I.
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
II.
Die Klage ist begründet.
Das Werkstattverhältnis zwischen den Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 15.11.2006 nicht aufgelöst worden. Dabei kann offen bleiben, ob das Kündigungsschreiben vom 15.11.2006, dessen Inhalt insoweit nicht eindeutig ist, den Ausspruch einer außerordentlichen oder einer ordentlichen Kündigung beinhaltet. Die Kündigung erweist sich nämlich in beiden Fällen als rechtsunwirksam.
Zwischen den Parteien ist nach Maßgabe der Bestimmungen des Vertrages vom 18.09.2002 ein sog. Werkstattverhältnis und somit ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis im Sinne von
§ 138 Abs. 1 SGB IX begründet worden. Auf dieses Rechtsverhältnis finden die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes keine Anwendung. Der Werkstattvertrag kann von Seiten der Werkstatt ordentlich und im Ausnahmefall außerordentlich gekündigt werden. Die Vorschriften der §§ 622 und 626
BGB finden auf das Werkstattverhältnis zumindest analoge Anwendung. Die generelle Kündigungsmöglichkeit der Werkstatt ist jedoch in
§ 137 Abs. 2 SGB IX erheblich eingeschränkt. Nach dieser Bestimmung besteht nämlich so lange eine Verpflichtung der Werkstatt, den behinderten Menschen zu beschäftigen, wie die Voraussetzungen für dessen Aufnahme in die Werkstatt gegeben sind. Aufnahmevoraussetzungen nach § 137
Abs. 1
SGB IX sind die "Werkstattfähigkeit" gemäß
§ 136 Abs. 2 SGB IX sowie die Kostenübernahme durch den Sozialleistungsträger. Hieraus ergibt sich, dass nur der Wegfall der Werkstattfähigkeit oder die Aufhebung des Leistungsbescheides durch den Sozialleistungsträger oder beides zusammen zu einer Kündigung des Werkstattverhältnisses führen kann. Dies gilt für die ordentliche wie für die außerordentliche Kündigung (
vgl. Rühle, DB 2001, 1364
ff.). Ein Recht zur Kündigung des Werkstattverhältnisses unter anderen, erweiterten Voraussetzungen kann vertraglich im Werkstattvertrag nicht vereinbart werden (
vgl. Cramer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl., § 237 Rz. 49) .
Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die streitbefangene Kündigung als unwirksam, da die Beklagte einen Wegfall der Aufnahmevoraussetzungen nicht dargetan hat.
1.) Die Werkstattfähigkeit im Sinne des § 136
Abs. 2
SGB IX erfordert, dass der behinderte Mensch wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen kann. Dies ist nach § 136
Abs. 2 Satz 2
SGB IX nicht der Fall, wenn trotz einer der Behinderung angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten ist oder das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege oder sonstige Umstände ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen. Darüber hinaus setzt die Werkstattfähigkeit des Behinderten voraus, dass er gemeinschaftsfähig ist. Gemeinschaftsfähig ist ein Behinderter, der den Zweck der Werkstatt, Rehabilitation, Arbeit und Beschäftigung für andere erfolgreich anzubieten, durch sein Verhalten nicht nachhaltig beeinträchtigt (
BSG v. 10.03.1994 -
7 RAr 22/93).
In Ansehung dieser Kriterien kann im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass es an einer Werkstattfähigkeit des Klägers fehlt.
Ohne Belang ist diesbezüglich zunächst der Umstand, dass der bei der Beklagten gebildete Fachausschuss in seiner Sitzung vom 14.11.2006 bezüglich des Klägers einen "Ausschluss aus der RMW wegen fehlender Werkstattfähigkeit zum 14.11.2006" beschlossen hat. Der Fachausschuss kann nach
§§ 3 Abs. 4,
5 Abs. 5 WVO lediglich Empfehlungen aussprechen. Seinen Entscheidungen kommt keinerlei Bindungswirkung zu. Weder die Werkstatt noch der Rehabilitationsträger und erst recht nicht das Gericht werden durch Entscheidungen
bzw. Auffassungen des Fachausschusses gebunden (
BSG v. 10.03.1994 -
7 Rar 22/93).
Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass der Kläger an sich ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen kann. Ebenso wenig macht die Beklagte geltend, dass das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege ein solches Maß an Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulässt.
Der Sachvortrag der Beklagten rechtfertigt auch nicht die Annahme sonstiger Umstände im Sinne von
§ 136 Abs. 2 Satz 2 SGB IX bzw. einer fehlenden Gemeinschaftsfähigkeit des Klägers. Ebenso wenig kann von der Gefahr einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung ausgegangen werden.
Auf den mit Schreiben vom 30.09.2005 abgemahnten Vorfall (Diebstahl von Metallstücken) kann die Annahme einer fehlenden Werkstattfähigkeit des Klägers nicht mehr mit Erfolg gestützt werden, da sich der Kläger - soweit ersichtlich - nach Erteilung dieser Abmahnung kein gleichartiges
bzw. ähnlich gelagertes Fehlverhalten mehr hat zuschulden kommen lassen. Das Seitens der Beklagten behauptete "rempeln" eines Vorgesetzten durch den Kläger sowie das "am Arm packen" eines Arbeitskollegen vom 13.01.2006 rechtfertigen noch keineswegs die Besorgnis einer erheblichen Fremdgefährdung. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger seinerzeit - wie von der Beklagten behauptet - einen Bohrer in der Hand hielt. Diesbezüglich ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger eine drohende Haltung einnahm oder gar beabsichtigte, den Bohrer in irgendeiner Weise gegen seinen Kollegen oder seinen Vorgesetzten einzusetzen. Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger habe dem Mitarbeiter S einmal körperliche Gewalt angedroht, so erweist sich dieses Vorbringen als unsubstantiiert.
Unstreitig wurde der Kläger am 18.08.2006 abgemahnt, weil er den Mitarbeiter S als "faule Sau" tituliert und somit beleidigt hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich indessen nicht feststellen, dass der Kläger dieses oder ein ähnliches Verhalten nach Erteilung der Abmahnung fortgesetzt hat. Insoweit fehlt es für diesen, seitens des Klägers bestrittenen Sachvortrag der Beklagten bereits an einem Beweisangebot. Die Beklagte beruft sich insoweit ausschließlich auf den Inhalt eines Schreibens des Mitarbeiters S vom 20.08.2006 (Bl. 39 d. A.). Aus diesem Schreiben ergibt sich jedoch schon nicht, dass die dort wiedergegebenen angeblichen Äußerungen des Klägers auch noch nach der nur zwei Tage vor dem Verfassen des betreffenden Schreibens erteilten Abmahnung getätigt wurden. Diesbezüglich fehlt es an jeglichen konkreten Angaben. Es kann daher keineswegs zu Ungunsten des Klägers unterstellt werden, er habe das am 18.08.2006 abgemahnte Fehlverhalten fortgesetzt.
Der Umstand, dass der Kläger in zwei Fällen entgegen einer ihm erteilten Auflage das Betriebsgelände morgens um wenige Minuten zu früh betreten hat, vermag die Annahme einer fehlenden Werkstattfähigkeit nicht zu begründen. Dies gilt bereits im Hinblick auf die Geringfügigkeit des betreffenden Fehlverhaltens. Entsprechendes gilt bezüglich der von der Beklagten behaupteten Arbeitsverweigerung am 06.10.2006. Die Beklagte trägt insoweit selbst vor, dass der Kläger die ihm übertragenen Reinigungsarbeiten letztlich durchgeführt hat.
Letztlich ergibt sich das Fehlen einer Werkstattfähigkeit des Klägers auch nicht daraus, dass er - unter Zugrundelegung des Sachvortrages der Beklagten - des Öfteren Arbeitskollegen und Vorgesetzte angeschrien hat und sich dabei in einem Fall auch zu der Äußerung "du kannst mich mal" hat hinreißen lassen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass sich der Umgang mit dem Kläger im Hinblick auf dessen Verhalten schwierig gestaltet und dass das Verhalten des Klägers wohl auch von einer gewissen Aggressivität gekennzeichnet ist. Die Defizite des Klägers im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten erreichen indessen noch nicht ein solches Ausmaß, dass dessen Werkstattfähigkeit verneint werden könnte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass - wie die Beklagte selbst vorträgt - bei einem Werkstattvertrag, wie er im vorliegenden Fall mit dem geistig behinderten und unter Epilepsie leidenden Kläger abgeschlossen wurde, der betreuende und therapeutische Zweck im Vordergrund steht und dass das Verhalten des Klägers schon im Hinblick auf seine Behinderung nicht mit den Maßstäben zu messen ist, die in einem "normalen" Arbeitsverhältnis anzulegen sind.
Insofern umfasst der im Vordergrund stehende therapeutische Zweck auch die Notwendigkeit eines Einwirkens von Seiten der Beklagten auf den Kläger mit dem Ziel, dessen Sozialverhalten zu verbessern. Schwierigkeiten
bzw. Verhaltensauffälligkeiten des Klägers sind dabei in einem gewissen Umfang in Kauf zu nehmen. Wenn nach
§ 136 Abs. 2 SGB IX nur ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung gefordert wird und die Besorgnis einer Selbst- oder Fremdgefährdung nur dann der Werkstattfähigkeit entgegensteht, wenn sie erheblich ist, so zeigt dies, dass nach dem Willen des Gesetzgebers nicht jedes Fehlverhalten des behinderten Menschen einer Fortführung des Werkstattvertrages entgegenstehen kann. Vielmehr kann die Werkstattfähigkeit erst dann verneint werden, wenn das Fehlverhalten des Behinderten nach Ausmaß und Schwere eine Qualität erreicht, die den Zweck der Werkstatt, Rehabilitation, Arbeit und Beschäftigung für andere erfolgreich anzubieten, nachhaltig beeinträchtigt wird. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch (noch) nicht erfüllt. Auch kann noch nicht davon ausgegangen werden, dass beim Kläger keinerlei Bereitschaft vorhanden ist, sein Verhalten zu ändern
bzw. dass keine Möglichkeit besteht, durch ein Einwirken auf den Kläger diesbezüglich eine Verbesserung herbeizuführen.
Insgesamt ergibt sich somit, dass ein Wegfall der Werkstattfähigkeit des Klägers nicht festzustellen ist. Dies gilt selbst dann, wenn man nicht der Ansicht folgt, dass Kriterien wie Aggressionen, mangelnde Disziplin, Beleidigungen
etc. hierfür ohnehin nicht ausreichen (so aber: Rühle aaO.). Zugunsten des Klägers ist schließlich auch der Umstand zu berücksichtigen, dass das Beschäftigungsverhältnis bereits seit 1988 besteht und die seitens der Beklagten dargelegten Schwierigkeiten erst seit dem Jahre 2005 aufgetreten sind. Eine Prognose dahingehend, das aggressive Verhalten des Klägers werde sich fortsetzen oder gar ein Ausmaß erreichen, welches für die Beklagte eine Fortführung des Vertrages schlechthin unzumutbar machen würde, kann auch von daher (jedenfalls derzeit) noch nicht gestellt werden.
2.) Eine die Beendigung des Werkstattverhältnisses berechtigender Wegfall der Kostenübernahme durch den Sozialleistungsträger,
d. h. eine Aufhebung des entsprechenden Leistungsbescheides ist ebenfalls nicht erfolgt.
Die Beklagte hat in der letzten mündlichen Verhandlung selbst erklärt, dass kein Bescheid der insoweit zuständigen Stadt Koblenz vorliege, mit welchem ein Leistungsbescheid bzgl. der für den Kläger zu erbringenden Leistungen aufgehoben worden sei. Dass ein solcher Bescheid gegenüber dem Kläger selbst ergangen ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Einstellung der Leistungen sei im Rahmen der Sitzung des Fachausschusses von Seiten der anwesenden Vertreter des Trägers der Sozialhilfe angekündigt
bzw. in Aussicht gestellt worden. Erforderlich wäre nämlich insoweit der Erlass eines entsprechenden (Aufhebungs-) Bescheides, der dem Kläger sodann die Möglichkeit eines Rechtsmittels eröffnen würde. Der Fachausschuss selbst ist im Übrigen in keiner Weise befugt, eine solche Entscheidung zu treffen. Vielmehr gibt er - wie bereits ausgeführt - lediglich Empfehlungen ab, welche keinerlei Bindungswirkung entfalten. Auf eine bloße Einstellung der Zahlungen durch den Sozialleistungsträger kann sich die Beklagte vorliegend ohnehin nicht mit Erfolg berufen. Nach § 9
Abs. 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Werkstattvertrages kann dieser nämlich nur dann beendet werden, wenn der zuständige Sozialleistungsträger die Kosten der Eingliederungsleistungen nicht innerhalb von drei Monaten nach Rechnungslegung trotz Mahnung und Fristsetzung vollständig begleicht. Diese, das Kündigungsrecht weiter einschränkenden und daher wirksam vereinbaren Voraussetzungen (Mahnung und Fristsetzung) sind nicht erfüllt.
III.
Nach alledem war der Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91
Abs. 1
ZPO.
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72
Abs. 2
ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a
ArbGG), wird hingewiesen.