jedoch auf die Klägerin nicht zu. Spezielle Anforderungen an das Hörvermögen über das berufliche Maß hinaus seien im Berufsbild der Buchhalterin nicht gegeben. Es sei vielmehr ein elementares Grundbedürfnis eines jeden Menschen, über Sprache zu kommunizieren. Im gegliederten Sozialleistungssystem sei es vorrangig Aufgabe der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen der Krankenbehandlung einen adäquaten Funktionsausgleich zu gewähren. Die Höranforderung an das dem konkreten Streitfall zugrunde liegende Berufsbild in seiner typischen Ausprägung und auf der Grundlage der gesamten Qualifikation überstiegen indessen nicht die Anforderungen, denen Menschen täglich im privaten Lebensbereich ausgesetzt seien. Es sei nicht Aufgabe der Träger der Leistungen zur Teilhabe und auch nicht politischer Wille, einem breiten Publikum berufstätiger Menschen aufgrund des Vortrags arbeitsplatzkonkreter Belastungsmerkmale für das Hörvermögen die Aufstockung der Krankenversicherungs-Festbeträge zur eröffnen.

Mit Beschluss vom 4. November 2009 hat das SG die KKH-Allianz, den zuständigen Träger der Krankenversicherung, zum Verfahren notwendig beigeladen.

Die Beigeladene hat ausgeführt, der Klägerin sei am 28. Juni 2007 ein Betrag in Höhe von 1.212,80 EUR bewilligt worden. Einen weitergehenden Anspruch habe die Klägerin gegenüber der Beigeladenen nicht. Mit der gewährten Pauschale sei eine ausreichende Versorgung mit Hörgeräten aller drei Festbetragsgruppen sichergestellt. Hörhilfen seien in drei Gruppen einzuteilen, unabhängig hiervon seien Hörgeräte aller Festbetragsgruppen mit Analog- und Digitaltechnik sowie mit einer frontal ausgerichteten Schallaufnahme durch ein Kugel- oder Richtmikrofon ausgestattet. Zusatzfunktionen, die über die technischen Anforderungen der Gruppe 3 hinausgingen, seien nicht mehr zum Ausgleich der Behinderung erforderlich. Anhaltspunkte dafür, dass durch die Festbetragsfestsetzung im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung nicht gewährleistet sei, lägen nicht vor. Die Versorgung mit höherwertigen Hörgeräten komme nur in Betracht, wenn dies zur Befriedigung von Grundbedürfnissen erforderlich sei. Dies mache die Klägerin aber nicht geltend, sondern einen erhöhten Bedarf für das Berufsleben.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG den Arbeitgeber der Klägerin, die Firma Sp. electronic GmbH & Co. KG befragt. Herr K. Sp. hat unter dem 18. August 2008 angegeben, die Klägerin übe die Tätigkeit als Buchhalterin und Sachbearbeiterin für die Lohnabrechnung aus. Ferner sei sie im Rahmen der Finanzbuchhaltung mit der Abwicklung der Bankgeschäfte betraut. In der Vergangenheit habe es aufgrund der Hörschwierigkeiten verschiedene Missverständnisse und Rückfragen gegeben. Mit dem neuen Hörgerät seien diese Schwierigkeiten nun behoben.

Das SG hat ferner den behandelnden Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. B. sowie die Hörgeräteakustikmeisterin Frau O.-B. als sachverständige Zeugen vernommen. Unter dem 11. Mai 2009 hat Dr. B. angegeben, die Klägerin leide unter beidseitiger Innenohrschwerhörigkeit. Die Kommunikationsfähigkeit sei aufgrund der Hörminderung eingeschränkt. Nach den Angaben der Klägerin würde ein Basisgerät nicht genügen. Ein höherwertiges Hörgerät sei zudem auch im privaten Lebensbereich erforderlich.

Frau O.-B. hat unter dem 12. Mai 2008 ausgeführt, insgesamt seien sechs Hörgerätesysteme getestet worden. Die Klägerin habe über 5 Monate Gelegenheit gehabt, die verschiedenen Hörsysteme zu testen. Eine zuzahlungsfreie Versorgung würde den anzuhebenden Frequenzbereich im Sprachbereich nicht voll korrigieren und über keine Rückkopplungsauslöschung oder automatische Telefonerkennung verfügen. Ein lediglich ausreichendes Hörvermögen könne nicht Ziel der Ausstattung mit einem Hörgerät sein, denn es seien auch die psychischen Belastungen und die Angst, etwas falsch zu verstehen, zu berücksichtigen. Bei der Klägerin liege der Schwerpunkt des Bedarfs beim Beruf.

Mit Urteil vom 28. April 2010 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2008 verurteilt, an die Klägerin 4.550,- EUR abzüglich der von der Krankenkasse gewährten Festbeträge für die Hörgeräte zu zahlen.

Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Beklagte sei der erstangegangene Rehabilitationsträger im Sinne von § 14 SGB IX. Von der Beigeladenen sei eine Pauschale in Höhe von 1.212,80 EUR als Festbetrag inkl. einer Reparaturpauschale am 28. Juni 2007 gewährt worden. Ein Antrag auf Übernahme der weitergehenden Kosten sei bei der Beigeladenen nicht gestellt worden; einen solchen Antrag habe die Klägerin erstmals im November 2007 als Teilhabeleistung bei der Beklagten gestellt. Die Beklagte habe den Anspruch der Klägerin nicht wegen Unzuständigkeit innerhalb von zwei Wochen abgelehnt und der Beigeladenen zur Entscheidung abgegeben. Sie sei danach der gegenüber der Klägerin umfassend zuständige Rehabilitationsträger. Die Krankenkasse sei jedoch als möglicherweise endgültig zuständiger Leistungsträger notwendig beizuladen gewesen. Die Klägerin habe einen Anspruch auf medizinische Rehabilitation. Zwar seien die Hörgeräte nicht aus beruflichen Gründen erforderlich, da keine besondere berufliche Betroffenheit vorliege, allerdings stünden der Klägerin die Hörgeräte nach Krankenversicherungsrecht zu. Rechtsgrundlage dafür sei § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX i.V.m. § 16 SGB VI. Im Falle der Klägerin gehe die erkennende Kammer davon aus, dass die Hörhilfen nicht nur zum Ausgleich einer Behinderung für eine bestimmte Berufsausübung, sondern generell für eine berufliche Tätigkeit und auch für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erforderlich seien. Die Klägerin sei Buchhalterin und Personalsachbearbeiterin. Eine berufsbedingte Notwendigkeit für die Anschaffung der streitgegenständlichen Hörhilfen habe nicht bestanden. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass es sich bei den Hörhilfen für die Klägerin um einen unmittelbaren Behinderungsausgleich handele. Der Ausgleich könne am besten mit dem Hörgerät Phonak Savia 22 erreicht werden, was sich aus den Anpassungsberichten der Hörgeräteakustikerin ergebe.

Gegen das am 17. Mai 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3. Juni 2010 Berufung eingelegt und zu deren Begründung ausgeführt, es sei vor dem Hintergrund der Prozessökonomie und den Grundsätzen der Verwaltungspraktikabilität, denen die Möglichkeit der Beiladung Rechnung trage, nicht nachvollziehbar, warum die Beigeladene als materiell-rechtlich zuständiger Träger nicht verurteilt worden sei. Bei dieser Sachlage (Ablehnung durch den eigentlich zuständigen Träger) hätte die Beklagte nicht im Rahmen des § 14 SGB IX leisten können, da sie anders als das Gericht eine Entscheidung des anderen Sozialleistungsträgers nur übernehmen und nicht überprüfen könne.


Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28. April 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.


Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise die Beigeladene unter Abänderung des Bescheids vom 28. Juni 2007 zu verurteilen, ihr für die Anschaffung des Hörgeräts Phonak Savia 22 stereo weitere 3.946,50 EUR zu bewilligen.

Sie beruft sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren.

Die Beigeladene hat auch im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt und im Wesentlichen die Auffassung im erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und vertieft. Sie hat insbesondere daran festgehalten, dass die Mehrkosten der beantragten Hörgeräteversorgung nicht übernommen würden. Der Bescheid vom 28. Juni 2007 sei bestandskräftig.

Auf Aufforderung des Senats hat die Klägerin eine Quittung über die Zahlung eines Betrags in Höhe von 3.946,50 EUR an den Hörgeräteakustiker am 16. Januar 2008 sowie die entsprechende Rechnung ebenfalls vom 16. Januar 2008 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligen wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden.

Sie ist überwiegend begründet, weil das SG die Beklagte zu Unrecht verurteilt hat, die Kosten der Versorgung der Klägerin mit höherwertigen Hörgeräten zu übernehmen; die Kostenerstattungspflicht trifft vielmehr die Beigeladene. Die Berufung ist hingegen nicht begründet, soweit das SG den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2008 aufgehoben hat. Deshalb war in Abänderung des Urteils des SG die Klage gegen die Beklagte - soweit diese zur Erstattung verurteilt wurde - abzuweisen und anstelle der Beklagten die Beigeladene zur Erstattung zur verurteilen.

Die Klägerin hat gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Erstattung der durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 3.946,50 EUR. Dieser Anspruch besteht gegen die Beigeladene als für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zuständigem Leistungsträger (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V).

Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag nach § 36 SGB V übersteigenden Kosten des Hörgeräts entweder durch die Beklagte oder durch die Beigeladene.

Obwohl nur die Beklagte Berufung eingelegt hat und die Klägerin - zunächst - nicht mit einem eigenen Rechtsmittel gegen das Urteil des SG vorgegangen war, hat der Senat über den vollständig beim SG anhängig gewesenen Streitstoff, also die Verurteilung entweder der Beklagten oder der Beigeladenen, zu entscheiden. Dies folgt aus der durch § 75 Abs. 5 SGG eröffneten Befugnis, anstelle des verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Die Möglichkeit der Verurteilung auf Beiladung dient vor allem der Prozessökonomie, einer Klageänderung im Sinne des § 99 SGG bedarf es dabei nicht. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die nächste Instanz über alle in Frage kommenden prozessualen Ansprüche auch dann entscheiden kann, wenn nur der beigeladene Versicherungsträger Rechtsmittel eingelegt hat. Anderenfalls könnten einander widersprechende Entscheidungen ergehen mit der Folge, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren zunächst gegen den einen Versicherungsträger und in einer weiteren Instanz gegen den anderen Träger nicht durchdringt, obwohl feststeht, dass gegen einen von beiden jedenfalls ein Anspruch besteht. Der Kläger hätte dann zwar ggf. die Möglichkeit, ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 180 SGG zu betreiben; die Einleitung eines weiteren Verfahrens liefe aber dem durch § 75 Abs. 5 SGG verfolgten Ziel der Prozessökonomie wiederum zuwider. Im Berufungsverfahren muss daher auch über den Anspruch entschieden werden, der gegen die Beigeladene gerichtet war, obwohl zunächst nur der verurteilte Beklagte Berufung eingelegt hatte (zum Revisionsverfahren vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 - B 3 KR 5/12 R - Juris, Rdnr. 11, m. w. N.).

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist folglich im Verhältnis zu der Beklagten deren Bescheid vom 21. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2008, mit dem die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung abgelehnt worden war. Im Verhältnis zur Beigeladenen ist Verfahrensgegenstand deren Entscheidung vom 28. Juni 2007, die begehrte Hörgeräteversorgung auf den Festbetrag zu beschränken, eine technisch aufwändigere und teurere Versorgung also abzulehnen.

Über diese Verwaltungsentscheidung ist zu befinden, weil eine unmittelbare Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG voraussetzt, dass dieser Ablehnungsentscheidung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen keine Bindungswirkung zukommt. Im Falle einer Bindungswirkung wäre eine Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, a.a.O., Rdnr. 12, m.w.N.).

Die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren, eine verbesserte Hörgeräteversorgung zu erhalten, zunächst an die Beigeladene als krankenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 33 SGB V) und nach Kenntnis von deren auf den Festbetrag (§ 36 i.V.m. § 12 Abs. 2 SGB V) beschränkter Leistungsbewilligung durch Bewilligung des Festbetrags in Höhe von 1.212,80 EUR am 28. Juni 2007 und telefonischer Mitteilung mit dem Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am 5. November 2007 zusätzlich an die Beklagte als rentenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 15 Abs.. 1 SGB VI i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 6 und § 31 SGB IX) gewandt, um auch den offenen Restbetrag als Versicherungsleistung zu erhalten.

Die Zuständigkeit der Beklagten als für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 9 Abs.. 1 Satz 1 SGB VI i. V. m. § 5 Nr. 2 und § 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX) einstandspflichtigem Versicherungsträger kam hier in Betracht, da die Klägerin als Buchhalterin und Personalsachbearbeiterin das Erfordernis einer verbesserten Hörgeräteversorgung mit der Notwendigkeit eines besseren Hörverständnisses gerade bei der Arbeit und dem ansonsten drohenden Verlust ihres Arbeitsplatzes begründete.

Der beklagte Rentenversicherungsträger ist aber im ausschließlich maßgebenden Außenverhältnis zur Klägerin ausgeschlossen, da dieser nicht der erstangegangene Träger im Sinne des § 14 SGB IX ist. Der dort gestellte Antrag vom 5. November 2007 ist mit Blick auf § 14 SGB IX nicht als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag, sondern lediglich als wiederholender Antrag (Zweitantrag) im Rahmen eines durch den bereits Ende Juni bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag eingeleiteten rehabilitationsrechtlichen Verwaltungsverfahrens anzusehen.

Im Verhältnis zur Klägerin ist damit die Beigeladene allein zuständiger Rehabilitationsträger für den Versorgungsfall geworden. Nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich zuständige Rehabilitationsträger (§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beigeladene Krankenkasse) eine im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl. BT-Drucks. 14/5074 S. 95 zu Nr. 5 und S 102 f zu § 14). Der erstangegangene Rehabilitationsträger ist deshalb gehalten, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden gesetzlichen Regelwerk für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 SGB V (§ 14 Abs. 1 S 1 SGB IX). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach § 14 Abs. 1 S 1 SGB IX nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der dem Grunde nach zuständig wäre und die Leistung dann zunächst ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt (§ 14 Abs. 1 S 2 und 3 SGB IX). Anderenfalls bestimmt § 14 Abs. 2 S 1 SGB IX: "Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest." Diese Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 S 1 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 7 AL 16/04 R; Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - Juris). Die nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers lässt intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt und verweist die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX und §§ 102 ff SGB X. Erstangegangener Rehabilitationsträger im Sinne von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw. Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt (vgl. § 8 SGB X), selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt deshalb auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann nur darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 7 AL 16/04 R; Urteil vom 20. November 2008 - B 3 KN 4/07 R - Juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im hier zu entscheidenden Fall die beigeladene Krankenkasse als erstangegangener Rehabilitationsträger für die begehrte Hörgeräteversorgung im Sinne des § 14 SGB IX anzusehen. Die Beigeladene ist im Außenverhältnis zur Klägerin mangels Weiterleitung des Leistungsantrags an die Beklagte nach § 14 Abs. 2 S 1 SGB IX für das Versorgungsbegehren ausschließlich zuständig geworden.

Leistungen der GKV werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 S 1 SGB IV). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 S 2 Nr. 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs. 2 S 1 SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs. 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 17 Rdnr. 13). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2 Abs. 2 S 3 SGB V).

Durch die Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteversorgung seitens der Klägerin an den Hörgeräteakustiker und die Weiterleitung an die zuständige Krankenkasse ist die maßgebliche Antragstellung im Sinne des § 14 SGB IX erfolgt; dadurch liegt ein Leistungsbegehren der Klägerin und damit ein Leistungsantrag im Sinne des § 19 S 1 SGB IV vor, der in der Zeit zwischen dem 27. Juni 2007 (Tag der vertragsärztlichen Verordnung) und dem 28. Juni 2007 (Tag der Verwaltungsentscheidung) bei der Beigeladenen eingegangen sein muss.

Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 24. Januar 2013 (a.a.O.) insoweit klargestellt, dass die Versorgungsanzeige nicht allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungsbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung (§ 2 Abs. 2 S 1 SGB V), durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten (vgl. § 19 Abs. 1 SGB V) geklärt wird, ist:

"Wenn sich ein Rehabilitationsträger - wie hier und bei der Hörgeräteversorgung wohl allgemeinüblich - seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch sog "Verträge zur Komplettversorgung" nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlässt, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung (wenn auch nur zum Festbetrag) zuteil wird, dann erfüllt er weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V noch befolgt er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 12 Abs. 1 und § 70 Abs. 1 S 2 SGB V). Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden. Es mutet zudem abenteuerlich an, dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln - hier: Hörgeräte - praktisch nicht mehr selbst vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer "outgesourced" haben. Dass ein solches Vorgehen weder dem Grundgedanken der Festbetragsregelung gerecht wird noch zur Kostendämpfung beiträgt, dürfte klar auf der Hand liegen (....). Der Antrag der Klägerin richtet sich auf die Versorgung mit einem Hörgerät und ist als solcher nach ständiger Rechtsprechung des BSG ein Antrag auf Teilhabeleistungen im Sinne von § 14 Abs. 1 S 1 SGB IX (BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 7, Rdnr. 34; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr. 8, Rdnr. 18). Dabei geht es nach der Auslegungsregel des § 2 Abs. 2 SGB I um eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuches (hier: des Leistungsrechts der GKV nach dem SGB V sowie des Leistungsrechts der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI) bestmögliche Versorgung mit einem neuen Hörgerät. Eine solche Auslegung des Leistungsbegehrens schließt die Aufspaltung des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einen Antrag auf Bewilligung eines Festbetrages ("Normalversorgung", § 12 Abs. 2 SGB V) und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren Versorgung ("Premiumversorgung"), von vornherein aus" (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 - a.a.O. - Juris, Rdnr. 20 f).

Danach ist von einem einheitlichen, spätestens am 27. Juni 2007 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag auszugehen.

Dieser Antrag entspricht inhaltlich den Anforderungen, die an einen Antrag nach § 14 Abs. 1 S 1 SGB IX zu stellen sind.

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut genügt ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe, um die Zuständigkeitsprüfung des erstangegangenen Leistungsträgers und die Zwei-Wochen-Frist in Gang zu setzen. Ein solcher lag hier jedenfalls in Form der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios spätestens am 28. Juni 2007 vor. Eine andere Auslegung liefe dem Gesetzeszweck zuwider, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten (BTDrucks. 14/5074 S. 102 f zu § 14).

Ein an die Krankenkasse gerichteter Antrag auf Versorgung mit einem Hörgerät ist jedenfalls auch auf Leistungen zur Teilhabe im Sinne von §§ 1, 4 und 5 SGB IX gerichtet. Der Versicherte will im Zweifel die für ihn günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen; ein einmal gestellter Antrag ist also umfassend, d. h. auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen und Anspruchsgrundlagen hin zu prüfen (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, a.a.O. unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29. November 2007 - B 13 R 44/07 R, Urteil vom 23. Mai 2006 - B 13 RJ 38/05 R, Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 5/05 R - jeweils nach Juris), und insbesondere nicht "künstlich" in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen in Betracht kommenden Teilhabeleistungen aufzuspalten. Deshalb hatte die Beigeladene den Leistungsantrag von vornherein sowohl unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr. 1, § 31 SGB IX, § 33 SGB V) als auch unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr. 2, § 33 Abs. 8 S 1 Nr. 4 SGB IX, §§ 9, 15 SGB VI) zu prüfen und danach die Zuständigkeit zu bestimmen.

Nachdem die Beigeladene den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb von zwei Wochen ab dessen Eingang weitergeleitet hat, oblag es ihr, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf der Klägerin festzustellen (§ 14 Abs. 2 S 1 SGB IX). Diese Zuständigkeit der Beigeladenen ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 2 S 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, a.a.O. unter Hinweis auf st. Rspr.). Im Verhältnis zwischen dem erstangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Darüber hinaus verlieren alle anderen Träger innerhalb des durch den Leistungsantrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, was wiederum zur Folge hat, dass eventuell ergangene Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben sind (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - Juris).

Das SG hat daher im Ergebnis zutreffend den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2008 aufgehoben.

Die Kostenerstattungspflicht der Beigeladenen beruht zur Überzeugung des Senats bereits in deren Funktion als originär zuständiger Krankenversicherungsträgerin.

Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs gegen die Beigeladene als zuständiger Krankenversicherungsträger ist § 13 Abs. 3 S 1 Fall 2 SGB V (hier in der Fassung des Art 5 Nr. 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001, BGBl. I 1046). Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht, wie in der Rechtsprechung des BSG geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil die Beigeladene ihre Leistungspflicht nach dem Leistungsrecht des SGB V zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt und die vollständige Erfüllung des gegebenen Leistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt hat.

Rechtsgrundlage des krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V, hier in der zum Zeitpunkt der Leistungsverschaffung geltenden Fassung des Art 1 Nr. 20 Buchst a bb des Gesetzes zur Modernisierung der GKV (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, im Folgenden: § 33 SGB V a.F.). Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Demgemäß besteht nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die nur von hörbehinderten Menschen benutzt werden und deshalb kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sind, auch nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (§ 12 Abs. 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.

Bei dem in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V als 3. Variante genannten Zweck des Behinderungsausgleichs (vgl. jetzt auch § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) steht im Vordergrund, die ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst auszugleichen (unmittelbarer Behinderungsausgleich). Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (mittelbarer Behinderungsausgleich) (z.B. BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 3 KR 5/09 R , Urteil vom 18. Mai 2011 - B 3 KR 12/10 R - in Juris). Die Versorgung mit Hörgeräten dient dem unmittelbaren Behinderungsausgleich (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - a.a.O.). Bei diesem unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits - hier des Hörens - im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 18. Mai 2011 - B 3 KR 12/10 R - Juris). Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Das schließt je nach Notwendigkeit auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - a.a.O).

Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind demgemäß für die Hilfsmittelversorgung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich. Ist ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt, kommt es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben ohnehin nicht an. Umgekehrt kann ein Hilfsmittelanspruch gegen die GKV nicht auf ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden, wenn das Hilfsmittel ansonsten keine allgemeinen Grundbedürfnisse betrifft und seine Nutzung die Auswirkungen der Behinderung nicht im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert.

In Übereinstimmung mit dem SG ist auch der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die angeschafften Hörhilfen nicht nur zum Ausgleich einer Behinderung für eine bestimmte Berufsausübung, sondern generell für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erforderlich sind.

Zwar stellen sowohl der behandelnde Hals-Nasen-Ohren-Arzt als auch die Hörgeräteakustikerin auf den beruflichen Nutzen und die berufliche Notwendigkeit der Hörgeräte ab. Das SG hat aber insoweit zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin keine Tätigkeit ausübt, bei der sie auf eine besondere bzw. spezielle Hörfähigkeit angewiesen ist, wie es etwa bei akustischen Kontroll- oder Überwachungsarbeiten der Fall wäre.

Die Klägerin ist aber auf die Versorgung mit Hörgeräten aufgrund der bei ihr bestehenden Schwerhörigkeit unstreitig angewiesen. Dies ergibt sich aus der Auskunft von Dr. B. und wird weder von der Beklagten noch von der Beigeladenen bestritten.

Die selbstbeschafften Hörgeräte überschreiten nicht die Grenzen des Wirtschaftlichkeitsgebots. Wie alle Ansprüche im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist auch der Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V begrenzt. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (Satz 1). Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (Satz 2).

Diese Grenze ist durch die erfolgte Versorgung mit den Hörgeräten Phonak Savia 22 eingehalten. Einen möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits - hier des Hörens - im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen gewährleisten nur die von der Klägerin selbst beschafften Hörgeräte. Mit dem Gerät Phonak Savia 22 konnte mit 95 % das mit Abstand beste Sprachverständnis erzielt werden; mit dem Gerät Phonak eXtra 22 ITC wurden 85 %, mit dem Gerät Siemens Artis S 85 % und mit dem Festbetragsgerät Siemens Infiniti Basic lediglich 80 % erreicht.

Die Beklagte hat ihre Leistungspflicht nicht durch die Zahlung der Festbeträge erfüllt, weil für den unmittelbaren Behinderungsausgleich der Festbetrag objektiv nicht ausreichend ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - a.a.O.). Der Senat kann nicht feststellen, dass mit anderen Hörgeräten, deren Kosten mit den im Dezember 2007 geltenden Festbeträge abgedeckt waren, eine gleichwertige Versorgung der Klägerin hätte erfolgen können. Die Festbetragsregelung enthebt die Krankenkassen nicht von ihrer Pflicht, im Rahmen der Sachleistungsverantwortung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V) für die ausreichende Versorgung der Versicherten Sorge zu tragen. Hieraus können gesteigerte Obhuts- und Informationspflichten erwachsen, wenn vor allem bei anpassungsbedürftigen Hilfsmitteln der notwendige Überblick über die Marktlage, die auch durch ein hohes Maß an Intransparenz gekennzeichnet ist, und geeignete Angebote auch bei zumutbarer Anstrengung für Versicherte schwierig zu erlangen ist (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - a.a.O., LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 2. Dezember 2011 - L 4 KR 5537/10 - Juris).

Nach diesen Grundsätzen zur Versorgung Versicherter mit Hilfsmitteln zum Ausgleich von Behinderungen steht der Klägerin der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 S 1 SGB V zu, weil ein entsprechender Sachleistungsanspruch auf Ausstattung mit dem angepassten Hörgerät (§ 33 SGB V) gegeben war. Die Beigeladene hat daher den gegen sie nach § 33 Abs. 1 S 1 SGB V bestehenden krankenversicherungsrechtlichen Versorgungsanspruch durch die Zahlung des Festbetrages nicht erfüllt hat (§ 12 Abs. 2 SGB V), weil bereits für den Alltagsgebrauch ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät nicht ausreichend war. Da für den unmittelbaren Behinderungsausgleich das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts gilt, ist es unerheblich, ob die Versorgung mit den Hörgeräten Phonak Savia 22 für die Klägerin berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile hat (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - a.a.O.).

Nachdem ein Anspruch bereits aufgrund der krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften bestand, konnte der Senat offen lassen, ob der Klägerin auch ein Anspruch nach dem Rentenversicherungsrecht zugestanden hätte (hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, a.a.O.,- Juris, Rdnr. 38 ff).

Die Verurteilung der Beigeladenen zur Erstattung des (weiteren) Betrages von 3.946,50 EUR ist nach § 75 Abs. 5 SGG möglich. Insbesondere besteht die hierfür nötige Wechselwirkung, weil der streitige Anspruch sich nur entweder gegen die Beklagte oder gegen die Beigeladene richten kann.

Der Verurteilung der Beigeladenen steht auch nicht ihre Entscheidung vom 28. Juni 2007 entgegen, dem Leistungsantrag der Klägerin nur in Höhe des Festbetrags (§ 36 i.V.m. § 12 Abs. 2 SGB V) von 1.212,80 EUR (823,00 EUR zzgl. Reparaturpauschale) stattzugeben, die Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten aber abzulehnen; denn diese Entscheidung ist im Verhältnis zur Klägerin nicht in Bestandskraft erwachsen.

Bei dieser Entscheidung der Beigeladenen handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X), der zwar dem Hörakustiker entsprechend den vertraglichen Regelungen (vgl. § 4 Nr. 1 des Vertrages) in Gestalt eines formlosen Bewilligungsschreibens zur Kenntnis gegeben worden ist, nicht aber als förmlicher, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehener Bescheid der Klägerin zugesandt oder auf andere Weise bekannt gegeben worden ist, wie es § 37 SGB X verlangt. Dennoch ist der Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin wirksam geworden, weil offensichtlich der Hörakustiker die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 28. Juni 2007 und dem 5. November 2007 über die Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu zahlen, unterrichtet hat. Mit dieser - von der Beigeladenen auch so gewollten - Unterrichtung ist der Verwaltungsakt der Klägerin bekannt gegeben und damit auch wirksam geworden (§ 39 Abs. 1 SGB X). Nicht nachvollziehbar ist allerdings, weshalb die Beigeladene ihre Entscheidung nicht in Form eines ordnungsgemäßen Bescheids bekannt gegeben hat (§ 37 SGB X). Hinzu kommt, dass die Klägerin nach ihren Angaben auch telefonisch darüber unterrichtet wurde, dass eine über den Festbetrag hinausgehende Übernahme der Kosten der Hörgeräteversorgung nicht in Betracht komme. Auch insoweit handelt es sich um einen Verwaltungsakt.

Diese Verwaltungsakte haben gegenüber der Klägerin keine Bestandskraft erlangt (§ 77 SGG).

Zwar hat die Klägerin gegen die Entscheidung bei der Beigeladenen nicht ausdrücklich Widerspruch im Sinne des § 83 SGG erhoben. Sie hat aber mit ihrer Antragstellung bei der Beklagten am 5. November 2007, die als Reaktion auf die Mitteilung über die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag zu werten ist, deutlich gemacht, mit dieser Leistungsbegrenzung nicht einverstanden zu sein. Diesen Antrag, der inhaltlich nichts anderes ist als die Einwendung gegen die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag, muss sich die Beigeladene nach der Zielsetzung des § 14 SGB IX als Rechtsbehelf gegen ihre Entscheidung zurechnen lassen. Ziel des § 14 SGB IX ist es, im Interesse des behinderten Menschen durch die rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (BT-Drucks 14/5074 S 102). Ein möglicher Nachteil des gegliederten Systems ist es, dass der behinderte Mensch die von ihm begehrte Rehabilitationsleistung bei allen in Betracht kommenden Leistungsträgern verfolgen und dabei ggf. eine Vielzahl von Verwaltungs- und weitergehenden Rechtsbehelfsverfahren führen muss, um keinen Nachteil zu erleiden.

Diesem "Systemmangel" begegnet § 14 SGB IX erstens durch die Verpflichtung des erstangegangenen Leistungsträgers, kurzfristig die Zuständigkeit zu prüfen, um zweitens den Antrag an den für zuständig erkannten anderen Träger weiterzuleiten oder anderenfalls selbst umfassend zu prüfen. Für den behinderten Menschen soll es einen Antrag bzw. ein Antragsverfahren mit einer abschließenden Verwaltungsentscheidung geben. Lässt aber der erstangegangene Träger - wie hier - die Vorgaben des § 14 SGB IX unberücksichtigt, so dass sich der behinderte Mensch selbst auf die Suche nach einem ggf. anderweitig zuständigen Rehabilitationsträger macht, müssen - um der Zielsetzung des § 14 SGB IX zu entsprechen, keinen Nachteil durch das gegliederte System auszulösen - die von ihm angestoßenen Verwaltungsverfahren rechtstechnisch als ein einheitliches Verwaltungsgeschehen angesehen werden. Das muss zumindest dann gelten, wenn der erstangegangene Leistungsträger seine Ablehnungsentscheidung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, sodass für den behinderten Menschen nicht erkennbar ist, welche Maßnahmen er treffen muss, um seine Rechte weiterverfolgen zu können.

Geht man von einem einheitlichen Verwaltungsverfahren aus, das bei der Beigeladenen begonnen und durch die Antragstellung bei der Beklagten fortgeführt wurde, muss der Antrag der Klägerin vom 5. November 2007 auf die höherwertige Hörgeräteversorgung zumindest auch als Widerspruch gegen die entsprechend ablehnende Entscheidung der Beigeladenen vom 27. Juni 2007 angesehen werden, so dass diese Entscheidung nicht bestandskräftig wurde. Der fehlende Abschluss des Widerspruchsverfahrens hindert eine Verurteilung der Beigeladenen im vorliegenden Verfahren nicht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Aufl., § 75 Rdnr. 18b, m.w.N.)

Das Urteil des SG war daher dahingehend abzuändern, dass die Beigeladene zur Erstattung auch der über den Festbetrag hinausgehenden Kosten für die Hörgeräte zu verurteilen war. Soweit sich die Beklagte mit der Berufung gegen die Aufhebung des Bescheides vom 21. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2008 gewandt hat, war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens hat der Senat berücksichtigt, dass die Berufung der Beklagten hinsichtlich der Aufhebung des Bescheides vom 21. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2008 zurückgewiesen worden ist. Nachdem die Übernahme der Kosten für die Hörgeräte das wesentliche Klageziel der Klägerin war, waren der Beigeladenen die Kosten zu einem größeren Anteil aufzuerlegen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Referenznummer:

R/R5969


Informationsstand: 22.10.2013