Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.03.2001 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 28.10.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.04.1998 abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Die 1965 geborene Klägerin leidet an chronischen Wirbelsäulenproblemen u.a. nach Nukleotomie L 4/5 1990 und Fraktur TH 7 1992 und ist auf regelmäßigen Schmerzmittelkonsum angewiesen.
Beruflich war sie nach einer Ausbildung zur Arzthelferin zunächst in einer Gemeinschaftspraxis tätig, später als Diagnostikangestellte in einer Klinik (Bereiche: Röntgen, Lungenfunktion mit Blutgasanalyse, klinisches Labor) und zuletzt zwischen Januar 1995 und April 1996 als Arzthelferin und Röntgenassistentin in einer orthopädischen Praxis. Anschließend bestand Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit. In der Zeit von Mitte 1998 bis 2001 befand sich die Klägerin im Erziehungsurlaub.
Den am 10.03.1997 unter Beifügung einer Bescheinigung ihres behandelnden Orthopäden Dr. H. vom 12.03.1997 über das Arbeitsamt gestellten Antrag auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.10.1997 ab mit der Begründung, der Klägerin seien weiterhin Tätigkeiten als Arzthelferin ohne schweres Heben und Tragen möglich.
Vorangegangen war eine Begutachtung durch den von der Beklagten beauftragten Orthopäden Dr. R. sowie eine Untersuchung der Klägerin durch den Arbeitsamtsarzt Dr. S ... Dr. S. hatte bei seiner sozialmedizinischen Begutachtung für das Arbeitsamt vom 22.05.1996 ein verbliebenes Leistungsvermögen für leichte Arbeiten in wechselnden Körperpositionen ohne häufiges Bücken und häufige Zwangshaltungen sowie ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg festgestellt und "Arbeiten als Arzthelferin mit überwiegend stehender Tätigkeit" als nicht mehr geeignet bezeichnet. Der Arbeitsamtsarzt Dr. Z. hatte am 27.02.1997 den Aktenvermerk hinzugefügt: "Arzthelferin wegen der Belastungseinschränkung der WS bzw. des Bewegungsapparates nicht mehr möglich, berufl. Reha befürwortet".
Dr. R. hatte in seinem Gutachten vom 08.09.1997 einen Zustand nach Bandscheiben-OP L 4/5, eine kernspintomografisch nachgewiesene Osteochondrose L 4/5, eine Bandscheibenprotrusion L 4/5 und einen kleinen Bandscheibenprolaps L 5/S 1 diagnostiziert und nur mehr Tätigkeiten ohne körperliche Belastung empfohlen: Möglich seien leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen im Wechsel von Stehen und Sitzen "und zwar sowohl im Rahmen einer Umsetzung im bisherigen Beruf wie auch bei einem Berufswechsel". Das Leistungsvermögen in der letzten mit Röntgenassistenz verbundenen Tätigkeit gab er mit unter zwei Stunden an.
Dr. R. merkte an, erfahrungsgemäß sei die Tätigkeit der Arzthelferin immer nur auf wenige Personen beschränkt, so dass auch immer wieder körperliche Arbeiten anfielen und daher ein Berufswechsel "empfehlenswert" sei. Der Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung ihres Antrags, mit dem sie auf die Befürwortung einer Umschulung durch alle befragten Ärzte hinwies, blieb erfolglos (zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 01.04.1998 mit der Begründung, berufsfördernde Maßnahmen seien nicht erforderlich, die Zuständigkeit der Arbeitsverwaltung zur Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes sei gegeben).
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trug unter Vorlage einer Bescheinigung des behandelnden Allgemeinarztes Dr. M. vor, bei weiterer Beschäftigung im bisherigen Beruf sei mit einer Verschlechterung des Krankheitsbildes zu rechnen. Der Beruf der Arzthelferin sei von der Struktur her körperlich belastend und mit langem Gehen und Stehen verbunden, auch schweres Heben und Tragen sei nicht zu vermeiden. So müssten Kinder öfters gehoben werden, im Röntgenbereich auch sonstige Patienten.
Das SG holte eine Auskunft des letzten Arbeitgebers Dr. T. ("wechselnde Tätigkeiten im Gehen, Stehen und Sitzen mit erheblicher psychischer Belastung und Publikumsverkehr") sowie Befundberichte von Dr. H. ("durch Anwendungen langsame Befundverbesserung und damit vermehrte Bewegungsfähigkeit im Bereich der LWS durch Behandlung") und Dr. M. ("multiple Diagnosen", vielfältige monatliche Konsultationen seit 1995) ein.
Es erhob Beweis durch Einholung eines Gutachtens des Chirurgen und Orthopäden Dr. L ... Die Klägerin klagte bei der Untersuchung u.a. über ständige Bewegungsschmerzen der unteren LWS, die nur kurzfristig durch die seinerzeitige Operation gelindert worden seien. Dr. L. erhob die Diagnosen
1. Chronisches Brust- sowie ausgeprägtes Lendenwirbelsäulensyndrom im Sinne eines Postnukleotomie-Syndroms mit sich daraus ergebender Funktionseinschränkung ohne Zeichen eines peripher-neurogenen Defektes
2. Chondropathia Patellae bds. ohne gravierende Geh- und Stehminderung.
Nach seinen Darlegungen bestand eine verminderte statische Belastbarkeit der Wirbelsäule; die Erwerbsfähigkeit der Klägerin insbesondere im Beruf der Arzthelferin sei "dadurch erheblich gefährdet respektive gemindert" und könne durch berufsfördernde Maßnahmen wesentlich gebessert bzw. der Eintritt von Berufsunfähigkeit abgewendet werden. Erforderlich seien Tätigkeiten mit gelegentlichem Wechsel der Arbeitsposition, nicht zumutbar sei das Heben und Tragen von Lasten über 5 kg und Zwangshaltungen des Achsorgans in Form von Vorhebehaltungen.
Im Übrigen schloss sich Dr. L. den Ausführungen des Dr. R. zur Tätigkeit einer Arzthelferin an und bezeichnete berufsfördernde Maßnahmen als sinnvoll (Gutachten vom 01.02.1999).
Die Beklagte wandte ein, den Ausführungen des Gutachters sei nicht zu folgen. Der Beruf der Arzthelferin sei mit leichten und nur gelegentlich mittelschweren Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen und nur gelegentlichen Zwangshaltungen verbunden und erfordere u.a. die volle Gebrauchsfähigkeit der oberen Extremitäten. Wegen des möglichen Haltungswechsels ergebe sich insgesamt ein günstiges Belastungsprofil. Soweit Dr. L. von "immer wieder anfallenden körperlichen Arbeiten ausgehe", handle es sich um atypische Verrichtungen, die in die medizinische Beurteilung nicht einzubeziehen seien.
Sie übersandte einen Auszug aus dem "Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen" (GABI) der Bundesanstalt für Arbeit zum Berufsbild der Arzthelferin, das mit leichten, zeitweilig mittelschweren Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen gekennzeichnet wurde und als Eignungsvoraussetzungen u.a. "keine schweren Wirbelsäulenschäden" nannte.
Das SG zog weitere berufskundliche Unterlagen (Auszüge aus den "Blättern zur Berufskunde") bei.
Es entschied mit Urteil vom 29.03.2001, dass die Beklagte der Klägerin berufsfördernde Maßnahmen zur Rehabilitation nach §§ 9, 16 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.V.m. §§ 10, 11 SGB VI unter Ausübung des ihr gesetzlich eingeräumten Ermessens im Hinblick auf die Art und Dauer der Maßnahme sowie der sonstigen Modalitäten zu gewähren habe.
Zur Begründung führte es u.a. aus, die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrten Leistungen (§ 10 SGB VI) seien gegeben. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei krankheitsbedingt erheblich gefährdet (§ 10 Nr.1 SGB VI), da sie auf Grund der eingeschränkten Belastbarkeit der Wirbelsäule den Beruf der Arzthelferin nicht mehr ohne erhebliche Einschränkungen ausüben könne. Ob die Erwerbsfähigkeit auch bereits gemindert sei, könne dahinstehen. Berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation seien auch geeignet, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit abzuwenden (§ 10 Nr. 2a SGB VI). Nach den Feststellungen des Gutachters Dr. L., die im Wesentlichen mit den im Wege des Urkundsbeweises heranzuziehenden Ausführungen von Dr. R. als Gutachter der Beklagten sowie von Dr. S. vom Ärztlichen Dienst des Arbeitsamtes übereinstimmten, bestehe bei der Klägerin ein chronisches BWS- und ein ausgeprägtes LWS-Syndrom. Sie könne nurmehr leichte Arbeiten mit gelegentlichem Wechsel der Körperposition ohne Heben und Tragen von Lasten über 5 kg und ohne Vorhebehaltungen der Wirbelsäule verrichten. Diese Leistungseinschränkungen führten zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung ihrer Leistungs- und Einsatzfähigkeit im Beruf als Arzthelferin. Mit der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.09.1980 - 1 RA 47/79) sei insoweit auf das typische Anforderungsprofil des zuletzt ausgeübten Berufes abzustellen. Diese umfasse nach den Ausführungen in GABI Heft Nr. 856a leichte und zeitweilig mittelschwere Arbeiten, u.U. den Umgang mit Röntgengeräten; schwere Wirbelsäulenschäden bzw. erhebliche Schäden an den oberen oder unteren Gliedmaßen oder der Wirbelsäule führten danach zur Nichteignung.
Zu den vom Anforderungsprofil umfassten mittelschweren Arbeiten, welche im Übrigen keinesfalls von vornherein als atypisch anzusehen seien, sei die Klägerin nicht mehr in der Lage. Zwangshaltungen der Wirbelsäule seien nicht mehr zumutbar, könnten aber nicht immer vermieden werden, z.B. beim Anlegen von Verbänden, Blutdruckmessen, bei der Blutabnahme oder bei Röntgentätigkeiten. Auch dies seien keine von vornherein atypischen Verrichtungen einer Arzthelferin. Der Einwand der Beklagten, wegen des möglichen Haltungswechsels ergebe sich ein günstiges Belastungsprofil, gehe an der Sache vorbei. Dieses könne die bei der Klägerin tatsächlich bestehenden erheblichen Leistungseinschränkungen nicht ausgleichen (keine mittelschweren Arbeiten, keine Zwangshaltungen). Dementsprechend hätten sich alle behandelnden und begutachtenden Ärzte, die wegen des täglichen Umgangs mit Arzthelferinnen das Belastungsprofil gut einschätzen könnten, für den Berufswechsel ausgesprochen.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil und bringt vor, die Klägerin könne entgegen der Auffassung des Erstgerichts die Tätigkeit als Arzthelferin nach dem typischen Anforderungsprofil dieses Berufes ohne erhebliche Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit ausüben. Ihre verbliebene Leistungsfähigkeit entspreche den branchenüblichen Anforderungen der Arzthelferin, die leichte Arbeiten im laufenden Wechsel der Körperhaltungen beinhalteten. Nur in besonderen Arbeitsfunktionen, z.B. als Arztsekretärin, könne einseitige Körperhaltung von längerer Dauer vorkommen oder eine höhere körperliche Belastung bei häufigen Röntgenaufnahmen. Es handle sich um eine abwechslungsreiche Tätigkeit, Zwangshaltungen entstünden praktisch nicht. Blutentnahmen und Blutdruckmessungen könnten ohne Vornüberneige in sitzender Stellung erfolgen und dauerten nur wenige Minuten, gelegentliche mittelschwere Arbeiten könnten unter Beachtung rückengerechten Verhaltens durchaus abverlangt werden. Dementsprechend heiße es in der "Arbeitsmedizinischen Berufskunde" dazu, die körperliche Anstrengung sei gering, der Anteil statischer Arbeit sei ebenfalls gering, es überwiege dynamische Arbeit, vorwiegend im Wechsel von Gehen und Sitzen, nur teilweise im Stehen.
Wesentlich sei, dass es ausreichende Möglichkeiten zur Ausübung des Berufs unter günstigen Arbeitsumständen gebe, z.B. in der Anmeldung oder Abrechnung oder beim Augenarzt, HNO-Arzt oder Psychiater. Körperlich anstrengende Arbeiten kämen hier nicht vor. Zudem handle es sich bei der Tätigkeit der Arzthelferin um einen Rehabilitationsberuf, der als Zielberuf für orthopädisch geschädigte Menschen (z.B. Krankenschwestern bei Rückenleiden) angeboten werde. Dagegen sei die der Klägerin laut einer Angabe im Gutachten Dr. L. von der Arbeitsverwaltung empfohlene Tätigkeit einer Sozialversicherungskauffrau nicht leidensgerecht, da die hierbei überwiegende sitzende Arbeitshaltung eine einseitige und ungünstige Belastung der vorgeschädigten Wirbelsäule darstelle.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte verweist demgegenüber darauf, dass sich der Praxisalltag anders darstelle als von der Beklagten beschrieben. Ein laufender Wechsel der Körperhaltung sei oftmals gerade nicht möglich, es komme vielmehr häufig zu einseitigen Körperhaltungen von längerer Dauer. Im Bereich der Arztassistenz sei eine Arzthelferin in der Regel acht Stunden auf den Beinen, in der Anmeldung verbringe sie diese Zeit sitzend, im Bereich der Diagnostik arbeite sie acht Stunden in gebeugtem oder gebücktem Zustand. Eine Fachkraft im Röntgenbereich leiste Schwerstarbeit. Die Klägerin leide unter Dauerschmerzen von Seiten der Wirbelsäule auch ohne Belastung und Zwangshaltungen. Zu rückengerechtem Verhalten sei sie stets gezwungen. Anders als andere orthopädisch geschädigte Menschen, für die ihr Beruf als Reha-Beruf in Betracht komme, bestünden bei ihr nicht einfach nur Rückenbeschwerden, sondern ganz erhebliche Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule. Es sei im Übrigen inzwischen eine erhebliche Verschlechterung eingetreten, die eine höhere Schmerzmitteldosierung nötig mache.
Der Senat holte einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. M. ein ("keine Befundänderung; Arbeiten mit langem Stehen auf festem Untergrund oder Heben und Tragen von Lasten auf Dauer nicht mehr ausführbar").
In der Zeit vom 04.09. bis 02.10.2002 fand im Reha-Zentrum Klinik R. Bad B. ein Heilverfahren statt (nach Angaben der Klägerin zur Reduzierung des Schmerzmittelkonsums); die Klägerin wurde hier mit den Diagnosen "rezidiv. Lumboischialgie links bei degenerativen LWS-Veränderungen und kleinem Bandscheibenvorfall L5/S1, Z. n. BS-OP L 5/S 1 1990" als arbeitsfähig entlassen. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung hieß es, als Arzthelferin und in sonstigen leichten bis mittelschweren Arbeiten sei sie vollschichtig (sechs Stunden und mehr) einsetzbar; zu vermeiden seien schweres Heben und Tragen, überwiegende Tätigkeiten in Wirbelsäulen-fixierenden Zwangshaltungen, ständiges Stehen oder Sitzen ohne Bewegungspausen. Laut Entlassungsbericht wurde eine deutliche Beschwerdereduzierung vor allem durch Akkupunktur sowie die Verringerung der Schmerzmedikation von Diclofenac 100 Supp. von 3x1 auf 2x1 erreicht.
Die Klägerin verwies in der Folgezeit darauf, ihr Gesundheitszustand habe sich trotz temporärer Besserung durch die Reha-Maßnahmen in den letzten sechs Jahren kontinuierlich verschlechtert; sie habe ihren Beruf nicht wieder aufgenommen, weil sie wisse, dass sie dies nicht durchhalten würde. Zudem würden an ihrem dörflichen Wohnort keine entsprechenden Arbeitsplätze angeboten, zum nächst größeren Ort müsse sie 21 km mit dem Auto fahren, so dass sie Schmerzmittel erst an der Arbeitsstelle nehmen könne. Sie strebe den Beruf einer Bürokauffrau an wegen des dann möglichen Wechsels der Körperhaltung. Derzeit arbeite sie stundenweise im Büro ihres Ehemannes im Rahmen eines Minijobs.
Sie übergab u.a. einen CT-Befund vom 08.01.2007.
Die Beklagte äußerte sich dahingehend, dass die gesundheitliche Problematik der Klägerin nicht durch eine Umschulung lösbar sei, da diese auch in anderen Tätigkeiten fortbestünde; in ihrem bisherigen Beruf gäbe es die besten Möglichkeiten zu abwechslungsreichen Mischtätigkeiten.
Der Senat holte aktuelle ärztliche Unterlagen des Dr. M. ein ("Verschlechterung; Operation nicht angezeigt") und beauftragte den Orthopäden Dr. F. mit der erneuten Begutachtung der Klägerin.
Bei der Untersuchung klagte die Klägerin über fast immer vorhandene, auch den Schlaf beeinträchtigende Schmerzen in der Brust- und Lendenwirbelsäule mit zeitweilig auftretendem Taubheitsgefühl im linken Bein sowie über ein schmerzendes linkes Knie; die Beschwerden würden bei Belastung zunehmen. Sie gab weiter an, Schwimmen, Walking und Radeln zu betreiben.
Der Gutachter, der u.a. deutlich beschwielte Handflächen und eine gute Kraftleistung der Hände/Fäuste bei der Klägerin beschrieb, erhob in seinem Gutachten vom 09.04.2008 die Diagnosen:
- Keilwirbel nach Morbus Scheuermann mit spondylotischen Veränderungen, Costotransversalarthrose; Deckplatteneinsenkung BWK 7, Osteopenie
- Erosive Osteochondrose L 4 bis L 5, Osteochondrose L 5 bis S 1, Spondylose der Lendenwirbelsäule, Ileosakralgelenksarthrose links
- Coxa valga profunda bds.
- Beginnende Retropatellararthrose links, leichter Reizerguss im linken Knie
- Nebendiagnose: Tennisarm links.
Dr. F. fand einen gegenüber den Vorgutachten seitens der Lendenwirbelsäule eher gebesserten Zustand, während im Übrigen eine beginnende Demineralisierung des Skelettsystems und ein leichter Reizzustand des linken Kniegelenks hinzugekommen seien.
Unterbleiben sollten nach Dr. F. auf Grund der erhobenen Befunde (auch gelegentliche) mittelschwere und schwere Arbeiten, Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten in gebückter Stellung, im Knien und Hocken und an sturzgefährdenden Stellen. Ein gelegentlicher Wechsel der Körperhaltung solle möglich sein und sei ausreichend, da die Fähigkeit zum Sitzen oder Stehen seitens der Wirbelsäule nur gering beeinträchtigt sei: Die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule sei jetzt frei und eine Nervenwurzelirritation bestehe nicht. Auch gelegentliche kurze gebeugte Arbeiten ohne zusätzliche Gewichtsbelastung und kurzes Bücken dürften anfallen.
Der Gutachter bezeichnete die Erwerbsfähigkeit der Klägerin für solche Tätigkeiten erheblich gefährdet bzw. schon gemindert, welche die nicht mehr möglichen Belastungen der Wirbelsäule abverlangten. Dazu zählte er die letzte Tätigkeit als Arzthelferin in einer orthopädischen Praxis einschließlich der Herstellung von Röntgenaufnahmen, da damit Zwangshaltungen der Wirbelsäule bei der Lagerung und auch Unterstützung von Extremitäten verbunden gewesen seien, was auch für das Anlegen von Verbänden, vor allem bei Gipsruhigstellungen gelte.
Keine erhebliche Gefährdung oder gar Minderung ergebe sich aber für eine Berufstätigkeit, bei der sich Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Arbeiten im Knien und Hocken, auf Treppen und Leitern vermeiden ließen, wie dies bei Tätigkeiten der Arzthelferin in einer augenärztlichen oder HNO-ärztlichen Praxis der Fall sei, wo Lagerungen von Patienten nicht anfielen.
Weiter hieß es im Gutachten im Hinblick auf konkrete entsprechende Fragen des Senats, die Klägerin sei als Arzthelferin nicht auf Arztpraxen fokussiert, welche regelmäßig mit der Ableistung von Zwangshaltungen verbunden seien, daher "dürfte eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben entbehrlich sein". Auch sei Blutdruckmessen oder Blutabnahme im Sitzen gegenüber dem Arbeiten im Stehen "durchaus eine Alternative". Es sei nicht damit zu rechnen, dass unter den üblichen Belastungen in der Praxis unvorsichtige Bewegungsabläufe gefördert würden und eine Verschlechterung der Befunde an der Wirbelsäule in Kauf zu nehmen sei.
Die Klägerin, die nach eigenen Angaben gegenüber Dr. F. inzwischen etwa vier Stunden täglich im Karosseriereparatur-Betrieb des Ehemannes mit abwechslungsreichen organisatorischen Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen beschäftigt ist und nunmehr eine Ausbildung/Umschulung zur Bürokauffrau anstrebt, hielt die Schlussfolgerungen im Gutachten des Dr. F. nicht für zutreffend. Sie bezeichnete die Tätigkeit als Arzthelferin weiterhin als krankheitsbedingt nicht mehr möglich, zumal sie alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft habe. Selbst in den von Dr. F. als möglich angesehen Bereichen könnten Zwangshaltungen nicht ausgeschlossen werden. Auch habe sich die Situation in den Arztpraxen hinsichtlich der Personaldichte erheblich verändert, Stress und Zeitdruck sowie erhöhte psychische Belastung seien an der Tagesordnung. Auch verlangten die Arbeitgeber regelmäßig, dass Arzthelferinnen in sämtlichen Bereichen ihrer Praxis ohne Einschränkungen einsetzbar seien.
Die Beklagte und Berufungsklägerin sieht sich durch das Gutachten in ihrer bisherigen Auffassung bestätigt, dass gerade im Beruf der Arzthelferin wegen der abwechslungsreichen Arbeitshaltung und der Möglichkeit einer Berufsausübung ohne körperliche Anforderungen eine leidensgerechte Tätigkeit möglich sei.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.03.2001 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 28.10.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.1998 abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.