Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -), sie ist jedoch unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 28.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. 01.2005, mit dem die Beklagte den Bescheid vom 11.06.2004 aufgehoben hat, womit dem Kläger auf seinen Antrag vom 07.06.2004 eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Umschulungsmaßnahme des
BFW H. zum staatlich anerkannten Betriebswirt für E-Business für die Dauer von 24 Monaten bewilligt worden war. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten und der Gerichtsbescheid des SG vom 25.07.2005 sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Der Kläger kann mit seinem Berufungsantrag das ursprüngliche Ziel, nämlich die Wiederaufnahme der Umschulungsmaßnahme zwar nicht mehr erreichen. Der angefochtene Verwaltungsakt hat sich durch Zeitablauf erledigt. Der Berufungsantrag kann nach Auffassung des Senats jedoch im Sinne eine Fortsetzungsfeststellungantrages ausgelegt werden. Denn es besteht dafür auch ein berechtigtes Interesse, weil sich die Feststellung einer Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung bei einer in diesem Fall zu erwartenden erneuten Antragstellung auf die Entscheidung der Beklagten auswirken dürfte. Ein vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse ist daher gegeben (
vgl. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer,
SGG, 8. Aufl., § 131
Rdnr.10a
m.w.N.).
Gemäß § 16
SGB VI erbringen die Träger der Rentenversicherung die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33
SGB IX bis § 38
SGB IX. Danach werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit Behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wieder herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern (
§ 33 Abs. 1 SGB IX). Bei der Auswahl der Leistungen werden Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt (§ 33
Abs.4 Satz 1
SGB IX). Der Rentenversicherungsträger bestimmt hierbei im Einzelfall, soweit die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe gemäß §§ 10, 11
SGB VI vorliegen und Ausschlussgründe gemäß § 12
SGB VI fehlen, unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 13
Abs.1 Satz 1
SGB VI).
Der Kläger erfüllte zum Zeitpunkt der Bewilligung der Umschulungsmaßnahme die hierzu erforderlichen Voraussetzungen. Aus damaliger Sicht konnte die infolge gesundheitlicher Umstände gefährdete Erwerbsfähigkeit des Klägers erhalten
bzw. wesentlich gebessert werden. Die von der Beklagten deshalb mit Bescheid vom 11.06.2004 bewilligte Maßnahme war auch durchaus geeignet, das Rehabilitationsziel zu erreichen. Das Ergebnis der durchgeführten Maßnahme zur Arbeitserprobung und Berufsfindung ergab, dass alle Voraussetzungen zur Umschulung für den Beruf des staatlich anerkannten Betriebswirts für E- Bussiness gegeben waren. Die Beklagte stützte sich hierbei auf den Abschlussbericht des
BFW H. vom 13.05.2004. Danach wurde der Kläger für die Umschulungsmaßnahme als geeignet erachtet, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die Ausbildung zum staatlich anerkannten Betriebswirt für E-Bussiness innerhalb reha-spezifischer oder vergleichbarer Rahmenbedingungen durchgeführt werden sollte, um neben eventueller zusätzlicher pädagogischen Hilfen und Übungsmöglichkeiten auch eine psychosoziale Betreuung und die Anbindung an eine Selbsthilfegruppe für Abhängige sicherzustellen
bzw. eventuelle Krisen rechtzeitig aufzufangen und dadurch das Risiko eines erneuten Scheiterns zu minimieren.
Diesen bindenden Verwaltungsakt (§ 77
SGG) hob die Beklagte in Anwendung des § 48
Abs.1 Satz 1
SGB X zu Recht auf, mit der Folge, dass der Bewilligungsbescheid gemäß § 39
Abs.2
SGB X unwirksam wurde. Nach § 48
Abs.1 Satz 1
SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Zwar handelt es sich bei dem Bewilligungsbescheid um keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im herkömmlichen Sinn. § 48
Abs.1
SGB X soll aber alle Verwaltungsakte erfassen, bei denen nachträglich eine wesentliche Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse überhaupt in Betracht kommen könnte (
BSG SozR 1300 § 48
Nr.1).
Die Beklagte und das SG sind zutreffend davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt der Aufhebung der Bewilligung der Umschulungsmaßnahme durch die Beklagte die Voraussetzungen für die gewährte Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht mehr vorlagen. Die Einschätzung der Beklagten, der Kläger könne das beabsichtigte Rehabilitationsziel nicht mehr erreichen, ist nicht zu beanstanden. Das Rehabilitationsziel, also das Erhalten oder das Verbessern der Erwerbsfähigkeit durch eine Umschulungsmaßnahme kann nur erreicht werden, wenn ein Versicherter einerseits bereit, andererseits aber auch objektiv zur Teilnahme an der Ausbildung in der Lage ist. Der Senat unterstellt hierbei, dass die Ausbildungsmotivation des Klägers nach wie vor besteht. Der Kläger hat mehrmals glaubhaft seine Absicht dargelegt, die Umschulungsmaßnahme erfolgreich beenden zu wollen. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwiefern diese Motivation durch den Krankheitsverlauf beeinflusst wurde. Maßgebend ist, dass unter Abwägung aller gegebenen Gesichtspunkte zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten nicht zu erwarten war, dass der Kläger die berufliche Qualifizierungsmaßnahme über einen Zeitraum von 24 Monaten tatsächlich hätte absolvieren können
bzw. in der Lage gewesen wäre, diese Maßnahme erfolgreich abzuschließen. Hierbei ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den bisherigen Verlauf des Verfahrens im Zusammenhang mit der beabsichtigten beruflichen Qualifizierung des Klägers berücksichtigt hat.
Seit Beginn des aufgrund des Antrags vom 15.03.2000 laufenden Reha-Verfahrens waren sämtliche Versuche misslungen, bei dem Kläger eine berufliche Rehabilitation erfolgreich durchzuführen. Aus den ärztlichen Befundberichten ist abzuleiten, dass der Kläger aufgrund der Suchtmittelproblematik und der damit verbundenen psychischen Beeinträchtigung nicht in der Lage war, über einen ausreichenden Zeitraum an einer beruflichen Reha-Maßnahme teilzunehmen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass phasenweise auch eine Stabilisierung der Problemeinsicht und der Abstinenzmotivation zu erkennen war. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Bericht zur medizinischen Rehabilitation in der Zeit vom 11.02.2003 bis 11.06.2003, als sich der Kläger einer Suchttherapie unterzogen hat. Die Beklagte hatte daraufhin erneut mit Bescheid vom 15.10.2003 eine Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung bewilligt, nachdem der Kläger bei dem Beratungsgespräch am 14.10.2003 auf die Konsequenzen bei einem Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten hingewiesen wurde. Auch im Bewilligungsbescheid vom 11.06. 2004 wurde mit Blick auf das Verhalten des Klägers im Zuge des Verwaltungsverfahrens darauf hingewiesen, dass Auffälligkeiten bezüglich eines Suchtmittelmissbrauchs sowie unentschuldigte Fehlzeiten zum sofortigen Abbruch der Leistung führen würden.
Nachdem es bezüglich der Alkoholproblematik zu einem Rückfall kam und der Kläger ab dem 24.09.2004 deshalb stationär behandelt werden musste, handelte die Beklagte mit der Aufhebung der Bewilligung nicht, wie der Kläger meint, unverhältnismäßig.
Der Alkoholrückfall belegte, dass die vorher angenommenen stabilen gesundheitlichen Verhältnisse offenbar nicht mehr vorlagen, so dass die Beklagte davon ausgehen durfte, dass ein erfolgreicher Abschluss der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme nicht mehr zu erreichen war. Unzutreffend ist hierbei die Argumentation des Klägers, die Beklagte sei allein aufgrund dieses Rückfalls nicht zu einem Abbruch der Maßnahme berechtigt gewesen. Vielmehr berücksichtigte die Beklagte erkennbar den bisherigen Krankheitsverlauf. Gerade die wiederholt vorgetragenen Besserungsabsichten des Klägers entkräften diese Beurteilung nicht. Die erforderliche psychische Stabilität für einen erfolgreichen Abschluss einer Umschulungsmaßnahme über zwei Jahre lag bei dem Kläger zum Zeitpunkt des Abbruchs der Maßnahme nicht (mehr) vor. Auch aufgrund der Fehlzeiten durch die ärztlichen Behandlungen konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, der Kläger sei in der Lage, den Unterrichtsstoff nachzuholen.
Im Übrigen hat sich auch später gezeigt, dass sich der gesundheitliche Zustand des Klägers nicht wesentlich verbesserte. Die Psychotherapeutin
Dr. L. stellte die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung mittelgradiger Episode und beschrieb eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus. Der Hausarzt des Klägers
Dr. M. wies auf ein stark wechselndes psychisches Befinden hin und führte aus, es sei insgesamt weder eine Stabilisierung noch eine Besserung eingetreten. Und ab Oktober 2006 befand sich der Kläger bis auf Weiteres stationär im Bezirkskrankenhaus K ...
Unter Berücksichtigung dieser Umstände hätte sich die Beklagte bei Fortsetzung der Umschulungsmaßnahme im Grunde gesetzeswidrig verhalten. Denn sofern der eine Maßnahme zur Rehabilitation rechtfertigende Zweck nicht mehr zu erreichen ist, würde der Versicherungsträger bei Fortführung der Maßnahme die Mittel der Solidargemeinschaft unter Verstoß gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 13
Abs.1
SGB VI) rechtswidrig verwenden.
Unzutreffend ist allerdings die Auffassung des SG, die Beklagte habe in der angefochtenen Entscheidung ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Zwar obliegt gemäß § 13
Abs.1
SGB VI die Bestimmung, u.a. der Dauer einer Maßnahme zur Teilhabe allein dem Versicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen. Dies betrifft jedoch nur die Entscheidung über die Bewilligung, nicht jedoch die Entscheidung über den vorzeitigen Abbruch einer Maßnahme. Die Entscheidung über die Beendigung der Umschulungsmaßnahme betraf hier nicht die Art und Weise der Durchführung, sondern die Maßnahme als solche. Die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Abbruch der Maßnahme vorliegen, beantwortet sich danach, ob, wie hier, eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48
Abs.1 Satz 1
SGB X vorliegt. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Beklagten steht also insoweit kein Ermessensspielraum zu, so dass die Entscheidung auch gerichtlich voll überprüfbar ist.
Unzulänglichkeiten oder Fehler in der Begründung eines wie hier vorliegenden gebundenen Verwaltungsakts führen aber nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung. Eine entscheidende Auswirkung kann einer fehlerhaften Begründung eines Verwaltungsakts bei Ermessensentscheidungen zukommen, welche aber hier nicht gegeben ist (
vgl. von Wulffen/Engelmann,
SGB X, § 38
Rdnr. 18
m.w.N.). Die irrige Auffassung, es handele sich bei einem Verwaltungsakt anstatt einer Ermessensentscheidung um eine gebundene Entscheidung, führt regelmäßig zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung. Dies gilt jedoch nicht im umgekehrten Fall, denn hierbei ist lediglich von einer fehlerhaften Begründung auszugehen.
Im Übrigen sind Verfahrensfehler nicht erkennbar, insbesondere wurde eine Anhörung gemäß § 24
Abs.1
SGB X mit Schreiben vom 05.10.2004 ordnungsgemäß durchgeführt. Die Beklagte hat somit zu Recht mit Aufhebungsbescheid vom 28.10.2004 den Bewilligungsbescheid mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 25.07.2005 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193
SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seiner Klage auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision gemäß § 160
Abs.2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.