Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151
SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung angefallener Schulausbildungsgebühren
bzw. entsprechende Freistellung (noch nicht beglichener Gebühren) für die in der Zeit vom 21. Oktober 2013 bis 13. Oktober 2016 absolvierte Logopädieausbildung in Höhe von 14.364,00 Euro, zuzüglich der Prüfungsgebühr in Höhe von 645,00 Euro.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 24. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2012, mit dem der Antrag der Klägerin vom 16. Juli 2012 auf Übernahme der Kosten für eine Ausbildung zur Logopädin im Rahmen eines Persönlichen Budgets nach
§ 17 Abs. 2 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) abgelehnt worden ist.
Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei der Klägerin aufgrund ihrer Blindheit um einen im Sinne des
§ 2 Abs. 1 SGB IX behinderten Menschen handelt. Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten gemäß
§ 1 Satz 1 SGB IX Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen.
Gemäß
§ 4 Abs. 1 SGB IX umfassen die Leistungen zur Teilhabe die notwendigen Sozialleistungen, um
1. unabhängig von der Ursache der Behinderung die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3. die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4. die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in
Abs. 1 genannten Ziele nach Maßgabe des
SGB IX und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht (§ 4
Abs. 2 Satz 1
SGB IX). Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalls so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden (§ 4
Abs. 2 Satz 2
SGB IX).
Die Beklagte, konkret die Bundesagentur für Arbeit, ist - jedenfalls unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten - aufgrund der Regelungen in
§ 14 Abs. 1 SGB IX zuständiger Rehabilitationsträger für die (Bewilligung und) Erbringung von Leistungen gewesen. § 14
SGB IX enthält für Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen eine für die Rehabilitationsträger abschließende Regelung, die den allgemeinen Regelungen zur vorläufigen Zuständigkeit oder Leistungserbringung im 1. Buch und den Leistungsgesetzen der Rehabilitationsträger vorgeht (
vgl. Gesetzesentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 16. Januar 2001, Entwurf eines
SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -,
BT-Drucks. 14/5074,
S. 102 zu § 14). § 14
SGB IX unterscheidet zwischen dem erstangegangenen Rehabilitationsträger und dem zweitangegangenen Rehabilitationsträger.
Nach § 14
Abs. 1 Satz 1
SGB IX stellt der (erstangegangene) Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Kommt er zu dem Ergebnis, dass er unzuständig ist, muss er den Antrag unverzüglich an den zuständigen (zweitangegangenen) Rehabilitationsträger weiterleiten (§ 14
Abs. 1
S. 2
SGB IX). Erfolgt die Weiterleitung nicht, so wird der zuerst angegangene Träger gegenüber dem Antragsteller im Außenverhältnis für die Leistungserbringung zuständig, mit der Folge, dass sich die Zuständigkeit auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind erstreckt (Bundessozialgericht -
BSG - Urteil vom 26. Juni 2007,
B 1 KR 34/06 R, zitiert nach juris, veröffentlicht u.a. in Breithaupt 2008, 448).
Die Beklagte hat den Antrag vom 16. Juli 2012 nicht weitergeleitet und über diesen entschieden. Für die zum Antragszeitpunkt dem Personenkreis des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB II) zugehörige Klägerin (wegen der Ausbildung an der Medizinischen Akademie B-B, einer Berufsfachschule, war die Klägerin nicht gemäß § 7
Abs. 5
SGB II von Leistungen nach dem
SGB II ausgeschlossen,
vgl. § 7
Abs. 6
Nr. 2
SGB II in Verbindung mit § 12
Abs. 1
Nr. 1,
Abs. 2
Nr. 1
BAföG in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung [465,00 Euro Grundbedarf
bzw. 506,00 Euro in der ab 1. August 2016 geltenden Fassung, §§ 2
Abs. 1
Nr. 1
BAföG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung) wäre aber grundsätzlich das für sie dann zuständige Jobcenter, das ebenso Rehabilitationsträger im Sinne des
§ 6a SGB IX ist, zuständig gewesen. Insoweit hätte die Beklagte die Leistungserbringung nicht mit Bescheid vom 24. September 2012 ablehnen dürfen, sondern hätte den Leistungsantrag an den zuständigen Träger (hier: Jobcenter) weiterleiten müssen. Dadurch, dass die Weiterleitung nicht erfolgt ist, ist die beklagte Bundesagentur für Arbeit gegenüber der Klägerin im Außenverhältnis für die Leistungserbringung zuständig geworden. Damit hatte die Beklagte gemäß § 14
Abs. 2 Satz 1
SGB IX den Rehabilitationsbedarf unabhängig von der ihr nach
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX zugewiesenen, dem materiellen Recht folgenden Zuständigkeit unverzüglich festzustellen. Zur Überzeugung des Senats gilt dies bei gleichgebliebener Bedarfslage auch noch für die erst ein Jahr später begonnene Ausbildung.
Hierbei kann dahinstehen, ob die Klägerin wegen ihrer grundsätzlichen Leistungsberechtigung nach dem
SGB II aufgrund der Regelung des
§ 22 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung von Leistungen (unmittelbar) nach den §§ 112 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch -
SGB III a.F. ausgeschlossen ist. Denn jedenfalls über die Regelung des § 16
Abs. 1
S. 3
SGB II in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung könnten der Klägerin auch solche Leistungen (nach
§§ 112 ff. SGB III) erbracht werden. Das hierfür grundsätzlich nicht die Beklagte, sondern das Jobcenter zuständig gewesen wäre, ist aufgrund der oben genannten Zuständigkeitsregelung des § 14
SGB IX und der sich danach ergebenden Zuständigkeit der Beklagten als angegangenen Rehabilitationsträger für das vorliegende Verfahren unerheblich.
Das Begehren der Klägerin war von Anfang an auf Übernahme der Ausbildungskosten als Persönliches Budget gerichtet. Die Vorschriften zur Leistungsausführung als Persönliches Budget sind Sonderregelungen zu dem in
§ 9 SGB IX allgemein festgelegten Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten (
vgl. Urteil des Landessozialgerichts (
LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Februar 2013, L 5 R 3442/11, zitiert nach juris). Gemäß
§ 17 Abs. 2 SGB IX können auf Antrag Leistungen zur Teilhabe auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Bei der Ausführung des Persönlichen Budgets sind nach Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs die Rehabilitationsträger, die Pflegekassen und die Integrationsämter beteiligt. Das Persönliche Budget wird bei mehreren beteiligten Leistungsträgern trägerübergreifend als Komplexleistung erbracht. Persönliche Budgets werden nach § 17
Abs. 3 Satz 1
SGB IX in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich. Mit einem Persönlichen Budget sollen Leistungsberechtigte zur Stärkung der Selbstverantwortung eigenständig darüber entscheiden können, welche Hilfen sie von welchem Leistungserbringer in Anspruch nehmen wollen. Damit stellen sich die Vorschriften zur Leistungsausführung als Persönliches Budget - wie oben angeführt - als Sonderregelungen zu dem in
§ 9 SGB IX allgemein festgelegten Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten dar. Budgetfähig sind (u.a.) alle Leistungen zur Teilhabe, also alle Rehabilitationsleistungen im Sinne des
SGB IX (
vgl. § 5 SGB IX).
§ 17
Abs. 2 Satz 1
SGB IX ist nach obigen Ausführungen folglich nicht Anspruchsgrundlage für die Leistung zur Teilhabe selbst. Zuständigkeit und Voraussetzungen richten sich vielmehr nach den allgemeinen Regelungen zur Teilhabe des hierfür zuständigen Leistungsträgers,
vgl. § 7 Satz 2 SGB IX, hier also nach dem
SGB III in Verbindung mit dem
SGB IX.
Aus der Regelungssystematik der §§ 17 und
21a SGB IX (§ 21a
SGB IX in der Fassung durch
Art. 261
Nr. 1 Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. Oktober 2006, BGBl. I 2407) in Verbindung mit
§ 3 und
§ 4 BudgetV (Verordnung zur Durchführung des § 17
Abs. 2 bis 4
SGB IX - Budgetverordnung vom 27. Mai 2004, BGBl. I 1055), folgt die Zukunftsgerichtetheit des Persönlichen Budgets und die strikte Zweckbindung der Geldmittel (
vgl. BSG, Urteil vom 8. März 2016, B 1 KR 19/15 R, zitiert nach juris, Rn. 24). Die Regelungen der BudgetV sind auf alle Arten des Persönlichen Budgets anwendbar (
vgl. § 21a SGB IX;
§§ 1,
2 S. 2 BudgetV). Die Entscheidung des zuständigen Leistungsträgers (Beauftragter;
vgl. § 3
Abs. 1 S 1 BudgetV) über das Persönlichen Budget setzt voraus, dass der individuelle Bedarf des Berechtigten beraten (§ 3
Abs. 3
S. 1 BudgetV), festgestellt (§ 4
Abs. 1
S. 2 N.r 2 BudgetV) und eine zuvor beratene Zielvereinbarung mit dem Berechtigten geschlossen ist (§ 3
Abs. 5
S. 1 BudgetV). Die Zielvereinbarung ist ihrer Natur nach zukunftsgerichtet. Sie sichert die Zielverwirklichung bei Durchführung des Persönlichen Budgets und deren Kontrolle. Hierzu muss sie mindestens Regelungen enthalten über
1. die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele,
2. die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs sowie
3. die Qualitätssicherung (§ 4
Abs. 1 S 2 BudgetV).
Laufende Geldleistungen des Persönlichen Budgets werden monatlich im Voraus ausgezahlt (§ 3
Abs. 5
S. 3 Hs.1 BudgetV). Dieses von der BudgetV vorgegebene Verfahren ist im zugrundeliegenden Fall nicht durchgeführt worden.
Ob die aufgezeigten gesetzlichen Vorgaben jede Rückwirkung eines zu bewilligenden Persönlichen Budgets ausschließen (
vgl. zum Persönlichen Budget s.a. Bundessozialgericht (
BSG), Urteil vom 30. November 2011,
B 11 AL 7/10 R, zitiert nach juris), kann offen bleiben. Jedenfalls besteht kein Anspruch auf Bewilligung eines Persönlichen Budgets für einen vollständig in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Zeitraum. Hierfür kann keine rückwirkende Deckung des tatsächlichen Individualbedarfs mehr stattfinden. Die Rechte des Betroffenen sind auf Kostenfreistellung und Kostenerstattung für erfolgte selbst beschaffte Bedarfsdeckung beschränkt (
vgl. BSG, Urteil vom 8. März 2016, a.a.O., Rn. 25).
Nachdem die hier maßgebliche Ausbildung der Klägerin als Logopädin bereits seit Oktober 2016 abgeschlossen ist, kann sich das Begehren der Klägerin folglich nicht mehr auf Bewilligung eines Persönlichen Budgets richten, sondern nur noch auf Kostenfreistellung und (soweit angefallen) Kostenerstattung.
Rechtsgrundlage für eine eventuelle Kostentragung ist
§ 15 SGB IX.
Nach § 15
Abs. 1 Satz 1
SGB IX teilt der Rehabilitationsträger dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mit, wenn über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der in § 14
Abs. 2
SGB IX genannten Fristen entschieden werden kann. Erfolgt die Mitteilung nicht oder liegt ein zureichender Grund nicht vor, können Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen (
Abs. 1 Satz 2). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet (
Abs. 1 Satz 3). Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (
Abs. 1 Satz 4).
Hiernach besteht eine Erstattungspflicht der Beklagten nach § 15
Abs. 1 Sätze 1 bis 3
SGB IX schon deshalb nicht, weil es seitens der Klägerin an der Setzung einer angemessenen Frist fehlt und auch an der Erklärung, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen werde. Abgestellt auf den Antrag vom 16. Juli 2012 ist eine Fristsetzung im Sinne der genannten Regelungen durch die Klägerin nach den vorliegenden Akten weder erkennbar noch von dieser behauptet.
Auch eine Kostentragung nach § 15
Abs. 1 Satz 4 Fall 1
SGB IX scheidet vorliegend aus. Bei der von der Klägerin absolvierten Ausbildung zur Logopädin handelte es sich nicht um eine unaufschiebbare Sach-
bzw. Dienstleistung im Sinne der genannten Vorschrift. Unaufschiebbare Leistungen liegen vor allem bei Notfällen und in anderen dringlichen Bedarfslagen vor, in denen eine Sachleistung nicht rechtzeitig zur Verfügung steht (
vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19. März 2009,
L 10 R 2684/07, zitiert nach juris). Unaufschiebbarkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn die Leistung sofort, ohne die Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs erbracht werden muss. Nicht rechtzeitig erbracht ist eine Leistung, wenn diese dem Betroffenen, obwohl dieser alles nach den konkreten Umständen Erforderliche, Mögliche und Zumutbare getan hat, um die Leistung auf dem Sachleistungswege zu erhalten, nicht in der der Dringlichkeit angemessenen Zeit erbracht wurde (
vgl. zu der Regelung des
§ 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Noftz in Hauck/Noftz,
SGB V, K § 13 Rz. 49 f. m. w. N.). Ein derartiger Notfall liegt nicht vor.
Ein Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten auf Übernahme der Kosten (in Form der Kostenfreistellung oder Erstattung) für die Ausbildung zur Logopädin ergibt sich aber aus § 15
Abs. 1 Satz 4 Fall 2
SGB IX. Voraussetzung hierfür ist, dass die Beklagte als zuständiger Rehabilitationsträger die Gewährung der Leistung (Ausbildung zur Logopädin in der Medizinischen Akademie B-B) zu Unrecht abgelehnt hat. Das ist zur Überzeugung des Senats der Fall. Die Beklagte hat es mit ihrem Bescheid vom 24. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2012 zu Unrecht abgelehnt, die Ausbildung der Klägerin zur Logopädin als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern.
Gemäß § 112
Abs. 1
SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung können für behinderte Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, soweit Art oder Schwere der Behinderung dies erfordern.
Gemäß § 112
Abs. 2
SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung sind bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Soweit erforderlich, ist auch die berufliche Eignung abzuklären oder eine Arbeitserprobung durchzuführen.
Gemäß § 113
Abs. 1
SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung können für behinderte Menschen erbracht werden
1. allgemeine Leistungen sowie
2. besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und diese ergänzende Leistungen.
Besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden nur erbracht, soweit nicht bereits durch die allgemeinen Leistungen eine Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann
§ 113 Abs. 2 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung).
Die Klägerin ist - wie oben angeführt - ein behinderter Mensch im Sinne der Vorschriften der §§ 112
ff. SGB III in Verbindung mit
§§ 12,
19 Abs. 1 und 2 SGB III und
§ 2 Abs. 1 SGB IX.
Gemäß
§ 114 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung richten sich die allgemeinen und besonderen Leistungen nach den Vorschriften des Zweiten bis Fünften Abschnitts, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.
Gemäß
§ 115 SGB III in der vom 1. April 2012 bis zum 30. April 2015 geltenden Fassung umfassen die allgemeinen Leistungen
1. Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung,
2. Leistungen zur Förderung der Berufsvorbereitung und Berufsausbildung einschließlich der Berufsausbildungsbeihilfe,
3. Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung,
4. Leistungen zur Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit.
Hiernach umfassen die allgemeinen Leistungen nach § 115
Nr. 2
SGB III die Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung im Sinne der
§§ 57 ff. SGB III in der vom 1. April 2012 bis 31. Juli 2013 geltenden Fassung.
Gemäß § 57
Abs. 1
SGB III in v.g. Fassung ist eine Berufsausbildung förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach dem Altenpflegegesetz betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist.
Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin hat die Ausbildung zur Logopädin an der Medizinischen Akademie B-B auf der Grundlage eines Schulausbildungsvertrages unter Bezug von
BAföG erfolgreich abgeschlossen.
Gemäß
§ 117 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung sind die besonderen Leistungen anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung, einschließlich Berufsvorbereitung, sowie blindentechnischer und vergleichbarer spezieller Grundausbildungen zu erbringen, wenn
1. Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an
a) einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen oder
b) einer sonstigen, auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichteten Maßnahme
unerlässlich machen oder
2. die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen.
In besonderen Einrichtungen für behinderte Menschen können auch Aus- und Weiterbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung gefördert werden (§ 117
Abs. 1 Satz 2
SGB III).
Gemäß
§ 118 in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung Leistungen umfassen die besonderen Leistungen
1. das Übergangsgeld,
2. das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3. die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.
Die Leistungen können auf Antrag auch als Teil eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets erbracht werden; § 17 Absatz 2 bis 4 des Neunten Buches in Verbindung mit der Budgetverordnung und § 159 des Neunten Buches gelten entsprechend.
Die Förderung einer schulischen Ausbildung als besondere Leistung ist gemäß § 117
Abs. 1 Satz 2
SGB III damit auch dann möglich, wenn sie nicht in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen stattfindet und soweit die allgemeinen Leistungen nicht ausreichen (
vgl. Bundessozialgericht (
BSG), Urteile vom 27. Januar 2005,
B 7a/7 AL 20/04 R und 17. November 2005,
B 11a AL 23/05 R, beide zitiert nach juris).
Mit den besonderen Leistungen des § 117
SGB III soll gewährleistet werden, dass behinderte Menschen in allen Berufen gefördert werden können, die gute und dauerhafte Beschäftigungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bieten. Insoweit soll eine Förderung der Aus- und Weiterbildung nach § 117
Abs. 1 Satz 2
SGB III auch dann förderungsfähig sein, wenn sie außerhalb des
BBiG und der
HwO erfolgt (Karmanski, in Brand
SGB III, 6. Auflage 2012, § 117 Rn. 10). Damit soll gerade dem Umstand Rechnung getragen werden, dass behinderte Menschen den üblichen Anforderungen der Aus- und Weiterbildung häufig nicht gewachsen sind (Karmanski, a.a.O. § 117 Rn. 10). Das Spektrum der berufsfördernden Leistungen für behinderte Menschen ist weit (darauf weist Luik in Eicher/Schlegel,
SGB III n.F., Stand 7/2016, § 117 Rn. 22 hin). Entscheidend ist, dass dem Grundmodell der beruflichen Rehabilitation, d.h. der gezielten Verbesserung der individuellen beruflichen Fähigkeiten des behinderten Menschen, entsprochen wird (Luik a.a.O., Rn. 22). Die besonderen Leistungen sind daher nicht auf Angebote in bestimmten Einrichtungen oder auf konkrete Lehr- oder Ausbildungsgänge beschränkt (Luik a.a.O., Rn. 22). Auch die Vermittlung von Allgemeinbildung und von Verständigungstechniken, die in berufsbezogener Weise erfolgt, kann als besondere Leistung von der Bundesagentur für Arbeit erbracht werden (Luik a.a.O., Rn. 22 unter Hinweis auf
BSG 26.5.1976, 12/7 RAr 69/74, SozR 4100 § 40 Nr 8 = Breith. 1977,66).
Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 3. April 2017 unter Bezugnahme auf Punkt 5 ihrer Fachlichen Weisungen zu § 117
SGB III"Die Förderung einer schulischen Ausbildung oder eines Studiums ist allerdings nur möglich, wenn für den Menschen mit Behinderung die Teilnahme an dieser Maßnahme wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Sicherung des Rehabilitationserfolges notwendig ist und die Ausbildung
bzw. das Studium notwendiger Weise in einer Reha-Einrichtung nach
§ 35 SGB IX erfolgt."
anführt, die Förderung des Besuchs der Berufsfachschule falle nicht in ihre Zuständigkeit, weil es sich insoweit nicht um eine Reha-Einrichtung im Sinne des § 35
SGB IX handele, so ist darauf hinzuweisen, dass dieses Einrichtungserfordernis nur nach § 117
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGB III besteht. Soweit - wie vorliegend - eine sonstige, auf die besonderen Bedürfnisse der behinderten Klägerin ausgerichtete Maßnahme im Sinne des § 117
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 Buchst. b)
SGB III bzw. § 117
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB III im Streit steht, können diese auch außerhalb solcher besonderen Einrichtungen durchgeführt werden.
§ 117
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 Buchst. b)
SGB III erfasst sonstige Maßnahmen, die zwar nicht in den besonderen Einrichtungen für behinderte Menschen durchgeführt werden, die aber ebenfalls in der Art ihrer Durchführung und ihrer sachlichen und personellen Ausstattung speziell auf die Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichtet sind und so nicht allein für Nichtbehinderte angeboten werden (Luik a.a.O. Rn. 38).
Damit sind auch schulische Ausbildungen außerhalb von besonderen Einrichtungen dann förderungsfähig, wenn der behinderte Mensch nach Eignung und Neigung -
ggf. mit technischen oder sonstigen Hilfen - hierzu in der Lage ist und die entsprechende Ausbildung unerlässlich ist, um eine dauerhafte berufliche Eingliederung zu erreichen (
vgl. BSG, Urteil vom 17. November 2005, a.a.O., Rn. 22,
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Dezember 2013,
L 8 AL 5175/13 ER-B, zitiert nach juris, Rn. 33, 34). Zu berücksichtigen ist, dass sich die Prüfung der Eignung nicht nur auf eine erfolgreiche Teilnahme an der Ausbildung selbst, sondern auch auf die spätere berufliche Betätigung erstrecken muss (
vgl. BSG, Urteil vom 17. November 2005, a.a.O., Rn. 23).
Diese besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zählen nicht zu den Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung. Sie sind vielmehr als Pflichtleistung zu gewähren (Karmanski, a.a.O., § 112 Rn. 3, ebenso 7. Auflage 2015, § 112 Rn. 3).
Maßgeblich ist, ob Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme unerlässlich machen. Denn primäres Ziel der Maßnahmen nach § 117
Abs. 1
SGB III ist die Erlangung der vollen Erwerbsfähigkeit und dadurch die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben auf Dauer (
vgl. Karmanski, a.a.O., § 112 Rn. 23,
s. a. grundlegende Entscheidung des
BSG vom 14. März 1979,
1 RA 43/78, zitiert nach juris, Rn. 21, §§ 4
Abs. 1
Nr. 3, 10
Abs. 1 Satz 2, 33
Abs. 1
SGB IX). Insoweit hatte die Beklagte eine Prognoseentscheidung über die Aussichten zum Erreichen dieses (vorgenannten) Ziels zu treffen. Diese ist zur Überzeugung des Senats nur unzureichend erfolgt. Soweit die Beklagte das (aus ihrer Sicht) voraussichtliche Nichterreichen dieses Ziels einer erfolgreichen Teilnahme und des Abschlusses einer solchen Maßnahme sowie einer dauerhaften beruflichen Eingliederung in den Arbeitsmarkt im Wesentlichen mit der Weigerungshaltung des Berufsförderungswerkes Heidelberg und dem Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Beklagten vom 18. September 2012 begründet, greift das zu kurz. In ihre Erwägungen hat sie zum einen die von der Klägerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 62 AL 6066/12/L 14 AL 313/12 B ER) beigebrachten und insoweit bekannten Unterlagen nicht einbezogen: unter dem 29. Juni 2012 hatte die Schulleitung der Medizinischen Akademie B-B bestätigt, dass die Klägerin in der vom 25. Juni 2012 bis 29. Juni 2012 stattgefundenen Arbeitserprobungswoche gezeigt habe, dass sie für den Beruf der Logopädin in besonderer Weise geeignet sei. In einem Ärztlichen Bericht vom 3. September 2012 bestätigt der Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde
Dr. med. M, dass die Klägerin "trotz der bestehenden Blindheit für den Beruf einer Logopädin geeignet (sei)". Für ihn (
Dr. med. M) sei es gut vorstellbar, dass es zahlreiche Einsatzgebiete im Berufsfeld einer Logopädin gebe, die für erblindete Personen geeignet seien. Zum anderen hat die Beklagte die Möglichkeit technischer Hilfen und die sogenannte Arbeitsassistenz, der für die Eingliederung behinderter Menschen immer größere Bedeutung zukommt, gänzlich unberücksichtigt gelassen. Diese Umstände und der weitere Werdegang der Klägerin bestätigen letztlich, dass die Beklagte ihre Entscheidung aufgrund einer unzureichenden Prognoseentscheidung getroffen hat.
Zur Erlangung der vollen Erwerbsfähigkeit der Klägerin und dadurch ihre Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben auf Dauer war eine ihre konkreten Behinderungen berücksichtigende Ausbildung erforderlich. Eine solche konnte die Klägerin wohl nur in der Medizinischen Akademie in B-B erlangen. Eine Anmeldung bei dem von der für die Klägerin zuständigen Reha-Beraterin ausgesuchten Berufsförderungswerk Heidelberg scheiterte - nach Angaben der Beklagten - von vornherein, da dort die Auffassung vertreten wurde, dass ein blinder Mensch für die Ausbildung zur Logopädin nicht geeignet sei. Das Absehen der Beklagten von weiteren Ermittlungen zur Geeignetheit der Förderung der Ausbildung zur Logopädin (u.a.) aus diesem Grund ist aus Sicht des Senats beurteilungsfehlerhaft. Eine Ausbildung für die bis dahin ohne Ausbildung gebliebene Klägerin in einer ihre sehbedingten Funktionseinschränkungen berücksichtigenden Einrichtung war daher unerlässlich. Die Geeignetheit zur erfolgreichen Absolvierung der Ausbildung zur Logopädin hat die Klägerin - entgegen der Annahme der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden - mit den entsprechenden Leistungen und damit auch ihre Neigung für diesen Beruf schließlich auch unter Beweis gestellt. Denn sie hat diese Ausbildung in der Medizinischen Akademie in B-B (wie dies die Arbeitserprobungswoche im Juni 2012 im Übrigen nahegelegt hat) erfolgreich, d.h. mit sehr gutem Ergebnis im mündlichen, schriftlichen und praktischen Bereich, abgeschlossen, wie das beigebrachte Zeugnis über die staatliche Prüfung für Logopäden vom 13. Oktober 2016 belegt. Die Klägerin hat auch die auf der Grundlage des Gesetzes über den Beruf des Logopäden (LogopG) in der Fassung vom 7. Mai 1980 (BGBl. I
S. 529) erforderliche Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Logopädin erhalten, wie die entsprechende Urkunde vom 14. Oktober 2016 belegt (
vgl. § 1
Abs. 1 LogopG ). Eine Erlaubnis nach § 1
Abs. 1 LogopG wird u.a. (nur) erteilt, wenn der Antragsteller nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist (
vgl. § 2
Abs. 1
Nr. 3 LogopG). Vor dem Hintergrund dessen, dass die Klägerin bereits seit 1. Dezember 2016 beruflich als Logopädin in einer logopädischen Praxis (Inhaberin: Frau B K,
Dr.-F-Str. in S) für 15 Stunden (zwichenzeitlich 19 Stunden) in der Woche ununterbrochen tätig ist (s. Arbeitsvertrag vom 15. November 2016), beweist sie bereits auch insoweit ihre Geeignetheit für diesen Beruf.
Gerade mit weiteren technischen oder sonstigen Hilfen (Screenreader/Braillezeile/Arbeitsassistenz) war es nicht fernliegend anzunehmen, dass die Klägerin gute Aussichten haben würde, die laut Arbeitsplatzbeschreibung zugewiesenen Aufgaben auszuführen und in diesem Beruf auf Dauer tätig zu sein. Eine solche prognostische Einzelbeurteilung hat die Beklagte gar nicht vorgenommen.
Soweit die Beklagte zur Untermauerung einer eingeschränkten Einsatzfähigkeit der Klägerin im weiteren Verlauf des Verfahrens auf § 1 (1)
Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 15. November 2016 verweist, wonach der Arbeitsvertrag nur dann seine Gültigkeit erhält, wenn die behinderungsbedingt notwendigen Rahmenbedingungen für die Angestellte erfüllt sind, insbesondere eine Arbeitsassistenz genehmigt und eingestellt ist, und sie (gemeint ist wohl: die Arbeitgeberin) einen Eingliederungszuschuss durch die Agentur für Arbeit, die Deutsche Rentenversicherung Bund und/oder das Integrationsamt erhält, ist darauf hinzuweisen, dass mit dieser Regelung keinesfalls die Geeignetheit zur eigentlichen Berufsausübung der Logopädie in Frage gestellt werden kann. Diese Rahmenbedingungen betreffen vornehmlich die Arbeitsplatzausstattung, wofür weitere Förderungen im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben (Technische Arbeitshilfen, Arbeitsassistenz,
vgl. § 33 Abs. 8 Nrn. 3,
5 SGB IX) möglich sind. Im Übrigen sind der Klägerin solche Förderungen zwischenzeitlich bereits bewilligt worden.
Soweit die Beklagte grundsätzlich (unter Hinweis auf das Ärztliche Gutachten vom 18. September 2012 und etwaiger Eintragungen im VerBIS im Zusammenhang mit der Entscheidung zum
EGZ-Antrag) die Auffassung vertritt, die Klägerin könne nicht verlangen, zu einem Beruf ausgebildet zu werden
bzw. dass die Beklagte - wie hier - für eine bereits absolvierte Ausbildung, die Ausbildungskosten für einen Beruf übernimmt, in dem sie (wegen der fehlenden Erfassungs- und Beurteilungsfähigkeit visuell wahrnehmbarer Störungssymptome) nur in einem Teil des Berufsfeldes einsatzfähig ist und damit eine dauerhafte berufliche Eingliederung in Frage stellt, ist diese Auffassung nur im Grundsatz zutreffend. Den Besonderheiten des zugrundeliegenden Einzelfalls wird diese Auffassung hingegen nicht gerecht. Zunächst stellt sich schon die Frage, ob die Klägerin tatsächlich nur in Teilbereichen einsatzfähig ist. Schließlich hat sie die Ausbildung zur Logopädin - wie ausgeführt - insbesondere auch im praktischen Bereich mit sehr gutem Ergebnis abgeschlossen mit der Folge, dass sie die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Logopädin auch ohne Beschränkung führen darf. Gerade die sogenannte Arbeitsassistenz (relevant, wenn weder die behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung noch eine vom Arbeitgeber bereitgestellte Unterstützung [z.B. durch Arbeitskollegen] ausreichen), finanziert durch die Bundesagentur für Arbeit oder - wie hier - durch das Integrationsamt, hat an Bedeutung zugenommen und trägt wesentlich dazu bei, Inklusion im Arbeitsleben zu verwirklichen und damit die
UN-Behindertenrechtskonvention zu erfüllen (
vgl. www.integrationsaemter.deWie-viel-Arbeitsassistenz-wird ...). Wie bereits das Wort "Assistenz" zeigt, ist Arbeitsassistenz eine Hilfestellung bei der Arbeitsausführung, nicht aber die Erledigung der vom schwerbehinderten Arbeitnehmer zu erbringenden arbeitsvertraglichen Tätigkeit selbst. Es geht dabei um kontinuierliche, regelmäßig und zeitlich nicht nur wenige Minuten täglich anfallende Unterstützung am konkreten Arbeitsplatz (s.a. www.integrationsaemter.de/Fachlexikon/Arbeitsassistenz). Es liegt auf der Hand, dass vermutlich ohne Arbeitsassistenz viele schwerbehinderte Menschen nicht berufstätig sein könnten, die sich mit entsprechender Unterstützung aber durchaus auf dem ersten Arbeitsmarkt behaupten.
Im Übrigen kann eine Reduktion auf einen Teilbereich beruflicher Beschäftigungsmöglichkeiten (für den Fall, dass ein solcher hier anzunehmen wäre) selbst dann in Betracht kommen, wenn auch für alle übrigen in Frage kommenden (Umschulungs)berufe diese Einschränkung in etwa gleich schwerwiegend ist (
vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1992,
9b RAr 3/91, zitiert nach juris); ansonsten wäre eine Wiedereingliederung gänzlich ausgeschlossen. Davon ist hier auszugehen.
Das
BSG hatte in der v.g. Entscheidung zu beurteilen, ob die dortige Klägerin, die ihren bisherigen Beruf wegen einer zutage getretenen Hautallergie nicht mehr ausüben konnte, Anspruch darauf hat, für einen Beruf umgeschult zu werden, in dem sie wegen der Allergie nicht alle in Betracht kommenden Arbeiten ausführen kann. Das
BSG kam zu der Auffassung, dass der Behinderte nicht verlangen könne, zu einem Beruf umgeschult zu werden, in dem er nur in einem Teil des Berufsfeldes einsatzfähig ist, wenn für andere Berufe eine solche Einschränkung nicht bestehe. In der Entscheidung heißt es:
" ... Die Behinderten sollen mit den erforderlichen Mitteln auf Dauer beruflich eingegliedert werden, indem ihre Erwerbsfähigkeit gebessert oder (wieder)hergestellt wird. Damit ist die volle Erwerbsfähigkeit gemeint, soweit dies irgend erreichbar ist, damit im größtmöglichen Umfang die Eingliederung auf Dauer gesichert wird (vgl
BSG SozR 4100 § 56 Nr 8; grundlegend SozR 2200 § 1237a Nr 6). Die Umschulung (§ 567 Abs 1 Satz 1 Nr 3 RVO) soll den Versicherten nicht nur befähigen, eine konkrete gesundheitsverträgliche Beschäftigung in dem geförderten Beruf zu finden. Mit der Umschulung wird vielmehr das Ziel verfolgt, den Versicherten instand zu setzen, die bei der Umschulung erlernten Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem ganzen Berufsfeld uneingeschränkt zu verwerten, das durch die Umschulung eröffnet wird. Denn nur dann ist der Versicherte auf dem Arbeitsmarkt in ausreichendem Maße wettbewerbsfähig. Einer Reduktion dieses umfassenden Ziels auf einen Teilbereich beruflicher Beschäftigungsmöglichkeiten braucht der Rehabilitationsträger nur zuzustimmen, wenn die Einschränkung für die übrigen in Betracht kommenden Umschulungsberufe in etwa gleich schwerwiegend ist ...
... Gewiss kann das Ziel der uneingeschränkten Wettbewerbsfähigkeit in dem angestrebten Beruf nicht immer erreicht werden. Es mag Fälle geben, in denen kein Berufsfeld vorhanden ist, auf dem alle Beschäftigungen von dem Versicherten risikolos aufgenommen werden könnten."
Letzteres ist hier gerade der Fall. Anders als bei der Klägerin der vorgenannten Entscheidung des
BSG ist für die blinde Klägerin - mit Blick auf ihre Neigung für therapeutische Berufe - kaum ein Berufsfeld denkbar, in dem sie uneingeschränkt tätig sein könnte; auf die Unterstützung anderer Personen und technische Hilfen wird sie immer angewiesen sein. Insoweit gilt es eben gerade die fehlende Erfassungs- und Beurteilungsfähigkeit visuell wahrnehmbarer Störungssymptome durch andere Mechanismen auszugleichen. Dass das gelingen kann, hat die Klägerin mit der (von der Beklagten von Anfang an in Zweifel gezogenen) erfolgreichen Ausbildung bereits unter Beweis gestellt. Schließlich ist sie auch bereits knapp sechs Monate als Logopädin tätig.
Der aus Sicht der Beklagten gegen eine dauerhafte Eingliederung der Klägerin sprechende Umstand, dass eine Behandlung von Patienten mit Hundeangst oder -allergie wegen des erforderlichen Blindenhundes nicht möglich sei, vermag nicht die Annahme der (grundsätzlichen) Geeignetheit der Berufsausübung zu erschüttern. Der weitere angeführte Umstand, es seien der alleinerziehenden Klägerin wegen des betreuungsbedürftigen Kindes Abendtermine für berufstätige Patienten nicht möglich, ist ebenso nicht geeignet, eine nachhaltige Integration der Klägerin in Frage zu stellen. Für die aktuelle Arbeitgeberin hat dieser Umstand (soweit eine abendliche Betreuung überhaupt tatsächlich nicht gewährleistet ist) offensichtlich keine entscheidende Rolle bei der Einstellung gespielt, sei es, weil sie insoweit auf andere Mitarbeiter zurückgreifen kann oder abendliche Termine ohnehin nicht in Betracht kommen. Eine eventuell erforderliche Umstrukturierung der Praxisräume dürfte einer Eingliederung der Klägerin auf Dauer auch nicht grundsätzlich entgegenstehen.
Vor diesem Hintergrund kann
bzw. konnte der Klägerin weder eine Geeignetheit zur Ausbildung des Berufes Logopädin noch zur entsprechenden Berufsausübung grundsätzlich abgesprochen werden.
Nach alledem hat es die Beklagte zu Unrecht abgelehnt, die Ausbildung der Klägerin zur Logopädin an der Medizinischen Akademie in B-B als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern. Die Schulausbildungsgebühren beliefen sich gemäß § 5 des Schulausbildungsvertrages auf 14.364,00 Euro und die Prüfungsgebühr auf 645,00 Euro, sodass der Klägerin diese Kosten (soweit sie bereits angefallen sind) zu erstatten sind. Ansonsten ist die Klägerin von den Kosten freizustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160
Abs. 2
Nr. 1 und 2
SGG nicht vorliegen.