Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144
Abs. 1
S. 1
Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes für die streitige Umschulung zur Bürokauffrau übersteigt 500,00 Euro; denn bereits im Jahr 1996 betrug die Gebühr für einen von vier Abschnitten 1.843,84 DM.
Die Berufung ist unbegründet; das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf eine erneute Ermessensentscheidung über den Antrag auf Umschulung beziehungsweise Fortsetzung der Umschulung zur Bürokauffrau; die Ablehnung der Beklagten ist rechtens (
§ 97 Sozialgesetzbuch III (SGB III) i.V.m. § 39 Sozialgesetzbuch I (
SGB I) ) .
Gemäß § 97
Abs. 1
SGB III können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Nach
Abs. 2 dieser Vorschrift sind bei der Auswahl der Leistung, Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Soweit dies erforderlich ist, schließt das Verfahren zur Auswahl der Leistungen eine Abklärung der beruflichen Eignung oder eine Arbeitserprobung ein. Da die Beklagte über die Auswahl der Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben, die hier streitig ist, nach ihrem Ermessen zu entscheiden hat, ist § 39
Abs. 1
SGB I zu beachten. Danach haben die Leistungsträger bei Sozialleistungen als Ermessensleistungen ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch. Das Sozialgesetzbuch IX (
SGB IX) enthält in
§ 33 gleichfalls Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit einem ähnlichen Wortlaut. Für das Arbeitsförderungsrecht jedoch gilt § 97
SGB III als Sondervorschrift vorrangig (
§ 7 SGB IX).
Soweit die Anspruchsnorm des § 97
SGB III im Tatbestand Kriterien wie Art oder Schwere der Behinderung, Erforderlichkeit (
vgl. Abs. 1) und Eignung, Neigung sowie Angemessenheit (
vgl. Abs. 2) enthält, handelt es sich hier um unbestimmte Rechtsbegriffe, die grundsätzlich einer vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Wie das Bundessozialgericht (
BSG) mit Urteil vom 11. Mai 2000 (NZS 2001, 328 = SozR 3-4100 § 36
Nr. 5 = SGb 2001, 328) zur Frage der beruflichen Eignung bei der Förderung der beruflichen Bildung entschieden hat, steht der Beklagten bei der hier zu treffenden Prognoseentscheidung über den künftigen Maßnahmeerfolg kein Beurteilungsspielraum zu. Es sind weder rechtliche noch tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben, die bei der Frage der Vorhersage der Erfolgsaussicht eine Ausnahme von der nach
Art. 19
Abs. 4 Grundgesetz grundsätzlich zu gewährleistenden vollständigen gerichtlichen Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen rechtfertigen könnten. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Richtigkeit der Prognose ist der Abschluss des Verwaltungsverfahrens, wenn die Maßnahme vor Erlass des Widerspruchsbescheides begonnen wurde. Die Prognose kann allerdings durch das spätere Bestehen der Prüfung widerlegt werden.
Anders dagegen verhält es sich bei den arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen der Beklagten,
z.B. bei der Beurteilung der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit oder des besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses an einer Maßnahme. Hier wird der Beklagten ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der gerichtlich nur beschränkt überprüfbar ist (
BSG a.a.O.; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl., § 54, Rn. 27, 27b,
m.w.N. der höchstrichterlichen Rechtsprechung des
BSG).
Ob die Beklagte bei Vorliegen der o.g. Grundvoraussetzungen der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben die Maßnahme und gegebenenfalls welche bewilligt, liegt in ihrem Ermessen, das gerichtlich gleichfalls nur eingeschränkt zu überprüfen ist. Zwar ist die Beklagte bei der Ermessensentscheidung nicht völlig frei, sie hat ihr Ermessen pflichtgemäß auszuüben (§ 39
Abs. 1
S. 1
SGB I), d.h. sie hat das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Beklagte von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Das Gericht übt hier also nur eine Rechtskontrolle, aber keine Überprüfung der Zweckmäßigkeit aus. Ermessensfehler sind nach allgemeiner Meinung
z.B. Willkür, Missbrauch, Verstoß gegen den Gleichheitssatz, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder ein grober Verstoß gegen Anforderungen, die an ordnungsmäßige Verwaltungen zu stellen sind (Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., Rn. 29, 29 a, 30) . Grundlage für die Rechtskontrolle des Gerichts ist die Begründung in den angefochtenen Bescheiden. § 35
Abs. 1
S. 3 Sozialgesetzbuch X (
SGB X) sieht vor, dass die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen muss, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ihr Ermessen pflichtgemäß, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise und unter Beachtung der oben genannten Begründungspflicht ausgeübt. Sie hat in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, dass sie zu einer weiteren beruflichen Förderung der Klägerin bereit ist, aber nicht zu der von der Klägerin beantragte Umschulung zur Bürokauffrau. Sie hat sich bei dieser Ablehnung insbesondere auf die Grundvoraussetzungen für die Bewilligung einer Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben gestützt, hier die Erforderlichkeit der Maßnahme zur Besserung der Erwerbsfähigkeit
bzw. Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben sowie auf die fehlende Eignung der Klägerin und die Entwicklung des Arbeitsmarktes. Ferner hat sie unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eingehend begründet, weshalb für die Klägerin eine Umschulung zur Bürokauffrau nicht mehr infrage kommt.
Die in § 97
Abs. 1
SGB III vorausgesetzte Erforderlichkeit einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben verlangt im Einzelfall von der Beklagten eine Prüfung, welche Leistung oder Maßnahme nach den im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegenden Umständen aller Wahrscheinlichkeit nach die größte Aussicht auf Erfolg bietet, um das konkrete Maßnahmeziel der Teilhabe am Arbeitsleben zu erreichen. Es handelt sich hier um eine prognostische Einzelbeurteilung. Von mehreren infrage kommenden Maßnahmen ist die Leistung geeignet und damit erforderlich, die dieses Ziel am ehesten erfüllen wird. Die Erforderlichkeit einer Maßnahme setzt ferner voraus, dass sie in einem angemessenen Zweck-Mittel-Verhältnis steht. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn
z.B. die durch die Maßnahme verursachten Kosten in einem unangemessenen Verhältnis zum Erfolg stehen. Ferner ist eine Leistung nur dann erforderlich, wenn sie auf die Ziele der Erhaltung, der Besserung, der Herstellung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit und der Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben gerichtet ist. Während das Ziel der Erhaltung der Erwerbsfähigkeit in erster Linie dazu dient, die Einschränkung der Erwerbsfähigkeit zu mindern oder zu vermeiden, sind die Ziele der Besserung, Herstellung oder Wiederherstellung darauf ausgerichtet, eine bereits eingetretene Erwerbsfähigkeit zu stärken, eine noch nicht erreichte Erwerbsfähigkeit erstmals oder eine früher bestandene Erwerbsfähigkeit erneut zu erlangen. Das wesentliche und primäre Ziel der Förderung ist die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben auf Dauer (siehe auch
§§ 4 Abs. 1 Nr. 3, 33 Abs. 1 SGB IX).
Eine weitere Prüfung obliegt der Beklagten gemäß § 97
Abs. 2
SGB III bei der Auswahl der Leistungen. Hier stellt das Gesetz den Grundsatz auf, dass Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts angemessen zu berücksichtigen sind. Als zusätzliches Prüfkriterium ist § 7
SGB III zu beachten, wonach bei der Auswahl von Ermessensleistung der aktiven Arbeitsförderung die Agentur für Arbeit unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu wählen hat. Hierbei sind vorrangig die Fähigkeiten der zu fördernden Personen und die Erfolgsaussichten einer Eingliederung zugrunde zu legen. Auch wenn die gesetzliche Regelung in § 97
Abs. 2
S. 1
SGB III dem Versicherten ein gewisses Wunschrecht einräumt ("Neigung"), bedeutet dies nicht, dass sämtliche Wünsche des Behinderten zu berücksichtigen sind (Niesel,
SGB III, § 97, Rn.26).
Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte bei der Ablehnung zu Recht insbesondere unter Berücksichtigung der oben genannten Zweck- Mittel-Relation und des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit auf die fehlende Eignung der Klägerin für die beantragte Leistung und die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes bezogen. Eine Leistung kann nur gefördert werden, wenn der Behinderte für diese objektiv geeignet ist. Er muss also über die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verfügen, dass die Leistung voraussichtlich mit Erfolg abgeschlossen werden kann. Auch aus § 7
S. 2
SGB III ergibt sich, dass bei der Auswahl von Ermessensleistungen auf die Fähigkeiten der zu fördernden Personen abzustellen ist. Nur wenn der Behinderte voraussichtlich auf Dauer beruflich eingegliedert werden kann, ist er für eine berufsfördernde Leistung auch geeignet. Dies ist nicht gegeben, wenn er voraussichtlich nur in einem Teilbereich des angestrebten Umschulungsberufes einsatzfähig sein wird. Dies gilt erst recht, wenn er auch bei einer bestandenen Umschulung mit großer Wahrscheinlichkeit wegen der besonderen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes keinen Arbeitsplatz finden wird (Niesel, a.a.O., Rn. 28, 32
m.w.N.,
BSG vom 15. März 1979, BSGE 48, 92, 96).
Hier ist die erforderliche Eignung der Klägerin für die Umschulung zur Bürokauffrau nicht mehr gegeben, weil sie in zahlreichen Fällen längerdauernde Umschulungen abgebrochen hat, wobei auch ihr Verhalten der Art und Weise des Abbruchs gegenüber der Bildungseinrichtung (
z.B. BFZ) und der Beklagten nicht außer acht gelassen werden darf. Insbesondere bestehen jedoch aufgrund der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin erhebliche Zweifel, dass sie eine weitere, sich über mehrere Ausbildungsabschnitte erstreckende Umschulung durchhält. Das Gutachten der Arbeitsamtsärztin
Dr. E. vom 30. März 2000 hat nach Prüfung der früheren Gutachten sowie des Leistungsbildes der Klägerin ausgeführt, dass für die Klägerin kürzer dauernde berufliche Fördermaßnahmen einer Umschulung vorzuziehen sind,
z.B. EDV-Kurse von ein- bis zweimonatiger Dauer. Insoweit hält sie es für wahrscheinlich, dass das Durchhaltevermögen der Klägerin hierfür ausreicht. Im früheren Gutachten dieser Ärztin vom 31. Mai 1999 wird ausgeführt, dass die Klägerin in ihrer Belastbarkeit erheblich eingeschränkt ist, eine Umschulungsmaßnahme mit der notwendigen Bewältigung von kompliziertem Lernstoff durchzuführen.
Ein weiterer Gesichtspunkt, der allein zur Ablehnung der beantragten Umschulung ausreicht, ist die fehlende Aussicht, dass die Klägerin, selbst wenn sie die Umschulung erfolgreich abschließen würde, in dem Beruf als Bürokauffrau einen Arbeitsplatz erhalten würde. Es bestehen gegen die prognostische Beurteilung der Beklagten keine Bedenken, da sie bei der Einschätzung der Situation des Arbeitsmarktes eine besondere Erfahrung und Fachkunde hat. Wie die Beklagte zu Recht ausführt, hat die Klägerin angesichts der häufigen Abbrüche der Umschulungen, ihres Alters sowie der fehlenden praktischen Erfahrung im Beruf als Bürokauffrau kaum Chancen auf Erlangung eines Arbeitsplatzes. Diese Situation hat sich im Laufe der gerichtlichen Auseinandersetzung nicht zu Gunsten der Klägerin geändert. Der Klägerin wäre es unbenommen gewesen, in engem zeitlichen Zusammenhang nach dem Abbruch der begonnenen Umschulung zur Bürokauffrau Eigeninitiative zu entwickeln (
z.B. durch Belegung von Kursen), um dieses Berufsziel noch zu erreichen. Auch ihr Verhalten während der gerichtlichen Auseinandersetzung lässt eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu. Zu Unrecht beruft sie sich im Übrigen auf das Zwischenzeugnis der Umschulungseinrichtung, da dieses offensichtlich für Zwecke der Bewerbung erstellt worden ist. Denn das Abschlusszeugnis nach Beendigung des zweiten Halbjahres enthält wesentlich schlechtere Noten.
Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte zur Förderung kurzzeitiger spezieller Weiterbildungsmaßnahmen bereit ist, für die die Klägerin geeignet ist.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160
Abs. 2
Nr. 1, 2
SGG).