Urteil
Erstattung von Kosten für eine Arbeitsassistenz durch das Integrationsamt

Gericht:

VG Halle (Saale) 4. Kammer


Aktenzeichen:

4 A 49/07


Urteil vom:

28.08.2008


Grundlage:

Leitsatz:

1. § 102 Abs. 4 SGB IX gewährt dem Schwerbehinderten einen gebundenen Anspruch dem Grunde nach auf Kostenübernahme.

2. Über die Höhe der Kostenübernahme entscheidet die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen.

3. Dabei können die Empfehlungen der BIH der Ermessensausübung zugrunde gelegt werden.

4. Im Einzelfall kann eine Erhöhung des grundsätzlich vorgesehenen Höchstbudgets notwendig sein.

Nichtamtliche Leitsätze:

1. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 102 Abs. 4 SGB IX besteht grundsätzlich kein gebundener Anspruch auf Übernahme von Kosten in einer bestimmten Höhe. Vielmehr richtet sich der Anspruch regelmäßig lediglich auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens, denn die Entscheidung über die Höhe der Kostenübernahme steht im pflichtgemäßem Ermessen.

2. Die Übernahme der Kosten einer Arbeitsassistenz steht unter dem Vorbehalt der dem Integrationsamt aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mittel.

3. Das Integrationsamt hat über die Verteilung der - aus der Ausgleichsabgabe insgesamt - zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn absehbar ist, dass die Mittel aus der Ausgleichsabgabe beschränkt sind, zur vollumfänglichen Erfüllung aller Aufgaben nicht ausreichen. Das Ermessen ist nicht dahingehend eingeschränkt, dass das Integrationsamt die Ausgleichsabgabe zunächst zur vollständigen Deckung der Kosten für Arbeitsassistenz aufwenden muss, bevor die insoweit zur Verfügung stehenden Mittel anderweitig eingesetzt werden.

Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH)

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH)

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz des Klägers.

Der Kläger ist aufgrund der eingetretenen Erblindung mit einem Grad von 100 schwerbehindert. Mit Bescheid vom 17. Mai 2006 stellte die Stadt A-Stadt fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "BI" (Blindheit) vorliegen.

Er ist als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der M.-Universität H. mit einer Lehrverpflichtung im Bereich der Phonetik/Phonologie beschäftigt. Wegen seiner Schwerbehinderung ist er zur Erbringung seiner Arbeitsleistung auf eine Assistenzkraft angewiesen.

Mit Bescheid vom 08. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. Juli 2002 bewilligte das Landesamt für Versorgung und Soziales dem Kläger für den Zeitraum April bis September 2002 erstmals ein monatliches Budget von bis zu 1.364,- Euro zur Finanzierung einer Assistenzkraft. Der Entscheidung legte die Behörde die Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) und einen Assistenzbedarf von 4 Stunden arbeitstäglich zugrunde und errechnete das Budget ausgehend von einem sich aus dem vorgesehenen Höchstbetrag für einen Assistenzbedarf von mindestens 3 Stunden (1.023 Euro) ermittelten Stundensatz (1.023 Euro / 3 = 341 Euro). Insoweit sollte zugleich dem als anspruchsvoll geltenden Assistenzbedarf mit Hochschulqualifikation Rechnung getragen werden.

Mit Bescheid vom 12. Januar 2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum Oktober 2004 bis September 2006 einen monatlichen Betrag von bis zu 1.466,68 Euro zuzüglich 20,- Euro/Monat Regiekosten.

Nachdem der Kläger von Oktober 2005 bis April 2006 arbeitsunfähig erkrankt war, übt er seit Juni 2006 seine Tätigkeit wieder aus. Mit Arbeitsvertrag vom 30. Mai 2006 in der Fassung der Änderung vom 15. Juni 2006 stellte der Kläger mit Wirkung zum 01. Juni 2006 eine Studentin der Anglistik als Arbeitsassistenz mit einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.300,- Euro ein. Als wöchentliche Arbeitszeit sind 20 Stunden vereinbart. Abgegolten sind zudem bis zu 12 Überstunden im Monat. Weitere Überstunden sind durch Freizeit abzugelten. Unter dem 15. Juli 2006 schloss der Kläger zudem mit einem Studenten der Anglistik einen Arbeitsvertrag zur Urlaubs- und Krankheitsvertretung seiner Assistentin mit einem Stundensatz von 15,40 Euro.

Mit Bescheid vom 01. August 2006 widerrief der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 12. Januar 2005 in Höhe eines Teilbetrags von 366,68 Euro in Bezug auf die Förderung im September 2006 und setzte das Budget für September 2006 auf 1.100,- Euro zuzüglich 20,- Euro Regiekosten fest. Zur Begründung führte er aus, der Bewilligung habe zugrunde gelegen, dass die Arbeitsassistenz eine Hochschulqualifikation besitze. Da der Kläger nunmehr eine Studentin beschäftige, bestünde kein Grund, von dem in den Empfehlungen der BIH vorgesehenen Höchstbetrag abzuweichen. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2007 zurück. Der Widerruf stütze sich auf § 47 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 1 SGB X, denn der Kläger habe die gewährte Leistung nicht mehr für den im Verwaltungsakt bestimmten Zweck - einer Arbeitsassistenz mit Hochschulabschluss - verwendet.

Auf den Antrag des Klägers vom 14. März 2006 zur Verlängerung der Bewilligung des Budgets für eine Arbeitsassistenz bewilligte der Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des Integrationsfachdienstes vom 08. August 2006 mit Bescheid vom 20. September 2006 für den Zeitraum Oktober 2006 bis März 2007 ein Budget von monatlich 1.100,- Euro zuzüglich 20,- Euro Regiekosten. Dabei ging er von einem arbeitstäglichen Unterstützungsbedarf von 6 Stunden aus. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2007 zurück. Entgegen der Stellungnahme des Integrationsfachdienstes sei nicht von einem täglichen Unterstützungsbedarf des Klägers von 6 Stunden, sondern lediglich von 3,5 Stunden auszugehen. Der Integrationsfachdienst habe fehlerhaft Wegebegleitzeiten berücksichtigt. Darüber hinaus seien die Zeiten für Vorlesearbeiten zu hoch angesetzt, weil sich der Kläger insoweit technischer Hilfsmittel bedienen könne. Auch seien Aufgaben in Ansatz gebracht worden, die als Kernaufgaben nicht durch die Assistenz zu erbringen seien. Im Hinblick auf die der Entscheidung zugrunde gelegten Empfehlungen der BIH, in denen für einen Assistenzbedarf von mindestens 3 Stunden täglich ein Budget von 1.100,- Euro vorgesehen sei, könne der Kläger einen darüber hinausgehenden Betrag nicht beanspruchen.

Unter dem 17. Juli 2006 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für die Urlaubs- und Krankheitsvertretung am 13. und 14. Juli 2006 und fügte insoweit den Krankenschein seiner Assistentin (für den 13. und 14. Juli), die Abrechnung der geleisteten Stunden und den mit dem Vertreter geschlossenen Arbeitsvertrag bei. Mit Bescheid vom 08. August 2006 bewilligte der Beklagte dem Kläger daraufhin für den Zeitraum Juli 2006 bis September 2008 für eine Krankheitsvertretung der Arbeitsassistenz einen Betrag von bis zu 1.320,- Euro unter Berücksichtigung eines Stundensatzes von 7,86 Euro. Dabei legte er der Entscheidung einen Unterstützungsbedarf von 4 Stunden arbeitstäglich zugrunde. Leistungen für eine Urlaubsvertretung würden nicht erbracht, da es zumutbar sei, den Urlaub mit der Assistenzkraft abzustimmen. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er sich gegen den Höchstbetrag und gegen den Stundensatz sowie gegen den Ausschluss der Bewilligung von Mitteln für die Urlaubsvertretung wandte. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er u.a. aus: Der Arbeitgeberanteil könne bei der Wahl einer ungünstigen Steuerklasse durchaus bei 40 % liegen, weshalb zur Ermittlung des der Vertretung zu zahlenden Stundensatzes der in den Empfehlungen der BIH für die Arbeitsassistenz vorgesehene Höchstbetrag von 1.100 Euro auf 660 Euro zu kürzen sei. Ausgehend von einem Unterstützungsbedarf von 3 Stunden arbeitstäglich ergebe sich abweichend von der Festlegung im Bescheid vom 08. August 2006 daher ein Stundensatz von 10,48 Euro. Die Beschränkung der Mittel für eine Krankheitsvertretung auf den Betrag von 1.320,- Euro für den Zeitraum Juli 2006 bis September 2008 sei gerechtfertigt, weil die durchschnittlichen krankheitsbedingten Fehlzeiten bei 12,7 Tagen im Jahr lägen.

Der Kläger hat bereits am 29. Januar 2007 Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 20. September 2006, vom 01. August 2006 und vom 08. August 2006 erhoben, mit der er die Bewilligung eines weiteren monatlichen Budgets für Oktober 2006 bis März 2007 in Höhe von 1.955,75 Euro und eines Budgets für den Zeitraum April 2007 bis September 2008 von monatlich 2.975,75 Euro inklusive 20,- Euro Regiekosten, die Aufhebung des Bescheids vom 01. August 2006 und die Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung eines Budgets für eine Urlaubs- und Krankheitsvertretung in Höhe von 22,83 Euro/Stunde begehrte.

Am 02. März 2007 hat er die Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 30. Januar 2007 in das Verfahren einbezogen. Am 17. Juli 2007 hat er sein Begehren dahin erweitert, dass ihm Regiekosten in Höhe von monatlich 150,- Euro bewilligt werden. Am 27. August 2007 hat der Kläger die Klage insoweit geändert, als er für die Zeit von Oktober 2006 bis Mai 2007 über das bewilligte Budget hinaus ein weiteres monatliches Budget von 1.855,75 Euro begehrt.

Mit Bescheid vom 06. März 2007 hat der Beklagte dem Kläger für April und Mai 2007 ein monatliches Budget in Höhe von 1.100,- Euro zuzüglich 20,- Euro Regiekosten bewilligt. Den dagegen erhobenen Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2007 zurückgewiesen. Am 27. August 2007 hat der Kläger beim erkennenden Gericht hiergegen Klage erhoben (Aktenzeichen 4 A 323/07 HAL ).

Mit Bescheiden vom 06. Juni und vom 02. Juli 2007 hat der Beklagte dem Kläger für Juni 2007 bzw. Juli 2007 bis März 2009 ein monatliches Budget in Höhe von 1.100,- Euro zuzüglich 20,- Euro Regiekosten bewilligt. Den dagegen erhobenen Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2007 zurückgewiesen. Am 13. November 2007 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben (Aktenzeichen 4 A 481/07 HAL).

Mit Beschluss vom 28. August 2008 hat die Kammer die Verfahren zu den Aktenzeichen 4 A 49/07 HAL, 4 A 323/07 HAL und 4 A 481/07 HAL zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Das Verfahren läuft nunmehr einheitlich unter dem Aktenzeichen 4 A 49/07 HAL.

Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Er benötige für seine Angestelltentätigkeit eine Arbeitsassistenz im Umfang von 6 Stunden arbeitstäglich. Hinsichtlich der Höhe der zur Verfügung zu stellenden Mittel habe der Beklagte kein Ermessen. Vielmehr vermittle das Gesetz im Gegensatz zu anderen begleitenden Hilfen im Arbeitsleben einen gebundenen Anspruch auf Übernahme eines angemessenen Entgelts für eine Arbeitsassistenz. Insoweit sei unerheblich, ob die Assistenzkraft selbst noch Studentin sei oder über einen Hochschulabschluss verfüge. Es müsse aber berücksichtigt werden, dass an die von ihm benötigte Assistenz erhöhte Anforderungen zu stellen seien, die in der Regel lediglich ein Hochschulabsolvent erfülle. Da er aufgrund der Arbeitszeitregelung lediglich zu 92,5 % der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt sei, stünden ihm 7,5 % seiner Arbeitszeit, d. h. 3 Stunden wöchentlich, für eigene wissenschaftliche Publikationen zur Verfügung. Er beabsichtige insoweit die Erstellung eines Lehrbuchs für Phonetik. Ausgehend von einer für die Lehrtätigkeit ermittelten Assistenzbedarfsquote von ¾ ergebe sich ein zusätzlicher täglicher Assistenzbedarf von etwa einer halben Stunde, für den er ebenfalls die Übernahme der Kosten begehre. Im Hinblick auf die als Arbeitgeber seiner Assistentin anfallenden Regiekosten sei der bewilligte Betrag nicht ausreichend.

Der Teilwiderrufsbescheid sei rechtswidrig, weil die Beschäftigung einer Studentin statt eines Hochschulabsolventen nicht dazu berechtige, das leistungsadäquate Entgelt zu kürzen. Die Höhe des Vertretungsentgelts im Krankheits- und Urlaubsfall müsse sich an dem der Assistenzkraft zu zahlenden Entgelts orientieren und dürfe nicht betragsmäßig beschränkt werden.


Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verpflichten, ihm für den Zeitraum Oktober 2006 bis Mai 2007 Kosten für eine Arbeitsassistenz in Höhe von monatlich 2.975,75 Euro zu bewilligen und den Bescheid des Beklagten vom 20. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 06. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2007 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen,

2. den Beklagten zu verpflichten, ihm für den Zeitraum Juni 2007 bis März 2009 Kosten für eine Arbeitsassistenz in Höhe von monatlich 3.105,75 Euro zu bewilligen und die Bescheide des Beklagten vom 06. Juni 2007 und vom 02. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2007 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen,

3. den Beklagten zu verpflichten, ihm für den Zeitraum Juli 2006 bis September 2008 für eine Urlaubs- und Krankheitsvertretung der Arbeitsassistenz ohne betragsmäßige Obergrenze ein Stundenentgelt in Höhe von 22,83 Euro zu bewilligen und den Bescheid des Beklagten vom 08. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2007 aufzuheben,

4. den Bescheid des Beklagten vom 01. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2007 aufzuheben.


Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat teilweise Erfolg.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinsichtlich der über den bereits bewilligten Umfang hinausgehenden Übernahme der Kosten einer Arbeitsassistenz für den Zeitraum Oktober 2006 bis März 2009. Die Bescheide des Beklagten vom 20. September 2006, vom 06. März 2007, vom 06. Juni 2007 und vom 02. Juli 2007 - jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide - sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, soweit sie dem entgegenstehen (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Einen weitergehenden Anspruch hat der Kläger insoweit hingegen nicht (dazu I.).

Der Kläger hat zudem einen Anspruch gegen den Beklagten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts bezüglich der beantragten Übernahme der Kosten für die Krankheitsvertretung der Arbeitsassistenz des Klägers am 13. und 14. Juli 2006. Ein darüber hinausgehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Der Bescheid des Beklagten vom 08. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (dazu II.).

Schließlich ist der Teilwiderrufsbescheid des Beklagten vom 01. August 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2007 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dazu III.).

I. 1. Gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamts für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten einer Arbeitsassistenz liegen beim Kläger (dem Grunde nach) vor. Denn er bedarf aufgrund seiner Schwerbehinderung einer regelmäßig wiederkehrenden Unterstützung bei der Ausübung seines Berufs als Lehrkraft an der M.-Universität H. zur Erhaltung des Arbeitsplatzes. Das ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.

Die Entscheidungen des Beklagten über den Umfang der Kostenübernahme sind ermessensfehlerhaft.

Entgegen der Auffassung des Klägers besteht bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 102 Abs. 4 SGB IX grundsätzlich kein gebundener Anspruch auf Übernahme von Kosten in einer bestimmten Höhe. Vielmehr richtet sich der Anspruch regelmäßig lediglich auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens, denn die Entscheidung über die Höhe der Kostenübernahme steht im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten.

Die Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz steht nämlich unter dem Vorbehalt der dem Integrationsamt aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mittel. Der dem Grunde nach in § 102 Abs. 4 SGB IX geregelte Kostenübernahmeanspruch wird damit zugleich wieder beschränkt. Da weitere Rechtsnormen - insbesondere über die Verteilung der Mittel aus der Ausgleichsabgabe - nicht bestehen, namentlich die Bundesregierung von der in § 108 SGB IX eingeräumten Ermächtigung, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Voraussetzungen des Anspruchs, die Höhe, Dauer und Ausführung der Leistungen zu regeln, keinen Gebrauch gemacht hat, hat der Beklagte über die Verteilung der - aus der Ausgleichsabgabe insgesamt - zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 2 B 204/03 -, FEVS 55, S. 334; VG Hamburg, Urteil vom 09. Juli 2002 - 5 VG 3700/01 -, Juris; VG Bremen, Urteil vom 09. Mai 2003 - 7 K 2496/01 -, Juris; VG Minden, Beschluss vom 22. Juli 2004 - 7 K 7681/03 -, Juris, bestätigt durch OVG NW, Beschluss vom 11. Mai 2005 - 12 E 984/04 -, Juris; a.A. .A. VG Stade, Urteil vom 25. Juni 2003 - 4 A 1687/01 -, NVwZ-RR 2003, S. 761; VG Schleswig, Urteil vom 27. August 2003 - 15 A 267/01 -, Juris; VG München, Beschluss vom 01. Juni 2005 - M 6b E 05.1020 -, Juris). Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - absehbar ist, dass die Mittel aus der Ausgleichsabgabe beschränkt sind, d.h. zur vollumfänglichen Erfüllung aller Aufgaben nicht ausreichen. Der Beklagte hat insoweit im Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2007 dargelegt, dass in den Jahren 2005 und 2006 die Einnahmen aus der Ausgleichsabgabe nicht die Ausgaben gedeckt haben und dies aufgrund des verringerten Aufkommens aus der Ausgleichsabgabe auch für das Jahr 2007 zu erwarten sei. Dafür, dass für die Jahre 2008 und 2009 anderes gilt, bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Ermessen nicht dahingehend eingeschränkt, dass das Integrationsamt die Ausgleichsabgabe zunächst zur vollständigen Deckung der Kosten für Arbeitsassistenzen aufwenden muss, bevor die insoweit zur Verfügung stehenden Mittel anderweitig eingesetzt werden. Gemäß § 14 Abs. 1 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung haben die Integrationsämter die Ausgleichsabgabe für Leistungen zur Förderung des Arbeits- und Ausbildungsplatzangebots für schwerbehinderte Menschen (Nr. 1), für Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben einschließlich der Durchführung von Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen (Nr. 2), für Leistungen für Einrichtungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben (Nr. 3) und für Leistungen zur Durchführung von näher benannten Forschungs- und Modellvorhaben (Nr. 4) zu verwenden. Zwar ist in § 14 Abs. 2 der Verordnung vorgesehen, dass die Mittel aus der Ausgleichsabgabe vorrangig für die Förderung nach Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 zu verwenden ist. Daraus ergibt sich aber keine unmittelbare Verpflichtung zur vollständigen Deckung bestimmter Kosten. Eine solche folgt auch nicht daraus, dass in § 102 Abs. 3 SGB IX geregelt ist, dass das Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben auch Geldleistungen insbesondere in den näher benannten Fällen erbringen kann , während in § 102 Abs. 4 SGB IX bestimmt ist, dass schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamts für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz haben . Durch die Beschränkung auf die Mittel hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass - solange die Bundesregierung von der Verordnungsermächtigung in Bezug auf Höhe, Dauer und Ausführung der Leistungen (§ 108 SGB IX) keinen Gebrauch gemacht hat - das Integrationsamt die ihm zur Verfügung stehenden Mittel (lediglich) anhand sachgerechter Kriterien auch zur Erfüllung des (nur) dem Grunde nach in § 102 Abs. 4 SGB IX geregelten Anspruchs auf Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz einzusetzen hat.

Die vom Beklagten zur Ausübung dieses Ermessens herangezogenen "Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX" (im Folgenden: BIH-Richtlinie) liefern dabei taugliche Kriterien zur sachgerechten Verteilung der Mittel. Darin ist in Ziffer 4.1 vorgesehen, dass den schwerbehinderten Menschen abhängig von ihrem individuellen Unterstützungsbedarf monatliche Budgets zur Verfügung gestellt werden. Diese betragen bei einem durchschnittlichen arbeitstäglichen Unterstützungsbedarf von weniger als 1 Stunde bis zu 275,- Euro, bei 1 Stunde bis unter 2 Stunden bis zu 550,- Euro, bei 2 Stunden bis unter drei Stunden bis zu 825,- Euro und bei mindestens 3 Stunden bis zu 1.100,- Euro. Damit wird im Regelfall die Finanzierung einer notwendigen Arbeitsassistenz sichergestellt.

Die Begrenzung auf einen Höchstbetrag ist notwendige Folge der gesetzlichen Regelung, dass die Leistungen aus den dem Integrationsamt zur Verfügung stehenden begrenzten Mittel aus der Ausgleichsabgabe zu entnehmen sind. Besonderheiten des Einzelfalls kann durch die angemessene Erhöhung des Budgets Rechnung getragen werden. Die BIH-Richtlinie sieht das insbesondere für den Fall vor, dass neben dem eigentlichen Unterstützungsbedarf am Arbeitsplatz Bereitschaftszeiten der Assistenzkraft im Betrieb auch bei Ausschöpfen der vom Arbeitgeber bereitgestellten Unterstützungsmaßnahmen unvermeidlich sind (Ziffer 4.1 am Ende). Als Aufwandspauschale für sog. Regiekosten (z.B. Meldung zur Sozialversicherung, Entgeltberechnung, Lohnbuchhaltung, Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern) können die Beträge bei Fremdvergabe an Dritte um einen Betrag von 20 Euro bzw. 30 Euro (BIH-Richtlinie Stand 16. Oktober 2007) erhöht werden.

Der Beklagte hat jedoch bei seinen Entscheidungen über die Bewilligung der dem Kläger zur Verfügung zu stellenden Mittel für eine notwendige Arbeitsassistenz im Zeitraum Oktober 2006 bis März 2009 von seinem Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I, § 114 Satz 1 VwGO).

a) Der Beklagte ist bei seinen Entscheidungen nämlich von unzutreffenden Feststellungen ausgegangen, indem er lediglich einen arbeitstäglichen Unterstützungsbedarf des Klägers von 3,5 Stunden angenommen hat.

Zwar ist der Beklagte ausweislich der Begründung seiner Bescheide vom 20. September 2006 und vom 02. Juli 2007 zunächst von einem Assistenzbedarf des Klägers von 6 Stunden am Tag ausgegangen. In den Widerspruchsbescheiden vom 30. Januar 2007, vom 30. Juli 2007 und vom 18. Oktober 2007 hat der Beklagte indes seinen Ermessensentscheidungen jeweils einen Bedarf von 3,5 Stunden/Tag zugrunde gelegt. Diese Erwägungen sind maßgeblich, da Gegenstand der Klage jeweils der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Der Kläger hat zur Überzeugung der Kammer aber einen Assistenzbedarf von 6 Stunden bzw. künftig mindestens 6 Stunden täglich.

aa) Soweit es seine Tätigkeit als angestellter Hochschullehrer betrifft, geht die Kammer auf der Grundlage der Stellungnahmen des Integrationsfachdienstes des Beklagten vom 10. August 2005 und vom 18. Juni 2007 davon aus, dass beim Kläger ein Assistenzbedarf von ca. 6 Stunden täglich vorliegt. In der letztgenannten Stellungnahme führt der Integrationsfachdienst insofern nachvollziehbar aus, dass in der Vorlesungszeit ein Assistenzbedarf von 29,75 Stunden/Woche und in der vorlesungsfreien Zeit von 29,25 Stunden/Woche bestehe, was einen täglichen Bedarf von ca. 6 Stunden ergebe. Auch in der Stellungnahme vom 10. August 2005 stellte der Integrationsfachdienst einen Assistenzbedarf für die Vorlesungszeit von 29,5 Stunden/Woche und daher täglich von ca. 6 Stunden fest. Die vom Beklagten in den Widerspruchsbescheiden (und im Eilverfahren zum Aktenzeichen 4 B 475/07 HAL) dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.

Soweit der Beklagte geltend macht, dass sich der notwendige Zeitanteil der Arbeitsassistenz für die Durchführung, Vorbereitung und Nachbereitung der Übungen des Antragstellers verringere, weil - wie sich aus der Teilnehmerliste im "STUD-IP" ersehen lasse - von den fünf vom Kläger für das Sommersemester 2007 angebotenen wöchentlichen Übungen lediglich vier von Studenten besucht worden seien, vermag er damit nicht durchzudringen. Der Kläger hat insoweit nämlich (im o.g. Eilverfahren) dargetan, dass im universitätsinternen EDV-System "STUD-IP" lediglich die Teilnehmer enthalten seien, die sich "online" angemeldet haben, ein Großteil der Teilnehmer sich jedoch anmelde, indem sie sich bei der Einführungsveranstaltung in die Teilnehmerliste einschrieben. Für die von ihm angebotenen fünf Übungen habe sich jeweils die Mindestzahl von 3 Studenten angemeldet und die Übungen seien auch durchgeführt worden.

Ebenso wenig greift der Einwand, der vom Integrationsfachdienst ermittelte Bedarf sei zu vermindern, weil die Übungen nicht mit der maximal vorgesehenen Teilnehmerzahl von 25 ausgelastet seien. Denn der Assistenzbedarf bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Veranstaltungen des Klägers ist im Wesentlichen unabhängig von der konkreten Zahl der teilnehmenden Studenten. Das gilt namentlich für die Unterstützung durch die Arbeitsassistenz beim Vorlesen der Fachliteratur, bei der Internetrecherche, der Organisation benötigter Arbeitsmittel für den Unterricht, der Vorbereitung und Nachbereitung des Unterrichtsraums und der Anwesenheit während des Unterrichts. Lediglich Tätigkeiten wie etwa das Anfertigen von Teilnahmebescheinigungen oder Kopien von Materialien für die Studierenden sind abhängig von der Teilnehmerzahl, fallen jedoch nach Auffassung der Kammer nur unwesentlich ins Gewicht.

Der (im o.g. Eilverfahren) pauschal erhobene Einwand, in der Zeit vom 06. Dezember 2007 bis 10. Januar 2008 durchgeführte Sachverhaltsermittlungen hätten ergeben, dass die angebotenen Veranstaltungen teilweise nicht oder nur von einem Studenten besucht worden seien und die Arbeitsassistenz nur teilweise anwesend gewesen sei, vermag das an dem vom Integrationsfachdienst festgestellten grundsätzlichen Bedarf des Klägers nichts zu ändern. Dieser besteht unabhängig davon, ob im Einzelfall die angemeldeten Studenten die jeweilige Veranstaltung aufsuchen oder nicht.

Fehl geht zudem der Einwand des Beklagten, die vom Integrationsfachdienst ermittelten Zeiten für die Begleitung des Klägers auf dem Universitätsgelände seien vom notwendigen Assistenzbedarf abzuziehen. Besteht aufgrund der Sehbehinderung des Klägers die Notwendigkeit der Begleitung zu und von den Räumlichkeiten der Veranstaltungen auf dem Universitätsgelände, ist auch diese Tätigkeit von der Arbeitsassistenz erfasst (vgl. auch VG München, Beschluss vom 01. Juni 2005 - M 6b E 05.1020 -, Juris).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Assistenzbedarf im Hinblick darauf geringer zu bewerten ist, weil der Kläger durch Ausnutzung technischer Lesehilfen teilweise auf eine Arbeitsassistenz verzichten könnte. Nach den Darlegungen des Klägers, dem der Beklagte nicht entgegengetreten ist, sei nach Einschätzung des Technischen Beraters der Agentur für Arbeit durch die Ausnutzung technischer Lesehilfen eine Verringerung des Assistenzbedarfs nicht zu erwarten, weil die Arbeitsmaterialien des Klägers keine reinen Textdokumente, sondern mit grafischen und symbolischen Elementen durchsetzt seien. Der Einsatz eines Vorlesesystems führe deshalb eher zu einem Anwachsen des Assistenzbedarfs, weil die Korrekturen und das Pflegen der Systeme zu aufwändig und vom Kläger selbst nicht zu bewältigen sei. Substantiierte Einwände gegen diese fachliche Einschätzung hat der Beklagte nicht vorgebracht.

Schließlich vermag die Kammer auch nicht zu erkennen, weshalb die Annahme der Notwendigkeit des Vorlesens von Fachliteratur mit einem Umfang von 200 bis 300 Seiten wöchentlich, die der Integrationsfachdienst des Beklagten den gegebenen Aufgaben im wissenschaftlichen Bereich als realistisch einschätzt, nicht erforderlich sein soll. Soweit der Beklagte darauf abhebt, nach dem Arbeitsvertrag des Klägers entfielen 75 % der Arbeitszeit auf die Vorbereitung und Durchführung der Lehre und nur 20 % auf Forschungsarbeiten, lässt sich daraus nichts dafür gewinnen, dass der zugrunde gelegte Umfang am Vorlesen von Fachliteratur zu hoch bemessen ist.

bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt auch ein weiterer Assistenzbedarf im Hinblick auf eine beabsichtigte selbständige Tätigkeit des Klägers - neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer - in Betracht. Der Einwand, die Erstellung eines Hochschullehrbuchs, von Beiträgen auf wissenschaftlichen Kongressen und weiterer wissenschaftlicher Publikationen gehöre nicht zu seinen Arbeitsaufgaben als Hochschullehrer, greift nicht durch. Denn auch selbständige (Neben)Tätigkeiten zählen zu den nach § 102 Abs. 4 SGB IX zu fördernden Tätigkeiten (vgl. § 21 Abs. 4 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung und Ziffer 2.8 BIH-Richtlinie).

In welcher Höhe insoweit ein weiterer Bedarf besteht, hat der Beklagte zunächst zu ermitteln.

Insoweit ist aufzuklären, in welchem Umfang der Kläger für die neben seiner Hochschullehrertätigkeit beabsichtigte selbständige Tätigkeit eine Assistenzkraft benötigt.

b) Des Weiteren setzt die ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens voraus, dass die Grenzen der den Ermessensentscheidungen zugrunde gelegten BIH- Richtlinie eingehalten und die Empfehlungen unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls angewendet werden.

aa) Dem Beklagten ist es verwehrt, die Kostenübernahme unbesehen der jeweiligen Einzelfallkonstellation auf den in der BIH-Richtlinie grundsätzlich vorgesehenen Höchstbetrag von 1.100,- Euro monatlich zu beschränken. Insoweit ist zum einen zu berücksichtigen, dass die BIH-Richtlinie im Wesentlichen von einem monatlichen Pauschalsatz je Stunde arbeitstäglichen Unterstützungsbedarfs von 275,- Euro ausgeht und bereits bei einem Assistenzbedarf von arbeitstäglich mindestens 3 Stunden ein Budget von bis zu 1.100,- Euro vorsieht. Zum anderen ist in der BIH-Richtlinie auch eine Erhöhung der Beträge im Einzelfall vorgesehen, insbesondere dann, wenn neben dem eigentlichen Unterstützungsbedarf am Arbeitsplatz Bereitschaftszeiten der Assistenzkraft auch bei Ausschöpfen der vom Arbeitgeber bereitgestellten Unterstützungsmaßnahmen unvermeidlich sind.

Besteht - wie hier - ein über den Normalfall hinausgehender Unterstützungsbedarf, der deutlich über dem Bedarf liegt, der dem höchsten Pauschalbetrag von 1.100,- Euro zugrunde liegt, ist dem durch die angemessene Erhöhung des in Ziffer 4.1 der BIH-Richtlinie grundsätzlich vorgesehenen Höchstbudgets von 1.100,- Euro monatlich Rechnung zu tragen. In welchem Umfang die Erhöhung zu erfolgen hat, steht dabei wiederum im Ermessen des Beklagten. Eine Reduzierung auf einen bestimmten Betrag besteht insoweit nicht, wenngleich es im Hinblick auf die in der BIH-Richtlinie vorgesehene lineare Staffelung der Pauschalbeträge und vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) regelmäßig sachgerecht ist, das monatliche Budget von 1.100,- Euro linear entsprechend des arbeitstäglichen Unterstützungsbedarfs anzuheben, so dass hier die Gewährung eines Budgets von mindestens monatlich 1.650,- Euro (6 x 275,- Euro) nahe liegt.

Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung hat der Beklagte zudem zu berücksichtigen, in welchem Umfang eine Verpflichtung zur Entlohnung der Assistenz besteht. Insbesondere für vergangene Zeiträume kann der Kläger nicht mehr beanspruchen, als er an die Arbeitsassistenz zu zahlen verpflichtet ist.

bb) Soweit es die Erhöhung des monatlichen Budgets im Hinblick auf sog. Regiekosten für die Zeit ab Juni 2007 betrifft, hat der Beklagte dies für die Zeit von Juni bis Oktober 2007 ohne Ermessensfehler auf 20,- Euro/Monat beschränkt und sich insoweit rechtsfehlerfrei auf Ziffer 4.1 BIH-Richtlinie gestützt. Der Einwand des Klägers, der Betrag sei nicht ausreichend, um die Regiekosten abzudecken, vielmehr sei ausweislich eines von ihm eingeholten Angebots ein Betrag von 150,- Euro notwendig, greift nicht durch. Zum einen ist bereits weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Kläger tatsächlich ein entsprechender Aufwand entstanden ist. Zum anderen hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2007 unter Angabe diverser Internetseiten plausibel gemacht, dass die Lohn- und Gehaltsabrechnung für einen Arbeitnehmer mit dem bewilligten Betrag finanziert werden kann. Außerdem wird mit der Festlegung von Höchstgrenzen in der BIH- Richtlinie zum Ausdruck gebracht, dass für die Arbeitsassistenz des einzelnen Schwerbehinderten - im Interesse einer gleichmäßigen Verteilung der nur beschränkt zur Verfügung stehenden Mittel - grundsätzlich nicht mehr als dieser Betrag zur Verfügung gestellt werden soll. Es wird dem Schwerbehinderten überlassen, sich entsprechend einzurichten (vgl. OVG Bremen, a.a.O.; VG Minden, a.a.O.).

Soweit es die Zeit ab November 2007 betrifft, hat der Beklagte jedoch bei seiner neu zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen, dass die von ihm seiner Ermessensausübung zugrunde gelegte BIH-Richtlinie ab Stand 16. Oktober 2007 die Erhöhung des Budgets als Aufwandspauschale für Regiekosten bei Fremdvergabe um 30,- Euro vorsieht, so dass durch den in Art. 3 GG verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung grundsätzlich auch ein entsprechender Betrag
zur Verfügung zu stellen ist.

II.

1. Anspruchsgrundlage für die Übernahme der Kosten für die Krankheitsvertretung der notwendigen Arbeitsassistenz am 13. und 14. Juli 2006 ist ebenfalls § 102 Abs. 4 SGB IX. Hinsichtlich der Höhe der zu übernehmenden Kosten hat der Beklagte Ermessen. Insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.

Dem entsprechend ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte bei seiner Entscheidung auf Ziffer 4.4 der BIH-Richtlinie gestützt hat. Darin ist vorgesehen, dass bei Erkrankung der Assistenzkraft im Einzelfall die Möglichkeit der Finanzierung einer Ersatzkraft geprüft wird. Die Entscheidung des Beklagten, auf den Antrag des Klägers ein Budget für den Zeitraum Juli 2006 bis September 2008 in Höhe von 1.320,- Euro unter Berücksichtigung eines tundensatzes von 10,48 Euro zu bewilligen, ist indes ermessensfehlerhaft. Maßgeblich sind insofern die Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2007 (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Den darin angestellten Erwägungen liegen fehlerhafte Feststellungen zugrunde. Der Beklagte ist zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Finanzierung einer Ersatzkraft an den notwendigen Kosten für die Assistenz zu orientieren hat. Denn die Vertretung muss dieselben Aufgaben wahrnehmen. Der Beklagte hat indes den bewilligten Stundensatz von 10,48 Euro unter Zugrundelegung eines Assistenzbedarfs von 3,5 Stunden/Tag und insoweit ausgehend von einem monatlichen Budget für die Assistenz von 1.100,- Euro ermittelt. Der Kläger hat jedoch einen Bedarf von 6 Stunden arbeitstäglich, weshalb von einem angemessen erhöhten Budget für die Assistenz auszugehen ist (s.o.).

Die erneute Entscheidung hinsichtlich der Übernahme der Kosten für die Vertretung am 13. und 14. Juli 2006 ist daher ausgehend von dem der Assistentin (nach o.g. Maßgaben) zu gewährenden Budget zu treffen. Dabei hat der Beklagte zudem zu berücksichtigen, dass auch bei einer Ersatzkraft, die nur "Geringverdiener" ist, Arbeitgeberanteile und ab einem Einkommen von mehr als 400,- Euro im Monat Steuern und Sozialabgaben anfallen.

2. Einen Anspruch auf Bewilligung eines bestimmten Stundenlohns für eine Urlaubs- oder Krankheitsvertretung unabhängig von einem konkreten Urlaubs- oder Krankheitsfall für den Zeitraum Juli 2006 bis September 2008 hat der Kläger nicht.

Einen solchen Anspruch vermittelt dem Kläger weder die gesetzliche Regelung des § 102 Abs. 4 SGB IX noch die vom Beklagten im Rahmen seiner Ermessensausübung herangezogene BIH-Richtlinie (wenngleich es dem Beklagten nicht verwehrt ist, einen Stundensatz für eine Krankheitsvertretung zu bewilligen). Nach Ziffer 4.4 der BIH-Richtlinie wird nämlich bei Erkrankung der Assistenzkraft im Einzelfall die Finanzierung einer Ersatzkraft geprüft. D.h. es ist jeweils im konkreten Fall zu prüfen, in welchem Umfang Kosten zu übernehmen sind. Die Bewilligung eines Budgets oder eines Stundensatzes ist hingegen nicht vorgesehen, so dass ein entsprechender Anspruch nicht aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung folgt.

Soweit es die Urlaubsvertretung betrifft, hat der Beklagte zudem ohne Rechtsfehler ausgeführt, dass es dem Kläger grundsätzlich zuzumuten ist, den der Assistenzkraft zu gewährenden Urlaub so mit dieser abzustimmen, dass in der Urlaubszeit der Assistentin die Notwendigkeit der Einstellung einer Ersatzkraft nicht besteht. Im Hinblick darauf besteht auch kein Anspruch auf Bewilligung eines Stundensatzes für eine Urlaubsvertretung der Assistentin.

3. Der Bescheid des Beklagten vom 08. August 2006 ist rechtswidrig und aufzuheben, weil er zum einen Vorstehendes nicht beachtet und der Beklagte zum anderen für den Zeitraum Juli 2006 bis September 2008 ein Budget für eine Krankheitsvertretung auf 1.320,- Euro festgesetzt hat, weil die durchschnittlichen krankheitsbedingten Fehlzeiten im Jahr 2005 bei 12,7 Tagen gelegen hätten. Dies ist aber sachwidrig und daher ermessensfehlerhaft. Die Begrenzung der Mittel auf den festgesetzten Betrag steht nämlich in keinerlei Zusammenhang mit dem tatsächlichen Bedarf des Klägers an der Finanzierung einer Krankheitsvertretung seiner Assistentin. Soweit im Widerspruchsbescheid ausgeführt ist, im Falle einer überdurchschnittlichen Erkrankung der Assistenzkraft und dem Verbrauch der Mittel bleibe es dem Kläger unbenommen, einen weiteren Antrag beim Beklagten zu stellen, steht dem gerade die Beschränkung auf den festgesetzten Höchstbetrag entgegen.

Darüber hinaus ist der Bescheid des Beklagten auch rechtswidrig, soweit er die Finanzierung einer Urlaubsvertretung bereits dem Grunde nach ausgeschlossen hat. Insoweit hat der Beklagte sein Ermessen ebenfalls nicht entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt. Auch wenn es dem Kläger grundsätzlich zuzumuten ist, den der Assistenzkraft zu gewährenden Urlaub so mit dieser abzustimmen, dass in der Urlaubszeit der Assistentin die Notwendigkeit der Einstellung einer Ersatzkraft nicht besteht, kann gleichwohl im Einzelfall eine entsprechende Abstimmung nicht möglich und eine Urlaubsvertretung erforderlich sein. In diesen Fällen ist - ebenso wie im Falle der Krankheitsvertretung und nach diesen Maßstäben - über die entsprechende Finanzierung einer Ersatzkraft zu entscheiden.

III.

1. Der Teilwiderrufsbescheid des Beklagten vom 01. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2007 kann nicht auf den im Widerspruchsbescheid als Rechtsgrundlage herangezogenen § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB X gestützt werden. Danach kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, der eine Geld- oder Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks zuerkennt oder hierfür Voraussetzung ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den im Verwaltungsakt bewilligten Zweck verwendet wird.

Maßgeblich ist insoweit der im Verwaltungsakt bestimmte Zweck. Danach ist der mit Bescheid vom 12. Januar 2005 für den Zeitraum Oktober 2004 bis September 2006 gewährte Zuschuss von monatlich 1.466,68 Euro zuzüglich 20,- Euro Regiekosten im Monat, maximal 35.680,32 Euro, zum Zweck der Finanzierung einer Arbeitsassistenz des Klägers bewilligt worden. Insoweit liegt aber eine Zweckverfehlung nicht vor, da der Kläger die Mittel zu diesem Zweck einzusetzen beabsichtigte. Soweit im Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2007 ausgeführt ist, die Mittel seien zum Zweck der Finanzierung einer Assistenzkraft des Klägers mit Hochschulabschluss bewilligt worden, findet dies im Bescheid vom 12. Januar 2005 keine Stütze. Eine andere Bewertung rechtfertigt sich auch nicht vor dem Hintergrund, dass der Bescheid vom 12. Januar 2005 im Anschluss an mehrere Bescheide, die sich auf vorangegangene Zeiträume bezogen haben, ergangen ist und im Bescheid vom 08. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. Juli 2002, womit dem Kläger erstmals Leistungen bewilligt worden waren, zur Begründung auch auf den als anspruchsvoll geltenden Assistenzbedarf mit Hochschulqualifikation abgestellt worden war. Denn auch in letztgenanntem Bescheid ist eine Zweckbestimmung mit dem Inhalt, die Mittel zur Finanzierung einer Assistenz mit Hochschulqualifikation einzusetzen, nicht enthalten. Das Landesamt für Versorgung und Soziales hatte lediglich im Rahmen der Ausübung des Ermessens über die Höhe des zu bewilligenden Budgets berücksichtigt, dass der Assistenzbedarf durch einen Hochschulabsolventen befriedigt werden müsse. Eine Zweckbestimmung zur Mittelverwendung ging damit aber nicht einher.

2. Der angefochtene Teilwiderrufsbescheid kann auch nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt werden. Soweit in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Dauerverwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist nach dieser Vorschrift der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

Es ist bereits fraglich, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Das ist dann der Fall, wenn die veränderten Verhältnisse bei einer fiktiven Erstentscheidung - zumindest teilweise - zu einer anderen Rechtsfolge hätte führen müssen. Bei Ermessensentscheidungen genügt als wesentliche Änderung, dass die Behörde ihr Ermessen abweichend hätte ausüben können; das gilt jedoch nur in dem Umfang, in dem das Ermessen auch tatsächlich gehandhabt wird. Da im Bewilligungsbescheid vom 12. Januar 2005 zur Begründung der bewilligten Höhe lediglich auf den Unterstützungsbedarf von 4 Stunden arbeitstäglich abgestellt wurde und sich Erwägungen dazu, dass der Kläger eine Assistentin mit Hochschulabschluss benötige, nicht finden, erscheint es zweifelhaft, dass dies - anders als im Bescheid vom 08. März 2002 - der Ermessensausübung zugrunde lag. Aber selbst wenn man dies im Hinblick darauf bejahte, dass sich der Bescheid als Folgebescheid des zuvor genannten Bescheids darstellt, und daher eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vor dem Hintergrund der Änderung der den Ermessenserwägungen zugrunde liegenden Umstände annähme, ist die Aufhebungsentscheidung rechtswidrig.

Die Teilaufhebung des Bewilligungsbescheids vom 12. Januar 2005, die nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X bei Änderung der Verhältnisse zwingend zu erfolgen hat, begründet im vorliegenden Fall zugleich einen neuen Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hinsichtlich der Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für September 2006 gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX. Der Beklagte hat daher schon vor bzw. im Rahmen der Aufhebung sein Ermessen ordnungsgemäß dahin auszuüben, ob nicht die gleiche Leistung erneut nach seinem Ermessen zu bewilligen ist (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 07. Dezember 2006 - L 3 AL 118/05 -, Juris).

Sein Ermessen hat der Beklagte hier fehlerhaft ausgeübt. Denn er hat im Rahmen seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen, dass - wie dies aus der Stellungnahme des Integrationsfachdienstes vom 10. August 2006 hervorgeht - der Kläger einen Assistenzbedarf von 6 Stunden arbeitstäglich hat und nicht - wie dies der ursprünglichen Entscheidung vom 12. Januar 2005 zugrunde lag - von lediglich 4 Stunden arbeitstäglich. Insoweit liegen der Ermessensentscheidung unzutreffende Feststellungen zugrunde, die - im Hinblick auf die bei erhöhtem Assistenzbedarf in diesem Umfang erforderliche angemessene Erhöhung des Budgets (s.o.) - zur Fehlerhaftigkeit der Entscheidung über die Neufestsetzung des Budgets und daher auch der Teilaufhebung führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist nach den §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO im Hinblick auf die über den Einzelfall hinaus bedeutsame, in der Rechtsprechung umstrittene und höchstrichterlich nicht geklärte Frage der Auslegung des § 102 Abs. 4 SGB IX zuzulassen.

Referenznummer:

R/RBIH6705


Informationsstand: 15.06.2015