Urteil
Sozialhilfeberechnung - Kindergeld - nicht minderjähriges Kind - gemindertes Erwerbseinkommen

Gericht:

VG Düsseldorf 13. Kammer


Aktenzeichen:

13 K 6272/00


Urteil vom:

04.08.2003


Tatbestand:

Der 1964 geborene Kläger ist behindert und pflegebedürftig. Er lebt bei seinen Eltern, die auch zu seinen Betreuern bestellt sind, und ist in einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt. Die Beklagte gewährt dem Kläger seit Jahren Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe zur Pflege durch gesonderte Bescheide.

Mit Bescheid vom 20. Juni 2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt für Juli 2000 in Höhe von 170, 00 DM. Diesen Betrag ermittelte die Beklagte, in dem sie dem Bedarf in Höhe des Regelsatzes von 440,00 DM Kindergeld in Höhe von 270,00 DM als Einkommen gegenüberstellte. Das vom Kläger erzielte Erwerbseinkommen von 143,00 DM führte nach Abzug einer Ausgabenpauschale in Höhe von 10,00 DM nach § 76 Abs. 2 Nr. 4 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), § 3 Abs. 5 VO zu § 76 BSHG und wegen des nach § 76 Abs. 2a Nr. 2 BSHG vorzunehmenden weiteren Abzugs für Personen, die trotz beschränktem Leistungsvermögens einem Erwerb nachgehen, im Ergebnis nicht zu einer Erhöhung des anrechenbaren Einkommensbetrages. Unterhaltsleistungen der Eltern, deren weiteres Einkommen sich in dem Arbeitslosengeld des Vater des Klägers in Höhe von 69,34 DM täglich erschöpfte, wurden dem Kläger nicht angerechnet.

Am 29. Juni 2000 erhob der Kläger durch seinen Vater Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Juni 2000 mit der Begründung: Von dem als Einkommen berücksichtigten Kindergeld sei - wie bereits in den Bescheiden für Februar und März 2000 erfolgt - nach § 76 Abs. 2 Nr. 5 BSHG ein Betrag von 20,00 DM abzusetzen. Die so Gewähr leistete Weitergabe der Kindergelderhöhung stelle einen Ausgleich für die Einführung der Ökosteuer dar.

Mit Bescheid vom 7. September 2000 wies der Landrat des Kreises W den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, der Freibetrag des § 76 Abs. 2 Nr. 5 BSHG sei nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzestextes nur von Kindergeld in Abzug zu bringen, das für minderjährige unverheiratete Kinder gewährt werde. Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor, da er volljährig sei. Der Umstand, dass dennoch bei den Sozialhilfeberechnungen für die Monate Januar bis Juni 2000 ein entsprechender Abzug vom Einkommen des Klägers vorgenommen worden sei, zwinge nicht zur Fortsetzung dieser fehlerhaften Berechnungsweise.

Der Kläger hat am 22. September 2000 Klage erhoben (13 K 6272/00), mit der er sein Begehren auf Berücksichtigung eines Absetzungsbetrages von 20,00 DM bei der Einkommensermittlung im Rahmen der Berechnung seines Sozialhilfeanspruchs weiterverfolgt. Zur Begründung führt er aus: Er stehe auf Grund seiner Behinderung einem minderjährigen Kind gleich. Volljährige behinderte Kinder aus dem Anwendungsbereich des § 76 Abs. 2 Nr. 5 BSHG auszunehmen, sei verfassungswidrig, da sich ihre Lebenssituation durch den Eintritt der Volljährigkeit nicht verändere. Nicht umsonst werde für behinderte volljährige Kinder auch über das 28. Lebensjahr hinaus Kindergeld gewährt. Im Übrigen müsse in Zweifel gezogen werden, ob das Kindergeld überhaupt als sein Einkommen bei der Berechnung der Sozialhilfe berücksichtigt werden dürfe.

Die Beklagte gewährte dem Kläger auch in der Folgezeit regelmäßig Hilfe zum Lebensunterhalt, wobei sie das für den Kläger gewährte Kindergeld ungekürzt als Einkommen des Klägers berücksichtigte. Mit Schreiben vom 14. November 2001 beantragte der Kläger unter Hinweis auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofes zum Kindergeldanspruch von Eltern volljähriger behinderter Kinder vom 15. Oktober 1999, das für ihn gezahlte Kindergeld nicht weiter auf seinen Sozialhilfeanspruch anzurechnen. Unter dem 6. Dezember 2001 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass sie sein Schreiben vom 14. November 2001 hinsichtlich des Kindergeldes als Widerspruch gegen die letzte Sozialhilfegewährung ansehe und an die Widerspruchsbehörde weiterleiten werde.

Nachdem die Beklagte auch bei der Berechnung des Sozialhilfeanspruchs des Klägers für Januar 2002 im Bescheid vom 17. Dezember 2001 das Kindergeld in voller Höhe als Einkommen des Klägers berücksichtigt hatte, legte der Kläger auch gegen diesen Bescheid am 27. Dezember 2001 Widerspruch ein und führte unter dem 30. Dezember 2001 und 7. Januar 2002 aus, dass er mit seinem Widerspruch auch die Anrechnung des Kindergeldes als sein Einkommen rügen wolle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2002 wies der Landrat des Kreises L1 den Widerspruch des Klägers vom 14. November 2001 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass Kindergeld unter den Einkommensbegriff des § 76 BSHG falle. Wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung vom 17. Februar 2000 ausführe, müsse erwartet werden, dass Eltern eines volljährigen Kindes, das sich weder selbst ausreichend unterhalten könne noch seinen Lebensunterhalt durch seinen Eltern nach Maßgabe des § 16 BSHG zumutbare Unterhaltsleistungen sicherstellen könne, jedenfalls das Kindergeld an das hilfsbedürftige Kind weitergäben. Deshalb sei es bei Berechnung des Sozialhilfeanspruchs als Einkommen dem Bedarf des Kindes gegenüberzustellen. Die vom Kläger zitierten Entscheidungen des Bundesfinanzhofes seien als allein die steuerrechtliche Bewertung des Kindergeldes betreffend insoweit nicht aussagekräftig. Unter dem 14. Februar 2002 teilte der Landrat W dem Kläger mit, dass eine Bescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2002 im Hinblick auf das bereits anhängige Klageverfahren 13 K 6272/00 zurückgestellt werde.

Der Kläger hat am 19. Februar 2002 Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Außerachtlassung des Kindergeldes bei Ermittlung seines Einkommens im Rahmen der Sozialhilfeberechnung weiterverfolgt (13 K 1036/02). Zur Begründung verweist er zunächst erneut auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofes vom 15. Oktober 1999, wonach Eltern selbst dann ein Kindergeldanspruch zustehe, wenn ihre behinderten Kinder vollstationär untergebracht seien. Daraus folge, dass auch der Sozialhilfeträger das Kindergeld gegenüber den von ihm übernommenen Heimkosten nicht in Ansatz bringen dürfe. Dies müsse erst Recht gelten, wenn - wie bei ihm - das behinderte Kind weiterhin bei den Eltern lebe und von diesen betreut werde. Außerdem sei es inzwischen herrschende Meinung der Verwaltungsgerichte, dass das Kindergeld grundsätzlich Einkommen des Kindergeldberechtigten sei und eine Zuwendung an das Kind nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden könne.

Mit Beschluss vom 1. August 2003 hat das erkennende Gericht die Verfahren 13 K 6272/00 und 13 K 1036/02 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen 13 K 6272/00 fortgeführt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 20. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2000 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2002 zu verpflichten, ihm über die bereits gewährten Leistungen hinaus weitere Hilfe zum Lebensunterhalt für die Monate Juli bis September 2000 unter Berücksichtigung eines Einkommensabzugs von 20,00 DM und für die Monate November und Dezember 2001 ohne Berücksichtigung des für ihn gezahlten Kindergeldes in Höhe von 270,00 DM als Einkommen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt die Beklagte zunächst die Argumentation aus den Widerspruchsbescheiden vom 7. September 2000 und 31. Januar 2002. Ergänzend führt sie aus: Könne von Eltern, die das Kindergeld nicht zur Deckung ihres sozialhilferechtlichen Bedarfs benötigten, nach § 16 Satz 1 BSHG erwartet werden, dass sie das Kindergeld an das hilfebedürftige Kind weitergäben, bedürfe es für die Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen des Kindes auch nicht der positiven Feststellung eines ausdrücklichen Zuwendungsaktes zwischen Kindergeldberechtigtem und Kind, da die Zuwendung nach § 16 BSHG vermutet werden müsse.Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Widerspruchsbehörde ergänzend Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

JURIS-GmbH

Entscheidungsgründe:

Nachdem die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung, dass der zulässige Überprüfungszeitraum einer auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt gerichteten Verpflichtungsklage mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides endet, geht das Gericht davon aus, dass auch die Klagebegehren des Klägers sich nicht über diesen Zeitraum hinaus erstrecken. Darüber hinaus geht das Gericht davon aus, dass sich das an den Widerspruch vom 14. November 2001 anknüpfende Klagebegehren des Klägers nur auf den Zeitraum November und Dezember 2001 bezieht, obwohl der Widerspruchsbescheid erst am 31. Januar 2002 erging, da über den Widerspruch des Klägers vom 27. Dezember 2001 gegen die Kindergeldanrechnung im Rahmen der Sozialhilfeberechnung für Januar 2002 im Bescheid vom 17. Dezember 2002 bisher noch nicht entschieden wurde. Dem Vortrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass er trotz der ausdrücklichen Mitteilung der Widerspruchsbehörde, die Entscheidung über seinen Widerspruch vom 27. Dezember 2001 werde zurückgestellt, auch den diesem Widerspruch zu Grunde liegenden Streitgegenstand zum Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens machen wollte.

Die so verstandenen Klagen des Klägers sind zulässig und auch begründet.

Der Kläger hat gemäß § 11 Abs. 1 BSHG Anspruch auf Gewährung weiterer Hilfe zum Lebensunterhalt für die streitgegenständlichen Zeiträume in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe. Denn die angegriffenen Sozialhilfeberechnungen der Beklagten erweisen sich insoweit als rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, als das für ihn gewährte Kindergeld als sein Einkommen angerechnet wurde, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Gemäß § 11 Abs. 1 BSHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, wenn und soweit der Hilfe Suchende seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus seinem Einkommen und Vermögen decken kann. Dabei sind nach § 76 Abs. 1 BSHG als Einkommen grundsätzlich alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen, soweit sie nicht auf Grund gesetzlicher Ausnahmeregelungen außer Ansatz zu bleiben haben. In diesem Sinne sind gemäß § 77 BSHG zweckbestimmte Leistungen auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften nur dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie zum selben Zweck gewährt werden wie die Sozialhilfe. Kindergeld stellt nach gefestigter Rechtsprechung Einkommen im Sinne des § 76 Abs. 1 BSHG dar, das demselben Zweck dient wie die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt, vgl. BVerwG, Urteile vom 27.01.1965 - V C 32.64 -, FEVS 12, 81, vom 25.11.1993 - 5 C 8.90 -, FEVS 44, 36 und vom 21.6.2001 - 5 C 7.00 - FEVS 53, 113; OVG NRW, Urteile vom 17.10.1995 - 8 A 3699/95 - und vom 29.5.2001 - 16 A 455/01 -, FEVS 53, 273.

Allerdings ist auch das Kindergeld nach dem in der Sozialhilfe geltenden Individualisierungsgrundsatz Einkommen desjenigen, dem es zusteht und dem es gewährt wird, nämlich des Kindergeldberechtigten, und damit im Regelfall - und so auch im vorliegenden Fall - Einkommen eines Elternteils. Einkommen des Kindes kann das Kindergeld nur werden, wenn es an das Kind weitergegeben wird. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in einer Entscheidung vom 7. Februar 1980, Az: 5 C 73.79, FEVS 28, 177,

in Weiterentwicklung vorausgegangener Entscheidungen herausgestellt hat, bedarf es insoweit der Feststellung eines zweckorientierten Weitergabeaktes an das Kind im konkreten Fall. Diese Feststellung im Einzelfall könne nicht durch eine Vermutung ersetzt werden. Auch könne eine solche Weitergabe nicht bereits im Falle des §Wirtschaftens aus einem Topf' angenommen werden, indem das Kindergeld wie auch anderes Einkommen der Eltern in eine gemeinsame Kasse fließen, aus der sämtliche Ausgaben für den Familienhaushalt - also auch der Lebensunterhalt des Kindes, für das Kindergeld gewährt werde - bestritten wird. Vielmehr müsse feststellbar sein, dass das Kindergeld gesondert behandelt und ausschließlich und unmittelbar für den Bedarf des Kindes verwandt wird, für welches das Kindergeld gezahlt wird. Diesem Ansatz hat sich das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen auch unter Hinweis auf einen Aufsatz von Lutter, Kindergeld und Wohngeld in der Bedarfsberechnung für die Hilfe zum Lebensunterhalt, ZfSH/SGB 1997, 391, in neuerer Zeit noch einmal ausdrücklich angeschlossen, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.8.1997 - 8 B 2289/97 -, Urteile vom 29.5.2001 - 16 A 455/01 -, a.a.O. und vom 26.9.2002 - 16 A 4104/00 -.

Auch andere Obergerichte sind dieser Rechtsprechung gefolgt, vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.9.1999 - 4 M 3318/99 -, FEVS 51, 376; OVG Hamburg, Beschluss vom 3.4.2002 - 4 Bs 20/02 -, NVwZ-RR 2002, 756; OVG Koblenz, Urteil vom 23.5.2002 - 12 A 10375/02 -, FEVS 54,45.

Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen zweckorientierten Weitergabeakts vom Vater des Klägers als Kindergeldberechtigtem an den Kläger sind vorliegend nicht erkennbar und werden auch von der Beklagten weder behauptet noch dargelegt.

Nach dem dargestellten klaren Rechtsansatz des Bundesverwaltungsgerichts, wie er in der neueren Rechtsprechung wiederholt herausgestellt wurde, kann die konkrete Feststellung eines zweckorientierten Weitergabeakts auch nicht durch eine auf die Einkommensverhältnisse innerhalb der Haushaltsgemeinschaft gestützte Vermutung ersetzt werden. Soweit die Beklagte dafür auf § 16 BSHG verweist und sich auf den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 2000, Az: 1 TG 444/00, FEVS 52, 114, beruft, kann dem vorliegend nicht gefolgt werden.

Zwar wird nach § 16 Satz 1 BSHG vermutet, dass ein Hilfe Suchender von Verwandten oder Verschwägerten, mit denen er in einer Haushaltsgemeinschaft lebt - ohne dass diese schon nach § 11 Abs. 1 BSHG mit ihrem gesamten Einkommen und Vermögen für den Lebensunterhalt des Hilfe Suchenden einstehen müssen -, Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, die dann als Einkommen des Hilfe Suchenden anzurechnen sind, wenn dies nach dem Einkommen und Vermögen des jeweiligen Verwandten oder Verschwägerten zu erwarten ist. Dabei wird in ständiger Rechtsprechung die Frage, wann Leistungen von einem Verwandten oder Verschwägerten erwartet werden können, nach dessen Leistungsfähigkeit beantwortet, die unter Rückgriff auf die in mehrjährigen Abständen aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger in der Sozialhilfe (im weiteren: Empfehlungen des Deutschen Vereins, EDV) und die Tabellen der Oberlandesgerichte zum Unterhaltsrecht (insbesondere Düsseldorfer Tabelle, im weiteren: DT) beurteilt wird.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 29.2.1996 - 5 C 2.95 -, FEVS 46, 441 und vom 1.10.1998 - 5 C 32.97 -, FEVS 49, 55; OVG NRW Beschluss vom 4.8.1997 - 24 E 441/95 -, Urteil vom 18.8.1997 - 8 A 4742/96 -, NWVBl 1998, 121.

Jedoch konnte der Kläger, der auf Grund seiner Volljährigkeit mit seinen Eltern keine Einstandsgemeinschaft im Sinne von § 11 Abs. 1 BSHG, sondern lediglich eine Haushaltsgemeinschaft unter Verwandten im Sinne von § 16 BSHG bildet, nach diesem Maßstab von seinem Vater in keinem der streitgegenständlichen Zeiträume Unterhaltsleistungen erwarten. Denn die dem Vater des Klägers zur Verfügung stehenden Mittel überstiegen den ihm als nicht gesteigert Unterhaltspflichtigem für sich und seine nicht erwerbstätige Ehefrau nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins und den Regelungen der Düsseldorfer Tabelle zuzugestehenden Selbstbehalt nicht. Dem Vater flossen neben dem Kindergeld in Höhe von 270,00 DM im Juli 2000 Einkünfte in Höhe von 2.107, 94 DM (Arbeitslosengeld) und im November 2001 in Höhe von 2.623,01 DM (Renten, Wohngeld) zu. Die für den Vater und die Mutter des Klägers nach Ziff. 118 EDV 2000 i.V.m. Abschnitt A. Ziff. 5, Abschnitt B. VI. Ziff. 2 DT (Stand: 1.7.1999 bzw. 1.7.2001) anzusetzenden Selbstbehalte beliefen sich auf 2.750,00 DM (1.800,00 DM + 950,00 DM) für Juli 2000 bzw. 3.010,00 DM (1.960, 00 DM + 1.050,00 DM) für November 2001. Übersteigt damit der angemessene Selbstbehalt in beiden Zeiträumen bereits die dem Vater des Klägers tatsächlich zufließenden Einkünfte, kann offen bleiben, ob der Vater des Klägers noch abzugsfähige Ausgaben geltend machen könnte.

Darüber hinausgehende Anknüpfungspunkte für eine vermutete Weitergabe von Einkommensbestandteilen lassen sich der Regelung des § 16 BSHG nicht entnehmen. Insbesondere ist die im vorliegenden Fall gegebene Konstellation, dass zwar der Verwandte oder Verschwägerte nicht leistungsfähig im Sinne von § 16 Satz 1 BSHG i.V.m. EDV und DT ist, sein Einkommen jedoch seinen und den seiner Ehefrau nach sozialhilferechtlichen Maßstäben berechneten Bedarf übersteigt, nicht geeignet, die Vermutung des § 16 BSHG auszulösen. Vielmehr missachtet das Abstellen auf die Deckung des eigenen sozialhilferechtlich ermittelten Bedarfs im Rahmen des § 16 BSHG als Ansatzpunkt für die Vermutung, dass darüber hinausgehendes Einkommen für Hilfe suchende Verwandte der Haushaltsgemeinschaft eingesetzt wird, die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung, §sonstige§ Verwandte der Haushaltsgemeinschaft gegenüber den Ehepartnern und Eltern minderjähriger Kinder zu privilegieren, die nach § 11 Abs. 1 BSHG uneingeschränkt mit ihrem über den eigenen sozialhilferechtlichen Bedarf hinausgehenden Einkommen und Vermögen für den Ehepartner und minderjährige Kinder einstehen müssen.

Hat demnach die Beklagte zu Unrecht das für den Kläger gezahlte Kindergeld bei der Berechnung des Sozialhilfeanspruchs bedarfsmindernd auf dessen Einkommen angerechnet, resultieren daraus für die streitgegenständlichen Zeiträume die aus dem Tenor ersichtlichen weiter gehenden Leistungsansprüche des Klägers. Dabei war für den Zeitraum Juli bis September 2000 zu berücksichtigen, dass zwar auch insoweit die Anrechnung des Kindergeldes auf das Einkommen des Klägers in vollem Umfang rechtswidrig war, der Kläger aber diese Berechnung nur in Höhe eines Teileinkommensbetrages von 20,00 DM angegriffen hat. Deshalb ist die Sozialhilfegewährung für Juli bis September 2000 und die ihr zu Grunde liegenden Berechnungen im Übrigen bestandskräftig geworden, weshalb das Gericht die Beklagte für diesen Zeitraum nur verpflichten kann, die bereits gewährte Sozialhilfe um den Betrag aufzustocken, um den sich der Leistungsanspruch des Klägers bei Außerachtlassung eines Einkommensbetrages von 20,00 DM erhöht.

Die Klagen haben damit in vollem Umfang Erfolg, ohne dass es eines Eingehens auf die weitere Argumentation des Klägers bedürfte.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 1. Halbsatz VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

Referenznummer:

MWRE116860300


Informationsstand: 03.03.2004