Streitig ist, ob für den in einer Behindertenwerkstatt teilstationär untergebrachten Bruder Anspruch auf Kindergeld besteht.
Der am 05.10.1951 geborene Bruder der Klägerin, A. B., lebt seit 01.08.1990 in ihrem Haushalt. Er ist zu 100 % in der Erwerbsfähigkeit gemindert. Im Schwerbehindertenausweis sind zusätzlich die Merkzeichen G und H eingetragen. Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen. A. B. ist seit 03.01.1977 in einer Behindertenwerkstatt der Lebenshilfe e.V. C. teilstationär untergebracht. Die Kosten hierfür - einschließlich der Kosten für das Mittagessen bis 30.06.2001 - trug der Bezirk Unterfranken im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Insgesamt wurden in den Jahren 1998 - 2001 folgende Leistungen erbracht:
im Jahr 1998:
Werkstattkosten 15.286,31 DM
Transportkosten --------
Sozialversicherungsbeiträge 2.471,38 DM
Ferienmaßnahmen 50,00 DM
im Jahr 1999:
Werkstattkosten 15.265,61 DM
Transportkosten 3.308,89 DM
Sozialversicherungsbeiträge 2.112,48 DM
Ferienmaßnahmen -------
im Jahr 2000:
Werkstattkosten 15.660,74 DM
Transportkosten 3.421,63 DM
Sozialversicherungsbeiträge 2.198,20 DM
Ferienmaßnahmen 50,00 DM
im Jahr 2001:
Werkstattkosten 16.567,49 DM
Transportkosten 4.031,62 DM
Sozialversicherungsbeiträge 2.208,16 DM
Ferienmaßnahmen ------
In den Werkstattkosten sind nach Auskunft des Bezirks ........... die von der Behindertenwerkstatt pauschal in Rechnung gestellten Kosten für das Mittagessen in Höhe von monatlich 56,88 DM enthalten. A. B. nahm ab 06. 08.2001 nicht mehr am Mittagessen teil.
Für seine Tätigkeit in der Werkstatt erhielt er einen jährlichen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 4.665 DM in 1998, 3.649,83 DM in 1999, 4.340 DM in 2000 und 4.130 DM in 2001. Daneben bezog er eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 1.127,79 DM ab 01.07.1997, 1.132,78 DM ab 01.07.1998, 1.148 DM ab 01.07.1999, 1.154,89 DM ab 01.07.2000, 1.177 DM vom 01.07. bis 31.12.2001 und 601,79 ¿ ab 01.01.2002. Nach Abzug der Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung wurden ab 01.07.1997 1.042,09 DM, ab 01.07.1998 1.043,86 DM, ab 01.07.1999 1.068,79 DM, ab 01.07.2000 1.075,21 DM, vom 01.07.-31.12.2001 1.095,79 DM und ab 01.01.2002 560,27 ¿ an ihn ausbezahlt. Weiterhin wurde Pflegegeld in Höhe von monatlich 400 DM bewilligt.
Die Klägerin ist seit 1988 als Pflegerin und seit Mai 1997 als Betreuerin für A. B. bestellt. Ihr Vater ist verstorben, die Mutter ist unbekannt verzogen.
Das Kindergeld wurde ab Oktober 1995 zunächst laufend an die Klägerin ausbezahlt. Nach Bekanntwerden der Einkünfte und Bezüge des Bruders wurde die Festsetzung des Kindergeldes mit Bescheid vom 24.11.1997 mit Wirkung ab Dezember 1997 für die Zukunft aufgehoben. Einspruch und Klage blieben erfolglos; insoweit wird auf die Einspruchsentscheidung vom 01.04.1998 und das Urteil der Berichterstatterin vom 29.07.1998
IV 158/98 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 29.02.2000, das der Familienkasse am 02.03.2000 zuging, beantragte die Klägerin erneut Kindergeld für ihren Bruder. Im Bescheid vom 23.03.2000 wurde der Antrag abgelehnt und das Kindergeld auf 0 DM festgesetzt. Die Klägerin erklärte im Rahmen des Einspruchsverfahrens, dass behinderungsbedingte Mehraufwendungen mit Ausnahme der Kosten für die Werkstatt und die Pflege nicht nachgewiesen werden könnten. A. B. werde, soweit er sich nicht in der Behindertenwerkstatt aufhalte, umfassend in ihrem Haushalt betreut und versorgt. Über den Umfang der Betreuungs- und Unterhaltsleistungen habe sie nicht Buch geführt. Sie gehe davon aus, dass A. B. zu einem nicht unwesentlichen Teil von ihr unterhalten werde. Mit den Bescheiden vom 19.02.2001 wurde der Bescheid vom 23.03.2000 aufgehoben und das Kindergeld erneut auf 0 DM festgesetzt.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg; insoweit wird auf die Einspruchsentscheidung vom 15.11.2001 Bezug genommen.
Mit der Klage beantragt die Klägerin, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19.02.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.11.2001 die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für A. B. für die Zeit von Mai 1998 bis November 2001 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor:
Zwischen Geschwistern könne ein Pflegekindschaftsverhältnis begründet werden. Betreuer von A. sei ursprünglich ihr Vater gewesen, der am 25.05.1989 verstorben sei. Danach habe sie -die Klägerin- die Betreuung übernommen. Zwischen ihr und ihrem Vater sei abgesprochen gewesen, dass es A. ermöglicht werden sollte, auch nach dem Ableben des Vaters weiter im Elternhaus zu wohnen. Einen nicht unwesentlichen Unterhaltsbeitrag leiste sie dadurch, dass ihr Bruder in ihrem Haushalt lebe und von ihr zumindest teilweise betreut und versorgt werde. Zwar werde generell ein Beitrag in Höhe von etwa 20 % der gesamten Unterhaltskosten als nicht unwesentlich angesehen. Maßstab hierfür sei jedoch nicht allein die finanzielle Beteiligung am Unterhalt des Pflegekindes. Als erheblicher Beitrag müsse auch die persönliche Betreuung und Versorgung des Pflegekindes angesehen werden.
Die Leistungen der Eingliederungshilfe seien nicht als Einkommen des Kindes zu berücksichtigen. Sie würden zweckgebunden wegen des nach Art und Höhe über das übliche Maß hinausgehenden besonderen und außergewöhnlichen Bedarfs gewährt.
In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter erklärt, dass die Klägerin keine näheren Angaben zu den von ihr getragenen Aufwendungen für die Betreuung und Versorgung ihres Bruders machen könne.
Die Familienkasse beantragt, die Klage abzuweisen. Für den Fall der Klagestattgabe beantragt sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor:
A. B. könne nicht als Pflegekind der Klägerin berücksichtigt werden. Voraussetzung für die Anerkennung eines Pflegekindschaftsverhältnisses sei, dass ein nicht unwesentlicher Beitrag zum Kindesunterhalt geleistet werde. Dies erfordere, dass 20 % der gesamten Unterhaltskosten des Kindes von den Pflegeeltern
bzw. der Pflegemutter getragen würden. Maßstab sei jedoch allein die tatsächliche eigene finanzielle Beteiligung am Unterhaltsbedarf des Kindes. Betreuungsleistungen könnten nicht als Unterhalt berücksichtigt werden (unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 29.01.2003 VIII R 71/00 www.bundesfinanzhof.de, entscheidungen).
Außerdem stünden A. B. in ausreichendem Umfang eigene Mittel zur Bestreitung seines Lebensbedarfs zur Verfügung. Der Lebensbedarf setze sich aus dem Grundbetrag und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf (Unterbringungskosten in der Werkstatt für Behinderte ./. Sachbezugswert für Verpflegung + Pflegegeld + Fahrtkosten) zusammen. Zu den verfügbaren Mitteln gehörten die Erwerbsunfähigkeitsrente (nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge), der Arbeitslohn, die vom Bezirk gewährte Eingliederungshilfe, das Pflegegeld und die übernommenen Fahrtkosten. Da Pflegegeld und Fahrtkosten sowohl beim notwendigen Lebensbedarf als auch bei den Mitteln des Kindes zu berücksichtigen seien, sei von einer Einbeziehung in die Berechnung abgesehen worden. Das vom Bezirk bezahlte Mittagessen sei nicht mit den tatsächlich von der Werkstatt in Rechnung gestellten Beträgen, sondern aus Vereinfachungsgründen mit den Werten der Sachbezugsverordnung anzusetzen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die mit Schriftsatz vom 02.05.2003 eingereichte Berechnung Bezug genommen.
Die Klage hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht für den streitigen Zeitraum kein Kindergeld für ihren Bruder zu. A. B. ist mangels eines nicht unwesentlichen Unterhaltsbeitrags der Klägerin nicht als ihr Pflegekind zu berücksichtigen.
1. Anspruch auf Kindergeld besteht u.a. für Pflegekinder (§§ 62
Abs. 1, 63
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, 32
Abs. 1
Nr. 2 EStG).
a) Pflegekinder im Sinne des § 32
Abs. 1
Nr. 2 EStG sind Personen, mit denen der Kindergeldberechtigte durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist und die er in seinen Haushalt aufgenommen hat. Weitere Voraussetzung ist, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht und der Kindergeldberechtigte das Kind mindestens zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhält. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt ein nicht unwesentlicher Unterhaltsbeitrag dann vor, wenn Pflegeeltern
ca. 20 % der gesamten Unterhaltskosten des Kindes tragen (
vgl. BFH-Urteil vom 12.06.1991 III R 108/89, BStBl. II 1992, 20).
In dem vorgenannten Urteil ist der BFH zudem davon ausgegangen, dass Pflegeeltern regelmäßig einen Unterhaltsbeitrag in dieser Höhe leisten, wenn das Kind in ihrem Haushalt lebt und von ihnen zumindest teilweise betreut wird. An dieser Rechtsprechung hält der BFH aufgrund der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs ab 1996 jedoch für solche Fälle nicht mehr fest, in denen Kinder im Rahmen der sog. Familienvollzeitpflege (§ 33 Sozialgesetzbuch VIII) von Pflegeeltern betreut werden. Hier bedarf es der Prüfung des Einzelfalls, ob die den Pflegeeltern entstandenen - und grundsätzlich nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen der Pflegeeltern zu berücksichtigenden - Unterhaltskosten (einschließlich der Kosten für die Betreuung, Ausbildung und Erziehung) die Aufwandserstattungen (
z.B. Pflegegeld) mit der Folge überschreiten, dass die Pflegeeltern zumindest 20 % der Unterhaltskosten des Pflegekindes tragen (BFH-Urteil vom 29.01.2003 VIII R 71/00, www.bundesfinanzhof.de, entscheidungen). Zur Begründung wird u.a. angeführt, dass im Regelfall der gesamte Lebensbedarf eines Kindes in Familienpflege durch die den Pflegepersonen gewährten Leistungen ausgeglichen wird, so dass für die Berücksichtigung eines fiktiven Betreuungsaufwandes kein Raum bleibt. Unterhaltskosten entstehen nicht durch die eigenen Betreuungsleistungen der Pflegeeltern, sondern erst dann, wenn Dritte mit der Betreuung beauftragt werden und dafür ein Entgelt erhalten. Für die Zeit ab Januar 2000 sind die unabhängig von einem konkreten Aufwand zu berücksichtigenden Betreuungsfreibeträge in Höhe von 2 x 1.512 DM = 3.024 DM
bzw. ab Januar 2002 in Höhe von 2 x 1.080 Euro = 2. 160 Euro (§ 32
Abs. 6 Sätze 1-3 EStG 2000
bzw. § 32
Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG 2002) als Belastung der Pflegeeltern anzusetzen.
b) Die vorstehend genannten Grundsätze sind auch zu beachten bei der Entscheidung der Frage, ob ein volljähriges behindertes Kind als Pflegekind zu berücksichtigen ist, wenn es -wie im Streitfall- im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen teilstationär untergebracht ist, daneben im Haushalt der Pflegeeltern versorgt und betreut wird und über eigene Einkünfte und Bezüge verfügt. Anhand einer Gegenüberstellung des Lebensbedarfs des volljährigen behinderten Kindes und der ihm zur Verfügung stehenden Mittel ist nicht nur festzustellen, ob es außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 32
Abs. 4 Satz 1
Nr. 3 EStG), sondern auch, ob und
ggf. in welcher Höhe ein nicht gedeckter Unterhaltsbetrag vorhanden ist, der von den Pflegeltern getragen wird.
2. Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Weitere Voraussetzung ist, dass -wie im Streitfall- die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32
Abs. 4 Satz 1
Nr. 3 2. Halbsatz in der Fassung des
Art. 1 des Gesetzes zur Familienförderung vom 22.12.1999, BGBl. I 1999, 2552, BStBl. I 2000, 4).
a) Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher definiert. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, wenn ein behindertes Kind seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann, also die Behinderung einer Erwerbstätigkeit entgegen steht und das Kind über keine anderen Einkünfte und Bezüge verfügt (
vgl. BFH-Urteile vom 15.10.1999 VI R 40/98, BStBl. II 2000, 75 und VI R 182/98, BStBl. II 2000, 79
m.w.N.). Die Fähigkeit zum Selbstunterhalt liegt vor, wenn die dem Kind zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel zur Bestreitung des gesamten Lebensbedarfs, also des Grundbedarfs und des behinderungsbedingten Mehrbedarfs ausreichen (
vgl. BFH-Urteile in BStBl. II 2000, 75, 79). In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern
bzw. den Pflegeeltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerliche Leistungsfähigkeit mindert.
b) Für die Fälle der vollstationären Unterbringung von behinderten Kindern hat der BFH bereits entschieden, wie der Vergleich von Lebensbedarf und Mitteln des Kindes im Einzelnen vorzunehmen ist (
vgl. BFH-Urteile in BStBl. II 2000, 75, 79). Bei einer teilstationären Unterbringung ist entsprechend zu verfahren. Danach ist der Grundbedarf des Kindes 1998 mit 12.360 DM, 1999 mit 13.020 DM, 2000 mit 13.500 DM und 2001 mit 14.040 DM zu berücksichtigen.
c) Für einen Ansatz des Behinderten-Pauschbetrags nach § 33 b
Abs. 3 EStG als Anhalt für den behinderungsbedingten Mehrbedarf hat der BFH im Hinblick auf die vollstationäre Unterbringung und die damit feststehenden behinderungsbedingten Mehraufwendungen keinen Anlass gesehen.
Zur teilstationären Unterbringung eines Kindes in einer Behindertenwerkstatt liegen bereits mehrere Entscheidungen von Finanzgerichten vor, die neben den Kosten der teilstationären Unterbringung zur Abgeltung des daneben anfallenden behinderungsbedingten Mehrbedarfs einen Abzug in Höhe des Behinderten-Pauschbetrags nach § 33 b
Abs. 3 EStG zulassen (
vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 24.09.2002
8 K 30/ 00,
EFG 2003, 470 und Finanzgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 05.12.2001
6 K 399/00,
EFG 2002, 336). Denn durch die teilstationäre Unterbringung, die in der Regel montags bis donnerstags von 8 - 16 Uhr und freitags von 8 - 13 Uhr stattfindet, ist nur ein Teil der behinderungsbedingten Mehraufwendungen gedeckt. Daneben entstehen weitere mit der Behinderung zusammenhängende Kosten. Während der Zeit, in der sich das Kind nicht in der Behindertenwerkstatt aufhält, muss es - wie der Bruder der Klägerin - im eigenen Haushalt betreut und versorgt werden, mit der Folge, dass wegen der Behinderung in der Regel auch dort erhöhte Aufwendungen für Wäsche, Toilettenartikel, Betreuung durch Dritte
usw. anfallen. Da ein Einzelnachweis der tatsächlich entstandenen, von den Eltern/Pflegeeltern getragenen behinderungsbedingten Mehraufwendungen regelmäßig schwierig ist, hält es der Senat für sachgerecht, bei der Berechnung des Lebensbedarfs des Kindes neben den nachgewiesenen Kosten für die Unterbringung in der Werkstatt, die Fahrten zur Werkstatt und die Pflege einen geschätzten Mehrbedarf aufgrund der Behinderung zu berücksichtigen. Dies setzt allerdings voraus, dass Angaben dazu erfolgen, welche Mehraufwendungen regelmäßig anfallen.
Die Klägerin konnte im Streitfall nicht im Einzelnen darlegen, welcher zusätzliche behinderungsbedingte Mehraufwand durch die Betreuung und Versorgung ihres Bruders entstanden ist. Dies hat zur Folge, dass mangels geeigneter Schätzungsgrundlagen ein Betrag für den sonstigen behinderungsbedingten Mehrbedarf nicht anzusetzen ist.
Selbst wenn aber trotz der fehlenden Angaben der Klägerin zu ihren Gunsten unterstellt würde, dass - unter Einbeziehung der ab 2000 geltenden Betreuungsfreibeträge - weitere Aufwendungen in Höhe des Behinderten- Pauschbetrags von 7.200 DM jährlich angefallen wären, wäre ihr Bruder zwar -wie die Berechnung unter Tz. 4 der Entscheidungsgründe zeigt- außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Der von der Klägerin getragene Beitrag zu seinen Unterhaltskosten würde aber dennoch nicht ausreichen, um ihren Bruder als Pflegekind zu berücksichtigen.
d) Bei der Ermittlung des Lebensbedarfs des Kindes sind die Werkstattkosten anzusetzen, jedoch ohne den darin enthaltenen Anteil für Verpflegung. Denn die Verpflegung wird durch den Grundbedarf berücksichtigt. Nach Auskunft des Bezirks ......... werden von der Werkstätte, in der A. B. untergebracht ist, pauschal 56,88 DM pro Monat für das Essen in Rechnung gestellt. Insoweit sind die anzusetzenden Werkstattkosten zu kürzen. Die Berechnung der Familienkasse, die abweichend von den tatsächlichen Verhältnissen für das Mittagessen die Werte der Sachbezugsverordnung (für 1998 in der Fassung vom 08.12.1997, BStBl. I 1997, 1033, für 1999 in der Fassung vom 18.12.1998, BStBl. I 1998, 1629, für 2000 in der Fassung vom 20.12.1999, BStBl. I 1999, 1140 und für 2001 in der Fassung vom 07.11.2000, BStBl. I 2000, 1517) zugrunde legt, ist unzutreffend.
e) Die von der Erwerbsunfähigkeitsrente einbehaltenen Beitragsanteile des Kindes zur Sozialversicherung mindern nicht die Mittel, die dem Kind zur Bestreitung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehen. Die Einkünfte und Bezüge aus der Erwerbsunfähigkeitsrente sind wie bei den sonstigen Renten, die Kindern zufließen, unter Ansatz des Bruttobetrags und unter Abzug eines Werbungskosten-Pauschbetrags von 200 DM (§ 9 a Satz 1
Nr. 3 EStG) sowie der Kostenpauschale von 360 DM zu ermitteln.
3. Nachdem Kindergeld für jeden Monat gezahlt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (
vgl. § 66
Abs. 2 EStG) ist grundsätzlich auch für jeden Monat gesondert zu überprüfen, ob ein behindertes Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Soweit sich -wie im Streitfall- die Verhältnisse bezüglich des Lebensbedarfs und der verfügbaren Mittel nicht wesentlich geändert haben, hält es der Senat für sachgerecht, Jahresberechnungen zugrunde zu legen, die, soweit der streitige Zeitraum nicht 12 Kalendermonate umfasst, entsprechend auf die jeweiligen Monate des Kalenderjahres zu beschränken sind.
4. Im Streitfall leistete die Klägerin einen nur unwesentlichen Beitrag zum Unterhalt ihres Bruders, wie nachfolgende Berechnungen zeigen:
Mai - Dezember 1998
1. Bedarf
Grundbedarf
12.360 DM x 8/12 8.240 DM
Werkstattkosten (ohne Verpflegung)
15.286,31 DM ./. 682,56 DM (56,88 DM x 12) = 14.603,75 DM x 8/12 9.735,83 DM
Pflege
4.800 DM x 8/12 = 3.200,00 DM 21.175,83 DM
2. verfügbare Mittel
Erwerbsunfähigkeitsrente
2 x 1.127,79 DM = 2.255,58 DM
6 x 1.132,78 DM = 6.796,68 DM
9.052,26 DM
./. anteiliger Werbungskostenpauschbetrag,
anteilige Kostenpauschale 560 DM x 373,33 DM 8/12 8.678,93 DM 8.678,93 DM
Arbeitslohn 4.665 DM ./. 2.000 DM (Arbeitnehmer-Pauschbetrag) x 8/12 1.776,66 DM
Leistungen der Eingliederungshilfe
15.286,31 DM x 8/12 10.190,87 DM
Leistungen der Pflegeversicherung
4.800,00 DM x 8/12 3.200,00 DM
23.846,46 DM
3. übersteigende Mittel 2.670,63 DM
1999
1. Bedarf
Grundbedarf 13.020,00 DM
Werkstattkosten (ohne Verpflegung)
15.265,61 DM ./. 682,56 DM (56,88 DM x 12) 14.583,05 DM
Transportkosten 3.308,89 DM
Pflege
4.800 DM 4.800,00 DM 35.711,94 DM
2. verfügbare Mittel
Erwerbsunfähigkeitsrente
6 x 1.132,78 DM = 6.796,68 DM
6 x 1.148,00 DM = 6.888,00 DM
13.684,68 DM
./. Werbungskostenpauschbetrag,
Kostenpauschale 560,00 DM 13.124,68 DM 13.124,68 DM
Arbeitslohn 3.649,83 DM ./. 2.000 DM (Arbeitnehmer-Pauschbetrag) 1.649,83 DM
Leistungen der Eingliederungshilfe
15.265,61 DM + 3.308,89 DM 18.574,50 DM
Leistungen der Pflegeversicherung 4.800,00 DM
38.149,01 DM
3. übersteigende Mittel 2.437,07 DM
2000
1. Bedarf
Grundbedarf 13.500,00 DM
Werkstattkosten (ohne Verpflegung)
15.660,74 DM ./. 682,56 DM (56,88 DM x 12) 14.978,18 DM
Transportkosten 3.421,63 DM
Betreuungsfreibetrag 3.024,00 DM
Pflege 4.800,00 DM
39.723,81 DM
2. verfügbare Mittel
Erwerbsunfähigkeitsrente
6 x 1.148,00 DM = 6.888,00 DM
6 x 1.154,89 DM = 6.929,34 DM
13.817,34 DM
./. Werbungskostenpauschbetrag
Kostenpauschale 560,00 DM 13.257,34 DM 13.257,34 DM
Arbeitslohn 4.340 DM./. 2.000 DM (Arbeitnehmer-Pauschbetrag) 2.340,00 DM
Leistungen der Eingliederungshilfe
15.660,74 DM + 3.421,63 DM 19.082,37 DM
Leistungen der Pflegeversicherung 4.800,00 DM
39.479,71 DM
3. nicht gedeckter Bedarf 244,10 DM (= 0,6 % des gesamten Bedarfs)
Januar - November 2001
1. Bedarf
Grundbedarf
14.040,00 DM x 11/12 12.870,00 DM
Werkstattkosten (ohne Verpflegung für 6 Monate) 14.874,03 DM
16.567,49 DM ./. 341,28 DM = 16.226,21 DM x 11/12
Transportkosten
4.031,62 DM x 11/12 3.695,65 DM
Betreuungsfreibetrag
3.024 DM x 11/12 2.772,00 DM
Pflege
4.800 DM x 11/12 4.400,00 DM 38.611,68 DM
2. verfügbare Mittel
Erwerbsunfähigkeitsrente
6 x 1.154,89 DM = 6.929,34 DM
5 x 1.177,00 DM = 5.885,00 DM
12.814,34 DM
./. anteiliger Werbungskostenpauschbetrag und
anteilige Kostenpauschale 560,00 DM 513,33 DM x 11/12 12.301,01 DM 12.301,01 DM
Arbeitslohn
4.130,00 DM./. 2.000 DM x 11/12 1.952,50 DM
Leistungen der Eingliederungshilfe
16.567,49 DM + 4.031,62 DM = 20.599,11 DM x 11/12 18.882,52 DM
Leistungen der Pflegeversicherung
4.800,00 DM x 11/12 4.400,00 DM
37.536.03 DM
3. nicht gedeckter Bedarf 1.075,65 DM (= 2,78 % des gesamten Bedarfs)
Unter Berücksichtigung eines geschätzten Mehrbedarfs in Höhe von 7.200 DM jährlich (einschließlich der ab 2000 geltenden Betreuungsfreibeträge) berechnen sich der Bedarf und die verfügbaren Mittel von A. B. wie folgt:
Mai - Dezember 1998
1. Bedarf bisher 21.175,83 DM
sonstiger Mehrbedarf
7.200 DM x 8/12 4.800,00 DM
25.975,83 DM
2. verfügbare Mittel 23.846,46 DM
3. nicht gedeckter Bedarf 2.129,37 DM
(= 8,19 % des gesamten Bedarfs)
1999
1. Bedarf bisher 35.711,94 DM
sonstiger Mehrbedarf 7.200,00 DM
42.911,94 DM
2. verfügbare Mittel 38.149,01 DM
3. nicht gedeckter Bedarf 4.762,93 DM
(= 11,09 % des gesamten Bedarfs)
2000
1. Bedarf bisher 39.723,81 DM
./. Betreuungsfreibetrag ./. 3.024,00 DM
+ sonstiger Mehrbedarf + 7.200,00 DM
43.899,81 DM
2. verfügbare Mittel 39.479,71 DM
3. nicht gedeckter Bedarf 4.420,10 DM
(= 10,07 % des gesamten Bedarfs)
Januar - November 2001
1. Bedarf bisher 38.611,68 DM
./. Betreuungsfreibetrag ./. 2.772,00 DM
+ sonstiger Mehrbedarf (7.200 DM x 11/12) + 6.600,00 DM
42.439,68 DM
2. verfügbare Mittel 37.536,03 DM
3. nicht gedeckter Bedarf 4.903,65 DM
(= 11,55 % des gesamten Bedarfs)
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143
Abs. 1, 135
Abs. 1 FGO.
Die Revision war nach § 115
Abs. 2
Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.