Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. April 2008 und des Sozialgerichts Hannover vom 15. November 2006 geändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 486,70 Euro nebst 4 % Zinsen aus 486 Euro seit dem 15. Dezember 2004 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 486,70 Euro festgesetzt.
Die Revision der Klägerin ist zulässig (dazu 1) und begründet. Zu Unrecht hat das
LSG entschieden, dass der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht besteht. Nach
§ 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX hat die Klägerin - grundsätzlich - Anspruch auf Erstattung der Kosten, die sie als zweitangegangener Rehabilitationsträger für eine in die Zuständigkeit der Beklagten fallende Rehabilitationsleistung erbracht hat (dazu 2). Die Ausstattung eines Rollstuhls mit einem sog Kraftknotensystem zum sicheren Behindertentransport obliegt nicht dem Sozialhilfeträger, sondern ist Aufgabe der
GKV, wenn ein Versicherter nur im Rollstuhl sitzend an der Schülerbeförderung teilnehmen und anders der allgemeinen Schulpflicht nicht genügen kann (dazu 3). Dies ist nach den nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163
SGG) Feststellungen des
LSG hier der Fall (dazu 4).
1. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere war die Berufung kraft Zulassung im Urteil des SG zulässig, obwohl der Wert des Beschwerdegegenstandes unter 5.000 Euro geblieben ist und sie keine wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2
SGG, hier in der mit Wirkung zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Fassung des Art 22 Nr 1 Buchst b des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000, BGBl I S 1983).
2. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist § 14 Abs 4 Satz 1
SGB IX. Dort heißt es: "Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Abs 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften." Wie das
BSG bereits entschiede n hat, besteht damit ein den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem
SGB X vorgehender Anspruch auf Erstattung der Kosten, die der zweitangegangene Rehabilitationsträger für eine in die Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträgers fallende Maßnahme aufgewendet hat (vgl BSGE 98, 267, 272 und 277, 279). Die Vorschrift begründet einen Ausgleich dafür, dass der zweitangegangene Rehabilitationsträger - hier die Klägerin - nach dem Regelungskonzept des § 14
SGB IX im Interesse der raschen Zuständigkeitsklärung nach Weiterleitung eines Antrags auf eine Leistung zur Teilhabe durch den erstangegangenen Träger - hier die Beklagte - an ihn im Verhältnis zum Versicherten bzw Leistungsbezieher abschließend zu entscheiden und bei Vorliegen eines entsprechenden Rehabilitationsbedarfs die erforderlichen Rehabilitationsleistungen (spätestens nach drei Wochen) selbst dann zu erbringen hat, wenn er der Meinung ist, hierfür als Rehabilitationsträger iS von
§ 6 Abs 1 SGB IX nicht zuständig zu sein. Die in § 14 Abs 2 Satz 1 und 3
SGB IX geregelte Zuständigkeitszuweisung erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Im Verhältnis zum behinderten Menschen ist dadurch eine eigene gesetzliche Verpflichtung des zweitangegangenen Trägers begründet, die - vergleichbar der Regelung des § 107
SGB X - einen endgültigen Rechtsgrund für das "Behaltendürfen" der Leistung in diesem Rechtsverhältnis bildet. Im Verhältnis der Rehabilitationsträger untereinander ist indes eine Lastenverschiebung ohne Ausgleich nicht bezweckt. Vielmehr soll die Zuständigkeit der einzelnen Zweige der sozialen Sicherheit für Rehabilitationsleistungen grundsätzlich unberührt bleiben. In diesem Verhältnis räumt § 14 Abs 4
SGB IX dem "zweitangegangenen Träger" deshalb einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den materiell-rechtlich originär zuständigen Rehabilitationsträger ein, der den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem
SGB X vorgeht und begründet ist, soweit der Versicherte von diesem die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können (vgl zum Ganzen BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, jeweils RdNr 6 ff sowie BSGE 98, 267, 272 und 277, 279).
3. Die Krankenkasse hat den Rollstuhl eines Versicherten mit einem Kraftknotensystem nach
DIN 75078-2 zu versorgen, wenn der Versicherte nur im Rollstuhl sitzend an der Schülerbeförderung teilnehmen und anders der allgemeinen Schulpflicht nicht genügen kann.
a) Rechtsgrundlage eines gegen die beklagte Krankenkasse gerichteten Anspruchs ist
§ 33 Abs 1 SGB V in der seit dem 1.4.2007 geltenden Fassung des Art 1 Nr 17 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (
GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007, BGBl I 378). Nach Satz 1 dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um ua eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dieser Anspruch umfasst nach § 33 Abs 1 Satz 4
SGB V ua auch die notwendige Änderung eines Hilfsmittels.
b) "Notwendige Änderung" iS von § 33 Abs 1 Satz 4
SGB V ist auch die Anpassung eines Hilfsmittels an den bei seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch zu wahrenden Sicherheitsstandard. Dem Anspruch des § 33 Abs 1 Satz 1
SGB V genügt ein Hilfsmittel nur, soweit es hinreichend verkehrssicher ist; ansonsten ist sein Gebrauchsvorteil entwertet. Demgemäß kann ein Versicherter nach § 33 Abs 1 Satz 1
SGB V Hilfsmittel beanspruchen, die im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren dem allgemein anerkannten Stand der Sicherheitstechnik entsprechen und bei deren Gebrauch unvertretbare Gesundheitsrisiken nicht drohen. Ergänzend gewährt § 33 Abs 1 Satz 4
SGB V einen Anspruch auf Nachrüstung, soweit damit den Sicherheitsanforderungen Rechnung getragen werden kann. Insoweit gelten die
§§ 2 Abs 1 Satz 3, 12 Abs 1 Satz 1 SGB V entsprechend. Danach haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs 1 Satz 3
SGB V) und müssen zudem ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; das Maß des Notwendigen dürfen sie nicht überschreiten (
§ 12 Abs 1 Satz 1 SGB V) . Hiernach besteht der geltend gemachte Anspruch, weil die Krankenkassen für eine sichere Rollstuhlbeschaffenheit auch zum Zweck der Schülerbeförderung einzustehen haben (dazu c), diese Beförderung beim Einsatz des Kraftknotensystems dem allgemein anerkannten Stand der Technik entspricht (dazu d) und dem Versicherten die Teilhabe an diesem Sicherheitsvorteil auch aus Kostengründen nicht zu versagen ist (dazu e).
c) § 33 Abs 1
SGB V gewährt Anspruch auf Versorgung mit einem für die Zwecke der Schülerbeförderung hinreichend sicheren Rollstuhl, wenn der Versicherte krankheitsbedingt nur im Rollstuhl sitzend transportiert werden kann. In diesem Fall hat die
GKV entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur für einen zur Fortbewegung im Nahbereich geeigneten Rollstuhl einzustehen (nachfolgend aa), sondern sie hat die Rollstuhlbeschaffenheit auch an den Anforderungen bei der Fahrzeugbeförderung auszurichten, wenn der Fahrzeugtransport entweder zur Krankenbehandlung unerlässlich ist (nachfolgend bb) oder dem Schulbesuch dient (nachfolgend cc).
aa) Grundsätzlich erfüllt die Krankenkasse den Anspruch aus § 33 Abs 1 Satz 1
SGB V allerdings schon mit der Zurverfügungstellung eines Rollstuhls, der die Erschließung des Nahbereichs um die Wohnung des Versicherten erlaubt. Auch nach Inkrafttreten des
SGB IX (vgl hier
§ 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) hat die
GKV nicht sämtliche direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen. Aufgabe der Krankenkassen ist nach wie vor allein die medizinische Rehabilitation. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibt Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Beim Ausgleich direkter oder indirekter Folgen einer Behinderung ist ein Hilfsmittel daher nur "erforderlich" iS von § 33 Abs 1 Satz 1
SGB V, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (vgl zuletzt BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, jeweils RdNr 12 - schwenkbarer Autositz bei Wachkomaversorgung; BSGE 91, 60 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10 - Rollstuhl-Ladeboy;
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike;
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 191 - Therapie-Tandem; stRspr). Das bezieht sich im Bereich der Mobilität auf den Bewegungsradius, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht (
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29, 31, 32 sowie
BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1; stRspr). Dazu ist der Versicherte nach Möglichkeit zu befähigen, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 - Rollstuhl-Bike). Dagegen hat er - von besonderen zusätzlichen qualitativen Momenten abgesehen - grundsätzlich keinen Anspruch darauf, in Kombination von Auto und Rollstuhl den Radius der selbstständigen Fortbewegung (erheblich) zu erweitern (BSGE 91, 60 RdNr 15 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 16 - Rollstuhl-Ladeboy; ebenso
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 S 173 - schwenkbarer Autositz und BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, jeweils RdNr 10 - behinderungsgerechter PKW-Umbau). Dies gilt auch, wenn im Einzelfall die Stellen der Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich liegen, dafür also längere Strecken zurückzulegen sind, die die Kräfte eines Rollstuhlfahrers möglicherweise übersteigen. Besonderheiten des Wohnortes können für die Hilfsmitteleigenschaft nicht maßgeblich sein (
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike).
bb) Anspruch auf Hilfe zur Mobilität über den Nahbereich hinaus kann ausnahmsweise zunächst dann bestehen, wenn die medizinische Versorgung Anforderungen stellt, die regelmäßig im Nahbereich der Wohnung nicht erfüllbar sind. Davon ist aber nach der Rechtsprechung des Senats in aller Regel nicht auszugehen. Denn das Bedürfnis, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen, wird regelmäßig durch die Erschließung des Nahbereichs ausreichend erfüllt; auch insoweit hat die Krankenkasse nicht für individuelle Besonderheiten der Wohnsituation einzustehen (BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, jeweils RdNr 14, 17 - behinderungsgerechter PKW-Umbau) . Anders kann es sich dann verhalten, wenn die Krankenbehandlung besondere Anforderungen stellt und dem ausnahmsweise durch einen PKW-Transport Rechnung zu tragen ist (vgl BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, jeweils RdNr 13 - schwenkbarer Autositz bei Wachkomaversorgung) . Eine solche Ausnahmesituation kann auch dann vorliegen, wenn einem Versicherten der Besuch bei Ärzten und Therapeuten nur im Rollstuhl sitzend möglich ist. Erfordert eine Erkrankung eine besondere, im Nahbereich der Wohnung regelmäßig nicht verfügbare medizinische Versorgung, und ist deshalb ein im Rollstuhl sitzender Transport erforderlich, hat die Krankenkasse für eine entsprechende Rollstuhlbeschaffenheit aufzukommen (vgl dazu die Parallelentscheidung vom 20.11.2008 -
B 3 KN 4/07 KR R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Ob solche besonderen Voraussetzungen hier ausnahmsweise vorliegen, hat das
LSG nicht ermittelt und kann im Ergebnis offenbleiben, weil jedenfalls Zwecke der Schülerbeförderung den geltend gemachten Erstattungsanspruch begründen.
cc) Anspruch auf Hilfe zur Mobilität über den Nahbereich hinaus haben weiterhin Versicherte, die nur im Rollstuhl sitzend an der Schülerbeförderung teilnehmen und anders der allgemeinen Schulpflicht nicht genügen können (vgl dazu die Parallelentscheidung vom 20.11. 2008 - B 3 KR 6/08 R -, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Zutreffend hat das
LSG dieses erweiterte Mobilitätsinteresse als ein in der Rechtsprechung des
BSG seit langem anerkanntes Grundbedürfnis iS von § 33 Abs 1 Satz 1
SGB V gewertet. Insoweit reicht die Verantwortung der
GKV bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Mobilitätshilfen über die Erschließung des Nahbereichs der Wohnung hinaus. Zu den Aufgaben der Krankenkassen gehört danach auch die Herstellung und die Sicherung der Schulfähigkeit eines Schülers bzw der Erwerb einer elementaren Schulausbildung (BSGE 30, 151, 153;
BSG SozR 2200 § 182 Nr 73;
BSG SozR 2200 § 182b Nr 28;
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 22 S 126 und
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 40 S 224). An diesem aus der historischen Entwicklung der Hilfsmittelversorgung in der
GKV abgeleiteten Verständnis (zuletzt eingehend dazu
BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 6 RdNr 13 mwN) hat das
BSG auch unter Geltung des § 33
SGB V ab 1989 unverändert festgehalten (vgl
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 22 S 126 und
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 40 S 224); hiervon abzuweichen besteht kein Anlass. Steht die Schulausbildung im Dienst der Vermittlung von grundlegendem schulischem Allgemeinwissen an Schüler im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht oder der Sonderschulpflicht (vgl dazu
BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 6 RdNr 16) und kann der Versicherte an der erforderlichen Schülerbeförderung nur im Rollstuhl sitzend teilnehmen, hat ihn die Krankenkasse deshalb mit einem zu Transportzwecken geeigneten Rollstuhl zu versorgen.
Die dazu erforderliche Sicherheitsausstattung fällt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in die vorrangige Leistungspflicht der Klägerin. Der Rollstuhl dient im konkreten Fall nicht nur als Ausgleich für die fehlende Bewegungsfähigkeit des Versicherten, sondern auch für dessen krankheitsbedingte Einschränkungen beim Sitzen. Die notwendige Sicherheitsvorkehrung (Kraftknoten) befindet sich aber unmittelbar am Hilfsmittel und nicht - wie das stationäre Rollstuhlrückhaltesystem - im Behindertentransportwagen. Deshalb fällt die Pflicht zur sicherheitstechnischen Ausstattung des Rollstuhls in den Verantwortungsbereich des Trägers, der den Versicherten bzw Leistungsbezieher mit dem Hilfsmittel zu versorgen hat und nicht - wie die Beklagte meint - in die Zuständigkeit dessen, der für den Transport aufkommt.
d) Die Fahrzeugbeförderung im Rollstuhl mit einem Kraftknotensystem nach
DIN 75078-2 entspricht dem allgemein anerkannten Stand der Sicherheitstechnik.
aa) Unmittelbare rechtliche Bindungswirkung hat die
DIN-Norm 75078-2 allerdings nicht.
DIN-Normen sind keine mit Drittwirkung versehene Normen im Sinne demokratisch legitimierter hoheitlicher Rechtsetzung, sondern auf freiwillige Anwendung ausgerichtete Regelwerke des "
DIN - Deutsches Institut für Normung e.V." mit Empfehlungscharakter (BGHZ 139, 16, 19; 103, 338, 341 f;
BGH VersR 1987, 783, 784; vgl auch BVerwGE 77, 285, 291). Dies schließt aber nicht aus, zur Feststellung des allgemein anerkannten Standes der Technik auch
DIN-Normen heranzuziehen, denn sie spiegeln den Stand der für die betroffenen Kreise geltenden anerkannten Regeln der Technik wieder und bieten deshalb einen besonderen Anhalt dafür, was nach der Verkehrsauffassung zu beachten ist (vgl BGHZ 103, 338, 342;
BGH NJW 2004, 1449, 1450; BVerwGE 77, 285, 291;
BVerwG NVwZ 1991, 881, 883).
DIN-Normen kann daher der nach der Verkehrsauffassung maßgebende Sicherheitsstandard entnommen werden, solange sich nicht in einem objektivierbaren Verfahren ergibt, dass dies der fachlichen Überprüfung nicht standhält (vgl
BVerwG NVwZ-RR 1997, 214, 215).
bb) Hiernach genügt die Beförderung im Rollstuhl sitzender Personen in Fahrzeugen dem Stand der aktuellen Sicherheitstechnik nur, wenn dabei ein Kraftknotensystem nach
DIN verwandt wird. Diese Sicherheitsausrüstung sieht die
DIN-Norm 75078-2 seit 1999 vor. Dass ein vergleichbarer Sicherheitsstandard ohne entsprechende Verstärkungen und Kraftableitungen am Rollstuhl erreichbar ist, hat das
LSG nicht festgestellt und ist auch von der Beklagten nicht substantiiert aufgezeigt worden. Im Gegenteil ergibt sich aus den Auskünften der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), dass das Kraftknotensystem erforderlich ist, um Sicherheitsdefizite beim Transport behinderter Menschen zu minimieren, soweit sie auf eine im Rollstuhl sitzende Beförderung angewiesen sind. Es verringert die Gefahr der Fehlbedienung bei der Sicherung des Rollstuhls und der Insassen, verhindert bei einem Aufprall den sog Submarine-Effekt (Durchtauchen unter dem Gurt hindurch) und den sog Klappmesser-Effekt (Aufschlagen des Oberkörpers auf den Knien) und optimiert den Kraftfluss im Rollstuhl, so dass die Sicherheit beim Behindertentransport deutlich erhöht wird. Behinderte ohne entsprechende Verstärkungen am Rollstuhl sind erheblichen Sicherheitsrisiken ausgesetzt, die sich mit dem Kraftknotensystem nachhaltig verringern lassen. Denn die Befestigung des Rollstuhls ohne Kraftknoten birgt zum einen die Gefahr schwerer Bauchverletzungen wegen des unzureichenden Verlaufs des Beckengurts und zum anderen das Risiko schwerer Kopfverletzungen wegen ungünstiger Rückhaltung des Oberkörpers. Zudem drohen weitere Sicherheitsrisiken, weil Fehlbedienungen wegen Unkenntnis der optimalen Befestigungspunkte schwere Verletzungen nach sich ziehen können. Daraus folgt, dass auf das Kraftknotensystem bei einer Rollstuhlnutzung als Sitzersatz in Kraftfahrzeugen ohne erhebliche Sicherheitseinbuße nicht verzichtet werden kann und die Anforderungen der
DIN 75078-2 bei objektiver Überprüfung nicht als überspannt anzusehen sind.
e) Gegen die Zuständigkeit der
GKV zur Nachrüstung des Rollstuhls des Versicherten sprechen auch keine Kostengesichtspunkte. Muss ein Versicherter im Rollstuhl sitzend in einem Kraftfahrzeug befördert werden, ist es ihm nicht zuzumuten, aus wirtschaftlichen Gründen auf die Sicherheitsvorteile der Ausstattung nach
DIN 75078-2 zu verzichten.
aa) Allerdings beschränkt sich die Leistungspflicht der Krankenkasse bei mehreren Alternativen grundsätzlich auf die kostengünstigste Hilfsmittelversorgung. Nach § 33 Abs 1 Satz 1
SGB V besteht kein Anspruch auf eine Optimalversorgung, sondern nur auf ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittel (
§ 12 Abs 1 SGB V). Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teures Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist (vgl
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); andernfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 Satz 5
SGB V von dem Versicherten selbst zu tragen. Andererseits hat die Krankenkasse nach ständiger Rechtsprechung des
BSG für jede Verbesserung einzustehen, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer evtl kostengünstigeren Alternative bietet. Bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Ersatz ausgefallener Körperfunktionen - unmittelbarer Behinderungsausgleich - insbesondere durch Prothesen gilt das für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten nach ärztlicher Einschätzung in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet (vgl
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249 - C-Leg I;
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 255 - Damenperücke; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, jeweils RdNr 4 - C-Leg II). Entsprechendes gilt aber auch beim mittelbaren Behinderungsausgleich, wenn sich der Gebrauchsvorteil eines Hilfsmittels - wie hier bei einem Rollstuhl - im gesamten Lebensbereich auswirkt und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist (vgl
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 248 f - C-Leg I). Ausgenommen von der Leistungspflicht der
GKV sind hingegen solche Verbesserungen, die nur einen Ausgleich auf beruflicher oder gesellschaftlicher Ebene sowie im Freizeitbereich betreffen (vgl
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 34 S 200 - Mikroportanlage). Darüber hinaus hat die Krankenkasse allgemein nicht für solche Innovationen aufzukommen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels (
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, jeweils RdNr 15). Schließlich können die Grenzen der Leistungspflicht berührt sein, wenn einer geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153 und Nr 44 S 250, jeweils mwN). All diese Ausnahmen treffen hier jedoch nicht zu.
bb) Der Versicherte kann durch die
GKV auch nicht darauf verwiesen werden, ggf mit eigenen Mitteln selbst für den verbesserten Sicherheitsstandard durch das Kraftknotensystem zu sorgen. Die Verankerung des Rollstuhls mittels Kraftknoten im PKW-Rückhaltesystem bietet entgegen der Auffassung der Beklagten eine deutlich größere Sicherheit und damit einen wesentlichen Gebrauchsvorteil. Denn nach dem gegenwärtigen Stand der Sicherheitstechnik erlaubt nur dieses System eine - annähernde - Angleichung an den Sicherheitsstandard, der für nicht behinderte Menschen im Straßenverkehr zwingend vorgeschrieben ist. Danach müssen die Sitze ua von Personenkraftwagen und Kraftomnibussen mindestens mit Dreipunkt-Sicherheitsgurten ausgestattet sein (§ 35a Abs 3 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO)
iVm Anhang I der Richtlinie 76/115/EWG des Rates vom 18.12.1975
idF der Richtlinie 96/38/
EG der Kommission vom 17.6.1996 (EWGRL),
ABl EWG vom 26.7.1996, L 187, 95) und über Sitzverankerungen verfügen, die einem definierten Belastungstest ohne Defekt standhalten können (§ 35a Abs 2 StVZO
iVm Ziffer 3.2.5 des Anhangs II der Richtlinie 74/408/EWG des Rates vom 22.7.1974
idF der Richtlinie 96/37/
EG der Kommission vom 17.6.1996,
ABl EWG vom 25.7.1996, L 186, 28). Ein vergleichbares Maß an Sicherheit im Straßenverkehr bieten die herkömmlichen Befestigungen von Rollstühlen in Verbindung mit einem nur einfachen Beckengurtsystem nicht, wie sich unzweifelhaft aus den Stellungnahmen der BASt ergibt.
4. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze war die
GKV und damit die Beklagte für die Ausstattung des Rollstuhls des Versicherten mit einem Kraftknotensystem zuständig. Nach den unangegriffenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163
SGG) Feststellungen des
LSG kann der Versicherte nur im Rollstuhl sitzend an der Schülerbeförderung teilnehmen. Ohne diese Beförderung wäre auch die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht nicht möglich; das bedarf bei dem 1994 geborenen Kläger keiner Vertiefung. Auch im Übrigen sind die Voraussetzungen der geltend gemachten Erstattung - deren Höhe die Beklagte nicht beanstandet hat - gegeben.
Ebenfalls begründet ist der Zinsanspruch. Rechtsgrundlage dafür ist § 108 Abs 2 Satz 1 Nr 2
SGB X iVm § 44 Abs 3 Satz 1
SGB I. Hiernach haben die Sozialhilfeträger und die anderen in § 108 Abs 2
SGB X genannten Träger - und nur diese (vgl
BSG SozR 4-2500 § 19 Nr 4 RdNr 29 mwN) - auf Antrag Anspruch auf Verzinsung eines Erstattungsanspruchs mit 4 vH für den Zeitraum nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrages beim zuständigen Erstattungsverpflichteten bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung (§ 108 Abs 2 Satz 1 Nr 2
SGB X). Verzinst werden aber nur volle Euro-Beträge (§ 44 Abs 3 Satz 1
SGB I). Diese Vorschriften gelten für Erstattungsansprüche nach
§ 14 Abs 4 SGB IX entsprechend. Wie bereits dargelegt, begründet § 14 Abs 4
SGB IX einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch, der den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem
SGB X vorgeht (BSGE 98, 267, 272 und 277, 279). Soweit dessen Regelungen nicht vorgreiflich sind, gelten deshalb im Erstattungsstreit zwischen den Rehabilitationsträgern die allgemeinen Vorschriften des
SGB X und damit auch die Zinsregelung des § 108 Abs 2
SGB X.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a
SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung, die Entscheidung über den Streitwert auf § 52 Abs 1 und § 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.