I.) Der Beiladungsbeschluss beruht auf § 65
Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -; die Entscheidung berücksichtigt, dass die rechtlichen Interessen der Beigeladenen durch die Entscheidung - etwa in einem noch nachfolgenden Rechtsmittelverfahren - berührt werden können.
Es bestehen insbesondere zwischen dem Jugendamt des Antragsgegners und der Beigeladenen zu 1.) Meinungsverschiedenheiten darüber, ob im Rahmen einer Abgabe nach
§ 14 SGB IX der Antragsgegner oder die Beigeladene zu 1.) zur Erbringung der in Rede stehenden Leistungen gegenüber dem Antragsteller verpflichtet ist.
Der Beigeladene zu 2.) könnte - soweit der Antragsgegner und der Beigeladene zu 1.) rechtlich als Kostenträger ausscheiden - quasi in einer Auffangzuständigkeit im Rahmen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff
SGB XII bzw. im Rahmen der Hilfe zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67
ff. SGB XII zur Übernahme der hier streitigen Kosten verpflichtet sein.
II.) Dem Prozesskostenhilfegesuch war zu entsprechen, da der Antragsteller mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht in der Lage ist, die Prozesskosten zu tragen, und das Rechtsschutzbegehren auch hinreichende Erfolgsaussicht hat § 166
VwGO i.V.m. §§ 114
ff., 121
ZPO.
III.) Der sinngemäß gestellte Antrag,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller im Rahmen der gewährten Jugendhilfe nach den §§ 41, 35 a
SGB VIII vorläufig für die Zeit vom 4. Oktober 2007 bis zum 3. Januar 2008 die Kosten einschließlich der anfallenden Fahrtkosten für die Übernahme in den Arbeitsbereich der Werkstatt für psychisch behinderte Menschen zu bewilligen,
ist zulässig und begründet.
Nach § 123
Abs. 1 Satz 2
VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Antragsteller muss glaubhaft machen, dass ihm ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zusteht ( Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für ihn mit schlechthin unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund),
vgl. § 123
Abs. 1 und 3
VwGO i.V.m. § 920
Abs. 2 Zivilprozessordnung -
ZPO -.
Gemessen an diesen Anforderungen war dem Rechtsschutzgesuch zu entsprechen.
Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage hat der Antragsteller zunächst einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner ist als zunächst angegangener Sozialleistungsträger nach § 43
SGB I vorläufig verpflichtet, für den streitigen Zeitraum die für den Antragsteller anfallenden Kosten einschließlich der anfallenden Fahrtkosten für die Übernahme in den Arbeitsbereich der Werkstatt für psychisch behinderte Menschen zu bewilligen.
Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Hilfe verpflichtet ist, hat nach dieser Vorschrift der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufige Leistungen zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt.
Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der seelisch behinderte Antragsteller zum Personenkreis gehört, der Leistungen nach den §§ 41, 35 a
SGB VIII beanspruchen kann. Dies folgt schon daraus, dass der Beklagte schon seit einiger Zeit - zuletzt bestätigt mit Bewilligungsbescheid vom 12. März 2007 - in diesem Rahmen die Kosten seiner vollstationären Unterbringung trägt. Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35 a
SGB VIII gehören nach § 35 a
Abs. 3
SGB VIII i. V.m. § 54
Abs. 1 Satz 1
SGB XII,
so Vondung in LPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2006 § 35 a
Rdnr. 16 c, Fischer in Schellhorn/Fischer/Mann,
SGB VIII, 3. Aufl. 2007, § 35 a
Rdnr. 18 und 21,
auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wie sie in den §§ 33
ff. SGB IX vorgesehen sind. Diese umfassen auch Hilfeleistungen in Werkstätten für behinderte Menschen. Die Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen werden erbracht, um die Leistungs- und Erwerbsfähigkeit der behinderten Menschen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, die Persönlichkeit dieser Menschen weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern (
§ 39 SGB IX). Dabei wird unterschieden zwischen Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einerseits (
§ 40 SGB IX) und im Arbeitsbereich (
§ 41 SGB IX) andererseits. Die Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich finanziert u.a. nach
§ 42 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX die Bundesagentur für Arbeit. Die Leistungen im Arbeitsbereich erbringen u.a. nach § 42
Abs. 2
Nr. 3
SGB IX die Träger der öffentlichen Jugendhilfe unter der Voraussetzungen des § 35 a
SGB VIII.
Unter Zugrundelegung dieser gesetzlichen Vorgaben wurde hier auch verfahren. Wie sich aus den vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Beigeladenen zu 1.) ergibt, durchlief der Antragsteller seit Oktober 2003 bis 2005 mehrere Berufsfördermaßnahmen der Berufsschule in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit, in denen zunächst abgeklärt werden sollte, ob er dort durch gezielte Hilfen die erforderliche Reife und Befähigung zu einem Ausbildungsberuf auf dem allgemeinen (ersten) Arbeitsmarkt entwickeln konnte. Nachdem dies wegen seiner Lernbehinderung und der emotionalen Störung mit rascher Erregbarkeit und hoher Impulsivität (für die nähere Zukunft) verneint werden musste, nahm der Antragsteller auf Empfehlung des Kinder- und Jugendpsychiaters
Dr. L. auf Kosten der Beigeladenen zu 1.) in der Zeit vom 4. Juli 2005 bis 3. Oktober 2005 am Eingangsverfahren der Werkstatt für seelisch behinderte Menschen teil.
Auf Grund der Entscheidung des Fachausschusses am 22. August 2005 wurde der Antragsteller für die Zeit vom 4. Oktober 2005 bis zum 3. Oktober 2006 in den Berufsbildungsbereich der Werkstatt für seelisch behinderte Menschen aufgenommen. Nach Vorlage eines Entwicklungsberichts vom 12. Juli 2006, der die Empfehlung aussprach, den Antragsteller ein weiteres Jahr dem Berufsbildungsbereich zuzuordnen, entsprach der Fachausschuss auf seiner Sitzung vom 7. August 2006 diesem Vorschlag und sprach eine Verlängerung der Zuweisung in den Berufsbildungsbereich für die Zeit vom 4. Oktober 2006 bis zum 3. Oktober 2007 aus.
Kostenträger seit Juli 2005 bis zu dem zuletzt genannten Datum war die nunmehr Beigeladene zu 1, die Bundesagentur für Arbeit. Auf seiner Sitzung vom 15. August 2007 entschied der Fachausschuss der Werkstatt für seelisch behinderte Menschen der
gGmbH, dass der Antragsteller entsprechend dem Vorschlag eines Entwicklungsberichts vom 21. Juni 2007 ab dem 4. Oktober 2007 in den Arbeitsbereich der Werkstatt übernommen werden solle. Kostenträger war nach Auffassung des Fachausschusses, die vom beschließenden Gericht geteilt wird, ab diesem Zeitpunkt im Rahmen der Eingliederungshilfe nach den §§ 41, 35 a
SGB VIII das zuständige Jugendamt.
Es war insoweit rechtlich zutreffend und auch sachgerecht, dass die Betreuerin des Antragstellers am 14. September 2007 beim Antragsgegner als örtlich zuständigem Jugendhilfeträger einen Antrag auf Übernahme der Kosten stellte und die Notwendigkeit damit begründete, dass eine Beendigung der Tätigkeit in der Werkstatt auf Grund seiner Erkrankung zu massiven Nachteilen führen würde. Insbesondere sei mit einer Verschlimmerung seiner Symptomatik zu rechnen. Daneben scheint die Kammer für den Antragsteller eine Integration in ein regelmäßiges Berufsleben - und sei es nur in dem beschränkten Rahmen einer Werkstatt für behinderte Menschen - notwendig, um die Gewöhnung an einen durchstrukturierten Tagesablauf zu sichern und ihm so die Möglichkeit zu eröffnen, zukünftig vielleicht doch einmal den Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden.
Da zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen zu 1.) streitig ist, wer letztlich zur Leistung verpflichtet ist, muss der Antragsgegner bei dieser Sachlage als zuerst angegangener Leistungsträger nach § 43
SGB I die verlangten Leistungen, auf die der Antragsteller materiellrechtlichen Anspruch hat, vorläufig erbringen. Sofern der Antragsgegner und die Beigeladenen hiernach noch die Frage der letztendlichen Kostentragung für klärungsbedürftig halten sollten, wäre dies in einem gesonderten Kostenerstattungsverfahren zwischen den in Betracht kommenden Sozialleistungsträgern zu klären.
Bei dieser Sachlage ist eine Zuständigkeit des Antragsgegners auch nicht wegen der Systematik des
§ 14 SGB IX entfallen, die dem Antragsteller Veranlassung geben könnte, um vorläufigen Rechtsschutz gegenüber der Beigeladenen zu 1.) als dem nunmehr zuständigen Rehabilitationsträger nachzusuchen.
Es ist richtig, dass nach der Gesetzessystematik des § 14
SGB IX und dem Willen des Gesetzgebers diese Vorschrift die Aufgabe hat, den für eine Rehabilitationsaufgabe zuständigen Leistungsträger kurzfristig - in der Regel binnen zwei Wochen - zu ermitteln. Dem Antragsgegner ist weiter einzuräumen, dass das Verhältnis zwischen § 43
SGB I und § 14
SGB IX umstritten ist. Die Kammer folgt allerdings nicht der Auffassung, wonach die Entscheidung des Antragsgegners, sich für nicht zuständig zu erachten und den Antrag nach § 14
SGB IX an die Beigeladene zu 1.) als den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger abzugeben, als Spezialregelung für den Bereich der Teilhabeleistungen der Eingliederungshilfe die Anwendung des § 43
SGB I ausschließt,
so aber Bay. Verwaltungsgerichtshof - VGH -, Beschluss vom 6. Dezember 2006 - 12 CE 06.2732 -, Nachrichtendienst des deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge-Rechtsprechungsdienst - NDV-RD - 2007,
S. 110
ff.Wie der vorliegende Fall zeigt, führt die an materielle Kriterien anknüpfende Zuständigkeitsregelung des § 14
SGB IX nicht zwingend dazu, dass binnen zwei Wochen im Interesse behinderter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Sozialleistungssystems entgegengewirkt wird. Die Leistungsverpflichtung des Antragsgegners ist deshalb nach Auffassung der Kammer hier nicht dadurch entfallen, dass dieser sich zum nicht zuständigen Rehabilitationsträger erklärt und den Antrag am 19. September 2007 mit einem entsprechenden Begleitschreiben nach § 14
SGB IX an die Beigeladene zu 1.) abgegeben hat. Nach den dem Gericht vorliegenden Verwaltungsvorgängen der Bundesagentur für Arbeit sind beide Schreiben am 19. September 2007 bei der Beigeladenen zu 1.) eingegangen.
Sie wurden zum Vorgang genommen, ohne den Fragen, was nun mit Blick auf eine Hilfegewährung für den Antragsteller zu veranlassen gewesen wäre, weiter nachzugehen. Ausweislich eines Vermerks hat der zuständige Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1. die Betreuerin des Antragstellers am 26. September 2007 lediglich fernmündlich auf die Zuständigkeit des Beigeladenen zu 2.) im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben hingewiesen.
Da die Einzelheiten dieser Erläuterung nicht im Vermerk niedergelegt sind, lässt sich nicht feststellen, ob der Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1.) im Rahmen dieses Gesprächs von seiner Behörde oder einer Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers - also des Beigeladenen zu 2.) - zur Leistungserbringung ausgegangen ist. In jedem Fall hat der Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1.) in dieser Angelegenheit nichts weiter veranlasst. In Anbetracht des Verbots einer Weiterverweisung an einen dritten Rehabilitationsträger innerhalb des § 14
SGB IX spricht dieses Verhalten nach Einschätzung der Kammer aber dafür, dass die Beigeladene zu 1.) unabhängig von einer etwaigen Verpflichtung zum Tätigwerden nach § 14
SGB IX auch nach Eingang des vom Antragsgegner übersandten Antrags nicht leistungsbereit war.
Für solche Fälle schließt sich die Kammer der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung an,
vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 21. September 2004 -
10 TG 2293/04 -, FEVS 56,
S. 328
ff.,
OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. Juli 2003 - 12 ME 29/03 -, Behindertenrecht - br - 2003,
S. 193 f.;
VG Braunschweig, Beschluss vom 12.06.2003 -
3 B 268/03 -, br 2003,
S. 190 ff,
wonach in solchen Fällen eines Systemversagens § 43
SGB I als allgemeine Regelung für alle Sozialleistungsbereiche zumindest (ergänzend) Anwendung finden muss, wenn die Zuständigkeitsregelung nach § 14
SGB IX nicht innerhalb von zwei Wochen zum Erfolg führt und weitere Ermittlungen zur Zuständigkeit zu einer unzumutbaren Leistungsverzögerung führen würden. Denn der an ein bloß formales Kriterium ("der erstangegangene Leistungsträger") anknüpfende § 43
SGB I wird in der Regel schnell zur Ermittlung des vorläufig Leistungsverpflichtenden und somit zur schnellen Leistungserbringung führen. Schließlich ist in diesem Zusammenhang rechtsdogmatisch auch noch zu berücksichtigen, dass § 43
SGB I zu den gemeinsamen Vorschriften für alle Sozialleistungsbereiche gehört, so dass die dort aufgeführten Grundsätze auch auf die Rehabilitationsleistungen des
SGB IX Anwendung finden.
Ein Absehen von einer solchen ergänzenden Heranziehung des § 43
SGB I hätte zur Folge, dass die Durchsetzung von Rechten eines - auch im Rahmen des § 14
SGB IX - besonders geschützten Personenkreises nicht verbessert, sondern entgegen den Erwägungen des Gesetzgebers des
SGB IX erschwert würde. Ob eine ergänzende Heranziehung nach § 43
SGB I auch in Fällen möglich ist, in denen der zuerst angegangene Leistungsträger offensichtlich unzuständig ist,
ablehnend VGH Kassel, Beschluss vom 21. September 2004 - 10 TG 2293/04-, FEVS 56,
S. 328
ff.,
kann hier dahinstehen. Denn - wie oben dargelegt - liegt ein solcher Fall nicht vor. Vielmehr spricht hier alles für eine materielle Zuständigkeit des Antragsgegners.
Der Antragsgegner kann sich für seine Auffassung insbesondere nicht auf das Rundschreiben 41/23/2002 des Beigeladenen zu 2. - Landesjugendamt - vom 6. Februar 2002 berufen. Zum einen gibt dieses Schreiben nur eine Auffassung zur Rechtslage wieder, gestaltet sie aber nicht selbst. Zum anderen heißt es zwar dort anlässlich einer Besprechung der Landesjugendämter mit dem Landesarbeitsamt, die der Abklärung von Zweifelsfragen nach Inkrafttreten des
SGB IX diente, dass es nach den Erörterungen keinen vorstellbaren Fall für den Bereich der Teilhabe Jugendlicher und Erwachsener am Arbeitsleben gebe, der in die Zuständigkeit der Jugendhilfe falle. Diese Einschätzung hat dann aber - zumindest -
§ 42 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX übersehen.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, also einen Grund, der die Durchbrechung des grundsätzlichen Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren rechtfertigt. Es ist dem Antragsteller in seiner schwierigen persönlichen Entwicklungssituation nach Einschätzung der Kammer nicht zumutbar, auf den Ausgang des Verwaltungsverfahrens oder eines sich möglicherweise noch anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154
Abs. 1, 188 Satz 2
VwGO. Die Kostenentscheidung bezüglich der Beigeladenen zu 1.) und 2.) ergibt sich aus §§ 154
Abs. 3, 162
Abs. 3
VwGO.