Urteil
Arbeitsförderungsrecht - Anspruch auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation - Umfang der Entscheidungsbefugnis eines sachlich unzuständigen Sozialleistungsträgers

Gericht:

LSG Berlin-Brandenburg 8. Senat


Aktenzeichen:

L 8 R 314/08


Urteil vom:

24.06.2010


Grundlage:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2007 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2007 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist in der Sache höheres Übergangsgeld während einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Der Kläger ist 1969 geboren worden. Er war seit September 1986 bis zum 31. Oktober 1998 zunächst zur Ausbildung und dann in seinem Ausbildungsberuf als Gleisbauer bei der Firma T beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde aus betriebsbedingten Gründen beendet. Der Kläger war anschließend arbeitslos gemeldet und bezog Leistungen wegen Arbeitslosigkeit von der Beigeladenen.

Im Januar 2000 stellte die Beigeladene fest, dass der Kläger wegen eines Rückenleidens nicht mehr in der Lage war, den bisherigen Beruf auszuüben; daraufhin beantragte er bei ihr im Februar 2000 Leistungen zur Eingliederung in das Arbeitsleben. In Kostenträgerschaft der Beigeladenen besuchte der Kläger dann ab 14. November 2000 einen Reha-Vorbereitungslehrgang, den er am 4. Januar 2001 aus gesundheitlichen Gründen abbrach. Die ebenfalls von der Beigeladenen geförderte Umschulung zum Groß- und Außenhandelskaufmann ab dem 15. März 2001 brach er zum 30. April 2001 im Einvernehmen mit der Beigeladenen ab, weil das Maßnahmeziel aus persönlichen Gründen (Überforderung) nicht zu erreichen war. In der Folgezeit bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe.

Im Jahr 2002 wurde von der Beigeladenen erneut ein Verfahren zur beruflichen Rehabilitation eingeleitet. In deren Kostenträgerschaft nahm der Kläger dann zunächst vom 28. Oktober 2002 bis zum 31. Januar 2003 an einem Reha-Vorbereitungslehrgang beim Berufsförderungswerk Berlin teil, für die ihm neben Lehrgangs- und Reisekosten Übergangsgeld in Höhe von 35,63 EUR je Kalendertag nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (SGB III) in Verbindung mit denen des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (SGB IX) gewährt wurden (Bescheid vom 22. Oktober 2002). Zur Aufnahme der ursprünglich vorgesehenen Ausbildung zum Steuerfachgehilfen ab 1. Februar 2003 kam es ebenso wenig wie zur Teilnahme an einer Maßnahme mit dem Ausbildungsziel "Zusatzqualifikation für Nichtelektriker", die vom 5. Mai bis zum 19. Dezember 2003 stattfinden sollte. Stattdessen bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe.

Aufgrund seines im Juli 2003 gestellten Formularantrags auf "Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme für Leistungsempfänger" mit dem Ziel der Ausbildung zum Hausservicetechniker stellte die Beigeladene mit Datum des 19. August 2003 einen bis zum 19. September 2003 gültigen "Bildungsgutschein" aus, durch den sie die Übernahme der Lehrgangskosten zusagte und mitteilte, dass dem Grunde nach ein Anspruch auf Unterhaltsgeld bestehe.

Durch Bescheid vom 16. September 2003 bewilligte die Beigeladene dem Kläger Weiterbildungskosten für die Zeit vom 25. August 2003 bis zum 20. August 2004, durch Bescheid vom 22. September 2003 Unterhaltsgeld nach Vorbezug von Arbeitslosenhilfe auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 437,19 EUR (wöchentlicher Leistungssatz im Jahr 2003 128,66 EUR, im Jahr 2004 132,09 EUR) als Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben ab dem 25. August 2003 bis zum 22. August 2004.

Gegen den Bescheid vom 22. September 2003 legte der Kläger Widerspruch ein. Nach einem Gespräch bei der (damaligen) Landesversicherungsanstalt Berlin sei ihm völlig unklar, weshalb die Maßnahme vom Arbeitsamt gefördert werde. Die Vorversicherungszeiten für Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung seien erfüllt. Wenn die Beigeladene nicht ihre "Einzelfallentscheidung" getroffen hätte, hätte gegenüber dem zuständigen Träger der Rentenversicherung Anspruch auf "höheres Unterhaltsgeld" bestanden.

Die Beigeladene wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 5. November 2003 zurück. Das Unterhaltsgeld sei nach den Vorschriften des SGB III zutreffend berechnet worden. Die Einlassungen des Klägers dazu, dass bei einer Förderung durch den Träger der Rentenversicherung höheres Unterhaltsgeld zu gewähren sei, könnten zu keiner anderen Entscheidung führen.

Seine gegen den Bescheid vom 22. September 2003 erhobene Klage vor dem Sozialgericht Berlin (Az. S 64 AL 6273/03) nahm der Kläger in einem Erörterungstermin am 15. Juni 2004 zurück. Die Gründe für die Rücknahme gehen aus dem Terminprotokoll nicht hervor. Im Verfahren hatte die Beigeladene die Auffassung vertreten, sie habe nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Förderung durch den Träger der Rentenversicherung vorlägen. Der Kläger könne sich den Kostenträger nicht aussuchen.

Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2005 verwies der Kläger gegenüber der Beklagten auf einen nicht aktenkundig gewordenen Schriftsatz vom 23. November 2004 und ein Telefonat mit einem Mitarbeiter. Er bat, einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid über "die Ablehnung der geltend gemachten Ansprüche" zu erteilen. Mit Schreiben vom 3. März 2005 vertrat die Beklagte die Auffassung, dass ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe bei ihr bisher nicht gestellt worden sei und somit auch nicht beschieden werden könne. Nach weiterem Schriftverkehr übersandte der Kläger einen Schriftsatz mit Datum des 6. Oktober 2004, mit dem er sich dagegen wandte, dass ein Mitarbeiter der Beklagten am 22. August 2003 die Annahme eines Antrags auf Leistungen verweigert habe, mit dem das Ziel verfolgt worden sei, während der damals beginnenden Bildungsmaßnahme Übergangsgeld zu erhalten. Er habe einen Anspruch auf Übergangsgeld nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI). Die Beklagte werde aufgefordert, die Differenz zwischen dem von der Beigeladenen bewilligten Unterhaltsgeld und dem - seiner Ansicht nach höheren - Übergangsgeld für die Zeit vom 25. August 2003 bis zum 20. August 2004 nachzuzahlen. Der Kläger sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob der Antrag am 22. August 2003 gestellt worden sei. Mit Schreiben vom 12. April 2005 führte die Beklagte aus, dass allein die Beigeladene Kostenträgerin der Maßnahme sei. Die Voraussetzungen für einen Anspruch gegen die Beklagte lägen nicht vor.

Am 13. Juli 2005 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Berlin Klage mit dem Antrag erhoben, ihm für den Zeitraum 25. August 2003 bis 20. August 2004 für die Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme Übergangsgeld nach den Vorschriften des SGB VI i. V. mit dem SGB IX zu gewähren. Er hat seine Auffassung wiederholt, dass ihm ein solcher Anspruch zustehe. Er habe nach den Vorschriften des SGB VI Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe, so dass die gewährten Leistungen bei "ordnungsgemäßer Antragstellung" von der Beklagten zu bewilligen gewesen seien.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Klage mangels Vorverfahrens unzulässig sei. Dem Kläger könne gegen sie auch kein Anspruch zustehen, da die Beigeladene der erstangegangene Leistungsträger gewesen sei. Das ergebe sich aus § 14 SGB IX. Der Kläger sei am 22. August 2003 ferner nicht abgehalten worden, einen Antrag zu stellen. Vielmehr sei er auf die Erfolglosigkeit einer Antragstellung bei der Beklagten und das weitere Verfahren - die Weiterleitung des Antrags an die zuständige Beigeladene - hingewiesen worden. Er habe dann von sich aus auf eine Antragstellung verzichtet.

Im gerichtlichen Verfahren war dann zunächst, ohne Ergebnis, die Höhe eines etwaigen Anspruchs auf Überbrückungsgeld erörtert worden. Anschließend hat das Sozialgericht neben anderem auf die bisher fehlende Zulässigkeit der Klage hingewiesen. Nachdem der Kläger auf dem Erlass eines Bescheides durch die Beklagte bestanden hatte, hat sie durch Bescheid vom 3. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2007 die Gewährung von Übergangsgeld für den Zeitraum 25. August 2003 bis 20. August 2004 abgelehnt. Die Anspruchsvoraussetzungen für einen solchen Anspruch gegen sie lägen bereits deshalb nicht vor, weil sie nicht die anspruchsbegründende "Stammleistung" - die Umschulungsmaßnahme - erbracht habe.

Durch Gerichtsbescheid vom 21. Dezember 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei nach dem Erlass der Bescheide der Beklagten zwar zulässig geworden. Sie sei aber unbegründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Übergangsgeld gegen die Beklagte seien nicht erfüllt, weil sie nicht die maßgebliche Stammleistung erbracht habe. Es gebe auch keinen Grund anzunehmen, dass sie am 22. August 2003 einen Beratungsfehler begangen habe, der zu einem Herstellungsanspruch führen könne. Die Beklagte habe zu Recht darauf hingewiesen, dass der Antrag weiterzuleiten gewesen wäre, da die Beigeladene als erstangegangener Leistungsträger gegenüber dem Kläger allein zuständig gewesen sei. Das habe auch das Bundessozialgericht (BSG) entschieden.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den Anspruch auf Übergangsgeld gegenüber der Beklagten weiter. Er hat zunächst die Auffassung vertreten, dass eine Leistungsbewilligung durch die Beklagte noch möglich gewesen sei, wenn von einem Antrag am 22. August 2003 ausgegangen werde. Denn in diesem Zeitpunkt seien die Leistungen durch die Beigeladene noch nicht bewilligt gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 25. August 2003 bis zum 20. August 2004 Übergangsgeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung und ihre Bescheide für zutreffend. Sie sei wegen der Zuständigkeitsregelung des SGB IX gegenüber dem Kläger in keinem Fall leistungsverpflichtet; eine Verurteilung wäre auch nicht als Beigeladene in dem früheren sozialgerichtlichen Verfahren gegen die Beigeladene in Betracht gekommen. Würde ein Antrag auf Leistungen am 22. August 2003 angenommen, seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen nach dem SGB VI erfüllt.

Die Beigeladene, die keine eigenen Anträge gestellt hat, hält ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch dem Grunde nach für gegeben.

Der Senat hat Akten der Agentur für Arbeit Berlin Süd beigezogen, die auf Anforderung des Senats ferner mit Datum des 11. September 2008 eine Auskunft erteilt und das arbeitsamtsärztliche Gutachten der Dr. von S vom 25. Januar 2000 übersandt hat.

Die Gerichtsakte - einschließlich eines Sonderheftes mit Kopien aus der Gerichtsakte SG Berlin S 54 AL 6273/03 - sowie die Verwaltungsakte der Beklagten lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

Rechtsweg:

SG Berlin, Gerichtsbescheid vom 21.12.2007 - S 105 R 3376/05

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Berlin

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung eine Entscheidung in der Sache treffen (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die Berufung ist nur hinsichtlich des "Anfechtungsteils" der vom Kläger erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2007 war aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt. Durch ihn hat die Beklagte eine Entscheidung in der Sache getroffen, obwohl sie nicht der hierfür zuständige Leistungsträger war.

Für die Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Gewährung von Übergangsgeld, der sich im Ergebnis als Antrag auf Überprüfung des Bescheides der Beigeladenen vom 22. September 2003 darstellt, ist die Beigeladene zuständig. Bei ihr hat der Kläger erstmals im Jahr 2000 einen Antrag auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation gestellt. Ohne Bedeutung ist, dass die Beigeladene zur damaligen Zeit lediglich zu prüfen hatte, ob für den Kläger Leistungen nach dem für sie selbst geltenden Leistungsgesetz - dem SGB III - in Betracht kamen.

Seit 1. Juni 2001 wird die Zuständigkeit der Träger der Leistungen zur Teilhabe durch § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) geregelt. Nach dessen Abs. 1 Sätze 1 und 2 stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages auf Leistungen zur Teilhabe bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht innerhalb der Frist weitergeleitet, hat gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX der erstangegangene Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen.

Zum Übergang auf das Recht des SGB IX bestimmt Art. 67 Abs. 1 des mit dem SGB IX gleichnamigen Artikelgesetzes (vom 19. Juni 2001, BGBl. I. S. 1046), dass auf Leistungen zur Teilhabe bis zum Ende der Leistungen oder Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB IX geltenden Fassung weiter anzuwenden sind, wenn vor diesem Tag (1.) der Anspruch entstanden ist, (2.) die Leistung zuerkannt worden ist oder (3.) die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist. Nach Abs. 2 richtet sich eine Verlängerung nach den im Zeitpunkt der Entscheidung über die Verlängerung geltenden Vorschriften, wenn eine Leistung nur für einen begrenzten Zeitraum zuerkannt worden ist.

Es kann dahingestellt bleiben, welcher der jeweils bei der Beigeladenen gestellten Anträge aus dem Jahr 2000 oder 2003 beziehungsweise die fiktiv als Antrag geltende Erbringung von Leistungen durch die Beigeladene im Jahr 2002 (§ 323 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB III) für die Bestimmung der Zuständigkeit betreffend die hier streitige Leistung maßgeblich ist. Anträge ab dem 1. Juli 2001 führen unmittelbar zur Anwendung des SGB IX. Wäre dagegen auf den im Jahr 2000 gestellten Antrag abzustellen, ergäbe sich die Anwendbarkeit des SGB IX auf die hier streitige Leistung im Umkehrschluss aus Art. 67 Abs. 1 des SGB IX-Artikelgesetzes.

Da die Beigeladene keinen der bei ihr gestellten Anträge weitergeleitet hat, ist ihre Zuständigkeit als Leistungsträger aufgrund von § 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 SGB IX begründet. Die Zuständigkeit bleibt auch über den bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens hinaus für ein etwaiges - hier inzwischen durchgeführtes - Zugunstenverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bestehen, selbst wenn die etwaige Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides lediglich darin liegt, dass die außerhalb der "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, jedoch einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet worden sind (mittlerweile gefestigte Rechtsprechung des BSG, s. in SozR 4-3250 § 14 Nr. 7 mit Hinweis auf BSG SozR 4-3250 § 14 Nr. 1). Bei seiner Entscheidung zu beachten hat der kraft Gesetzes zuständige Träger alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in der Bedarfssituation für Rehabilitationsträger im Sinne des SGB IX vorgesehen sind (BSG SozR 4-3250 § 14 Nr. 1, 4 und 7).

Der Bescheid der Beklagten ist entgegen ihrer Auffassung auch nicht etwa jedenfalls "im Ergebnis" rechtmäßig, weil der ihr gegenüber gestellte Antrag mangels Zuständigkeit als unzulässig abzulehnen gewesen wäre. Von Gesetzes wegen hatte sie einen bei ihr gestellten Antrag bei Unzuständigkeit grundsätzlich nicht zu bescheiden, sondern nur unverzüglich an den zuständigen Träger weiterzuleiten (§ 16 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch); diese rechtlich zutreffende Auffassung hatte die Beklagte vor Erlass der hier streitigen Bescheide auch vertreten. Erlässt sie aber einen Bescheid, weil der Kläger in Kenntnis der möglichen Unzuständigkeit darauf besteht, dann beschränkt sich ihre Entscheidungskompetenz auf die Frage der Zuständigkeit. In den ergangenen Bescheiden hat sie der Sache nach jedoch eine Entscheidung über das Bestehen eines materiellrechtlichen Anspruchs ihr gegenüber getroffen. Würde der Bescheid unter diesen Umständen nicht aufgehoben, so erstreckte sich die Bindungswirkung (§ 77 SGG) - deren Umfang sich bei einem ablehnenden Bescheid nur anhand dessen Begründung bestimmen lässt - gerade nicht nur auf die Frage der Zuständigkeit.

Als Folge der fehlenden Zuständigkeit der Beklagten ist die Berufung jedoch unbegründet, soweit der Kläger ihr gegenüber mit der Leistungsklage die Gewährung von Übergangsgeld beansprucht.

Ob der geltend gemachte Anspruch gegenüber der Beigeladenen besteht, kann offen bleiben. Sie kann nicht an Stelle der Beklagten gemäß § 75 Abs. 5 SGG zu einer Leistung verurteilt werden, weil deren Bescheid vom 22. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2003 nach Rücknahme der Klage in dem Verfahren SG Berlin S 64 AL 6273/03 bestandskräftig geworden ist (§ 77 SGG). Ob der Kläger gegenüber der Beigeladenen einen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme dieses Bescheides nach § 44 Abs. 1 SGB X hat, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu prüfen (s. BSG SozR 4-3250 § 14 Nr. 7 im Anschluss an BSG SozR 1500 § 75 Nr. 38) - insoweit ist im übrigen bereits das Verfahren SG Berlin S 54 AL 2973/09 anhängig.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass der aufgehobene Bescheid auf den Kläger selbst zurückgeht und er lediglich aus einem formalen Grund erfolgreich war, der gegenüber dem geltend gemachten, erfolglos gebliebenen Leistungsanliegen nicht ins Gewicht fällt.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

Referenznummer:

R/R3979


Informationsstand: 04.09.2012