II.
Die form- und fristgerecht (§ 173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) erhobene Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2011 ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes iHv 769,32
EUR (20/30 x 288,66
EUR + 2 x 288,66
EUR) übersteigt den Betrag von 750,00
EUR nach § 172
Abs. 3
Nr. 1
iVm § 144
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGG.
Die Beschwerde ist teilweise begründet. Auf die Beschwerde waren die vom Antragsgegner vorläufig zu erbringenden Leistungen für den streitigen Zeitraum (12. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012) auf die im Tenor ersichtlichen Beträge zu begrenzen. Die Beschwerde im Übrigen ist unbegründet. Der Antragstellerin sind im Wege der Regelungsanordnung nach § 86b
Abs. 2
SGG vorläufig Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21
Abs. 4
SGB II für den streitigen Zeitraum zu gewähren.
Der Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) und der Anordnungsanspruch (materiell-rechtlicher Anspruch der Hauptsache) der Regelungsanordnung sind glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen des § 7
Abs. 1 Satz 1
SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung (
nF) des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I 453) sowie des § 21
Abs. 4
SGB II sind bei summarischer Prüfung im streitigen Zeitraum erfüllt. Der Anspruch nach § 21
Abs. 4
SGB II setzt die Teilnahme an einer regelförmigen besonderen Maßnahme voraus. Die Leistungsgewährung muss auf Veranlassung des Grundsicherungsträgers oder eines anderen Sozialleistungsträgers erfolgt sein (
vgl. BSG, Urteil vom 06. April 2011, aaO, Rn. 17f und 24, Urteil vom 22. März 2010, B 4 AS 59/09 R, juris). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Im Hinblick auf die Erbringung einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach
§ 33 SGB IX durch die Agentur für Arbeit Berlin Mitte geht der Senat davon aus, dass die Antragstellerin behindert im Sinne des
§ 2 Abs. 1 SGB IX ist.
Die Voraussetzungen für den Leistungsausschluss nach § 7
Abs. 5
SGB II nF können bei summarischer Prüfung dagegen nicht abschließend beurteilt werden mit der Folge, dass der Anordnungsanspruch hinsichtlich der Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21
Abs. 4
SGB II weiterhin glaubhaft gemacht ist. Ohne die Gewährung der Leistungen für Mehrbedarfe besteht die Besorgnis, dass die Antragstellerin die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme nicht ordnungsgemäß durchführen kann und der Erfolg der Maßnahme gefährdet ist. Ihr Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts (monatlich 649,26
EUR bis 31. Dezember 2011 - siehe Leistungsbescheid vom 9. Juni 2011) ist allein durch das Ausbildungsgeld und den Zuschuss nach § 27
Abs. 3
SGB II nF (insg. monatlich 616,26
EUR) nicht gedeckt. Die gewährten Reisekosten dürften als zweckbestimmtes Einkommen im Sinne des § 11a
Abs. 3 Satz 1
SGB II von der Einkommensberücksichtigung freizustellen sein (
vgl. zur bisherigen Rechtslage
BSG, Urteil vom 22. März 2010, B 4 AS 69/09 R = SozR 4-4200 § 22
Nr. 32,Rn. 31).
Nach § 7
Abs. 5
SGB II nF haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 60 bis 62
SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Durch die Neufassung des § 7
Abs. 5
SGB II sollte abschließend geregelt werden, welche Leistungen für den Personenkreis des § 7
Abs. 5
SGB II nF möglich sind (
vgl. Thie in LPK-SGB II, 4. Auflage, § 27 Rn. 1). Nach der abschließenden Regelung des § 27
Abs. 2
SGB II nF werden Leistungen in Höhe der Mehrbedarfe nach § 21
Abs. 2, 3, 5 und 6 und in Höhe der Leistungen nach § 24
Abs. 3
Nr. 2 erbracht, soweit die Mehrbedarfe nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gedeckt sind. Der Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte nach § 21
Abs. 4
SGB II ist gerade nicht in den Katalog des
Abs. 2 aufgenommen worden (
vgl. Thie in LPK-SGB II, aaO, § 27 Rn. 4).
Nach dem Wortlaut des § 7
Abs. 5
SGB II nF ist die Antragstellerin nicht von den Leistungen des
SGB II ausgeschlossen. Die von ihr absolvierte berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme ist keine förderungsfähige Ausbildung im Sinne des § 2 BAföG. Auch handelt es sich bei der Maßnahme nicht um eine nach §§ 60 bis 62
SGB III dem Grunde nach förderungsfähige Maßnahme. Denn die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §§ 97 ff
SGB III verdrängen die allgemeinen Regelungen (
vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Februar 2008,
L 5 B 10/08 AS ER, juris, Rn. 22). Nach der Rechtsprechung zum Leistungsausschluss nach § 7
Abs. 5 Satz 1
SGB II aF waren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II an Auszubildende nur für ausbildungsgeprägte Bedarfe ausgeschlossen (
vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007, B 14/7b AS 36/06 R = SozR 4-4200 § 7
Nr. 6). Der für nach §§ 60 bis 62
SGB III förderungsfähige Ausbildungen geltende Ausschluss gemäß § 7
Abs. 5 Satz 1
SGB II galt nicht für nach §§ 102 ff
SGB II förderungsfähige Ausbildungen. Hätte der Gesetzgeber auch insoweit einen Ausschlusstatbestand schaffen wollen, so hätte er die entsprechenden Vorschriften in Bezug nehmen können und müssen (
LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Februar 2008,
L 5 B 10/08 AS ER, aaO, mwN).
Auch aus der Neufassung der §§ 7
Abs. 5, 27
SGB II ab 1. April 2011 lässt sich nicht eindeutig ableiten, dass der Gesetzgeber auch behinderte erwerbsfähige Auszubildende, d.h. Auszubildende mit einem Anspruch auf Ausbildungsgeld, vom Leistungsausschluss erfassen wollte. Diese Fallkonstellation ist nach wie vor nicht vom Wortlaut des § 7
Abs. 5
SGB II nF erfasst. Daher bedarf es im einstweiligen Rechtsschutzverfahren keiner Entscheidung, ob die Antragstellerin im streitigen Zeitraum überhaupt Auszubildende im Sinne des Gesetzes ist. Dies erscheint im Hinblick auf den Inhalt des Vertrages zwischen der Antragstellerin und der a
GmbH vom 20. September 2011 zumindest zweifelhaft. Nach der Bescheinigung des Trägers vom 2. September 2011 ist die Maßnahme einer Ausbildung lediglich gleichgestellt. Allein die Gewährung von Ausbildungsgeld lässt nicht den Rückschluss auf das Vorliegen einer Ausbildung zu. Denn nach § 104
Abs. 1
Nr. 1
SGB III haben behinderte Menschen Anspruch auf Ausbildungsgeld während einer beruflichen Ausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht wird.
In den Gesetzesmaterialien zu §§ 7
Abs. 5, 27
SGB II nF sind keine Hinweise dafür zu finden, dass bewusst auch die Auszubildenden mit Anspruch auf Ausbildungsgeld von der Ausschlussnorm erfasst sein sollen. Ohne solche klaren Hinweise auf eine entsprechende Regelungsabsicht des Gesetzgebers spricht mehr dafür als dagegen, diese Fälle als nicht vom Ausschluss erfasst anzusehen (
vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. Dezember 2011, L 2 AS 438/11 B ER, juris, Rn. 16, unter Bezugnahme auf
LSG Hamburg, Beschluss vom 6. Juli 2011, L 5 AS 191/11 B ER, juris). Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich (nur) ersehen, dass der Gesetzgeber mit § 27
Abs. 2
SGB II nF den Anspruch Auszubildender auf Mehrbedarfe zum Lebensunterhalt erstmalig gesetzlich regeln wollte. Der Mehrbedarf nach § 21
Abs. 4
SGB II wird als ausbildungsbezogen angesehen. Soweit behinderte erwerbsfähige Auszubildende ausbildungsgeprägte Mehrbedarfe haben, werden diese durch andere, besondere Teilhabeleistungen gedeckt (siehe BT-
Dr. 17/3404,
S. 103). Die Änderung in § 7
Abs. 5
SGB II nF ist eine Folgeänderung und Präzisierung zu § 27
SGB II nF (siehe BT-
Dr. 17/3404,
S. 92).
Der Mehrbedarf nach § 21
Abs. 4
SGB II beträgt für die Zeit vom 12. bis 31. Dezember 2011 84,93
EUR (20/30x 127,40
EUR) und für die Zeit vom 1. Januar bis 29. Februar 2012 monatlich 130,90
EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193
SGG.
Mit der Entscheidung über die Beschwerde hat sich der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 199
Abs. 2
SGG erledigt.
Die Kostenentscheidung für das Aussetzungsverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193
SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177
SGG).