Urteil
Kein Rechtsanspruch auf Kostenübernahme für dreijährige Umschulung zur Logopädin bei zahlreichen Alternativen

Gericht:

LSG Bayern 20. Senat


Aktenzeichen:

L 20 R 309/09


Urteil vom:

27.07.2010


Tenor:

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.02.2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 25.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.02.2008, mit dem die Beklagte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der von der Klägerin ausschließlich gewünschten Umschulung zur Logopädin abgelehnt hat.

Die 1974 geborene Klägerin hat eine abgeschlossene Ausbildung zur Gärtnerin in der Zeit von 1990 - 1993 absolviert und war anschließend in diesem Beruf bis zur Entlassung durch den Arbeitgeber im Dezember 2006 auch sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist sie arbeitslos. Im Jahr 2002 absolvierte sie zusätzlich einen Motorsägenlehrgang, von 2004 - 2006 die Meisterschule für Gärtner, allerdings ohne Abschluss, und nahm im Jahr 2006 an einem EDV-Kurs teil. Nachdem im Rahmen einer arbeitsamtsärztlichen Begutachtung vom 27.02.2007 trotz eines diagnostizierten Knorpelschadens im Bereich des linken Kniegelenkes sowie einer chronischen Sehnenansatzentzündung am linken Ellenbogengelenk noch eine vollschichtige Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen festgestellt, jedoch aufgrund der Erkrankungen und des massiven Übergewichtes der Klägerin eine berufliche Neuorientierung angeraten worden war, beantragte die Klägerin bei der Beklagten am 21.03.2007 die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. In diesem Antrag wies die Klägerin darauf hin, dass sie sich im voraus über eine Umschulung zur Logopädin informiert und dass sie nach der Auswertung eines Vorstellungsgesprächs zuzüglich eines Eignungstests bei der Berufsfachschule für Logopädie in Bad N. die Möglichkeit habe, dort eine Umschulung zur Logopädin zu machen. Die Beklagte bewilligte nach Einholung eines chirurgisch/sozialme-dizinischen Gutachtens von Dr. G. vom 27.04.2007 mit bestandskräftigem Bescheid vom 07.05.2007 dem Grunde nach die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, woraufhin die Klägerin vom 11.06.2007 - 26.06.2007 im Berufsförderungswerk (BFW) H. an einer Berufsfindung und Arbeitserprobung teilnahm. Nach dem Abschlussbericht des BFW H. vom 11.07.2007 bringe die Klägerin gute Voraussetzungen für eine qualifizierte Weiterbildung mit, so dass sowohl IHK-Ausbildungen als auch Fachschulausbildungen, insbesondere im Sozialbereich unterstützt werden könnten. Die Klägerin sei sowohl für den Beruf der Logopädin geeignet, Alternativen seien aber auch in anderen Bereichen denkbar, beispielsweise im Medienbereich, im kaufmännisch-verwaltenden Bereich oder auch im Laborbereich.

Bereits in einem Beratungsgespräch vom 27.04.2007 hatte die Klägerin bei der Beklagten darauf hingewiesen, dass sie unbedingt eine Qualifizierung zur Logopädin anstrebe und sie sich bereits zum 10.09.2007 an der Berufsfachschule für Logopädie in Bad N. angemeldet habe. Seitens der Beklagten wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass von der Beklagten grundsätzlich keine dreijährigen Ausbildungen gefördert würden. Auch im Rahmen der Arbeitserprobung und Berufsfindung wies die Klägerin eindringlich darauf hin, dass sie lediglich an einer Umschulung zur Logopädin interessiert sei und die übrigen für sie geeigneten Tätigkeiten für sie nicht in Betracht kämen. Nach Einholung einer Auskunft von der Berufsfachschule für Logopädie Bad N. vom 18.07.2007, wonach sich die Ausbildungsdauer über 36 Monate erstrecke und monatliche Schulgebühren in Höhe von 695,00 EUR sowie eine Prüfungsgebühr von 250,00 EUR und eine einmalige Aufnahmegebühr von 100,00 EUR anfielen, lehnte die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 25.07.2007 die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe in Form der von der Klägerin gewünschten Umschulung zur Logopädin ab. Im Rahmen der Berufsfindung/Eignungsabklärung im BFW H. habe sich eine volle Eignung der Klägerin für Laborberufe (medizinisch-technische Laboratoriumsassistentin - MTA - oder biologisch-technische Assistentin - BTA -) bzw. für sämtliche kaufmännisch-verwaltende Berufe ergeben, die innerhalb des vorgegebenen Zeitraums von 2 Jahren absolviert werden könnten. Aus diesen Gründen könne einer Kostenübernahme für die angestrebte dreijährige Qualifizierung zur Logopädin nicht entsprochen werden. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 31.07.2007, eingegangen bei der Beklagten am 21.08.2007, Widerspruch mit der Begründung ein, dass ihr eine Qualifizierung zur BTA nicht zugemutet werden könne, weil sie strikt gegen Tierversuche sei. Die Ausbildung zur MTA dauere ebenfalls 3 Jahre. Sie bestehe auf einer Umschulung zur Logopädin, da sie sich nicht vorstellen könne, dauerhaft in einem der anderen getesteten Berufe tätig sein zu können. Ferner habe die Berufsfachschule für Logopädie mitgeteilt, dass die Ausbildungskosten pro Monat um 225,00 EUR gesenkt worden seien und damit rechnerisch für das 3. Jahr keine Schulkosten mehr anfallen würden. Die Kosten für eine dreijährige Ausbildung zur Logopädin seien somit faktisch einer zweijährigen Ausbildung gleichzusetzen. Außerdem sei die Stellensituation für Logopäden sehr günstig, das Arbeitsamt habe ihr hier faktisch eine Berufsausübung fast zusichern können. Die Situation bei den anderen Berufen sei bei weitem nicht so positiv. Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.07.2007 mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2008 als unbegründet zurück. Die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten, wobei gemäß § 33 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I - Eignung, Neigung und die Wünsche des Versicherten zu berücksichtigen seien, soweit diese angemessen seien. Dem Wunsch der Klägerin auf Umschulung zur Logopädin im Rahmen einer dreijährigen Qualifizierung stehe jedoch § 37 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX - entgegen, der grundsätzlich eine Höchstgrenze von zwei Jahren vorsehe. Eine länger dauernde Umschulung dürfe die Beklagte nicht gewähren, wenn der Versicherte auch durch Weiterbildungsmaßnahmen eingegliedert werden könne, die die Zeitgrenze des § 37 SGB IX nicht überstiegen. Eine dreijährige Ausbildung zur Logopädin sei weder durch Art und Schwere der Behinderung der Klägerin noch durch Lage und Entwicklung am Arbeitsmarkt zu einer voraussichtlich dauerhaften beruflichen Wiedereingliederung notwendig.

Die hiergegen am 29.02.2008 zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 11.02.2009 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte für einen fehlerhaften Ermessensgebrauch der Beklagten vorlägen. Die Beklagte habe die einschlägigen Vorschriften der §§ 10, 13 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - sowie §§ 9, 33 und 37 SGB IX zutreffend angewandt. Der Klägerin stehe lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei. Ein Anspruch auf Kostenübernahme für die Umschulung zur Logopädin mit einer Ausbildungsdauer von 3 Jahren bestehe nicht.

Zur Begründung der hiergegen am 14.04.2009 zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt die Klägerin vor, dass die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Durch die Absenkung der Ausbildungskosten ergebe sich, dass die Kosten der Umschulung zur Logopädin die Kosten für eine anderweitige zweijährige Ausbildung nicht überschreiten würden. Deshalb müsse auch unter Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit den Wünschen der Klägerin Rechnung getragen werden. Im Übrigen impliziere bereits der Wortlaut des § 37 Abs. 2 SGB IX, dass es sich bei der Zweijahresgrenze nicht um eine Höchstdauer, sondern um eine Regeldauer handele, die bei Vorliegen sachlicher Gründe auch überschritten werden könne. Die Interpretation als Höchstdauer durch die Beklagte sei willkürlich und verfassungswidrig. Die von der Beklagten und dem Erstgericht genannten beruflichen Alternativen entsprächen nicht den Neigungen und auch nicht den Fähigkeiten der Klägerin und kämen deshalb für sie nicht in Betracht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Würzburg vom 11.02.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.02.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der von ihr gewünschten Umschulung zur Logopädin zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Würzburg vom
11.02.2009 zurückzuweisen.

Sie verweist auf den gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraum der vorliegenden Entscheidung. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermessensausübung seien ebenso wenig gegeben wie eine Ermessensreduzierung auf Null. Die Klägerin habe sich auf eine Umschulung zur Logopädin fixiert und lehne nach wie vor andere berufliche Qualifizierungsmöglichkeiten ab.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Hinweis:

Fachbeiträge zum Thema finden Sie im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) unter:
https://www.reha-recht.de/fileadmin/download/foren/a/2011/A1...

Rechtsweg:

SG Würzburg Urteil vom 11.02.2009 - 8 R 132/08

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen das Urteil des SG Würzburg vom 11.02.2009 ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Würzburg hat zu Recht mit Urteil vom 11.02.2009 die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.02.2008 abgewiesen, denn die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Rechtsanspruch auf Kostenübernahme für eine dreijährige Umschulung zur Logopädin.

Gemäß § 9 SGB VI erbringen die Träger der Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit des Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern, sofern die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §§ 10, 11 SGB VI vorliegen. Nach dem im Verwaltungsverfahren eingeholten chirurgisch/sozialmedizinischem Gutachten von Dr. G. ist davon auszugehen, dass bei der Klägerin eine Gefährdung ihrer Erwerbsfähigkeit durch Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet vorliegt, die insbesondere unter Beachtung der Adipositas auf Dauer keine schweren einseitigen Tätigkeiten mehr erlaubt. Die von der Klägerin zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Gärtnerin, insbesondere als Friedhofsgärtnerin mit teilweise schweren Tätigkeiten würde in absehbarer Zeit zu einer Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit führen. Insoweit wurde die berufliche Neuorientierung der Klägerin angeregt. Nachdem die Klägerin auch die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 SGB VI erfüllt, hat sich die Beklagte mit Bescheid vom 07.05.2007 dem Grunde nach bereit erklärt, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren. Dieser Bescheid wurde nicht angefochten und hat damit weiterhin Bestand.

Die Klägerin hat gleichwohl keinen Rechtsanspruch auf Kostenübernahme für die von ihr ausschließlich gewünschte Umschulung zur Logopädin gegen die Beklagte. Gemäß § 13 SGB VI bestimmt der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehablilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei bei den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die §§ 33 - 38 SGB IX zu beachten sind. Dies bedeutet, dass lediglich die Frage über die Notwendigkeit der Erbringung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, also das "Ob" der Leistung eine gebundene, gerichtlich in vollem Umfang zu überprüfende Entscheidung darstellt. Das "Ob" der Erbringung von Leistungen zur Teilhabe ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Streitig ist lediglich die Frage, welche Leistung zur beruflichen Neuorientierung der Klägerin von der Beklagten zu erbringen ist. Hierbei steht der Beklagten ein weiter Ermessensspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Gemäß § 153 Abs 1 iVm § 54 Abs 2 SGG hat das Gericht behördliche Ermessensentscheidungen nur auf einen Ermessensnichtgebrauch oder auf einen Ermessensfehlgebrauch hin zu überprüfen (vgl. Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45 Rdnr. 92 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass notwendige Überlegungen nicht in die Ermessensentscheidung der Beklagten mit eingestellt worden sein könnten, obwohl dies erforderlich gewesen wäre oder dass einzelne Belange offensichtlich fehlerhaft gewichtet wurden, sind vorliegend nicht gegeben. Auch liegt kein Fall einer Ermessensreduzierung auf Null vor, die nur eine einzige denkbare Entscheidung der Beklagten zulassen würde, so dass es ausnahmsweise gerechtfertigt wäre, die gerichtliche Entscheidung anstelle der Entscheidung der Beklagten zu setzen. Die Beklagte geht zu Recht von der Notwendigkeit der beruflichen Neuorientierung der Klägerin infolge ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen aus. Die von der Beklagten bewilligte Berufsfindung im BFW H. hat für die Klägerin eine Vielzahl von Umschulungsmöglichkeiten ergeben, die sie weder wissens- und könnensmäßig noch gesundheitlich überfordern würden. Aus der Vielzahl der betrieblichen oder schulischen Qualifikationsmöglichkeiten kann die Beklagte unter Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, aber auch unter Beachtung der Interessen und Neigungen der Klägerin geeignete Leistungen zur Teilhabe auswählen und der Klägerin bewilligen. Dabei besteht sowohl eine Eignung der Klägerin für die Tätigkeit als Logopädin, die von der Klägerin auch ausschließlich gewünscht wird, aber auch eine vielseitige Einsatzfähigkeit in anderen Berufsbereichen, z. B. im Medien-, Labor-, und kaufmännischem Bereich, wobei hier zu berücksichtigen wäre, dass die Klägerin durch ihren Besuch der Meisterschule für Gärtner von 2004 - 2006 sich auch bereits entsprechende beruflich weiter zu verwertende Kenntnisse angeeignet haben dürfte. Die Klägerin war und ist jedoch auf eine Umschulung zur Logopädin fixiert. Sie hatte sich schon vor Reha-Antragstellung bei der Berufsfachschule für Logopädie informiert und einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen, wenn auch unter dem handschriftlich eingefügten Vorbehalt einer Kostenübernahme durch den Rentenversicherungsträger. Der Ausbildungsbeginn war für den Monat September 2007 vereinbart. Sie hat im Rahmen der Berufsfindung und Arbeitserprobung im BFW H. stets den Beruf der Logopädin eindeutig präferiert. Bestimmte Berufsfelder wurden deshalb erst überhaupt nicht in die Testung miteinbezogen. Ein sachlicher Grund, weshalb die im Rahmen der Berufsfindung ermittelten Berufe, die innerhalb der Regelförderung von 2 Jahren erlernt werden könnten, von der Klägerin nicht ausgeübt werden könnten, ist nicht vorgetragen. Die Klägerin gibt lediglich an, sich nicht vorstellen zu können, dauerhaft in diesen Berufsfeldern tätig sein zu können.

Auch wenn nach § 33 Abs 4 SGB IX Eignung und Neigung des Rehabilitanden angemessen berücksichtigt werden sollen, bedeutet diese Regelung nicht die Verpflichtung der Beklagten, unter allen Umständen die Wahl des Traumberufes zu ermöglichen, sondern gibt lediglich in dem rechtlich zulässigen Rahmen die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Wünschen des Versicherten. § 37 Abs 2 SGB IX begrenzt dabei die Dauer einer beruflichen Neuorientierung auf den Zeitraum von zwei Jahren, es sei denn, dass das Teilhabeziel, also die Wiedereingliederung der Klägerin in das Berufsleben, nur über eine länger dauernde Leistung erreicht werden kann oder die Eingliederungsaussichten nur durch eine längere Maßnahme deutlich verbessert werden könnten. Beides ist vorliegend nicht der Fall. Eine Wiedereingliederung der Klägerin in das Berufsleben ist nach den Ergebnissen des ärztlichen Sachverständigengutachtens und auch der Ergebnisse der Berufsfindung im BFW H. auch im Rahmen von betrieblichen Qualifikationsmaßnahmen denkbar (z. B. IHK-Ausbildungen), aber auch durch Fachschulausbildungen möglich. Die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin sind nicht so erheblich, dass daraus eine schwere spezifische Leistungsbeeinträchtigung abgeleitet werden könnte, die ausschließlich die Umschulung zur Logopädin zulassen würde. Auch im Hinblick auf die intellektuellen Möglichkeiten werden der Klägerin überdurchschnittliche Fähigkeiten bescheinigt. Wegen ihrer Fähigkeit zu geplantem und kreativem Vorgehen wurde z. B. auch eine Weiterbildung zur Mediengestalterin uneingeschränkt empfohlen, was von der Klägerin aber mit dem Hinweis abgelehnt wurde, sie könne sich im Medienbereich keine Zukunft vorstellen.

Fehlt es aber an besonderen sachlichen Gründen für eine Notwendigkeit der Überschreitung der in § 37 Abs 2 SGB IX genannten Zweijahresfrist, steht der Beklagten auch kein Ermessensspielraum etwa dahingehend zu, gleichwohl eine längere Ausbildung oder berufliche Qualifikation zu fördern oder etwa die Leistung auf Teilabschnitte zu beschränken, die einer maximal zweijährigen Ausbildung entsprächen. Dementsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob die Gesamtkosten der Ausbildung infolge der zwischenzeitlich erfolgten Absenkung der Schulgebühren an der Berufsfachschule für Logopädie höher oder niedriger als bei einer zweijährigen beruflichen oder schulischen Qualifikation wären. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 37 Abs. 2 SGB IX sowie durch die Anknüpfung an das Erfordernis eines sachlichen Grundes für eine Ausnahme von der Regelförderungsdauer bestehen unter Berücksichtigung der notwendigerweise vorzunehmenden Abwägung zwischen den Interessen der Versichertengemeinschaft an der sparsamen Mittelverwendung und den Interessen des einzelnen Versicherten an der Durchsetzung der von ihm gewünschten beruflichen Qualifizierung auch im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs 1 Grundgesetz keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Referenznummer:

R/R3541


Informationsstand: 29.06.2011