Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet; die Anschlussberufung der Klägerin hat dagegen Erfolg.
Nach
§ 97 Abs.1 SGB III können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Bei der Auswahl der Leistungen sind Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Soweit es erforderlich ist, schließt das Verfahren zur Auswahl der Leistungen eine Abklärung der beruflichen Eignung oder eine Arbeitserprobung ein (
Abs.2 Satz 1, 2). Gemäß § 97
Abs.1
SGB III stehen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben grundsätzlich im Ermessen der Beklagten. Allerdings ist vor der Ausübung des Ermessens zu prüfen, ob die Ermessensvoraussetzungen vorliegen.
In der vorliegenden Streitsache bestehen nach den eingeholten medizinischen Äußerungen keine Zweifel daran, dass die Klägerin gemäß § 97
Abs.1
SGB III "behindert" ist. Durch ihr Wirbelsäulen-Leiden ist sie körperlich eingeschränkt. Die bisherige Tätigkeit als Raumpflegerin kann sie nach ärztlicher Beurteilung nicht mehr ausüben; ihre Aussichten, am Arbeitsleben teilzuhaben, sind nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert im Sinne des
§ 19 Abs.1 SGB III.
Ferner sind gemäß § 97
Abs.1
SGB III Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, um die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wiederherzustellen oder zu erhalten. Die Klägerin hat zwar inzwischen ihre Ausbildung zur Heilerziehungspflege-Helferin abgeschlossen und steht als solche in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Stiftung St.J ... Doch ist die Förderung der beantragten Maßnahme nicht deshalb ausgeschlossen, insbesondere nicht, weil sie zu einem beruflichen Aufstieg führt. Allerdings enthält § 97
SGB III keine dem früheren § 56
Abs.1 Satz 4
AFG entsprechende Regelung. Doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das
SGB III in solchen Fällen eine Förderung ausschließen will (
vgl. auch Luik in: Eicher/Schlegel, SGB III-Arbeitsförderung, § 97
Rdnr.42). Im Übrigen handelt es sich bei der Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin um die erste berufliche Qualifikation der Klägerin in einem regulären Ausbildungsberuf, da die Ausbildung zur Heilerziehungspflege-Helferin nur ein Jahr dauerte.
Ferner ist mit der Erhaltung, Besserung, Herstellung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 97
Abs.1
SGB III nach der Rechtsprechung des
BSG zu § 56
AFG die volle Erwerbsfähigkeit gemeint, soweit dies irgendwie erreichbar ist, damit im größtmöglichen Umfang die Eingliederung auf Dauer gesichert wird. Ziel der Rehabilitation ist es nicht nur, eine konkrete gesundheitsverträgliche Beschäftigung zu finden, sondern die Versicherten zu befähigen, die erlernten Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem gesamten Berufsfeld uneingeschränkt zu verwerten. Nur dann sind die Versicherten auf dem Arbeitsmarkt ausreichend wettbewerbsfähig. Eine Reduktion dieses umfassenden Ziels auf einen Teilbereich genügt jedoch, wenn die Leistungseinschränkung für die übrigen in Betracht kommenden Berufe etwa gleich schwerwiegend ist (
vgl. zum Ganzen
BSG SozR 3-2200 § 556
Nr.2, Juris-Ausdruck
S.2, zur Unfallversicherung; ähnlich
BSG 18.05.2000 -
B 11 AL 107/99 Juris-Ausdruck
S.3: Ausnahme, wenn überhaupt kein Berufsfeld vorhanden ist, auf dem die Behinderten ohne gesundheitliche Gefährdung tätig werden können). Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass eine Eignung im Sinne des § 97
Abs.2 Satz 1
SGB III grundsätzlich, jedoch mit den erwähnten Ausnahmen, nur vorliegt, wenn die Ausbildung zur Einsatzfähigkeit des Behinderten auf dem gesamten Berufsfeld führt.
In der vorliegenden Streitsache muss der Senat nicht entscheiden, ob die Begründung des Sozialgerichts zutrifft, wonach die Klägerin die typischen und durchschnittlichen Anforderungen des Berufs einer Heilerziehungspflegerin erfüllen kann. Die St. Johannes-Stiftung hat zwar nach den Angaben des Zeugen Schwarz die körperlich schweren Tätigkeiten vorwiegend anderen Berufen, nämlich Altenpflegern und Krankenpflegern übertragen. Doch sind derartige Vorkehrungen grundsätzlich nur den größeren Einrichtungen möglich, weil nur dann die Arbeitsgebiete derartig aufgeteilt und die Arbeiten spezialisiert werden können. Eine Verallgemeinerung der Situation in der Einrichtung St.J. und ihre Ausdehnung auf das gesamte Berufsfeld wird durch die Zeugenaussage nicht belegt. Demgemäß enthalten die verfügbaren Berufsbilder der Heilerziehungspfleger weiterhin neben dem pädagogischen Anteil auch den pflegerischen, der je nach Art der Behinderung, Gewicht des Behinderten
usw. auch schwere Arbeiten umfasst (
vgl. Blätter zur Berufskunde 2-
IV A14
S.9, 10, 23; Berufsprofile für die arbeits- und sozialmedizinische Praxis, 1997, Band 1,
S. 581: Stützen, Lagern, Anheben körperbehinderter Menschen, zum Teil in vornübergebeugter Haltung, zum Beispiel bei schwerem Heben; "Berufe-net", Datenbank der Beklagten. Auch § 2
Abs. 1 der Schulordnung für die Fachschulen der Heilerziehungspflege und für Heilerziehungspflege-Hilfe vom 01.07.1985 in der Fassung der Verordnung vom 11.08.2000, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt
S. 613, nimmt keine Einschränkung auf leichte und gelegentlich mittelschwere Pflegearbeiten vor.
Doch liegt hier die von der Rechtsprechung zugelassene Ausnahme vor, wonach die Rehabilitation dann nicht zu einer Tätigkeit auf dem gesamten Berufsfeld befähigen muss, wenn die vorhandene Leistungseinschränkung der Behinderten für die übrigen in Betracht kommenden Berufe etwa gleich schwerwiegend ist.
Bei der Klägerin sind die gesundheitlich bedingten Leistungseinschränkungen derart allgemein und generell, dass objektiv in Betracht kommende andere Berufe ohne erhebliche Einschränkungen praktisch nicht festzustellen sind.
Zunächst scheiden nach den medizinischen Gutachten von
Dr.B. und
Dr.L. die zahlreichen Berufe aus, die hauptsächlich sitzend oder stehend auszuüben sind. Das betrifft vor allem die überwiegend im Sitzen zu verrichtenden kaufmännischen und Büroberufe (
vgl. zum Beispiel gabi Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen
Nr. 781b Industriekaufmann/Industriekauffrau
S.12 A 3.21), die von der Rehabilitationsberatung der Beklagten am 25.07.2001 ins Auge gefasst worden sind. Entsprechendes gilt für die hauptsächlich stehend auszuübenden Verkaufsberufe.
Auszuschließen sind ferner auch die nach dem bisherigen Werdegang der Klägerin in Betracht zu ziehenden hauswirtschaftlichen und erzieherischen Tätigkeiten. In der Hauswirtschaft lassen sich Reinigungsarbeiten nicht vermeiden, welche der Klägerin nach den ärztlichen Gutachten gerade nicht zugemutet werden. Für die Ausbildung zur Erzieherin fehlt es der Klägerin an der regelmäßig erforderlichen Zugangsvoraussetzung des mittleren Bildungsabschlusses (
vgl. gabi Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen,
Nr. 864a
S. 4). Die Klägerin hat nach ihren Angaben gegenüber der Beklagten im Rahmen der Reha-Antragstellung nur einen Hauptschulabschluss erreicht.
Nicht in Betracht kommen für die Klägerin schließlich technische Berufe, wie sie allgemein als berufliche Möglichkeiten für am Stütz- und Bewegungsapparat Behinderte angegeben werden (
vgl. Berufsprofile für die arbeits- und sozialmedizinische Praxis, Systematisches Handbuch der Berufe, 1997, Band 2,
S.1453 f.). Ansatzpunkte hierfür sind in dem schulischen und beruflichen Werdegang der Klägerin nicht zu finden. Insbesondere hat die Klägerin nach ihren glaubwürdigen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat während ihrer Schulausbildung zwar eine Neigung zu dem Fach Mathematik und darin auch entsprechende Leistungen gezeigt, nicht aber für Naturwissenschaften. Eine berufliche Ausbildung fand bis zu der von der Klägerin teilweise besuchten 10. Jahrgangsstufe nicht statt, so dass sich daraus keine spezifischen Rückschlüsse auf Befähigung und Begabung der Klägerin für bestimmte Berufe ableiten lassen.
Nach alledem liegt eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, wonach die Behinderten im Zielberuf in dem gesamten Berufsfeld einsetzbar seien müssen. Die Voraussetzungen des § 97
SGB III für die Ausübung von Ermessen durch die Beklagte sind damit gegeben. Doch ist das der Beklagten bei der Gewährung von allgemeinen Leistungen gemäß § 100
Nr.5
i.V.m. § 3 Abs.5 SGB III zustehende Ermessen in der vorliegenden Streitsache auf Null reduziert. Im Hinblick auf die festgestellten Leistungseinschränkungen der 1963 geborenen Klägerin sieht der Senat keine realistischen beruflichen Alternativen zu dem von der Klägerin angestrebten Rehabilitationsziel. Auch die Beklagte hat hierzu nichts vorgetragen. Auf die Anschlussberufung der Klägerin hin war die Beklagte somit zur Leistungsgewährung zu verurteilen.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160
Abs.2
SGG).