Urteil
Anwendung des Prinzips der Bestenauslese bei schwerbehinderten Bewerbern

Gericht:

VG Baden-Württemberg 4. Senat


Aktenzeichen:

4 S 672/20


Urteil vom:

04.05.2020


Grundlage:

Leitsatz:

Dem Prinzip der Bestenauslese nach Art 33 Abs 2 GG sind auch die durch das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs 1 AGG geschützten Personengruppen unterworfen. Ein schwerbehinderter Bewerber hat daher, auch wenn er das Anforderungsprofil einer ausgeschriebenen Stelle erfüllt, keinen Anspruch auf Bevorzugung im Sinne einer vorrangigen Auswahl trotz besserer Eignung eines Mitbewerbers.

Rechtsweg:

VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 10. Dezember 2019 - 5 K 884/15

Quelle:

Landessozialgericht Baden-Württemberg

Tenor:

Der Anträge des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 10. Dezember 2019 - 5 K 884/15 - werden abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.952,88 EUR festgesetzt.

Gründe:

A. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO) liegen nicht vor, weil es an der hinreichenden Erfolgsaussicht des Rechtsmittels fehlt. Dies ergibt sich aus den nachfolgenden Ausführungen, die auch unter der gebotenen Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Prozesskostenhilferecht (vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 15.11.2017 - 2 BvR 902/17 u.a. - und vom 30.04.2007 - 1 BvR 1323/05 -, jeweils Juris) die Verneinung der hinreichenden Erfolgsaussicht tragen.

B. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus den von ihm genannten und nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO allein maßgeblichen Gründen ist die Berufung nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wegen Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) oder wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.

I. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte auf die Klage des 1964 geborenen, schwerbehinderten (GdB 60) Klägers, der sich erfolglos auf die im Frühjahr 2014 ausgeschriebene Stelle des Hauptamtsleiters bei der Beklagten beworben hatte, verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 2.476,44 EUR zzgl. Zinsen ab dem 20.04.2015 zu zahlen, und dies damit begründet, dass er einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG in Höhe von einem Monatsgehalt der Besoldungsgruppe A 9 habe. Der Kläger sei von der Beklagten im Sinne des § 7 AGG wegen seiner Behinderung benachteiligt worden, weil diese entgegen ihrer Verpflichtung in § 82 Satz 1 SGB IX a.F. keine Meldung der neu zu besetzenden Stelle bei der Agentur für Arbeit vorgenommen habe. Dieses Vorgehen begründe nach § 22 AGG Indizien, die eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten ließen; die Kausalitätsvermutung habe die Beklagte nicht widerlegen können. Weitere Benachteiligungen des Klägers durch die Beklagte im Bewerbungsverfahren habe das Gericht jedoch nicht feststellen können. Ihrer Verpflichtung aus § 82 Satz 2 SGB IX a.F., den Kläger zum Vorstellungsgespräch einzuladen, sei die Beklagte nachgekommen. Die Einwendungen, die der Kläger gegen den Ablauf des Gesprächs erhoben habe, hätten keinen Erfolg. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass es im Rahmen des Gesprächs keine ernsthafte Beschäftigung mit seiner Person gegeben habe. Auch aus der lückenhaften Aktenführung im Rahmen des Stellenbesetzungsverfahrens lasse sich kein Indiz für einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entnehmen. Ein über ein Monatsgehalt hinausgehender Anspruch stehe dem Kläger nicht zu. Es erscheine dem Gericht nicht zweifelhaft, dass der Kläger auch bei einer benachteiligungsfreien Auswahl der Bewerber nicht eingestellt worden wäre. Die Berufserfahrung, die der erfolgreiche Bewerber habe vorweisen können, habe bei Beurteilung der Bewerberauswahl nicht völlig unberücksichtigt bleiben dürfen. Dies gelte ungeachtet des Umstands, dass in der Stellenausschreibung keine Berufserfahrung verlangt gewesen sei.

II. Die vom Kläger erhobenen Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.

Eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschlüsse vom 16.07.2013 - 1 BvR 3057/11 -, BVerfGE 134, 106 [118] und vom 08.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104 [140]). Das kann regelmäßig nur dadurch erfolgen, dass sich die Antragsbegründung konkret mit der angegriffenen Entscheidung inhaltlich auseinandersetzt und aufzeigt, was im Einzelnen und warum dies als fehlerhaft erachtet wird (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.11.2004 - 11 S 2771/03 -, Juris Rn. 2). Wird ein Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargelegt wird und auch vorliegt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.03.2010 - 3 S 1537/08 -, Juris Rn. 3).

Derartige Zweifel ergeben sich aus der Zulassungsbegründung nicht.

1. Der Kläger kann zunächst nicht damit gehört werden, die Beklagte sei als Dienstherrin an das von ihr vorab veröffentlichte Anforderungsprofil bei der Stellenvergabe auch insoweit gebunden, dass sie für ihre Auswahlentscheidung nicht auf weitere Eignungs- oder Befähigungsmerkmale wie Berufserfahrung zurückgreifen dürfe, sie habe mithin durch die Berücksichtigung der einschlägigen Berufserfahrung des letztlich ausgewählten Bewerbers zu seinen Lasten im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen.

a. Zwar legt der Dienstherr mit dem in der Stellenausschreibung aufgestellten Anforderungsprofil die Kriterien für die Bewerberauswahl fest und bindet sich auf diese Weise für das laufende Auswahlverfahren. Das Anforderungsprofil beschreibt die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen, die eine Bewerberin oder ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt. Um eine optimale Besetzung der ausgeschriebenen Stelle zu gewährleisten, hat der Dienstherr das Anforderungsprofil seiner leistungsbezogenen Auswahlentscheidung zugrunde zu legen (BVerwG, Urteil vom 16.08.2001 - 2 A 3.00 -, Juris Rn. 32, und Beschluss vom 25.04.2007 - 1 WB 31.06 -, Juris Rn. 55; Senatsurteil vom 07.02.2012 - 4 S 82/12 -, Juris Rn. 36). Dabei ist die Bindung des Dienstherrn an das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle unmittelbar auch für die Bewerbung des schwerbehinderten Klägers von Belang. § 82 Satz 2 und 3 SGB IX in seiner hier einschlägigen, bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (- § 82 SGB IX a.F. -) regelte, nicht anders als die Nachfolgeregelung in § 165 Satz 3 und 4 SGB IX n.F., dass schwerbehinderte Menschen, die sich um einen Arbeitsplatz beworben haben, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden und dass eine Einladung (nur) entbehrlich ist, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Ob dem Schwerbehinderten die fachliche Eignung in diesem Sinne offensichtlich fehlt, ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle und dem Leistungsprofil des Schwerbehinderten zu ermitteln. Da das Anforderungsprofil zwingend vor Beginn der Auswahlentscheidung festzulegen ist (BVerwG, Urteil vom 03.03.2011 - 5 C 16.10 -, Juris Rn. 23), kann sich der Dienstherr zur Begründung der Nichteinladung eines Schwerbehinderten zum Vorstellungsgespräch wegen offensichtlichen Fehlens fachlicher Eignung nicht mit Erfolg auf nachträglich in das Anforderungsprofil aufgenommene oder verschärfte Eignungsmerkmale berufen. Lädt er einen Schwerbehinderten, der ausweislich des Anforderungsprofils für die ausgeschriebene Stelle nicht objektiv ungeeignet ist, nicht zum Vorstellungsgespräch ein, liegt hierin eine geeignete Hilfstatsache nach § 22 AGG, die für das Vorliegen einer - ggf. gemäß § 15 AGG schadensersatzpflichtigen - Benachteiligung spricht.

b. Der Kläger missversteht allerdings die Reichweite dieser Bindung des Dienstherrn an das Anforderungsprofil, wenn er daraus schließt, dass mögliche weitere, im Anforderungsprofil nicht ausdrücklich genannte Eignungsmerkmale der Mitbewerber wie Berufserfahrung als Kriterium der Befähigung für die endgültige Auswahlentscheidung hätten unberücksichtigt bleiben müssen und dass daher aufgrund gleicher Eignung aller die Anforderungskriterien erfüllenden Bewerber der Kläger als schwerbehinderter Bewerber vorrangig - wohl aufgrund des Hilfskriteriums der Schwerbehinderung - hätte ausgewählt werden müssen.

aa. Unzutreffend ist bereits die Grundannahme des Klägers, auch die endgültige Auswahlentscheidung des Dienstherrn dürfe nur anhand der im Anforderungsprofil ausdrücklich genannten Eignungsmerkmale erfolgen. Werden mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht, bedarf es im Gegenteil naturgemäß weiterer Differenzierungskriterien, um zwischen ihnen eine Auswahlentscheidung treffen zu können. Die Erfüllung der (Mindest-)Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle besagt zwar, dass die Bewerber für diese Stelle grundsätzlich geeignet, mitnichten aber, dass alle Bewerber hierfür auch gleich geeignet wären. Daher erlangen in diesem Fall Abstufungen in der Qualifikation Bedeutung (BVerwG, Urteil vom 16.08.2001 - 2 A 3.00 -, Juris Rn. 32; Senatsbeschluss vom 21.06.2011 - 4 S 1075/11 -, Juris Rn. 3; Groeger, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 3. Aufl. 2020, Rn. 23.127). Dabei entspricht es dem bei der Beförderung zu beachtenden Gebot der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG), zur Ermittlung des Leistungsstands konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene, in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene Kriterien zurückzugreifen (BVerwG, Urteil vom 27.02.2003 - 2 C 16.02 -, Juris Rn. 12; Senatsbeschlüsse vom 21.06.2011 - 4 S 1075/11 -, Juris Rn. 3, vom 20.01.2011 - 4 S 2660/10 -, Juris Rn. 4, und vom 22.07.2008 - 4 S 3097/07 -, Juris Rn. 5).

bb. Den vom Kläger zitierten Entscheidungen lässt sich die vom Kläger vertretene gegenteilige Auffassung gerade nicht entnehmen. Soweit dort auf die Bindung des Dienstherrn an das Anforderungsprofil verwiesen wird, erfolgt dies jeweils im Zusammenhang mit § 82 Satz 2 SGB IX a.F. (BVerwG, Urteil vom 03.03.2011 - 5 C 16.10 -, Juris Rn. 20 ff.; BAG, Urteil vom 11.08.2015 - 8 AZR 375/15 -, Juris Rn. 36); diese Bindungswirkung steht hier aber, nachdem die Beklagte den Kläger zum Vorstellungsgespräch eingeladen hat, nicht infrage. Soweit der Kläger weiter auf Kienzler/Stehle (Beamtenrecht Baden-Württemberg, 3. Aufl., 2018) verweist, findet sich dort gerade die Bestätigung der von Verwaltungsgericht und Senat vertretenen Rechtsauffassung. So heißt es zusammenfassend (Rn. 113), derjenige Bewerber habe "die Besteignung [...], der alle zwingenden Anforderungen [des Anforderungsprofils] erfüllt und dessen primär aus den Beurteilungen ersichtliches Befähigungsprofil im Übrigen dem Anforderungsprofil der Stelle am nächsten kommt".

Das Anforderungsprofil dient somit einer Stufung des Auswahlverfahrens, indem es ermöglicht, Bewerber, die zwingende Vorgaben eines rechtmäßigen Anforderungsprofils nicht erfüllen, in einer ersten Auswahl auszuschließen, so dass sie nicht mehr in den Leistungsvergleich - die auf der zweiten Stufe erfolgende eigentliche Bewerberauswahl - einbezogen werden müssen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26.11.2010 - 2 BvR 2435/10 -, Juris Rn. 12; BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 - 2 VR 1.13 -, Juris Rn. 23; Sächs. OVG, Beschluss vom 27.03.2015 - 2 B 308/14 -, Juris Rn. 8). Die insoweit für das laufende Auswahlverfahren zu beachtende Verbindlichkeit des Anforderungsprofils führt unter anderem dazu, dass die Auswahlkriterien nachträglich nicht dergestalt geändert werden dürfen, dass sich der Bewerberkreis erweitern würde, ohne dass mögliche Interessenten hiervon Kenntnis erhielten (BVerwG, a.a.O. Rn. 32). Dem war die Beklagte gerecht geworden.

cc. Nichts anderes ergibt sich aus der mit § 82 Satz 2 SGB IX a.F. bezweckten Besserstellung schwerbehinderter Bewerber im Bewerbungsverfahren. Im Gegensatz zu nichtbehinderten Bewerbern ist ein Schwerbehinderter, dessen Nichteignung nicht bereits feststeht, zwar zum Vorstellungsgespräch einzuladen, selbst wenn sich der Dienstherr aufgrund der Bewerbungsunterlagen schon die Meinung gebildet hat, ein oder mehrere andere Bewerber seien so gut geeignet, dass der schwerbehinderte Bewerber nicht mehr in die nähere Auswahl komme. Er hat sich auch in diesem Fall über die bloße "Papierform" hinaus in einem Gespräch einen persönlichen Eindruck von dem schwerbehinderten Bewerber und seinem positiven Leistungsprofil zu verschaffen; dieser soll die Möglichkeit bekommen, den Dienstherrn durch eine gute Präsentation im Vorstellungsgespräch von seiner Leistungsfähigkeit und Eignung zu überzeugen (st. Rspr., vgl. BAG, Urteile vom 12.09.2006 - 9 AZR 807/05 -, Juris Rn. 24, vom 21.07.2009 - 9 AZR 431/08 -, Juris Rn. 22, 28, und vom 24.01.2013 - 8 AZR 188/12 -, Juris Rn. 46).

Darin aber erschöpft sich der Regelungszweck des § 82 Satz 2 SGB IX. Für die Stellenvergabe im öffentlichen Dienst gilt uneingeschränkt das verfassungsrechtlich garantierte Prinzip der Bestenauslese, d.h. der Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG. Danach hat nicht ein für die zu besetzende Stelle geeigneter, sondern nur der hierfür am besten geeignete Bewerber einen Anspruch auf Einstellung oder Beförderung. Dem Prinzip der Auslese nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung sind auch die durch das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG geschützten Personengruppen unterworfen (BVerwG, Urteil vom 03.03.2011 - 5 C 16.10 -, Juris Rn. 20; Senatsurteil vom 07.02.2012 - 4 S 82/12 -, Juris Rn. 35). Daraus folgt: Die Schwerbehinderung vermittelt einem Bewerber zwar, wie aufgezeigt, in den Grenzen des § 82 Satz 3 SGB IX a.F. einen Anspruch auf ein persönliches Vorstellungsgespräch. Nach dessen Durchführung ist er aber nicht anders zu stellen als sein nichtbehinderter Mitbewerber. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gewähren zwar Anspruch darauf, wegen einer Behinderung nicht benachteiligt zu werden; ein Anspruch eines schwerbehinderten Bewerbers, der das Anforderungsprofil erfüllt, auf Bevorzugung im Sinne einer vorrangigen Auswahl trotz besserer Eignung eines Mitbewerbers, und damit entgegen Art. 33 Abs. 2 GG, besteht dagegen - auch unter Fürsorgegesichtspunkten - nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.02.1990 - 1 WB 36.88 -, Juris Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 24.07.2006 - 6 B 807/06 -, Juris Rn. 31 ff.; OVG Nieders., Beschluss vom 14.04.2003 - 2 ME 129/03 -, Juris Rn. 11 f.; vgl. auch LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.09.2018 - 7 Sa 227/18 -, Juris Rn. 51 f. sowie BVerwG, Urteil vom 25.02.1988 - 2 C 72.85 -, Juris Rn. 17, wonach es wegen Art. 33 Abs. 2 GG auch ausgeschlossen ist, bei dienstlichen Beurteilungen behinderungsbedingte qualitative Leistungsmängel zugunsten des Schwerbehinderten zu berücksichtigen). Erst dann, wenn ein Vergleich der aus dem Leistungsprinzip abgeleiteten Kriterien eine Unterscheidung zwischen konkurrierenden Bewerbern nicht zulässt, mehrere Bewerber aufgrund ihrer Aus- und Fortbildung, ihren Fähigkeiten und Leistungen für die Stelle vielmehr als gleich geeignet anzusehen sind, ist Raum dafür, der Schwerbehinderung als einem "sozialen Belang ohne Qualifikationsbezug" als Hilfskriterium Vorrang vor anderen Hilfskriterien einzuräumen (BVerwG, Beschluss vom 15.02.1990 - 1 WB 36.88 -, Juris Rn. 21; Schnellenbach/Bodanowitz, dienstliche Beurteilung, Stand 01.04.2020, B. Rn. 427; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand 09/2018, § 9 BeamtStG Rn. 51; jew. m.w.N.).

dd. Vor diesem Hintergrund ist der Senat mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass es auch im Lichte der Bindungswirkung des Anforderungsprofils nicht als - ggf. schadensersatzpflichtiger - Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG zu werten ist, wenn die Beklagte, die den Kläger zum Vorstellungsgespräch eingeladen hat, für ihre an Art. 33 Abs. 2 GG auszurichtende Entscheidung zwischen dem verbliebenen Kreis der die Anforderungskriterien vollumfänglich erfüllenden Bewerber (auch) die Berufserfahrung als ein der Befähigung zuzuschreibendes - und damit verglichen mit der Schwerbehinderteneigenschaft leistungsnäheres - Merkmal gewählt hat und daher zum Ergebnis einer besseren Eignung des Mitbewerbers gekommen ist, so dass für die ergänzende Berücksichtigung der Schwerbehinderung des Klägers kein Raum war.

c. Soweit der Kläger geltend macht, dass die Auswahlentscheidung fehlerhaft sei, weil für die Beurteilung der Berufserfahrung dienstliche Beurteilungen hätten herangezogen werden müssen, was nicht geschehen sei, oder weil die Auswahlgespräche zu oberflächlich geführt worden seien und seine Ablehnung nicht hätten rechtfertigen können, ergeben sich daraus keine Indizien im Sinne von § 22 AGG für einen Zusammenhang zwischen den gerügten Fehlern und seiner Schwerbehinderung; für die Annahme, dass gerade die Schwerbehinderung des Klägers kausal für die geltend gemachten Fehler war, fehlt es an objektiven Anhaltspunkten. Die inhaltliche Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung ist dagegen in diesem auf Schadensersatz wegen einer Verletzung des Benachteiligungsverbots gerichteten Verfahren nicht zu klären; insoweit hätte der Kläger die gegen die Auswahlentscheidung der Beklagten bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten in Anspruch nehmen müssen.

d. Ferner hat der Kläger die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG, er wäre auch bei einer benachteiligungsfreien Auswahl der Bewerber nicht eingestellt worden, weil der erfolgreiche Bewerber nach Eignung und Leistung deutlich vor dem Kläger gelegen habe, nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Denn er beschränkt sich insoweit auf die Darstellung angeblicher Fehler bei Durchführung des Auswahlgesprächs und den Verweis auf seine Schwerbehinderung, behauptet jedoch selbst nicht, besser geeignet zu sein als der letztlich ausgewählte Mitbewerber. Insoweit dringt er nach den obigen Ausführungen auch mit seiner Auffassung, infolge der Erfüllung des Anforderungsprofils als jedenfalls gleich geeignet zu gelten - mit der Folge, dass es auf das nicht leistungsbezogene Hilfskriterium der Schwerbehinderteneigenschaft hätte ankommen können -, nicht durch.

e. Ernstliche Zweifel am verwaltungsgerichtlichen Urteil vermag der Kläger schließlich nicht mit seinen Ausführungen dazu zu begründen, dass dem öffentlichen Arbeitgeber bei der gesundheitlichen Eignungsfeststellung von Beamtenbewerbern kein Beurteilungsspielraum zustehe. Denn die Beklagte hat ihre Auswahlentscheidung nicht auf Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Klägers, sondern auf die bessere Eignung des Mitbewerbers gegründet.

III. Es bestehen weiter keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Deren Annahme setzt voraus, dass der Rechtssache nicht nur allgemeine oder durchschnittliche Schwierigkeiten zukommen. Dieser Zulassungsgrund liegt nur dann vor, wenn sich der konkret zu entscheidende Fall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von dem Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfälle deutlich abhebt und sich gerade die diesbezüglichen Fragen im Berufungsverfahren stellen werden. Den Darlegungserfordernissen ist hierbei nur genügt, wenn in fallbezogener Auseinandersetzung mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts dargetan wird, inwieweit sich die benannten Schwierigkeiten in Vergleich mit Verfahren durchschnittlicher Schwierigkeit als "besondere" darstellen und für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sein werden (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.09.2016 - 3 S 864/16 -, Juris Rn. 29). Da dieser Zulassungsgrund ebenso wie der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Richtigkeit der Entscheidung im Einzelfall gewährleisten soll, muss zugleich deutlich gemacht werden, dass wegen der in Anspruch genommenen besonderen Schwierigkeiten der Ausgang des Berufungsverfahrens jedenfalls ergebnisoffen ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.03.2019 - 10 S 2788/17 -, Juris Rn. 18).

Diesen Anforderungen genügt der klägerische Vortrag nicht. Der Kläger sieht die rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache in der Frage, ob sich der Dienstherr bei der Bewerbung auf die Anforderungen im Stellenprofil beschränken muss oder im Laufe des Bewerbungsverfahrens weitere Anforderungen einbeziehen darf. Die Beantwortung dieser Frage ist mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG jedoch nicht von überdurchschnittlicher Schwierigkeit. Im Übrigen wäre der Ausgang eines Berufungsverfahrens, wie unter II. dargestellt, jedenfalls nicht ergebnisoffen, zumal die vom Kläger vorgebrachten ernstlichen Zweifel an der Entscheidung nicht bestehen.

IV. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat ferner nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Erfolg. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn das erstrebte weitere Gerichtsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen oder im Bereich der Tatsachenfragen nicht geklärten Fragen mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts höhergerichtlicher Klärung bedürfen. Die Darlegung dieser Voraussetzungen verlangt vom Kläger, dass er unter Durchdringung des Streitstoffes eine konkrete Rechtsfrage aufwirft, die für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund gibt, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (vgl. schon Senatsbeschluss vom 05.06.1997 - 4 S 1050/97 -, VBlBW 1997, 420 m.w.N.).

Diesen Anforderungen entspricht der Antrag nicht. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, "ob die Berufserfahrung tatsächlich berücksichtigt werden muss, wenn dies in der Stellenanzeige kein Kriterium ist, und ob der Dienstherr im Laufe des Bewerbungsverfahrens unter Missachtung der Vorgaben in der Stellenanzeige weitere Kriterien aufstellen durfte", stellte sich so schon nicht, weil das Verwaltungsgericht weder den Rechtssatz aufgestellt hat, dass die Berufungserfahrung berücksichtigt werden "muss", noch, dass Vorgaben in der Stellenanzeige missachtet worden wären. Im Übrigen ist mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG durch die ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass zum einen die Berufserfahrung grundsätzlich ein für die Auswahlentscheidung relevantes Kriterium sein kann, und zum anderen die Heranziehung von über die im Anforderungsprofil genannten Mindestvoraussetzungen hinausgehenden, eine Abstufung der Qualifikation der Bewerber ermöglichenden Kriterien zwar nicht für die Frage offensichtlicher Nichteignung im Sinne von § 82 Satz 3 SGB IX a.F., aber für die letztliche Auswahlentscheidung zulässig sein kann. Ob sich der Dienstherr bei der Gewichtung der zu Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Kriterien innerhalb des ihm insoweit eingeräumten Ermessensspielraums gehalten hat, ist dagegen eine Frage des Einzelfalls und entzieht sich mithin einer rechtsgrundsätzlichen Klärung.

V. Die Berufung ist ferner nicht unter dem Gesichtspunkt der Divergenz zuzulassen. Nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist die Berufung diesbezüglich nur zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des übergeordneten Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung ist gegeben, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung eines der genannten Gerichte aufgestellten Rechtssatz mit einem widersprechenden Rechtssatz abgerückt ist und die angegriffene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Zur Darlegung der Rechtssatzdivergenz ist es erforderlich, dass ein die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz aufgezeigt wird, der zu einem ebensolchen Rechtssatz in der Entscheidung des höheren Gerichts in Widerspruch steht (BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328). Entsprechendes gilt für eine Divergenz in Bezug auf Tatsachenfragen, d.h. verallgemeinerungsfähige Tatsachenfeststellungen und -bewertungen. Erforderlich ist ferner, dass die Divergenz dargelegt, d.h. ausdrücklich oder sinngemäß behauptet und unter Durchdringung des Prozessstoffs erläutert bzw. erklärt wird. Die Unvereinbarkeit der im angefochtenen Urteil und in der Entscheidung des höheren Gerichts dargelegten Rechtssätze muss aufgezeigt werden, d.h. es muss ausgeführt werden, worin nach Auffassung des Antragstellers die Abweichung liegen soll (BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997, a.a.O).

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen im Zulassungsantrag bereits im Ansatz nicht. Der Kläger beschränkt sich insoweit auf die Behauptung, das Urteil weiche von Rn. 37 der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-180/95 (Urteil vom 22.04.1997 (Draehmpaehl)) und von Rn. 33 im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.03.2011 (- 5 C 16.10 -, Juris) ab. Er zeigt dabei bereits keinen die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz auf, der zu einem ebensolchen Rechtssatz in der Entscheidung des höheren Gerichts in Widerspruch steht. Ein solcher lässt sich auch den weiteren erläuternden Ausführungen des Klägers nicht entnehmen. Gegenstand der vom Kläger zitierten Rn. 37 des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-180/95 ist die in § 611a Abs. 3 BGB a.F. geregelte Höchstgrenze für Schadensersatz von drei Monatsgehältern bei nicht benachteiligungsfreier Auswahl, die der EuGH nur dann als mit der Richtlinie 76/207 übereinstimmend angesehen hat, wenn der Arbeitgeber beweisen kann, dass der Bewerber die zu besetzende Position wegen der besseren Qualifikation des eingestellten Bewerbers auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte. Insoweit fehlt bereits der Bezug zum angefochtenen Urteil. Die vom Kläger in Bezug genommene Rn. 33 des bundesverwaltungsgerichtlichen Urteils befasst sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Entschädigungsanspruch ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs, insbesondere wegen mangelnder Ernsthaftigkeit der Bewerbung, ausgeschlossen sein kann. Auch diese Frage wurde im angefochtenen Urteil nicht erörtert.

VI. Schließlich liegt mit Blick auf die vom Verwaltungsgericht unterlassene Beweiserhebung nicht der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht vor.

Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe trotz entsprechender Beweisangebote durch den Kläger keine Sachverhaltsaufklärung durchgeführt hinsichtlich der Frage, wie die von der Beklagten durchgeführten Vorstellungsgespräche abgelaufen seien und ob diese den Ansprüchen des Art. 33 Abs. 2 GG genügt hätten, und es habe sich weiter aufgrund des Fehlens einer nachvollziehbaren Dokumentation kein unabhängiges Bild über die geführten Vorstellungsgespräche machen können, greift die Aufklärungsrüge schon deshalb nicht, weil der Kläger es in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht unterlassen hat, durch Stellung eines förmlichen Beweisantrags auf die von ihm vermisste Beweiserhebung hinzuwirken, obwohl ihm ein solcher Beweisantrag aufgrund seiner senatsbekannt durchaus erheblichen verwaltungsgerichtlichen Expertise - das vorliegende Verfahren ist seit 2010 sein 48. Rechtsstreit beim erkennenden Verwaltungsgerichtshof - auch ohne anwaltliche Vertretung möglich und zumutbar gewesen wäre.

Im Übrigen fehlt es an einer substantiierten Darlegung, inwieweit sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Beweiserhebung auch ohne einen solchen Antrag hätte aufdrängen müssen. Denn das Verwaltungsgericht sah keinen Hinweis darauf, im Rahmen des Vorstellungsgesprächs sei es zu einer Benachteiligung im Sinne von § 7 AGG gekommen. Vor diesem Hintergrund bedurfte es aus Sicht des Verwaltungsgerichts, die der Kläger nicht zu erschüttern vermochte, keiner weiteren Aufklärung dahingehend, ob die Durchführung der Vorstellungsgespräche in jeder Hinsicht den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht wurde.

C. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG (2.476,44 EUR x 2).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Referenznummer:

R/R8534


Informationsstand: 30.11.2020