Die Berufung des Klägers ist nur zum Teil erfolgreich.
Die Berufung des Klägers ist gegen das Urteil des SG nach § 143
SGG statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151
Abs. 1
SGG eingelegt. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 144
Abs. 1
SGG ausgeschlossen, weil die Klage
bzw. Berufung keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, die
bzw. der weniger als 750 Euro betrifft. Der Kläger begehrt eine umfangreiche berufliche Förderung.
Die Berufung des Klägers ist zum Teil begründet, weil die Beklagte die berufliche Weiterbildung des Klägers weiter zu fördern hat. Hinsichtlich der vom Kläger speziell begehrten Förderung durch Kostenübernahme für verschiedene Projekte sind die Klage und die Berufung hingegen unbegründet.
Gegenstand der Berufung ist die Klage gegen den Verwaltungsakt der Beklagten vom 27. Juni 2005 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2005. Strittig ist, ob mit diesen Verwaltungsentscheidungen den Maßgaben des Urteils des SG vom 17. November 2004 hinreichend Rechnung getragen worden ist und ob der Kläger - nach der gemäß § 99
Abs. 2
SGG geänderten Klage - die Förderung bestimmter Einzelprojekte begehren kann oder zumindest hilfsweise einen Anspruch auf eine erneute Entscheidung über sein Förderbegehren hat. Diese Begehren kann der Kläger insgesamt durch Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54
Abs. 1 Satz 1
SGG verfolgen. Er ist nicht hinsichtlich der einzelnen Maßnahmen auf die Erhebung einer Feststellungsklage im Sinne des § 55
SGG beschränkt.
Die Klage ist teilweise begründet, weil die Beklagte in Ausführung des Urteils des SG vom 17. November 2004 eine Förderung nicht allein bezogen auf die Weiterbildung zum Musikwissenschaftler in Form einer Promotion beschränken kann
bzw. wegen der Ablehnung eines modularen Bildungskonzepts durch den Kläger gänzlich einstellen kann. Der Kläger hat diesbezüglich einen Anspruch, dass die Beklagte nach Maßgabe des Urteils des SG vom 17. November 2004 erneut über die Förderung des Klägers durch Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung entscheidet (A.). Die Klage ist insoweit unbegründet, als die Beklagte die vom Kläger begehrten Einzelleistungen nicht fördern darf (B.).
A. Aufgrund des die Beteiligten bindenden (
vgl. § 141
Abs. 1
SGG) Urteils vom 17. November 2004 ist die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 4. Dezember 1995 auf Gewährung von Leistungen der beruflichen Rehabilitation unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Diesen Anspruch hat die Beklagte zu erfüllen und kann nicht mehr einwenden, sie wäre für solche Leistungen
bzw. eine Entscheidung hierüber nicht zuständig. Der Maßstab der gerichtlichen Prüfung über den Antrag auf berufliche Förderung kann nur sein, ob die Beklagte die Verpflichtung aus dem Urteil ausgefüllt hat, d.h. insbesondere die Rechtsauffassung des Gerichts hinreichend beachtet hat. Das Urteil behandelt den aus Sicht des SG bestehenden Anspruch des Klägers auf berufliche Rehabilitation des Klägers, der gegen den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht bestehe. Anspruch habe der Kläger aber auf Leistungen der beruflichen Fortbildung. Eine solche habe vorrangig auf dem Gebiet zu erfolgen, in dem der Kläger über eine Ausbildung (d.h. im Bereich Musikwissenschaften) verfüge. Die Neigungen des Klägers seien zu berücksichtigen. Wenn sich der Förderwunsch auf eine bestimmte Maßnahme beschränke und diese unter Berücksichtigung des Arbeitsmarkts nicht zu erbringen sei, müsse die Beklagte den Antrag ablehnen.
Aus Sicht des Senats behandelt das Urteil vom 17. November 2004 damit bei näherer Betrachtung der zitierten Rechtsgrundlagen und -grundsätze aber nicht eine berufliche "Rehabilitation". Denn es verurteilt die Beklagte nicht etwa zu speziellen Leistungen für politisch von der DDR verfolgte und an ihrer Berufsausübung gehinderte Personen oder zu solchen für behinderte Personen, sondern betrifft nur die im Ermessen der Beklagten zu gewährenden Leistungen der beruflichen Weiterbildung, die im Grundsatz allen Anspruchsberechtigten offenstehen. Denn das SG prüft weder spezielle Voraussetzungen für behinderte Menschen noch geht es von einer Rechtsgrundlage nach dem BerRehaG aus (die es auch nicht gibt). Die Voraussetzungen und der Umfang möglicher Leistungen werden aus § 42a
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (
AFG, außer Kraft seit 1999)
bzw. nunmehr aus
§§ 77 ff. des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) abgeleitet.
Der Kläger hat keine Ansprüche gegen die Beklagte, die über die Verpflichtung in dem Urteil vom 17. November 2004 hinausgehen.
Er hat insbesondere keinen Anspruch auf Förderung als behinderter Mensch gemäß
SGB 3 § 77 i.V.m. §§ 102 ff. SGB III. Eine Behinderung des Klägers
i.S.d. § 19
Abs. 1
SGB III i.V.m. § 2 Abs. 1 SGB IX, d.h. Einschränkungen der körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit liegt nach den in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen medizinischen Stellungnahmen nicht vor. Der Senat sieht sich deshalb und mangels entsprechender Behauptungen auch nicht veranlasst, weitergehende Ermittlungen hierzu durchzuführen.
Ansprüche auf eine "berufliche Rehabilitation" ergeben sich auch nicht aus dem Beruflichen Rehabilitationsgesetz (BerRehaG). Dieses Gesetz gewährt in der DDR politisch Verfolgten keine besondere Anspruchsgrundlage für eine Förderung. Zwar regelt der Zweite Abschnitt des BerRehaG (§§ 6, 7) die Umstände einer bevorzugten beruflichen Fortbildung und Umschulung. Die Regelung des § 6 betrifft aber nur den Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld während einer Weiterbildung. Folglich werden hierüber nicht Kosten der Weiterbildung gefördert, sondern der Lebensunterhalt während deren Durchführung sichergestellt. Die Kostenerstattung für Weiterbildungsmaßnahmen gemäß § 7 BerRehaG (in entsprechender Anwendung der
§§ 79 bis
83 SGB III) erfasst nur die Fälle, in denen bei der Teilnahme an einer nach den Vorschriften des
SGB III für die Weiterbildungsförderung zugelassenen Maßnahme der beruflichen Weiterbildung die Weiterbildungskosten nicht nach dem
SGB III übernommen werden. Diese Regelung enthält damit ebenfalls keine besondere Anspruchsgrundlage für den Zugang zu einer Förderung der beruflichen Weiterbildung.
Nach der also für die begehrte Förderung der beruflichen Weiterbildung allein maßgeblichen Normen der §§ 77
ff. SGB III hat der Kläger aufgrund des Urteils weiterhin einen Anspruch gegen die Beklagte auf eine in ihrem Ermessen liegende Entscheidung zur beruflichen Weiterbildung. Die Beklagte hat mit der Entscheidung vom 27. Juni 2005 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2005 die auf dem Urteil beruhende Verpflichtung nicht hinreichend erfüllt.
Gemäß § 77
Abs. 1
SGB III (gültig bis 31. März 2012) können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn
1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist,
2. vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und
3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.
Liegen die Voraussetzungen für eine Förderung vor, wird dies dem Arbeitnehmer mit einem Bildungsgutschein gemäß § 77
Abs. 4 Satz 1
SGB III bescheinigt.
Solange das Urteil vom 17. November 2004 Rechtskraft entfaltet, ist der Kläger so zu behandeln, als gehörte er weiterhin zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem
SGB III. Nach Maßgabe des Urteils des SG ist die grundsätzliche Notwendigkeit der Weiterbildung des Klägers nicht mehr in Frage zu stellen. Zu fördern ist der Kläger daher, um seine noch andauernde Arbeitslosigkeit zu beenden und ihn beruflich einzugliedern. Ebenso besteht nach Maßgabe des Urteils kein Ermessen mehr, den Kläger gegebenenfalls nicht zu fördern (Ausfall des Entschließungsermessens).
Die Beklagten hat aber weiterhin bei der Auswahl einer Maßnahme eine Prognose anzustellen, ob deren Durchführung geeignet ist, einen derart positiven Einfluss auf die Beschäftigungschancen des Klägers zu nehmen, dass seine Arbeitslosigkeit beendet wird (Beschäftigungsprognose). Hierfür erscheinen Angebote wie die von der Beklagten vorgeschlagenen Module zur Verbreiterung seines kaufmännischen und sonstigen Wissens grundsätzlich geeignet.
Bei der der Auswahl der Maßnahme hat die Beklagte zu beachten, dass bei verschiedenen in Betracht kommenden Maßnahmen in der Regel diejenige zu wählen ist, die eine bessere Beschäftigungsprognose bietet. Hierbei sind aber noch die Maßgaben des Urteils des SG zu beachten, dass Maßnahmen gewählt werden, die eine Eingliederung auf dem Gebiet des erlernten Berufs als Musikwissenschaftler erwarten lassen.
Ermessensfehlerhaft ist es hingegen, die Förderung auf den ursprünglichen Wunsch nach einer Promotion eingeschränkt zu sehen
bzw. zu beenden, wenn der Kläger einzelne ihm unterbreitete Maßnahmeangebote als nicht geeignet ablehnt. Der Kläger hat hinreichend deutlich werden lassen, dass der Wunsch nach einer Promotion nicht mehr sein einziges Begehren ist, d.h. dass er weitere Maßnahmen nicht von vornherein ablehnen würde. Dies bezieht sich insbesondere auf Maßnahmen zur Berufsqualifizierung im pädagogischen oder sozialen Bereich.
Die Beklagte hat auch nicht nachgewiesen, dass es keine einzige Maßnahme gibt, die eine Eingliederung als Musikwissenschaftler unter Einbeziehung pädagogischer Kenntnisse oder überhaupt in soziale
bzw. pädagogische Berufe erwarten lässt.
Im Übrigen können Leistungen der beruflichen Weiterbildung nur nach Maßgabe der vom Urteil nicht abwandelbaren §§ 60, 66 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch - Allgemeiner Teil (
SGB I) insgesamt versagt werden. Abgesehen davon, dass die Beklagte keine hierauf gestützte Entscheidung getroffen hat, liegen hierzu auch die Voraussetzungen nicht vor. Für eine Versagung einzelner Maßnahmen
bzw. der Weiterbildung als Ganzes hätte die Beklagte den Kläger zuvor auf diese mögliche Rechtsfolge hinweisen müssen (§ 66
Abs. 3
SGB I), was nicht geschehen ist.
Allerdings müssen auch aufgrund des gegen die Beklagten ergangenen Urteils nur solche Maßnahmen vermittelt werden, die zugelassen sind und von einem zugelassenen Träger angeboten werden. Weiterhin ist eine Beratung des Klägers durch die Beklagte erforderlich.
B. Das Begehren des Klägers nach Förderung der im Schreiben vom 12. September 2011 genannten Projekte (Produktion einer
CD, Veröffentlichung eines Gedichtbandes, eine Edition eines Buches über Nietzsches Verhältnis zur Musik) ist nicht begründet.
Aus dem Urteil des SG vom 17. November 2004 kann eine Verpflichtung der Beklagten nicht folgen. Die Projekte stellen keine Konkretisierung der Weiterbildungsgrundsätze nach den Grundsätzen des Urteils dar.
Der Wunsch des Klägers nach Förderung der Projekte lässt sich auch auf keine die Beklagte treffende Rechtsgrundlage stützen. Insbesondere können sie nicht nach Maßgabe der §§ 77
ff. SGB III gefördert werden. Es handelt sich nicht um Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, weil sie keine weiteren beruflichen Kenntnisse vermitteln. Sie sind zudem weder im Sinne des § 77
Abs. 1 Satz 1
Nr. 3
SGB III zugelassen noch werden sie von einem zugelassenen Träger erbracht. Ebenso wenig kommt eine Förderung als berufliche Ausbildung nach
§ 60 Abs. 1 und 2 SGB III in Betracht. Im Übrigen stehen die Leistungen der Künstlervermittlung auch ohne Verurteilung zur Verfügung.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193
Abs. 1 und 4
SGG.
Die Revision ist nicht nach § 160
Abs. 2
SGG zuzulassen, weil sich insbesondere keine streitentscheidende und bislang noch offene Rechtsfrage stellt, die zur Wahrung der Rechtseinheit
bzw. -fortbildung zu klären ist.