Urteil
Fortsetzung einer Umschulung zur Bürokauffrau nach mehrmaligem Maßnahmeabbruch

Gericht:

LSG Bayern 9. Senat


Aktenzeichen:

L 9 AL 85/03


Urteil vom:

07.08.2008


Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Fortsetzung der Umschulung der Klägerin zur Bürokauffrau.

Die 1956 geborene Klägerin hat den Beruf einer Altenpflegerin erlernt und hierin seit 1977 gearbeitet. Nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München ( SG) war sie auch ab Mitte 1999 wieder als Altenpflegerin tätig.

Auf Antrag der Klägerin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 28. März 1988 als berufsfördernde Bildungsmaßnahme die Umschulung zur medizinisch-technischen Laboratoriums-Assistentin mit Vorkurs im Berufsförderungswerk A-Stadt. Die Klägerin brach die Maßnahme am 20. Mai 1988 aus gesundheitlichen Gründen ab und die Beklagte nahm mit Bescheid vom 7. Juli 1988 die Bewilligung zurück. Die Beklagte bewilligte der Klägerin auf deren Antrag mit Bescheid vom 18. Juli 1988 als berufsfördernde Bildungsmaßnahme die Arbeitserprobung/ Berufsfindung im Berufsförderungswerk E. (R.), an dem die Klägerin im Januar 1989 teilnahm. Die Klägerin schloss am 3. September 1990 mit dem Bildungswerk des D. e.V. einen Vertrag zur Umschulung zur Reiseverkehrskauffrau vom 03.09.1990 bis 16.06.1992 und trat dem Bildungswerk ihre Forderung gegen die Beklagte ab (10.319,50 DM). Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 11. September 1990 diese Umschulung zur Reiseverkehrskauffrau. Die Klägerin brach die Umschulung am 18. März 1991 aus gesundheitlichen Gründen ab. Die Beklagte hob mit Bescheid vom 26. März 1991 (Datum unleserlich) den Bewilligungsbescheid auf.

Mit Bescheid vom 29. Januar 1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin als berufsfördernde Bildungsmaßnahme die Umschulung zur Bürokauffrau bei der privaten Lehranstalt E. (R.) für die Zeit vom 7. Februar 1996 bis 3. Februar 1998. Die Klägerin trat am 8. Februar 1998 die Umschulung an, brach die Maßnahme am 6. Mai 1996 ab. Die Beklagte hob mit Bescheid vom 26. Mai 1996 die Bewilligung auf. Nach Angaben der Einrichtung nahm die Klägerin den Abbruch zurück und besuchte wieder den Unterricht. Daraufhin hob die Beklagte den Aufhebungsbescheid vom 2. Mai 1996 mit Bescheid vom 20. Mai 1996 wieder auf und verwies auf den Bewilligungsbescheid vom 29. Januar 1996. Nachdem die Klägerin das Ziel des ersten Semesters nicht erreichte, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 11. September 1996 eine Wiederholung des Abschnitts und verlängerte die Maßnahme bis 31. Juli 1998. Am 6. Februar 1997 brach die Klägerin die Bildungsmaßnahme wieder wegen Krankheit ab, und die Beklagte hob mit Bescheid vom 18. Februar 1997 die Bewilligung auf.

Mit Bescheid vom 28. August 1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nunmehr eine Umschulung zur Bürokauffrau beim Berufsförderungswerk E. (R.) vom 26. August 1997 bis 30. Juli 1999 vorgesehen sei. Aufgrund einer Erkrankung der Klägerin ab 11. September 1998 hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 30. Oktober 1998 an. Die Beklagte beendete die Maßnahme zum 3. November 1998. Das Zwischenzeugnis der Einrichtung (Berufsförderungswerk E.) über das Ausbildungshalbjahr vom 4. Februar 1998 bis 31. Juli 1998 bescheinigte der Klägerin teilweise gute, teilweise ausreichende und ungenügende Leistungen in den einzelnen Fächern. Das Berufsförderungswerk E. (R.) stellte der Klägerin am 23. August 1999 ein Schlusszeugnis über die Ausbildung zur Büropraktikerin mit guten bis sehr guten Noten aus.

Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 13. August 1999 die Klägerin zur Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme (aktive Reintegrationsmaßnahme in den Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (BFZ)) auf. Die Klägerin erschien zu der am 2. November 1999 begonnenen Maßnahme ab 15. November 1999 aufgrund bescheinigter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr. Mit Bescheid vom 28. Dezember 1999 stellte die Beklagte fest, dass die aktive Reintegrationsmaßnahme wegen unentschuldigter Fehlzeiten abgebrochen worden ist.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2000 beantragte die Klägerin die Fortsetzung der Umschulung zur Bürokauffrau beim Berufsförderungswerk E. ( R. ).

Die Beklagte holte ein ärztliches Gutachten der Arbeitsamtsärztin Dr. E. vom 30. März 2001 ein, die kürzer dauernde berufliche Förderungsmaßnahmen statt einer Umschulung vorschlug (z.B. EDV-Kurse von ein- bis zweimonatiger Dauer). Für derartige Maßnahmen sei das Durchhaltevermögen der Klägerin ausreichend; Zeichen eines Rückfalls des früher betriebenen Alkoholmissbrauchs lägen nicht vor, allerdings bestünden Neigungen zu Depressionen sowie eine selbstunsichere Persönlichkeit.

Nach einer fernmündlichen Ablehnung am 26. Juni 2000 erließ die Beklagte an diesem Tag einen schriftlichen Bescheid, mit dem sie die berufliche Rehabilitation ablehnte; nach Auswertung des ärztlichen Gutachtens sei eine Vollumschulung aus medizinischer Sicht nach nunmehr sechsmaligem Maßnahmeabbruch nicht zu befürworten. Einarbeitungshilfen oder kaufmännisches Training in einer Übungsfirma seien möglich.

Den Widerspruch der Klägerin, sie sei nunmehr für die Beendigung der Umschulung zur Bürokauffrau motiviert (Attest Dr. N. vom 23. Dezember 1999), wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2000 zurück. Die Klägerin habe einen grundsätzlichen Anspruch auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation, die Förderung der Umschulung zur Bürokauffrau sei jedoch nicht möglich. Die Beklagte habe ihr Auswahlermessen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und der für den Einzelfall am besten geeigneten Leistung oder Kombination von Leistungen auszuüben. Dabei seien vorrangig die Fähigkeiten der zu fördernden Person und die Erfolgsaussicht einer Eingliederung zugrunde zu legen.

Hierbei komme dem Zeugnis des Berufsförderungswerkes E. nur geringe Bedeutung zu; es handle sich um ein geschöntes Zeugnis, das dem Abbrecher die Arbeitsuche erleichtern solle. Gegen eine nochmalige Förderung der bereits dreimal abgebrochenen Ausbildung spreche, dass der Leistungsstand beim Abbruch der letzten Maßnahme eher durchschnittlich gewesen ist. Zudem seien aufgrund des Alters der Klägerin und ihres bisherigen Berufsweges die Aussichten ungünstig, mit der Umschulung eine Stelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden. Bei erneutem Beginn der Ausbildung wäre die Klägerin bei Abschluss 45 Jahre alt. Angesichts des problematischen Lebenslaufes bestünden nur geringe Chancen, eine der Qualifikation entsprechende Stelle zu finden. Gegen die Klägerin spreche auch der Verlauf der Reintegrationsmaßnahme; sie sei nicht mehr erschienen und habe auf schriftliche Anfragen des Maßnahmeträgers nicht reagiert. Schließlich spreche gegen die erneute Förderung der Umschulung auch das eingeholte ärztliche Gutachten. Die Klägerin sei für kurzfristige Maßnahmen mit dem Ziel einer Verbesserung der Vermittlungsaussichten bzw. der Vermittlung in Arbeit geeignet. Hier gebe es ein breites Spektrum an Förderungsmöglichkeiten (Trainingsmaßnahmen, Unterstützung bei der Arbeitssuche durch Übernahme von Bewerbungskosten, Mobilitätshilfen und anderes) sowie die Möglichkeit, an den Arbeitgeber Zuschüsse zu den Lohnkosten zu gewähren.

Die Klägerin hat hiergegen am 12. Oktober 2000 beim SG unter Bezugnahme auf ihren Widerspruch Klage erhoben; der Klägerbevollmächtigte hat das Mandat niedergelegt.

Das SG hat mit Urteil vom 20. Dezember 2002 die Klage abgewiesen. Unstreitig gehöre die Klägerin zum Personenkreis der Behinderten. Bei der Auswahl der Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung habe die Beklagte unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu wählen. Eine Leistung sei nur förderfähig, wenn der Behinderte für diese objektiv geeignet ist, also über die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verfügt, so dass die Leistung voraussichtlich mit Erfolg abgeschlossen werden kann und zur beruflichen Eingliederung des Behinderten führt. In Anbetracht der zahlreichen Abbrüche der bewilligten Maßnahmen sei im Anschluss an das amtsärztliche Gutachten von Dr. E. eine kürzer dauernde berufliche Förderungsmaßnahme einer Umschulung vorzuziehen, weil das Durchhaltevermögen der Klägerin für eine solche Maßnahme nicht mehr ausreicht. Hinzukomme, dass die Klägerin seit Abbruch der letzten Maßnahme im Jahre 1999 nicht im kaufmännischen Bereich tätig gewesen ist und ihre Kenntnisse als Büropraktikerin bisher nicht verwerten konnte. Dies bedeute, dass die bereits besuchte Maßnahme zum großen Teil wiederholt werden müsste.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 28. Februar 2003, mit der sie unter Bezugnahme auf das Zeugnis geltend macht, sie sehe gute Chancen, im kaufmännischen Bereich in Kombination Altenhilfe/-pflege unterzukommen. Zur Vermeidung der drohenden Arbeitslosigkeit sei die Fördermaßnahme Bürokauffrau für die Dauer von einem Jahr zu ermöglichen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz 9. August 2003 darauf hingewiesen, dass die Klägerin das Ziel der beruflichen Eingliederung bereits aufgrund des Abschlusses als Büropraktikerin mit Aufnahme einer Tätigkeit seit 1. April 2000 erreicht habe. Eine Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch einen erneuten Besuch der Umschulung zur Bürokauffrau sei dagegen nicht zu erwarten. Die Klägerin müsste mit etwa 50 Jahren als Anfängerin ohne entsprechende Berufspraxis eingegliedert werden, wofür auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Nachfrage bestehe.

Der Senat hat die Klägerin gebeten, hierzu eine Stellungnahme abzugeben und dreimal schriftlich ohne Erfolg erinnert. Im Erörterungstermin am 13. September 2007 ist die Klägerin nicht erschienen und hat eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgereicht.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Dezember 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Fortsetzung der Umschulung zur Bürokauffrau zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Rechtsweg:

SG München Urteil vom 20.12.2002 - S 35 AL 1446/00

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes für die streitige Umschulung zur Bürokauffrau übersteigt 500,00 Euro; denn bereits im Jahr 1996 betrug die Gebühr für einen von vier Abschnitten 1.843,84 DM.

Die Berufung ist unbegründet; das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf eine erneute Ermessensentscheidung über den Antrag auf Umschulung beziehungsweise Fortsetzung der Umschulung zur Bürokauffrau; die Ablehnung der Beklagten ist rechtens (§ 97 Sozialgesetzbuch III (SGB III) i.V.m. § 39 Sozialgesetzbuch I (SGB I) ) .

Gemäß § 97 Abs. 1 SGB III können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift sind bei der Auswahl der Leistung, Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Soweit dies erforderlich ist, schließt das Verfahren zur Auswahl der Leistungen eine Abklärung der beruflichen Eignung oder eine Arbeitserprobung ein. Da die Beklagte über die Auswahl der Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben, die hier streitig ist, nach ihrem Ermessen zu entscheiden hat, ist § 39 Abs. 1 SGB I zu beachten. Danach haben die Leistungsträger bei Sozialleistungen als Ermessensleistungen ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch. Das Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) enthält in § 33 gleichfalls Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit einem ähnlichen Wortlaut. Für das Arbeitsförderungsrecht jedoch gilt § 97 SGB III als Sondervorschrift vorrangig (§ 7 SGB IX).

Soweit die Anspruchsnorm des § 97 SGB III im Tatbestand Kriterien wie Art oder Schwere der Behinderung, Erforderlichkeit (vgl. Abs. 1) und Eignung, Neigung sowie Angemessenheit (vgl. Abs. 2) enthält, handelt es sich hier um unbestimmte Rechtsbegriffe, die grundsätzlich einer vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Wie das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 11. Mai 2000 (NZS 2001, 328 = SozR 3-4100 § 36 Nr. 5 = SGb 2001, 328) zur Frage der beruflichen Eignung bei der Förderung der beruflichen Bildung entschieden hat, steht der Beklagten bei der hier zu treffenden Prognoseentscheidung über den künftigen Maßnahmeerfolg kein Beurteilungsspielraum zu. Es sind weder rechtliche noch tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben, die bei der Frage der Vorhersage der Erfolgsaussicht eine Ausnahme von der nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz grundsätzlich zu gewährleistenden vollständigen gerichtlichen Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen rechtfertigen könnten. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Richtigkeit der Prognose ist der Abschluss des Verwaltungsverfahrens, wenn die Maßnahme vor Erlass des Widerspruchsbescheides begonnen wurde. Die Prognose kann allerdings durch das spätere Bestehen der Prüfung widerlegt werden.

Anders dagegen verhält es sich bei den arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen der Beklagten, z.B. bei der Beurteilung der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit oder des besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses an einer Maßnahme. Hier wird der Beklagten ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der gerichtlich nur beschränkt überprüfbar ist (BSG a.a.O.; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 54, Rn. 27, 27b, m.w.N. der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG).

Ob die Beklagte bei Vorliegen der o.g. Grundvoraussetzungen der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben die Maßnahme und gegebenenfalls welche bewilligt, liegt in ihrem Ermessen, das gerichtlich gleichfalls nur eingeschränkt zu überprüfen ist. Zwar ist die Beklagte bei der Ermessensentscheidung nicht völlig frei, sie hat ihr Ermessen pflichtgemäß auszuüben (§ 39 Abs. 1 S. 1 SGB I), d.h. sie hat das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Beklagte von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Das Gericht übt hier also nur eine Rechtskontrolle, aber keine Überprüfung der Zweckmäßigkeit aus. Ermessensfehler sind nach allgemeiner Meinung z.B. Willkür, Missbrauch, Verstoß gegen den Gleichheitssatz, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder ein grober Verstoß gegen Anforderungen, die an ordnungsmäßige Verwaltungen zu stellen sind (Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., Rn. 29, 29 a, 30) . Grundlage für die Rechtskontrolle des Gerichts ist die Begründung in den angefochtenen Bescheiden. § 35 Abs. 1 S. 3 Sozialgesetzbuch X (SGB X) sieht vor, dass die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen muss, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ihr Ermessen pflichtgemäß, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise und unter Beachtung der oben genannten Begründungspflicht ausgeübt. Sie hat in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, dass sie zu einer weiteren beruflichen Förderung der Klägerin bereit ist, aber nicht zu der von der Klägerin beantragte Umschulung zur Bürokauffrau. Sie hat sich bei dieser Ablehnung insbesondere auf die Grundvoraussetzungen für die Bewilligung einer Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben gestützt, hier die Erforderlichkeit der Maßnahme zur Besserung der Erwerbsfähigkeit bzw. Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben sowie auf die fehlende Eignung der Klägerin und die Entwicklung des Arbeitsmarktes. Ferner hat sie unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eingehend begründet, weshalb für die Klägerin eine Umschulung zur Bürokauffrau nicht mehr infrage kommt.

Die in § 97 Abs. 1 SGB III vorausgesetzte Erforderlichkeit einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben verlangt im Einzelfall von der Beklagten eine Prüfung, welche Leistung oder Maßnahme nach den im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegenden Umständen aller Wahrscheinlichkeit nach die größte Aussicht auf Erfolg bietet, um das konkrete Maßnahmeziel der Teilhabe am Arbeitsleben zu erreichen. Es handelt sich hier um eine prognostische Einzelbeurteilung. Von mehreren infrage kommenden Maßnahmen ist die Leistung geeignet und damit erforderlich, die dieses Ziel am ehesten erfüllen wird. Die Erforderlichkeit einer Maßnahme setzt ferner voraus, dass sie in einem angemessenen Zweck-Mittel-Verhältnis steht. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn z.B. die durch die Maßnahme verursachten Kosten in einem unangemessenen Verhältnis zum Erfolg stehen. Ferner ist eine Leistung nur dann erforderlich, wenn sie auf die Ziele der Erhaltung, der Besserung, der Herstellung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit und der Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben gerichtet ist. Während das Ziel der Erhaltung der Erwerbsfähigkeit in erster Linie dazu dient, die Einschränkung der Erwerbsfähigkeit zu mindern oder zu vermeiden, sind die Ziele der Besserung, Herstellung oder Wiederherstellung darauf ausgerichtet, eine bereits eingetretene Erwerbsfähigkeit zu stärken, eine noch nicht erreichte Erwerbsfähigkeit erstmals oder eine früher bestandene Erwerbsfähigkeit erneut zu erlangen. Das wesentliche und primäre Ziel der Förderung ist die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben auf Dauer (siehe auch §§ 4 Abs. 1 Nr. 3, 33 Abs. 1 SGB IX).

Eine weitere Prüfung obliegt der Beklagten gemäß § 97 Abs. 2 SGB III bei der Auswahl der Leistungen. Hier stellt das Gesetz den Grundsatz auf, dass Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts angemessen zu berücksichtigen sind. Als zusätzliches Prüfkriterium ist § 7 SGB III zu beachten, wonach bei der Auswahl von Ermessensleistung der aktiven Arbeitsförderung die Agentur für Arbeit unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu wählen hat. Hierbei sind vorrangig die Fähigkeiten der zu fördernden Personen und die Erfolgsaussichten einer Eingliederung zugrunde zu legen. Auch wenn die gesetzliche Regelung in § 97 Abs. 2 S. 1 SGB III dem Versicherten ein gewisses Wunschrecht einräumt ("Neigung"), bedeutet dies nicht, dass sämtliche Wünsche des Behinderten zu berücksichtigen sind (Niesel, SGB III, § 97, Rn.26).

Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte bei der Ablehnung zu Recht insbesondere unter Berücksichtigung der oben genannten Zweck- Mittel-Relation und des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit auf die fehlende Eignung der Klägerin für die beantragte Leistung und die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes bezogen. Eine Leistung kann nur gefördert werden, wenn der Behinderte für diese objektiv geeignet ist. Er muss also über die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verfügen, dass die Leistung voraussichtlich mit Erfolg abgeschlossen werden kann. Auch aus § 7 S. 2 SGB III ergibt sich, dass bei der Auswahl von Ermessensleistungen auf die Fähigkeiten der zu fördernden Personen abzustellen ist. Nur wenn der Behinderte voraussichtlich auf Dauer beruflich eingegliedert werden kann, ist er für eine berufsfördernde Leistung auch geeignet. Dies ist nicht gegeben, wenn er voraussichtlich nur in einem Teilbereich des angestrebten Umschulungsberufes einsatzfähig sein wird. Dies gilt erst recht, wenn er auch bei einer bestandenen Umschulung mit großer Wahrscheinlichkeit wegen der besonderen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes keinen Arbeitsplatz finden wird (Niesel, a.a.O., Rn. 28, 32 m.w.N., BSG vom 15. März 1979, BSGE 48, 92, 96).

Hier ist die erforderliche Eignung der Klägerin für die Umschulung zur Bürokauffrau nicht mehr gegeben, weil sie in zahlreichen Fällen längerdauernde Umschulungen abgebrochen hat, wobei auch ihr Verhalten der Art und Weise des Abbruchs gegenüber der Bildungseinrichtung ( z.B. BFZ) und der Beklagten nicht außer acht gelassen werden darf. Insbesondere bestehen jedoch aufgrund der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin erhebliche Zweifel, dass sie eine weitere, sich über mehrere Ausbildungsabschnitte erstreckende Umschulung durchhält. Das Gutachten der Arbeitsamtsärztin Dr. E. vom 30. März 2000 hat nach Prüfung der früheren Gutachten sowie des Leistungsbildes der Klägerin ausgeführt, dass für die Klägerin kürzer dauernde berufliche Fördermaßnahmen einer Umschulung vorzuziehen sind, z.B. EDV-Kurse von ein- bis zweimonatiger Dauer. Insoweit hält sie es für wahrscheinlich, dass das Durchhaltevermögen der Klägerin hierfür ausreicht. Im früheren Gutachten dieser Ärztin vom 31. Mai 1999 wird ausgeführt, dass die Klägerin in ihrer Belastbarkeit erheblich eingeschränkt ist, eine Umschulungsmaßnahme mit der notwendigen Bewältigung von kompliziertem Lernstoff durchzuführen.

Ein weiterer Gesichtspunkt, der allein zur Ablehnung der beantragten Umschulung ausreicht, ist die fehlende Aussicht, dass die Klägerin, selbst wenn sie die Umschulung erfolgreich abschließen würde, in dem Beruf als Bürokauffrau einen Arbeitsplatz erhalten würde. Es bestehen gegen die prognostische Beurteilung der Beklagten keine Bedenken, da sie bei der Einschätzung der Situation des Arbeitsmarktes eine besondere Erfahrung und Fachkunde hat. Wie die Beklagte zu Recht ausführt, hat die Klägerin angesichts der häufigen Abbrüche der Umschulungen, ihres Alters sowie der fehlenden praktischen Erfahrung im Beruf als Bürokauffrau kaum Chancen auf Erlangung eines Arbeitsplatzes. Diese Situation hat sich im Laufe der gerichtlichen Auseinandersetzung nicht zu Gunsten der Klägerin geändert. Der Klägerin wäre es unbenommen gewesen, in engem zeitlichen Zusammenhang nach dem Abbruch der begonnenen Umschulung zur Bürokauffrau Eigeninitiative zu entwickeln (z.B. durch Belegung von Kursen), um dieses Berufsziel noch zu erreichen. Auch ihr Verhalten während der gerichtlichen Auseinandersetzung lässt eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu. Zu Unrecht beruft sie sich im Übrigen auf das Zwischenzeugnis der Umschulungseinrichtung, da dieses offensichtlich für Zwecke der Bewerbung erstellt worden ist. Denn das Abschlusszeugnis nach Beendigung des zweiten Halbjahres enthält wesentlich schlechtere Noten.

Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte zur Förderung kurzzeitiger spezieller Weiterbildungsmaßnahmen bereit ist, für die die Klägerin geeignet ist.

Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG).

Referenznummer:

R/R4085


Informationsstand: 13.01.2009