Urteil
Zum Anspruch eines schwerbehinderten Beförderungsbewerbers auf Durchführung eines Vorstellungsgesprächs auch bei nur interner Ausschreibung

Gericht:

VG Göttingen 3. Kammer


Aktenzeichen:

3 B 103/22


Urteil vom:

13.07.2022


Grundlage:

Gründe:

I.

Die Antragstellerin und der Beigeladene stehen im Dienste der Antragsgegnerin, Regionaldirektion F.. Die Antragstellerin ist durch Bescheid der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Kassel vom 15. November 2005 einer Schwerbehinderten gleichgestellt. Die Antragstellerin wurde mit Wirkung vom 01. November 2009 zur Vermessungsamtfrau, Besoldungsgruppe A 11 NBesG, ernannt. Der Beigeladene wurde mit Wirkung vom 01. Februar 2013 in die Tarifgruppe E11 TV-L eingruppiert. Die Antragstellerin und der Beigeladene sind auf den Stichtag 01. Oktober 2020 für den Zeitraum 01. Oktober 2017 bis 30. September 2020 regelbeurteilt worden. Dabei erhielt die Antragstellerin die Wertungsstufe C, der Beigeladene die Wertungsstufe B.

Gegen ihre am 09. Juni 2021 eröffnete Beurteilung erhob die Antragstellerin unter dem 15. Juni 2021 Einwände. Sie machte insbesondere geltend, auf ihrem Dienstposten teilweise Tätigkeiten wahrgenommen zu haben, die einer Bewertung mit A 12 NBesG entsprächen. Dies sei in ihrer Beurteilung nicht gewürdigt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 07. Januar 2022 wies der Antragsgegner diese Einwände zurück. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 14. Februar 2022 Klage (3 A 60/22).

Am 28. Oktober 2021 schrieb der Antragsgegner den mit E12 TV-L/A 12 NBesG bewerteten Dienstposten der Teamleitung (w/m/d) im Dezernat 4, Team 2 - Amtsleistungen und städtebauliche Bodenordnung für den Dienstort B-Stadt ab dem 1. Februar 2022 intern aus. Auf den Dienstposten bewarben sich die Antragstellerin am 1. November, der Beigeladene am 8. November 2021.

Zunächst ging der Antragsgegner davon aus, Anlassbeurteilungen aus Anlass der Bewerbungen erstellen zu müssen. Deshalb führte die Erstbeurteilerin der Antragstellerin, Vermessungsdirektorin H., Leiterin des Dezernats 4, das nach den Richtlinien über dienstliche Beurteilung der Beschäftigten im unmittelbaren Landesdienst (Nds. MBl. 2017, 1104, Abschnitt 9.5 Abs. 1) vorgesehene vorbereitende Beurteilungsgespräch am 22. Dezember 2021 durch. In diesem Gespräch, an dem weitere Bedienstete des Antragsgegners nicht teilnahmen, thematisierte die Erstbeurteilerin nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Antragsgegners die Schwerbehinderung der Antragstellerin. Mit Bescheiden vom 25. Februar 2022 hob der Antragsgegner die erstellten Anlassbeurteilungen gegenüber der Antragstellerin und dem Beigeladenen gleichermaßen auf. Einladungen zu Vorstellungsgesprächen wurden zurückgenommen. Ein Vorstellungsgespräch hat mit der Antragstellerin im Folgenden nicht stattgefunden.

Unter Zugrundelegung des Ergebnisses der Regelbeurteilungen der Antragstellerin und des Beigeladenen wählte der Antragsgegner den Beigeladenen als denjenigen aus, auf den der ausgeschriebene Dienstposten übertragen werden sollte. Unter dem 2. März 2021 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass sie nicht ausgewählt worden sei.

Am 15. März 2022 hat die Antragstellerin gegen die Auswahlentscheidung um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht.

Zur Begründung dieses Antrags ist sie der Ansicht, ihre Regelbeurteilung sei rechtswidrig. Dabei wiederholt und vertieft sie ihre Argumentation aus dem Beurteilungsstreitverfahren. Sie legt eine Dienstpostenbewertung vor, aus der sich ergibt, dass verschiedene auf ihrem Dienstposten anfallende Tätigkeiten nach A 12, eine auch nach A 13 eingestuft sind. (Anm. des Gerichts: Verschiedene andere Tätigkeiten sind zwischen A 7 und A 11 eingestuft). Sie weist zudem darauf hin, dass der vergleichbare Dienstposten bei der Regionaldirektion Braunschweig der Antragsgegnerin mit A 12 NBesG bewertet sei.

Auf ein Vorstellungsgespräch habe sie nicht verzichtet.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es zu unterlassen, den ausgeschriebenen Dienstposten der Teamleitung 2 im Dezernat 4 bei der Regionaldirektion F. des Antragsgegners mit einem Mitbewerber der Antragstellerin zu besetzen, solange nicht erneut rechtsfehlerfrei über die Bewerbung der Antragstellerin entschieden wurde.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Auffassung, es obliege seinem Organisationsermessen, wie er den von der Antragstellerin innegehaltenen Dienstposten bewerte. Er sei zu Recht mit A 11 NBesG bewertet worden. An diesem Statusamt sei die Regelbeurteilung vom 09. Juni 2021 ausgerichtet. Die Antragstellerin habe zu keiner Zeit höherwertige Aufgaben wahrgenommen.

Auf Nachfrage des Gerichts zur Durchführung eines Vorstellungsgespräches, wie es in § 165 Abs. 1 Satz 3 SGB IX vorgesehen ist, erwiderte der Antragsgegner, ein solches sei bei internen Ausschreibungen, wie hier, nicht erforderlich. Selbst wenn es erforderlich sein sollte, habe ein solches Vorstellungsgespräch durch das vorbereitende Gespräch zur Erstellung der Anlassbeurteilung stattgefunden. Die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen habe Vermessungsoberamtsrat I. der Antragsgegnerin aus dem Dezernat 1 organisatorisch vollzogen. Der Leiter der Antragsgegnerin, Regionaldirektion F., Leitender Vermessungsdirektor J., habe von den Beurteilungen sowohl der Antragstellerin als auch des Beigeladenen und über die Auswahlentscheidung Kenntnis gehabt.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag und äußert sich nicht zur Sache.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten in diesem Verfahren sowie im Verfahren 3 A 60/22 gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Diese Unterlagen und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin sind Gegenstand der Beschlussfassung gewesen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes Niedersachsen

II.

Der Antrag ist nach § 123 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO als kombinierte Regelungs- und Sicherungsanordnung statthaft sowie auch sonst zulässig. Er ist auch begründet. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die Besetzung des streitgegenständlichen Beförderungsdienstpostens mit dem Beigeladenen ihre subjektiven Rechte vereiteln könnte.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag und bereits vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Derjenige, der vorläufigen Rechtsschutz begehrt, muss gem. § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920, 294 ZPO glaubhaft machen, dass ein Grund für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht (Anordnungsgrund) und das ihm der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch zusteht (Anordnungsanspruch). Maßgebend sind hierbei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn der Antragsgegner hat mit der getroffenen Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe eine Auswahl für die Vergabe eines höheren Statusamtes der Besoldungsgruppe A 12 getroffen, welche die Antragstellerin in ihrer Rechtstellung aus Artikel 33 Abs. 2 GG zu beeinträchtigen vermag. Er hat der Antragstellerin seine Absicht mitgeteilt, die Teamleitung des Teams 2 im Dezernat 4 zum 21. März 2022 mit einem anderen Bewerber zu besetzen.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch in Form der Verletzung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs glaubhaft gemacht, denn die von der Antragsgegnerin zugunsten des Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung ist aller Voraussicht nach rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihrem subjektiven öffentlichen Recht aus Artikel 33 Abs. 2 GG.

Beamtinnen und Beamte haben grundsätzlich weder einen Rechtsanspruch auf Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens noch auf Beförderung, sondern nur ein aus Art. 33 Abs. 2 GG folgendes subjektiv öffentliches Recht auf sachgerechte Auswahl, d.h. einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Entscheidung über die Bewerbung (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Allerdings ist die der Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens vorangehende Auswahlentscheidung ein Akt wertender Erkenntnis, der nur in eingeschränktem Maße einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. nur Nds. OVG, Beschluss vom 01.12.2017 - 5 ME 204/17 -, juris, Rn. 13). Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich dabei darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 30.01.2003 - 2 A 1.02 -, juris, Rn. 11 und vom 16.08.2001 - 2 A 3.00 -, juris, Rn. 31; Nds. OVG, Beschluss vom 01.12.2017, a.a.O., Beschluss vom 26.08.2003 - 5 ME 162/03 -, juris, Rn. 27; jeweils m.w.N.). Erweist sich anhand dieses Maßstabs die Auswahlentscheidung jedoch als fehlerhaft und lässt sich nicht ausschließen, dass der jeweilige Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge kommt, erscheint eine Auswahl des jeweiligen Antragstellers also jedenfalls möglich (siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 24.09.2002 - 2 BvR 857/02 -, juris, Rn. 11 ff.; BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 - 2 C 16.09 -, juris, Rn. 32; Nds. OVG, Beschluss vom 01.12.2017, a.a.O., m.w.N.; VG B-Stadt, Beschluss vom 16.03.2018 - 3 B 35/18 -), hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg.

Dabei darf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Prüfungsmaßstab, -umfang und -tiefe nicht hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleiben (Nds. OVG Beschluss vom 19.05.2021 - 5 ME 129/20 -, S. 5 f. Abdruck). Das bedeutet, dass sich die Verwaltungsgerichte nicht auf eine wie auch immer geartete summarische Prüfung beschränken dürfen, sondern eine umfassende tatsächliche und rechtliche Überprüfung der Bewerberauswahl vornehmen müssen.

Der vorliegend zu beachtende rechtliche Rahmen ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 GG, wonach öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinn nur nach Kriterien vergeben werden dürfen, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte oder Richter den Anforderungen des Amtes genügen wird. Der Dienstherr darf das Amt nur dem Bewerber verleihen, den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Leistungsvergleichs als den am besten geeigneten ausgewählt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn. 19). Dementsprechend darf die Bewerbung des Konkurrenten nur aus Gründen zurückgewiesen werden, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (BVerwG, Urteil vom 4.11.2010, a. a. O., Rn. 21; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 10).

Dem Grundsatz der Bestenauslese entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind regelmäßig die aktuellen dienstlichen Beurteilungen (BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 20.6.2013, a. a. O., Rn. 21; Nds. OVG, Beschluss vom 10.10.2012 - 5 ME 235/12 -, juris Rn. 18; Beschluss vom 14.11.2013 - 5 ME 228/13 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 23.5.2014 - 5 ME 61/14 -; Beschluss vom 28.1.2020, a. a. O., Rn. 11), weil für die zu treffende Entscheidung hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auf den aktuellen Stand abzustellen ist.

Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil der aktuellen dienstlichen Beurteilung, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013, a. a. O., Rn. 21). Sofern aufgrund dieser aktuellen Beurteilungen von einer im Wesentlichen gleichen Beurteilung auszugehen ist, ist für die Auswahlentscheidung (zunächst) auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.8.2003 - BVerwG 2 C 14.02 -, juris Rn. 22 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 27.5.2005 - 5 ME 57/05 -, juris Rn. 20; Beschluss vom 28.1.2020, a. a. O., Rn. 12), ehe die Heranziehung nicht leistungsbezogener Hilfskriterien in Betracht kommt. Wenn Bewerber in der aktuellen dienstlichen Beurteilung mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden sind, hat der Dienstherr (als weiteres unmittelbar leistungsbezogenes Kriterium) zunächst die aktuellen Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen (BVerwG, Beschluss vom 19.12.2014 - BVerwG 2 VR 1.14 -, juris Rn. 35; Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2016 - 5 ME 151/16 -, juris Rn. 19; Beschluss vom 28.1.2020, a. a. O., Rn. 12). Sind die Bewerber auch nach der umfassenden inhaltlichen Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen ("ausschärfende Betrachtung") als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann die zuständige Behörde auf andere leistungsbezogene Gesichtspunkte abstellen. So kann sie zum Beispiel der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren dienstlichen Beurteilungen ergibt, Vorrang einräumen (BVerwG, Beschluss vom 22.11.2012 - BVerwG 2 VR 5.12 -, juris Rn. 25, 37). Es ist aber auch nicht zu beanstanden, auf das leistungsbezogene Erkenntnismittel eines so genannten strukturierten Auswahlgesprächs zurückzugreifen (BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010 - BVerwG 1 WB 39.09 -, juris Rn. 39; Nds. OVG, Beschluss vom 16.12.2014 - 5 ME 177/14 -, juris Rn. 29; Beschluss vom 1.4.2016 - 5 ME 23/16 -; Beschluss vom 11.7.2016 - 5 ME 76/16 -; Beschluss vom 21.12.2016, a. a. O., Rn. 23; Beschluss vom 28.1.2020, a. a. O., Rn. 12).

Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin ist entgegen ihrer Auffassung nicht deshalb verletzt, weil ihre Beurteilung rechtsfehlerhaft wäre.

Zu Recht ist der Antragsgegner bei seiner Entscheidung von den jeweiligen Regelbeurteilungen für die Antragstellerin und den Beigeladenen ausgegangen. Ist diese, so wie hier, im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nicht älter als 3 Jahre, ist für die Auswahlentscheidung von ihr auszugehen (BVerwG Urteil vom 09.05.2019 - 2 C 1/18 -, juris Rn. 33 f). Ein Ausnahmefall dergestalt, dass die Antragstellerin nach dem Beurteilungsstichtag der letzten Regelbeurteilung über einen erheblichen Zeitraum wesentlich andere Aufgaben wahrgenommen hätte (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 37), liegt nicht vor.

Der Antragsgegner hat es bei dieser Regelbeurteilung, anders als die Antragstellerin meint, auch nicht rechtswidrig unterlassen, zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin auf ihrem mit A 11 NBesG bewerteten Dienstposten Aufgaben wahrgenommen hat, die nach der internen Dienstpostenbewertung mit A 12 und teilweise mit A 13 NBesG bewertet sind.

Die Beurteilung hat grundsätzlich bezogen auf das bekleidete Statusamt, hier bei der Antragstellerin A 11 NBesG, zu erfolgen (ständige, von der Kammer geteilte Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts, vgl. Beschlüsse vom 01.12.2017 - 5 ME 86/17 -, juris Rn. 25; vom 30.06.2020 - 5 ME 85/20 -, juris Rn. 53; vom 10.08.2020 - 5 ME 99/20 -, juris Rn. 27). Dabei unterliegt es dem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Organisationsermessen des Dienstherrn, die Dienstposten seines Zuständigkeitsbereichs zu bewerten. Folglich obliegt es hier dem Antragsgegner, Regionaldirektion F., die Dienstposten, einschließlich desjenigen der Antragstellerin, zu bewerten. Eine gerichtlich überprüfbare Grenze bildet allein der Missbrauch der organisatorischen Gestaltungsfreiheit (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.08.2020, a.a.O. Rn. 25). Erst wenn ein Dienstposten Besonderheiten aufweist, die die typischerweise in der Vergleichsgruppe desselben Statusamtes anzutreffenden Anforderungen übersteigen, ist dies bei der Leistungsbewertung zu berücksichtigen. Derartige Besonderheiten weist der von der Antragstellerin wahrgenommene Dienstposten nicht auf. Er ist vielmehr von dem Antragsgegner bei einer Wertigkeit der wahrzunehmenden Aufgaben zwischen A 9 und A 13 willkürfrei mit A 11 bewertet worden. Demgegenüber wendet die Antragstellerin zu Unrecht ein, einzelne Aufgaben ihres Dienstpostens seien mit A 12 oder sogar A 13 NBesG bewertet. Diese Bewertung hat der Antragsgegner erkennbar bei der Gesamtbewertung des Dienstpostens berücksichtigt. Aufgaben, die typischerweise die in der Vergleichsgruppe desselben Statusamtes anzutreffenden Anforderungen übersteigen, hat die Antragstellerin nicht aufgezeigt.

Gleichwohl ist die Auswahlentscheidung des Antragsgegners zugunsten des Beigeladenen vorläufig außer Vollzug zu setzen. Denn die Antragstellerin kann sich auf einen Verstoß gegen § 165 Satz 3 SGB IX berufen. Diese verfahrensrechtliche Vorschrift dient der Absicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs schwerbehinderter Dienstpostenbewerber. Sie räumt schwerbehinderten Bewerbern einen Anspruch darauf ein, von dem öffentlichen Arbeitgeber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Sie sollen unabhängig von der Gestaltung und dem Ablauf des konkreten Stellenbesetzungsverfahrens die Gelegenheit erhalten, den öffentlichen Arbeitgeber in einem solchen Vorstellungsgespräch von ihrer Leistungsfähigkeit und Eignung zu überzeugen. Dieser soll sich über die schriftlichen Bewerbungsunterlagen hinaus einen persönlichen Eindruck von schwerbehinderten Bewerbern, ihrem Auftreten und ihrer Leistungsfähigkeit verschaffen. Dadurch sollen die Erfolgschancen schwerbehinderter Bewerber verbessert werden. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers stellt das Vorstellungsgespräch ein geeignetes Mittel dar, um eventuelle Vorbehalte oder gar Vorurteile auszuräumen und Hilfskriterien zugunsten schwerbehinderter Bewerber stärker zur Geltung zu bringen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2011 - 2 A 13/10 -, juris Rn. 16; OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.10.2018 -5 ME 82/18-, juris Rn. 28).

Die Antragstellerin unterfällt dem persönlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift, da sie durch Bescheid der Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsagentur Kassel vom 15. November 2005 gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist.

Die Bewerbung der Antragstellerin unterfällt auch dem sachlichen Anwendungsbereich des § 165 Satz 3 SGB IX.

Die Kammer teilt nicht die von dem Antragsgegner vorgetragene Rechtsauffassung, der Anwendungsbereich der Vorschrift sei nicht eröffnet, wenn es sich, wie hier, um eine rein interne Stellenausschreibung handele. Zwar kann sich der Antragsgegner insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15.12.2011, a.a.O., Rn. 18 ff.) berufen. Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung indes nicht, sondern teilt die überzeugend begründete abweichende Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts. Dieses hat mit Urteil vom 25.06.2020, -8 AZR 75/19-, juris Rn. 31 ff. ausgeführt:

"cc) Zudem gilt die Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers nach § 82 Satz 2 SGB IX aF, eine/n schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, auch bei internen Stellenbesetzungen, also auch dann, wenn es sich um eine/n interne/n schwerbehinderte/n Bewerber/in handelt (vgl. auch LPK-SGB IX/Düwell 4. Aufl. § 82 Rn. 8; Kossens/von der Heide/Maaß/Kossens SGB IX 4. Aufl. § 82 Rn. 11; Knittel SGB IX Kommentar 11. Aufl. § 82 Rn. 26; von Roetteken jurisPR-ArbR 24/2012 Anm. 4; aA BVerwG 15. Dezember 2011 - 2 A 13.10 - Rn. 19 ff.; LAG Rheinland-Pfalz 5. März 2012 - 5 Sa 597/11 - zu II der Gründe; LAG Saarland 13. Februar 2008 - 1 TaBV 15/07 - zu III der Gründe). Dies ergibt eine Auslegung von § 82 Satz 2 SGB IX aF unter Berücksichtigung des Wortlauts, des systematischen Zusammenhangs, der Entstehungsgeschichte sowie von Sinn und Zweck der Bestimmung.

(1) Der Wortlaut von § 82 Satz 2 SGB IX aF ist - auch unter Berücksichtigung der inneren Systematik des § 82 SGB IX aF - insoweit nicht eindeutig. Zwar knüpft § 82 Satz 2 SGB IX aF mit der Formulierung "um einen solchen Arbeitsplatz beworben" an die in § 82 Satz 1 SGB IX aF getroffene Regelung an, wonach die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze melden. Das Wort "solchen" in § 82 Satz 2 SGB IX aF muss sich allerdings nicht zwangsläufig nur auf Arbeitsplätze beziehen, die der Agentur für Arbeit gemeldet werden und damit (auch) zur externen Besetzung anstehen, sondern kann sich ebenso gut ausschließlich auf die in § 82 Satz 1 SGB IX aF genannten frei werdenden, neu zu besetzenden sowie die neu eingerichteten Arbeitsplätze beziehen (LPK-SGB IX/Düwell 4. Aufl. §  82 Rn. 8). Der Umstand, dass schwerbehinderte Bewerber nach § 82 Satz 2 SGB IX aF auch dann zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen sind, wenn sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen wurden, ändert daran nichts.

(2) Nach der Entstehungsgeschichte des § 82 SGB IX aF könnte bereits einiges dafür sprechen, dass der öffentliche Arbeitgeber auch bei interner Stellenbesetzung schwerbehinderte Bewerber/innen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen hat, sofern diesen die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlt.

(a) Die Verpflichtung des Arbeitgebers, den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wurde zum 1. Oktober 2000 als weitere Pflicht für Bundesbehörden in § 14a SchwbG (BGBl. I S. 1394) eingeführt. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass die öffentlichen Arbeitgeber des Bundes in Erweiterung der allgemeinen Arbeitgeberpflichten in § 13 und § 14 SchwbG den Arbeitsämtern frühzeitig frei werdende oder neue Arbeitsplätze zu melden hätten; darüber hinaus seien die schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn sie nicht offensichtlich für die zu besetzende Stelle fachlich ungeeignet seien (BT-Drs. 14/3372 S. 18). Danach könnte einiges dafür sprechen, dass der Gesetzgeber mit der Verpflichtung zur Einladung zum Vorstellungsgespräch eine weitere besondere Arbeitgeberpflicht schaffen wollte, die unabhängig davon bestehen sollte, ob die Stellen intern oder extern besetzt werden sollten.

(b) Bei der Schaffung des SGB IX (im Folgenden SGB IX 2001) hat der Gesetzgeber die zuvor in § 14a SchwbG enthaltene Pflicht der öffentlichen Arbeitgeber des Bundes, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, - nunmehr auf alle öffentlichen Arbeitgeber erweitert - in § 82 Satz 2 SGB IX 2001 normiert. In der Gesetzesbegründung wird insoweit lediglich darauf hingewiesen, dass mit der in § 82 SGB IX 2001 getroffenen Regelung auch die öffentlichen Arbeitgeber nach § 71 Abs. 3 Nr. 2 bis Nr. 4 SGB IX aF in die Verpflichtung einbezogen würden, frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze den Arbeitsämtern frühzeitig zu melden.

(c) Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 82 Satz 1 SGB IX in der ab dem 30. Dezember 2016 geltenden Fassung den Passus "nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes" eingefügt und diese Bestimmung mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) 2016 ohne jede Änderung in § 165 Satz 1 SGB IX in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung übernommen hat, ergibt sich für § 82 Satz 2 SGB IX aF schon deshalb nichts anderes, da dieser Passus nach Ansicht des Gesetzgebers deshalb erforderlich war, weil für öffentliche Arbeitgeber die Meldung frei werdender und neu zu besetzender Stellen aufgrund haushaltsrechtlicher Vorschriften problematisch sein könne und zunächst zu prüfen sei, ob offene Stellen mit vorhandenem Personal besetzt werden könnten (BT-Drs. 18/10523 S. 67). Diese gesetzgeberischen Erwägungen betreffen indes ausschließlich die Meldepflicht des Arbeitgebers. Eine Klarstellung, ob die Pflicht zur Einladung schwerbehinderter Menschen zu einem Vorstellungsgespräch - ggf. schon immer - nur gegenüber externen oder auch gegenüber internen Bewerbern/innen bestand, war damit nicht verbunden.

(3) Dass der öffentliche Arbeitgeber nach § 82 Satz 2 SGB IX aF verpflichtet ist, auch - nicht offensichtlich fachlich ungeeignete - interne schwerbehinderte Bewerber/innen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, folgt aus einer am Sinn und Zweck orientierten Auslegung der Norm im Lichte der in Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie in Art. 5 Abs. 3, Art.  27 Abs.  1 und Art. 2 Unterabs. 3 UN-BRK getroffenen Bestimmungen.

(a) Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollen schwerbehinderte Bewerber/innen durch das in § 82 Satz 2 SGB IX aF genannte Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, ihre Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern. Sie sollen die Chance haben, den Arbeitgeber von ihrer Eignung (im weitesten Sinne) zu überzeugen. Über die schriftlichen Bewerbungsunterlagen hinaus soll sich der Arbeitgeber ein Bild von der Persönlichkeit des Bewerbers, seinem Auftreten, seiner Leistungsfähigkeit und seiner Eignung machen. Weiter stellt das Vorstellungsgespräch auch ein geeignetes Mittel dar, um eventuelle Vorbehalte oder gar Vorurteile auszuräumen (BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 59).

Bereits dieser Gesetzeszweck gebietet eine weite Auslegung von § 82 Satz 2 SGB IX aF dahin, dass eine Verpflichtung zur Einladung schwerbehinderter Menschen nicht nur dann besteht, wenn diese sich als externe Bewerber um eine "Einstellung" bewerben, sondern auch dann, wenn sie sich als interne Bewerber auf eine andere Stelle bei ihrem Arbeitgeber bewerben, wobei damit häufig ein "beruflicher Aufstieg" verbunden ist. Vorbehalte oder gar Vorurteile der personalverantwortlichen Personen können nicht nur gegenüber externen Bewerbern, sondern auch gegenüber bereits beschäftigten schwerbehinderten Menschen bestehen (LPK-SGB IX/Düwell 4. Aufl. § 82 Rn. 8). Zudem ist nicht auszuschließen, dass sich bestehende Behinderungen bei Ausübung der angestrebten Tätigkeit anders auswirken als bei Ausübung der bisherigen Tätigkeit und dass diesem Umstand in Beurteilungen, die der/die schwerbehinderte Beschäftigte auf dem bisherigen Arbeitsplatz erhalten hat, nicht hinreichend Rechnung getragen wurde. Im Übrigen kann - auch wenn der öffentliche Arbeitgeber die bei ihm beschäftigten schwerbehinderten Bewerber/innen kennt - nicht generell unterstellt werden, dass den Personalverantwortlichen der jeweils zuständigen Dienststelle, die über die Stellenbesetzung zu entscheiden haben, auch das tatsächliche Leistungsprofil des/r schwerbehinderten Bewerbers/in im Hinblick auf die zu besetzende Stelle bekannt ist. Letztlich ist von Bedeutung, dass der öffentliche Arbeitgeber einem sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen die Chance eines Vorstellungsgesprächs auch dann gewähren muss, wenn dessen fachliche Eignung zwar zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist und dass der schwerbehinderte Mensch im Bewerbungsverfahren nach § 82 Satz 2 SGB IX aF mithin insoweit bessergestellt wird als nicht schwerbehinderte Konkurrenten (BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 32). Hierdurch erhält der schwerbehinderte Mensch die Möglichkeit, einen nach den bisherigen Umständen ggf. bestehenden Vorsprung anderer Bewerber, den diese insbesondere aufgrund ihrer Zeugnisse und ggf. ihrer dienstlichen Beurteilungen haben, durch einen persönlichen Eindruck auszugleichen. Dafür, dass ein/e schwerbehinderte/r Bewerber/in diesen Chancenvorteil bei einer internen Stellenbesetzung nicht haben soll, ist nichts ersichtlich.

(b) Eine weite Auslegung von § 82 Satz 2 SGB IX aF dahin, dass der öffentliche Arbeitgeber nicht nur zur Einladung externer, sondern auch zur Einladung interner schwerbehinderter Bewerber/innen zu einem Vorstellungsgespräch verpflichtet ist, ist auch mit Blick auf die in Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie in Art. 5 Abs. 3, Art.  27 Abs.  1 und Art. 2 Unterabs. 3 UN-BRK getroffenen Bestimmungen geboten.

(aa) Nach Art. 5 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG haben die Mitgliedstaaten angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, was nach Art. 5 Satz 2 der Richtlinie 2000/78/EG bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat, um Menschen mit Behinderung ua. nicht nur den Zugang zur Beschäftigung, sondern auch den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten (vgl. EuGH 17. Juli 2008 - C-303/06 - [Coleman] Rn. 39; dazu, dass Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG im AGG keine wortgleiche Umsetzung erfahren hat BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 42, BAGE 148, 158).

(bb) Art. 5 Abs. 3 UN-BRK bestimmt, dass die Vertragsstaaten zur Förderung der Gleichberechtigung und zur Beseitigung von Diskriminierungen alle geeigneten Schritte unternehmen, um die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen zu gewährleisten. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a UN-BRK sichern und fördern die Vertragsstaaten die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit durch geeignete Schritte, einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften, um ua. "Diskriminierung aufgrund von Behinderung in allen Angelegenheiten im Zusammenhang mit einer Beschäftigung gleich welcher Art, einschließlich der Auswahl-, Einstellungs- und Beschäftigungsbedingungen, der Weiterbeschäftigung, des beruflichen Aufstiegs sowie sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen, zu verbieten". Zudem bestimmt Art. 2 Unterabs. 3 UN-BRK, dass von der "Diskriminierung aufgrund von Behinderung" alle Formen der Diskriminierung erfasst sind, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen. Die Bestimmungen der UN-BRK sind Bestandteil der Unionsrechtsordnung (vgl. EuGH 11. September 2019 - C-397/18 - [Nobel Plastiques Ibérica] Rn. 39; 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [HK Danmark, auch genannt "Ring, Skouboe Werge"] Rn. 28 ff.) und damit zugleich Bestandteil des - unionsrechtskonform auszulegenden - deutschen Rechts (BAG 4. November 2015 - 7 ABR 62/13 - Rn. 27, BAGE 153, 187; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 53, BAGE 147, 60). Der Umstand, dass die UN-BRK seit ihrem Inkrafttreten integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist, führt darüber hinaus dazu, dass auch die Richtlinie 2000/78/EG ihrerseits nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen auszulegen ist (vgl. EuGH 11. September 2019 - C-397/18 - [Nobel Plastiques Ibérica] Rn. 40; 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [HK Danmark, auch genannt "Ring, Skouboe Werge"] Rn. 28 bis 32).

(cc) Da sowohl Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG als auch Art. 5 Abs. 3 und Art.  27 Abs. 1 UN-BRK die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen fordern, um Menschen mit Behinderung nicht nur den Zugang zur Beschäftigung, sondern auch den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen, und es bei Bewerbungen interner Bewerber/innen auf einen anderen Arbeitsplatz bei ihrem Arbeitgeber häufig um den beruflichen Aufstieg geht, ist § 82 Satz 2 SGB IX aF iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 5 Abs. 3 und Art.  27 Abs. 1 UN-BRK dahin auszulegen, dass er den öffentlichen Arbeitgeber zur Einladung eines schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch unabhängig davon verpflichtet, ob es sich um eine/n externe/n oder interne/n Bewerber/in handelt."

Diese überzeugende Rechtsprechung (die vom BAG mit Urteilen vom 27.08.2020 - 8 AZR 45/19 - und 26.11.2020 - 8 AZR 59/20 -, weiterentwickelt worden ist), wird in der Kommentarliteratur geteilt (vgl. Gutzler in Hauck/Noftz, SGB IX, § 165 Rn. 5; Düwell in: Dau/Düwell/Joussen/Luik SGB IX, § 165 Rn. 10; auch VG Frankfurt/Oder Beschluss vom 14.06.2021 - 2 L 96/21 -, juris Rn. 23 f.).

Auf ein solches Vorstellungsgespräch durfte der Antragsgegner nicht verzichten.

Einen ausdrücklichen Verzicht der Antragstellerin auf ein solches Gespräch hat es nach ihrem im gerichtlichen Antragsverfahren unwidersprochen gebliebenen Vortrag nicht gegeben.

Auch § 165 Satz 4 SGB IX enthebt den Antragsgegner nicht von der Verpflichtung, ein Vorstellungsgespräch mit der Antragstellerin durchzuführen. Danach ist eine Einladung entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Die Antragstellerin erfüllt erkennbar das der Ausschreibung zugrundeliegende Anforderungsprofil. Sie ist lediglich bei der aktuellen Regelbeurteilung eine Notenstufe schlechter beurteilt als der Beigeladene. Von einer offensichtlichen Nichteignung kann in diesem Fall nicht ausgegangen werden.

Schließlich hat ein solches Vorstellungsgespräch entgegen der hilfsweise vorgetragenen Auffassung des Antragsgegners auch nicht im Rahmen der ursprünglich vorgesehenen Anlassbeurteilung der Antragstellerin stattgefunden.

Wie ein Vorstellungsgespräch im Sinne von § 165 Satz 3 SGB IX zu gestalten ist, regelt die Vorschrift nicht. Grundsätzlich hält es die Kammer deshalb auch für möglich, dass ein solches Gespräch im Rahmen einer Anlassbeurteilung erfolgt. Allerdings setzt das Gespräch, soll § 165 Satz 3 SGB IX seinen Zweck erfüllen, den Dienstherrn von der Qualität des schwerbehinderten Bewerbers zu überzeugen, voraus, dass an dem Gespräch dieselben Personen beteiligt sind, die auch die Auswahlentscheidung treffen. Ob möglicherweise auch eine personelle Teilidentität ausreicht, kann die Kammer offenlassen. Denn an dem im Rahmen der Anlassbeurteilung nach Abschnitt 9.5 Abs. 1 der Richtlinie über die dienstliche Beurteilung der Beschäftigten im unmittelbaren Landesdienst erforderlichen Gesprächsführung hat mit Vermessungsdirektorin H. lediglich eine Person teilgenommen, die an der Auswahlentscheidung zur Besetzung des ausgeschriebenen Dienstpostens nicht beteiligt gewesen ist. Wegen der oben geschilderten Bedeutung und des dort dargelegten Sinns und Zwecks der Vorschrift reicht es nicht aus, dass die die Auswahl treffenden Personen von der Schwerbehinderung Kenntnis haben und diese würdigen können. Notwendig ist ein mündlich zu führendes Vorstellungsgespräch. Überdies ist dieses Gespräch - woran es hier ebenfalls fehlt - wegen seiner verfahrenssichernden Bedeutung zu dokumentieren.

Der genannte Verfahrensfehler ist schließlich nicht deshalb unbeachtlich, weil ein anderes Ergebnis des Auswahlverfahrens in der Sache ausgeschlossen erscheint. Eine derartige Annahme würde in unzulässiger Weise das Ergebnis des Vorstellungsgespräches nach § 165 Satz 3 SGB IX durch das Gericht vorwegnehmen. Jedenfalls erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das durchzuführende Vorstellungsgespräch zu einer anderen Auswahlentscheidung des Antragsgegners führt.

Anders als im Verfahren auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG (vgl. hierzu BAG Urteil vom 27.08.2020, a.a.O., Rn. 56 m.w.N.), kann dieses Vorstellungsgespräch im Bewerbungsverfahren zur Fehlerheilung nachgeholt werden. Der Antragsgegner wird deshalb ein solches Vorstellungsgespräch mit der Antragstellerin zu führen und sodann erneut über die Besetzung des streitigen Dienstpostens zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen auf § 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und somit nicht das Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO auf sich genommen. Es entspricht deshalb nicht Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu halten.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 GKG. Bei Streitigkeiten um die Besetzung einer Beförderungsstelle ist im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes die Summe der für sechs Monate zu zahlenden Bruttobezüge nach Besoldungsgruppe A 12 (bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung am 15. März 2022) zugrunde zu legen (6 x 4.925,38 EUR = 29.552,28 EUR). Denn es ist insoweit von dem im Zeitpunkt der Einleitung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens maßgeblichen Endgrundgehalt auszugehen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 03.01.2017 - 5 ME 157/16 -, juris, Rn. 93 m. w. N.). Eine Reduzierung dieses Werts im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des Eilrechtsschutzverfahrens erfolgt nicht, da dieses Verfahren in Konkurrentenstreitverfahren die Funktion des Hauptsacheverfahrens übernimmt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.05.2013 - 5 ME 92/13 -, juris, Rn. 28 f).

Referenznummer:

R/R9492


Informationsstand: 08.11.2022