Tenor:
Die Berufung wird zugelassen.
Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist begründet. Aufgrund des Zulassungsvorbringens sind ernstliche Zweifel an der die Entscheidung tragenden Annahme des Verwaltungsgerichts gegeben, wonach die Förderung von Maßnahmen zur Erhaltung und zur Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten i. S. v. § 102 Abs. 3 Nr. 1e SGB IX i. V. m. § 24 SchwbAV voraussetze, dass ein konkreter Arbeitsplatz existiere, den der schwerbehinderte Mensch bereits innehabe oder auf den er vermittelt werden könne und an dem er die erworbenen Fähigkeiten umsetzen könne.
Eine arbeitsplatzbezogene Beschränkung der Förderung kann den einschlägigen Regelungen nicht entnommen werden. Zur Umschreibung der begehrten Hilfe verwendet § 102 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX nicht den Begriff des "Arbeitsplatzes", sondern den weiten Begriff des "Arbeitslebens". Nach § 102 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX obliegt dem Integrationsamt die begleitende Hilfe im Arbeitsleben, nach Abs. 3 Satz 1 der genannten Bestimmung kann es im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auch Geldleistungen erbringen", und zwar insbesondere" gemäß Nr. 1 an schwerbehinderte Menschen e) zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten ... Der Wortlaut der genannten Bestimmung setzt nicht voraus, dass ein Arbeitsplatz i. S. des § 73 Abs. 1 SGB IX vorliegt,
vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2003 - 5 C 13.02 -, BVerwGE 119, 200 ff. (zu den bis zum 30. Juni 2001 geltenden Regelungen der §§ 31 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 f, 7 Abs. 1 SchwbG, die den seither geltenden und hier anzuwendenden Normen - §§ 102 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 e, 73 Abs. 1 SGB IX - inhaltlich entsprechen),
geschweige denn, das der schwerbehinderte Mensch einen solchen inne hat; den Einzelregelungen, insbesondere auch Nr. 1 Buchstabe c ("zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz"), ist nicht zu entnehmen, dass das Vorliegen eines Arbeitsplatzes i.S.d. § 73 Abs. 1 SGB IX bzw. die Versorgung mit einem solchen generell rechtliche Voraussetzung oder Ziel einer Hilfe durch Geldleistungen wäre; in den Fällen gemäß Buchstabe c liefe dies dem ausdrücklichen Hilfeziel der beruflichen Verselbständigung sogar eindeutig zuwider.
Auch in der Systematik der Bestimmung der Aufgaben des Integrationsamtes
(§ 102 SGB IX) kommt eine Begrenzung der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben auf Hilfen, die auf einen konkreten, bereits innegehabten oder in Aussicht stehenden Arbeitsplatz bezogen sind, nicht zum Ausdruck. Soweit nach Absatz 2 Satz 2 dieser Bestimmung darauf hingewirkt werden soll, dass schwerbehinderte Menschen auf auf "Arbeitsplätzen" beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können sowie befähigt werden, "sich am Arbeitsplatz ... zu behaupten", und soweit nach Absatz 2 Satz 3 dieser Bestimmung die Zuständigkeit des Integrationsamtes auch für befristete Voll- und für Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse von mindestens 15 Stunden wöchentlich und damit gerade unabhängig von den nach § 73 Abs. 3 SGB IX engeren Voraussetzungen für einen Arbeitsplatz bestimmt, lässt dies nicht den Schluss zu, dass damit generell für alle in Absatz 3 unter Nr. 1 ausdrücklich genannten Formen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben vom Arbeitsplatzbegriff des § 73 SGB IX auszugehen wäre.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich die Beschränkung der Förderung schwerbehinderter Menschen durch die Integrationsämter auf arbeitsplatzbezogene Hilfen auch nicht aus den Aufgaben, die die Bundesagentur für Arbeit nach § 104 SGB IX im Bereich der Förderung schwerbehinderter Menschen hat. Wie schon die Regelungen des § 102 Abs. 5 SGB IX, dass Verpflichtungen anderer durch die Absätze 3 und 4 nicht berührt werden, erkennen lässt, geht das Gesetz selbst davon aus, dass sich die einzelnen Leistungskataloge der Leistungsträger inhaltlich überschneiden können. Für schwerbehinderte Menschen gelten nicht nur die speziell für sie geschaffenen Regelungen. Einschlägig sind vielmehr auch diejenigen Leistungsbestimmungen, die allgemein zugunsten behinderter Menschen Fördermaßnahmen, etwa durch die Bundesagentur für Arbeit, ermöglichen, die die berufliche Qualifizierung betreffen und damit auch schwerbehinderte Menschen erfassen, die im Besitz eines Arbeitsplatzes sind (vgl. §§ 5 Nr. 2, 6 Abs. 1 Nr. 2, 7, 33 ff. SGB IX sowie speziell im Bereich der Arbeitsförderung §§ 97, 98, 100 und 103 SGB III). Die sich hieraus u. a. für den Bereich der beruflichen Qualifizierung ergebende Konkurrenz zwischen Ansprüchen gegen die Bundesagentur für Arbeit und das jeweilige Integrationsamt wird im Rahmen der Zuständigkeit durch die Zuständigkeitsbestimmung nach § 102 Abs. 6 i. V. m. § 14 SGB IX sowie materiell durch das Gebot der engen Zusammenarbeit zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Integrationsämtern (§ 102 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) und durch die Vorschrift des § 102 Abs. 5 SGB IX geregelt. Gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz SGB IX findet eine Aufstockung (der Leistung der Rehabilitationsträger) durch Leistungen des Integrationsamtes nicht statt. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn eine materielle Konkurrenz von Ansprüchen schwerbehinderter Menschen gegen die Bundesagentur für Arbeit einerseits und gegen das jeweilige Integrationsamt andererseits schon auf der Ebene der Aufgabenzuweisung ausscheiden würde.
Im Rahmen des mit der Zulassung eröffneten Berufungsverfahrens wird zu berücksichtigen sein, dass der Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt des Beklagten den Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2005 ausschließlich darauf gestützt hat, dass Fortbildungsmaßnahmen i. S. v. § 24 SchwbAV speziell auf die besonderen Bedürfnisse solcher schwerbehinderten Menschen ausgerichtet sein müssten, die wegen ihrer Behinderung nicht ohne weiteres in der Lage seien, an allgemeinen Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Insoweit weist der beschließende Senat bereits jetzt darauf hin, dass § 24 SchwbAV die Förderung allgemeiner Fortbildungsmaßnahmen zugunsten schwerbehinderter Menschen nicht ausschließt. § 24 SchwbAV hat folgenden Wortlaut:
"Schwerbehinderte Menschen, die an inner- oder außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Erhaltung und Erweiterung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten oder zur Anpassung an die technische Entwicklung teilnehmen, vor allem an besonderen Fortbildungs- und Anpassungsmaßnahmen, die nach Art, Umfang und Dauer den Bedürfnissen dieser schwerbehinderten Menschen entsprechen, können Zuschüsse bis zur Höhe der ihnen durch die Teilnahme an diesen Maßnahmen entstehenden Aufwendungen erhalten. Hilfen können auch zum beruflichen Aufstieg erbracht werden."
Danach können schwerbehinderte Menschen, die an Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Erhaltung und Erweiterung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten teilnehmen, Zuschüsse bis zur Höhe der ihnen durch die Teilnahme an diesen Maßnahmen entstehenden Aufwendungen erhalten. Soweit § 24 Satz 1 SchwbAV vor allem "nach Art, Umfang und Dauer den Bedürfnissen dieser schwerbehinderten Menschen entsprechen," verweist, handelt es sich nur um eine Heraushebung der sonstigen Maßnahmen. Hinsichtlich der Eignung der zu fördernden Maßnahme der beruflichen Bildung gilt nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 SchwbAV lediglich die allgemeine Leistungsvoraussetzung, dass durch die Leistung die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht, erleichtert oder gesichert werden kann. Diese Voraussetzung dürfte hier gegeben sein.
Abgesehen davon ermöglicht § 24 Satz 2 SchwbAV allgemein die Erbringung von Hilfen auch zum beruflichen Aufstieg, ohne inhaltliche Beschränkungen aufzuweisen.