Urteil
Aufhebung einer zuvor bewilligten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben

Gericht:

LSG Bayern


Aktenzeichen:

L 1 R 604/05


Urteil vom:

28.03.2007


Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 25. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte zu Recht eine bewilligte Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben aufgehoben hat.

Der 1972 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben von September 1990 bis Dezember 1993 den Beruf des Siebdruckers erlernt und ab Januar 1994 bis August 2000 als Siebdrucker und Werbetechniker gearbeitet. Vom 11.02.2003 bis 11.06.2003 bewilligte die Beklagte eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Im Entlassungsbericht sind die Diagnosen Alkoholabhängigkeit, schädlicher Gebrauch von Cannabinoiden, schädlicher Gebrauch von Sedativa und ein Verdacht auf narzisstische Persönlichkeitsstörung genannt.

Am 15.03.2000 stellte der Kläger wegen einer Gesundheitsstörung im Bereich der rechten Schulter ( habituelle Schulterluxation mit nachfolgenden Operationen) einen Antrag auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation. Dem daraufhin eingeholten Gutachten der Dipl.-Psych. B. vom 12.04.2000 ist zu entnehmen, der Kläger sei für eine Umschulung geeignet. Zu einem Termin am 20.03.2001 mit dem Fachberater und der Arbeitsverwaltung ist der Kläger unentschuldigt nicht erschienen. Nach einem Hinweis der Beklagten auf die Mitwirkungspflichten und ausbleibender Reaktion des Klägers, erließ die Beklagte den Versagungsbescheid vom 11.04.2001.

Am 17.05.2001 entschuldigte sich der Kläger wegen des versäumten Termins. Bei der nachfolgenden Gremiumsberatung wies der Kläger auf familiäre und private Probleme hin, die ausgeräumt seien. Er sei an einem kaufmännischen Beruf interessiert, nach Möglichkeit in der Werbebranche. Nach einem daraufhin veranlassten Assessment-Center, bei dem sehr gute Voraussetzungen für eine Umschulung des Klägers zum IT-Systemkaufmann bestätigt wurden, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 23.08.2001 eine entsprechende Umschulungsmaßnahme vom August 2001 bis Juli 2003 im Bildungszentrum D. & Partner GmbH. Am 05.11.2001 teilte der Bildungsträger der Beklagten mit, der Kläger fehle seit 15.10.2001. Dieser habe sich krank gemeldet, aber keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Er sei telefonisch nicht zu erreichen. Die Mobilbox sei mehrfach besprochen worden. Daraufhin erfolgte eine Anhörung des Klägers bezüglich eines eventuellen Abbruchs der Umschulungsmaßnahme. Mit Schreiben vom 13.11.2001 unterrichtete das Zentrum für Psychiatrie W. die Beklagte, der Kläger befinde sich dort seit dem 09.11.2001 in stationärer Behandlung. Der Kläger selbst teilte aus dem Zentrum für Psychiatrie W. mit, er sei am 15.10.2001 nicht mehr in der Lage gewesen, den Unterrichtsbesuch fortzusetzen. Ab 22.10.2001 habe er sich in ärztliche Behandlung begeben.

Mit Bescheid vom 23.11.2001 hob die Beklagte die mit Bescheid vom 23.08.2001 bewilligte Umschulungsmaßnahme auf und bat den Kläger, sich zu melden, sobald er in der Lage sei, die Maßnahme fortzusetzen. Nach der Behandlung im Zentrum für Psychiatrie W. bis 04.12.2001 fand am 22.01.2002 mit dem Kläger ein erneutes Beratungsgespräch statt. Hierbei wies er darauf hin, dass er nach wie vor an einer beruflichen Qualifizierung interessiert sei, er wisse aber nicht, ob der IT- Systemkaufmann wirklich seinen Interessen entspreche.

Die Beklagte gewährte daraufhin mit Bescheid vom 23.01.2002 eine Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung im Berufsförderwerk (BFW) H ... Nachdem der Kläger auf zwei Anfragen um Auskünfte mit Schweigepflichtentbindungen nicht antwortete, wies die Beklagte erneut auf die Mitwirkungspflichten hin. Dieses Schreiben konnte unter der Anschrift des Klägers nicht zugestellt werden. Eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt blieb erfolglos. Auf telefonische Anfrage teilte der Kläger mit, er habe wieder große psychische und private Probleme, er wolle aber bei der Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung teilnehmen. Er wurde darauf hingewiesen, dass die Bewilligung aufgehoben würde, sollte er die Unterlagen nicht nachreichen. Nachdem er einen Maßnahmetermin im BFW H. nicht wahrgenommen hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 22. 10.2002 den Bewilligungsbescheid zur Berufsfindung und Arbeitserprobung vom 23.01.2002 auf.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Er sei aufgrund der psychischen Verfassung nicht in der Lage gewesen, an der Maßnahme teilzunehmen. Er befinde sich zur Zeit in stationärer Behandlung. Mit Bescheid vom 19.12.2002 nahm daraufhin die Beklagte den Aufhebungsbescheid vom 22.10.2002 zurück und bat den Kläger, sich zu melden, sobald er wieder belastbar sei, um die Maßnahme antreten zu können.

Mit Schreiben vom 08.04.2003 teilte der Kläger mit, er wolle sowohl persönlich, als auch beruflich neu beginnen. An der Umschulung wolle er auf jeden Fall festhalten. Die Therapie dauere voraussichtlich bis Juni 2003. Er würde gerne im Herbst des Jahres 2003 an einer Umschulung teilnehmen. Im Rahmen eines weiteren Beratungsgesprächs wurde daraufhin vereinbart, die Arbeitserprobung und Berufsfindungsmaßnahme nochmals zu bewilligen. Nach dreimaliger Erinnerung des BFW H. wegen erforderlicher Auskünfte und der Schweigepflichtentbindungen bewilligte die Beklagte erneut eine Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung vom 16.02.2004 bis 26.03. 2004.

Dem Bericht des BFW H. aufgrund der Berufsfindungs- und Arbeitserprobungsmaßnahme ist zu entnehmen, bei dem Kläger würden im kaufmännischen Bereich Weiterbildungen wie z.B. Veranstaltungskaufmann und Industriekaufmann in Betracht kommen, ferner die Fachschulausbildung zum staatlich anerkannten Betriebswirt für E-Bussiness, sofern diese innerhalb reha-spezifischer oder vergleichbarer Rahmenbedingungen durchgeführt werden könne, um neben eventueller zusätzlicher pädagogischer Hilfen und Übungsmöglichkeiten auch eine psychosoziale Betreuung und Anbindung an eine Selbsthilfegruppe für Abhängige sicherzustellen bzw. eventuelle Krisen rechtzeitig aufzufangen und dadurch das Risiko eines erneuten Scheiterns zu minimieren. Der Kläger zeige grundsätzlich eine gute Arbeitshaltung im Sinne von Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Leistungsbereitschaft und er habe sich im Verlauf der Berufsfindung kontinuierlich steigern können. Er benötige Zeit zur Eingewöhnung, Struktur und Hilfestellung bei auftauchenden Problemen, die sich teilweise aus der Vorgeschichte ergeben würden. Der letzte Alkoholrückfall sei im Januar 2004 gewesen.

Mit Bescheid vom 11.06.2004 bewilligte die Beklagte die Weiterbildung zum staatlich anerkannten Betriebswirt für E-Bussines mit einer Ausbildungsdauer von voraussichtlich 24 Monaten im BFW H ... Dabei wies sie darauf hin, dass Auffälligkeiten bezüglich eines Suchtmittelmissbrauchs sowie unentschuldigte Fehlzeiten zum sofortigen Abbruch der Leistung führen würden. Vorgesehen war ein stationärer beruflicher Reha-Vorbereitungslehrgang vom 14.06.2004 bis 06.10.2004 mit anschließender Ausbildung zum staatlich anerkannten Betriebswirt für E-Bussiness bis zum 04.10.2006.

Mit Schreiben vom 30.09.2004 teilte das BFW H. mit, dass es bei dem Kläger zu einem Rückfall bezüglich der Alkoholproblematik gekommen sei, der eine stationäre Behandlung ab dem 24.09.2004 erfordert habe. Als Begründung für den Rückfall habe er eine depressive Erlebnisreaktion mit Nervenzusammenbruch nach einem Todesfall im privaten Umfeld angegeben. Die vom Kläger erbrachten Leistungen würden dem Durchschnitt der Gruppe entsprechen. Insofern könne eine Übernahme in die Umschulung befürwortet werden. Unklar bleibe die Prognose hinsichtlich der Alkoholproblematik. Der Kläger würde versichern, die Ausbildung ohne Rückfälle durchlaufen zu wollen. Vorgeschlagen werde, einen Versuch zuzulassen. Das erste Semester sei ohnehin ein Probesemester, das erfolgreich absolviert werden müsse.

Mit Anhörungsschreiben vom 05.10.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie könne die Bewilligung vom 11.06.2004 nicht mehr aufrecht erhalten. Der Kläger sei eindringlich darauf hingewiesen worden, Auffälligkeiten bezüglich eines Suchtmittelmissbrauchs würden zum sofortigen Leistungsabbruch führen. Mit Schreiben vom 10.10.2004 führte der Kläger aus, es sei ihm sehr daran gelegen, dass es nicht zu einer Rücknahme der Bewilligung komme. Ein Vorfall in seinem nahen persönlichen Umfeld habe wieder dazu geführt, Alkohol zu konsumieren. Durch den Konsum von Alkohol habe sich die Depression nur verstärkt. Aufgrund der psychischen Vorerkrankung sei er jetzt wieder auf ein verträgliches Medikament eingestellt, mit dem einzigen Ziel, die Ausbildung erfolgreich zu beenden. Dem nervenärztlichen Attest des Dr. H. (BFW H.) vom 19.10.2004 ist zu entnehmen, es sei im Kontext eines Todesfalls im engsten Bekanntenkreis Mitte September 2004 zu einem heftigen, aber kurzzeitigen Alkoholrückfall gekommen. Um die Abstinenzfähigkeit zu festigen, habe sich der Kläger um Kontakt bei einer Suchtberatungsstelle sowie um einen Psychotherapieplatz bemüht. Auch die nervenärztliche Anbindung habe er aufrecht erhalten wollen, insbesondere auch zur medikamentösen Mitbehandlung depressiver Verstimmungen. Er habe sich auch in der Rückfallphase krankheitseinsichtig und konstruktiv bemüht, umgehend alles zu unternehmen, um so schnell wie möglich wieder stabile Abstinenz zu erreichen. Es sei vertretbar und zu empfehlen, die Möglichkeit zu geben, in einer Probezeit von drei Monaten die Ausbildungsfähigkeit nachzuweisen.

Mit Bescheid vom 28.10.2004 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 11.06.2004 auf und führte zur Begründung aus, der Kläger sei darauf hingewiesen worden, bei Auffälligkeiten bezüglich eines Suchtmittelmissbrauchs werde die Aufhebung der Kostenzusage erfolgen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Die Entscheidung sei unverhältnismäßig und im Hinblick auf seine berufliche Existenz nicht nachvollziehbar. Es sei zu berücksichtigen, dass der Rückfall durch den Todesfall bedingt gewesen sei und eine weitere Wiederholungsgefahr durch die durchgeführte ärztliche Behandlung auszuschließen sei. Auf Antrag des Klägers ordnete das Sozialgericht Augsburg (SG) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den angefochtenen Bescheid an, worauf der Kläger zunächst wieder in die Maßnahme aufgenommen wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Grund für die Aufhebung der bewilligten Umschulung sei ein Suchtmittelmissbrauch während der vom 14.06.2004 bis zum 06.10.2004 durchgeführten Reha-Vorbereitung gewesen. Der Kläger sei im Bescheid vom 11.06.2004 darauf hingewiesen worden, dass Auffälligkeiten bezüglich eines Suchtmittelmissbrauchs zum sofortigen Maßnahmeabbruch führen würden, so dass sich der Kläger über die Konsequenzen hätte bewusst sein müssen. Es seien die Aspekte, die für eine Fortführung der Maßnahme sprechen würden, den Argumenten, die dagegen sprechen, gegenüber gestellt, gewichtet und abgewogen worden. Für die Durchführung der Maßnahme habe gesprochen, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen eine berufsfördernde Rehabilitation benötige, die es ermöglichen würde, dauerhaft in das Erwerbsleben eingegliedert zu werden. Die Einsicht in die Suchtproblematik könne zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Aus Sicht der Solidargemeinschaft könne nicht akzeptiert werden, dass der Kläger in seinem Alter bereits Erwerbsminderungsrentner würde. Demgegenüber müsse gesehen werden, dass das Verfahren bereits seit 15.03. 2000 laufe. Es sei eine Umschulung zum IT-Systemkaufmann bewilligt worden, die aufgrund eines stationären Krankenhausaufenthalts wegen Alkoholmissbrauchs abgebrochen worden sei. Eine daraufhin bewilligte Berufsfindung und Arbeitserprobung habe er mehrfach unentschuldigt nicht angetreten. Er habe mehrfach versichert, sich der Suchtproblematik zu stellen. Die wiederholten Rückfälle müssten dazu führen, dass die Entscheidung hinsichtlich der Art der beruflichen Reha-Maßnahme hinterfragt werde. In den letzten vier Jahren seien wiederholt Maßnahmen bewilligt worden, weil der Motivation und Einsichtsfähigkeit in Bezug auf den Suchtmittelmissbrauch Glauben geschenkt worden sei. Im Juli 2004 habe er wiederum um eine letzte Chance gebeten, wobei die gewünschte Maßnahme mit dem aus-drücklichen Hinweis auf die Konsequenzen eines eventuellen Fehlverhaltens bewilligt worden sei. Nachdem es erneut zu einem Rückfall gekommen sei, sei er auch vor dem Hintergrund des bereits mehrjährigen Verfahrensverlaufs nicht für ausreichend belastbar zu halten, um eine zweijährige Umschulungsmaßnahme tatsächlich erfolgreich zu durchlaufen. Diese Einschätzung werde auch dadurch bestätigt, dass es trotz der begleitenden Hilfen des BFW zu einem neuerlichen Suchtmittelmissbrauch gekommen sei.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage zum SG erhoben. Die Entscheidung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Verlust des Arbeitsplatzes, die Beendigung einer langen partnerschaftlichen Beziehung und auch der Verlust der Fahrerlaubnis hätten zu zunehmender Depression geführt. Er habe sich immer mehr aus dem sozialen Umfeld zurückgezogen und begonnen, übermäßig Alkohol zu konsumieren. Er habe letztlich seine neu begonnene Umschulung abbrechen müssen. Ohne Angstzustände und Schweißausbrüche habe er seine Wohnung nicht mehr verlassen können. Um dem abzuhelfen, habe er sich in ärztliche Behandlung begeben und sei im November 2000 das erste Mal stationär zur Behandlung der Depression aufgenommen worden. Danach hätten sich keine neuen Perspektiven dargestellt. Er habe etwa ein Jahr isoliert und antriebslos bei zu viel Alkoholkonsum zu Hause verbracht. Die vom Arzt verordneten Medikamente gegen Schmerzen und Schlafstörungen hätten sich in Verbindung mit dem Alkoholkonsum weiter schädigend ausgewirkt. Bei einer viermonatigen stationären Suchttherapie Anfang 2003 habe er Strategien entwickeln können, um das weitere Leben ohne Alkoholkonsum zu gestalten. Die bewilligte Umschulungsmaßnahme habe ihm eine Zukunftsaussicht eröffnet, wieder ein geregeltes Leben führen zu können. Der einmalige Rückfall rechtfertige die Entscheidung der Beklagten nicht. Das BFW H. habe ihm ein positives Leistungsbild bescheinigt und die Übernahme in die Umschulung befürwortet. Der Kläger legte Entlassungsmitteilungen des Klinikums am W. , eine Arbeitsbescheinigung der Firma W. Display GmbH & Co. KG vom 11.10.2000, Zeugnisse der Firma S. GmbH vom 30.12.1993, der Firma B. Werbetechnik vom 15.11.1999, der Firma M. Werbetechnik vom 30.03.2000, eine Stellungnahme der Bundeswehr vom 17.04.1996 und ein Schreiben der Firma K. Beschriftungen GmbH vom 30.03.1995 vor.

Das SG zog Befundberichte des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. M. vom 06.05.2005 sowie der Ärztin für Psychiatrie Dr. L. vom 31.05.2005 bei. Die Beklagte legte eine Stellungnahme des Facharztes für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. G. vom 23.06.2005 vor. Dr. M. führte für den Zeitraum vom 10.02.2004 bis 26.04.2005 aus, der Kläger leide unter psychischen Beschwerden. Er diagnostizierte eine Borderline- Persönlichkeitsstörung, Schlafstörungen und Depressionen. Der Schwerpunkt der Gesundheitsstörungen sei derzeit psychiatrischer Art. Das psychische Befinden sei stark wechselnd. Insgesamt bestehe keine Stabilisierung oder Besserung. Dr. L. hatte eine rezidivierende depressive Störung mit jetzt mittelgradiger Episode diagnostiziert, eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus sowie eine Alkoholabhängigkeit, seit Anfang 2004 glaubhaft abstinent. Der Schwerpunkt der Gesundheits- bzw. Funktionsstörungen des Klägers liege im psychiatrischen und psychotherapeutischen Bereich. Es sei im Sommer 2004 zu einer deutlichen Stabilisierung der psychischen Symptomatik gekommen. Bei Beginn der Umschulungsmaßnahme Ende 2004 habe eine stabile psychische Stimmungslage vorgelegen. Er sei anhaltend abstinent gewesen, insgesamt aktiver geworden und er habe realistische Zukunftsperspektiven entwickelt. Die Symptomatik der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung sei deutlich in den Hintergrund getreten. Dr. G. führte aus, der Krankheitsverlauf sei durch das Vorliegen einer Borderline-Störung gekennzeichnet. Mit dieser Persönlichkeitsstörung seien häufig Suchtprobleme verbunden. Es bestehe eine deutliche Instabilität bei der Gestaltung einer kontrollierten Emotionalität und den Beziehungen zum sozialen Umfeld. Die wiederkehrenden Alkoholrückfälle und der Beigebrauch von Canabis und Medikamenten würden auf die Schwere der Suchtproblematik hindeuten. Es bestünden begründete Zweifel, dass der Kläger dem Anspruch für das Umschulungsziel einer zweijährigen Maßnahme gewachsen sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 25.07.2005 wies das SG die Klage ab und führte aus, zwar sei der Bescheid vom 28.10.2004 fehlerhaft, denn es sei nicht zu erkennen, auf welche Rechtsvorschriften sich die Beklagte bei der Entscheidung berufe. Die Fehlerhaftigkeit werde jedoch durch den Widerspruchsbescheid geheilt. Dieser sei zwar, soweit er sich auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) stütze, selbst fehlerhaft.

Er könne jedoch umgedeutet werden. Die Beklagte habe die notwendigen Ermessenserwägungen angestellt. Sie habe im Bescheid vom 11.06.2004 den Widerruf der bewilligten Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben für den Fall vorbehalten, dass bis zum planmäßigen Ende der Leistung Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art eintreten, die die Durchführung der Leistung als nicht oder nicht mehr angezeigt erscheinen ließen, wenn nämlich aus leistungsmäßigen oder gesundheitlichen Gründen ein erfolgreicher Abschluss der Leistung nicht mehr zu erwarten sei. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt, weil der Kläger erneut rückfällig geworden sei und sich wegen Alkoholismus in einen stationären Aufenthalt habe begeben müssen. Angesichts der Vorgeschichte sei es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte einen erfolgreichen Abschluss der Teilhabeleistung nicht mehr erwartet habe. Zu beachten seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass im Anschluss an den ab 24.04.2004 laufenden stationären Aufenthalt hinreichend stabile Verhältnisse vorliegen würden. Auch wenn das den Rückfall vom September 2004 auslösende Ereignis für sich genommen einmalig gewesen sei, verfüge der Kläger seit März 2000 nicht über die zum erfolgreichen Abschluss einer beruflichen Teilhabeleistung notwendige psychische Stabilität.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung eingelegt und ausgeführt, er sei der Meinung, die Entscheidung des SG sei weder verhältnismäßig noch gerecht. Die Umschulung bedeute für ihn die einzige Möglichkeit, beruflich wieder auf die Beine zu kommen und so in der Folge auch wieder Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen.

Zu einem Erörterungstermin am 02.12.2005 ist der Kläger unentschuldigt nicht erschienen. Am 03.03.2006 teilte er mit, er befinde sich stationär in Behandlung. Er könne sich nicht erinnern, ein Schreiben erhalten zu haben. Zu einem weiteren Erörterungstermin am 31.03.2006 ist er ebenfalls nicht erschienen, nachdem er sich am selben Tag telefonisch wegen Krankheit entschuldigt hatte. Für einen Erörterungstermin am 30.08.2006 entschuldigte er sich und legte eine ärztliche Bescheinigung des Bezirkskrankenhauses K. vor, nach der er sich vom 24.07.2006 bis 31.07.2006 in stationärer Behandlung befand und er sich seit 08.08.2006 bis auf Weiteres wieder in stationärer Behandlung befindet. Zu dem für den 25.10.2006 angesetzten Erörterungstermin entschuldigte er sich wiederum. Er befinde sich bis auf Weiteres im Bezirkskrankenhaus K ... Nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, der letzte telefonische Kontakt mit seinem Mandanten sei am 28.03.2007 gewesen. Die aktuelle Anschrift des Klägers sei ihm trotz intensiver Recherchen beim Einwohnermeldeamt nicht bekannt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 25.07.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 28. 10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm weiterhin eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Weiterbildung zum Staatlich anerkannten Betriebswirt für E-Business im Berufsförderungswerk H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, des SG, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Rechtsweg:

SG Augsburg Gerichtsbescheid vom 25.07.2005 - S 3 R 78/05

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), sie ist jedoch unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 28.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. 01.2005, mit dem die Beklagte den Bescheid vom 11.06.2004 aufgehoben hat, womit dem Kläger auf seinen Antrag vom 07.06.2004 eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Umschulungsmaßnahme des BFW H. zum staatlich anerkannten Betriebswirt für E-Business für die Dauer von 24 Monaten bewilligt worden war. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten und der Gerichtsbescheid des SG vom 25.07.2005 sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der Kläger kann mit seinem Berufungsantrag das ursprüngliche Ziel, nämlich die Wiederaufnahme der Umschulungsmaßnahme zwar nicht mehr erreichen. Der angefochtene Verwaltungsakt hat sich durch Zeitablauf erledigt. Der Berufungsantrag kann nach Auffassung des Senats jedoch im Sinne eine Fortsetzungsfeststellungantrages ausgelegt werden. Denn es besteht dafür auch ein berechtigtes Interesse, weil sich die Feststellung einer Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung bei einer in diesem Fall zu erwartenden erneuten Antragstellung auf die Entscheidung der Beklagten auswirken dürfte. Ein vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse ist daher gegeben (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 131 Rdnr.10a m.w.N.).

Gemäß § 16 SGB VI erbringen die Träger der Rentenversicherung die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 SGB IX bis § 38 SGB IX. Danach werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit Behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wieder herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern (§ 33 Abs. 1 SGB IX). Bei der Auswahl der Leistungen werden Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt (§ 33 Abs.4 Satz 1 SGB IX). Der Rentenversicherungsträger bestimmt hierbei im Einzelfall, soweit die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe gemäß §§ 10, 11 SGB VI vorliegen und Ausschlussgründe gemäß § 12 SGB VI fehlen, unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 13 Abs.1 Satz 1 SGB VI).

Der Kläger erfüllte zum Zeitpunkt der Bewilligung der Umschulungsmaßnahme die hierzu erforderlichen Voraussetzungen. Aus damaliger Sicht konnte die infolge gesundheitlicher Umstände gefährdete Erwerbsfähigkeit des Klägers erhalten bzw. wesentlich gebessert werden. Die von der Beklagten deshalb mit Bescheid vom 11.06.2004 bewilligte Maßnahme war auch durchaus geeignet, das Rehabilitationsziel zu erreichen. Das Ergebnis der durchgeführten Maßnahme zur Arbeitserprobung und Berufsfindung ergab, dass alle Voraussetzungen zur Umschulung für den Beruf des staatlich anerkannten Betriebswirts für E- Bussiness gegeben waren. Die Beklagte stützte sich hierbei auf den Abschlussbericht des BFW H. vom 13.05.2004. Danach wurde der Kläger für die Umschulungsmaßnahme als geeignet erachtet, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die Ausbildung zum staatlich anerkannten Betriebswirt für E-Bussiness innerhalb reha-spezifischer oder vergleichbarer Rahmenbedingungen durchgeführt werden sollte, um neben eventueller zusätzlicher pädagogischen Hilfen und Übungsmöglichkeiten auch eine psychosoziale Betreuung und die Anbindung an eine Selbsthilfegruppe für Abhängige sicherzustellen bzw. eventuelle Krisen rechtzeitig aufzufangen und dadurch das Risiko eines erneuten Scheiterns zu minimieren.

Diesen bindenden Verwaltungsakt (§ 77 SGG) hob die Beklagte in Anwendung des § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X zu Recht auf, mit der Folge, dass der Bewilligungsbescheid gemäß § 39 Abs.2 SGB X unwirksam wurde. Nach § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Zwar handelt es sich bei dem Bewilligungsbescheid um keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im herkömmlichen Sinn. § 48 Abs.1 SGB X soll aber alle Verwaltungsakte erfassen, bei denen nachträglich eine wesentliche Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse überhaupt in Betracht kommen könnte (BSG SozR 1300 § 48 Nr.1).

Die Beklagte und das SG sind zutreffend davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt der Aufhebung der Bewilligung der Umschulungsmaßnahme durch die Beklagte die Voraussetzungen für die gewährte Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht mehr vorlagen. Die Einschätzung der Beklagten, der Kläger könne das beabsichtigte Rehabilitationsziel nicht mehr erreichen, ist nicht zu beanstanden. Das Rehabilitationsziel, also das Erhalten oder das Verbessern der Erwerbsfähigkeit durch eine Umschulungsmaßnahme kann nur erreicht werden, wenn ein Versicherter einerseits bereit, andererseits aber auch objektiv zur Teilnahme an der Ausbildung in der Lage ist. Der Senat unterstellt hierbei, dass die Ausbildungsmotivation des Klägers nach wie vor besteht. Der Kläger hat mehrmals glaubhaft seine Absicht dargelegt, die Umschulungsmaßnahme erfolgreich beenden zu wollen. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwiefern diese Motivation durch den Krankheitsverlauf beeinflusst wurde. Maßgebend ist, dass unter Abwägung aller gegebenen Gesichtspunkte zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten nicht zu erwarten war, dass der Kläger die berufliche Qualifizierungsmaßnahme über einen Zeitraum von 24 Monaten tatsächlich hätte absolvieren können bzw. in der Lage gewesen wäre, diese Maßnahme erfolgreich abzuschließen. Hierbei ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den bisherigen Verlauf des Verfahrens im Zusammenhang mit der beabsichtigten beruflichen Qualifizierung des Klägers berücksichtigt hat.

Seit Beginn des aufgrund des Antrags vom 15.03.2000 laufenden Reha-Verfahrens waren sämtliche Versuche misslungen, bei dem Kläger eine berufliche Rehabilitation erfolgreich durchzuführen. Aus den ärztlichen Befundberichten ist abzuleiten, dass der Kläger aufgrund der Suchtmittelproblematik und der damit verbundenen psychischen Beeinträchtigung nicht in der Lage war, über einen ausreichenden Zeitraum an einer beruflichen Reha-Maßnahme teilzunehmen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass phasenweise auch eine Stabilisierung der Problemeinsicht und der Abstinenzmotivation zu erkennen war. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Bericht zur medizinischen Rehabilitation in der Zeit vom 11.02.2003 bis 11.06.2003, als sich der Kläger einer Suchttherapie unterzogen hat. Die Beklagte hatte daraufhin erneut mit Bescheid vom 15.10.2003 eine Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung bewilligt, nachdem der Kläger bei dem Beratungsgespräch am 14.10.2003 auf die Konsequenzen bei einem Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten hingewiesen wurde. Auch im Bewilligungsbescheid vom 11.06. 2004 wurde mit Blick auf das Verhalten des Klägers im Zuge des Verwaltungsverfahrens darauf hingewiesen, dass Auffälligkeiten bezüglich eines Suchtmittelmissbrauchs sowie unentschuldigte Fehlzeiten zum sofortigen Abbruch der Leistung führen würden.

Nachdem es bezüglich der Alkoholproblematik zu einem Rückfall kam und der Kläger ab dem 24.09.2004 deshalb stationär behandelt werden musste, handelte die Beklagte mit der Aufhebung der Bewilligung nicht, wie der Kläger meint, unverhältnismäßig.
Der Alkoholrückfall belegte, dass die vorher angenommenen stabilen gesundheitlichen Verhältnisse offenbar nicht mehr vorlagen, so dass die Beklagte davon ausgehen durfte, dass ein erfolgreicher Abschluss der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme nicht mehr zu erreichen war. Unzutreffend ist hierbei die Argumentation des Klägers, die Beklagte sei allein aufgrund dieses Rückfalls nicht zu einem Abbruch der Maßnahme berechtigt gewesen. Vielmehr berücksichtigte die Beklagte erkennbar den bisherigen Krankheitsverlauf. Gerade die wiederholt vorgetragenen Besserungsabsichten des Klägers entkräften diese Beurteilung nicht. Die erforderliche psychische Stabilität für einen erfolgreichen Abschluss einer Umschulungsmaßnahme über zwei Jahre lag bei dem Kläger zum Zeitpunkt des Abbruchs der Maßnahme nicht (mehr) vor. Auch aufgrund der Fehlzeiten durch die ärztlichen Behandlungen konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, der Kläger sei in der Lage, den Unterrichtsstoff nachzuholen.

Im Übrigen hat sich auch später gezeigt, dass sich der gesundheitliche Zustand des Klägers nicht wesentlich verbesserte. Die Psychotherapeutin Dr. L. stellte die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung mittelgradiger Episode und beschrieb eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus. Der Hausarzt des Klägers Dr. M. wies auf ein stark wechselndes psychisches Befinden hin und führte aus, es sei insgesamt weder eine Stabilisierung noch eine Besserung eingetreten. Und ab Oktober 2006 befand sich der Kläger bis auf Weiteres stationär im Bezirkskrankenhaus K ...

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hätte sich die Beklagte bei Fortsetzung der Umschulungsmaßnahme im Grunde gesetzeswidrig verhalten. Denn sofern der eine Maßnahme zur Rehabilitation rechtfertigende Zweck nicht mehr zu erreichen ist, würde der Versicherungsträger bei Fortführung der Maßnahme die Mittel der Solidargemeinschaft unter Verstoß gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 13 Abs.1 SGB VI) rechtswidrig verwenden.

Unzutreffend ist allerdings die Auffassung des SG, die Beklagte habe in der angefochtenen Entscheidung ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Zwar obliegt gemäß § 13 Abs.1 SGB VI die Bestimmung, u.a. der Dauer einer Maßnahme zur Teilhabe allein dem Versicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen. Dies betrifft jedoch nur die Entscheidung über die Bewilligung, nicht jedoch die Entscheidung über den vorzeitigen Abbruch einer Maßnahme. Die Entscheidung über die Beendigung der Umschulungsmaßnahme betraf hier nicht die Art und Weise der Durchführung, sondern die Maßnahme als solche. Die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Abbruch der Maßnahme vorliegen, beantwortet sich danach, ob, wie hier, eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X vorliegt. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Beklagten steht also insoweit kein Ermessensspielraum zu, so dass die Entscheidung auch gerichtlich voll überprüfbar ist.

Unzulänglichkeiten oder Fehler in der Begründung eines wie hier vorliegenden gebundenen Verwaltungsakts führen aber nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung. Eine entscheidende Auswirkung kann einer fehlerhaften Begründung eines Verwaltungsakts bei Ermessensentscheidungen zukommen, welche aber hier nicht gegeben ist (vgl. von Wulffen/Engelmann, SGB X, § 38 Rdnr. 18 m.w.N.). Die irrige Auffassung, es handele sich bei einem Verwaltungsakt anstatt einer Ermessensentscheidung um eine gebundene Entscheidung, führt regelmäßig zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung. Dies gilt jedoch nicht im umgekehrten Fall, denn hierbei ist lediglich von einer fehlerhaften Begründung auszugehen.

Im Übrigen sind Verfahrensfehler nicht erkennbar, insbesondere wurde eine Anhörung gemäß § 24 Abs.1 SGB X mit Schreiben vom 05.10.2004 ordnungsgemäß durchgeführt. Die Beklagte hat somit zu Recht mit Aufhebungsbescheid vom 28.10.2004 den Bewilligungsbescheid mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 25.07.2005 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seiner Klage auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Referenznummer:

R/R2822


Informationsstand: 04.01.2008