Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung (§§ 153
Abs. 1, 124
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) entscheiden. Die Beteiligten sind dazu nach dem Zeitpunkt der letzten Ermittlungen und im Rahmen der Erörterung angehört worden und sind mit dieser Verfahrensweise einverstanden gewesen.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des SG und der Bescheid der Beklagten vom 06.10.2004 sowie der Widerspruchsbescheid vom 17.02.2005 sind nicht zu beanstanden.
Gegenstand des Rechtsstreits ist - wie vom Kläger ausschließlich beantragt und im Bescheid vom 06.10.2004 abgelehnt - nur die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, ihn zum Bürokaufmann umzuschulen. Dieser Anspruch ist mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage durchzusetzen (§ 54
Abs. 1 Satz 1
SGG, sogenannte Verpflichtungsbescheidungsklage,
BSG SozR 3-5765 § 10
Nr. 3 Satz 16
m.w.N.). Denn die Träger der Rentenversicherung bestimmen im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach pflichtgemäßem Ermessen Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung (
vgl. § 13
Abs. 1
SGB VI).
Diesem Auswahlermessen geht ein - hier für den Kläger unbestritten positiv bestehendes - Handlungsermessen über das "Ob" einer Leistung voraus (sogenannte Eingangsprüfung), dessen Voraussetzungen durch die Aufgabe der Rehabilitation, für die der Rentenversicherungsträger zuständig ist (Rehabilitationszweck), beschrieben sind. Danach erbringt die Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um eine drohende Erwerbsminderung zu verhindern
bzw. eine Erwerbsminderung zu beseitigen (§ 9
SGB VI). Dazu müssen persönliche (§ 10
SGB VI) und versicherungsrechtliche Voraussetzungen (§ 11
SGB VI) erfüllt sein. Erst dann ist der Rehabilitationsträger zur pflichtgemäßen, konkreten Auswahl der Rehabilitationsleistung verpflichtet, bei der ihm ebenfalls ein Ermessen eingeräumt ist (KassKomm-Niesel § 9
SGB VI Rdnr. 9; § 13
SGB VI Rdnr. 5).
Der Versicherte hat wegen dieses Handlungs- und Auswahlermessens, keinen Anspruch auf eine bestimmte Leistung (§ 54
Abs. 4
SGG), sondern auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39
Abs. 1 Satz 2
SGB I). Eine Verurteilung zum Erlass einer ganz bestimmten Leistung im Rahmen einer Verpflichtungsklage im Sinne von § 131
Abs. 2
SGG würde voraussetzen, dass die Verwaltung keinen Entscheidungsspielraum mehr hat, das Ermessen also nur noch in einem ganz bestimmten Sinne ausgeübt werden könnte und jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre (so genannte Reduzierung des Ermessens auf Null).
Das ist hier nicht der Fall.
Im vorliegenden Fall ist es nicht zu beanstanden, wenn es die Beklagte in Ausübung ihres vom Gesetzgeber eingeräumten Auswahlermessens ablehnt, die vom Kläger allein beantragte und gewünschte Sachleistung zur beruflichen Ausbildung als Bürokaufmann zu erbringen.
Die Umstände der Ermessensausübung für den vorliegenden Fall sind bereits in dem am 01.07.2001 in Kraft getretenen
SGB IX (
Art. 68 des Gesetzes vom 09.06.2001 BGBl. 1139) geregelt. Auch wenn der Grundanspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben schon vor Inkrafttreten des
SGB IX entstanden ist, wird die Einzelmaßnahme erst durch Ausübung des Ermessens konkretisiert, wie es hier erstmals mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.10.2004 erfolgte. Zuvor ist weder ein Anspruch noch eine Leistung zuerkannt noch eine Maßnahme begonnen worden (Übergangsfälle nach
Art. 67 des Gesetzes vom 09.06.2001).
Nach
§ 4 SGB IX umfassen die Leistungen zur Teilhabe die notwendigen Sozialleistungen, um - wie der Kläger zu Recht ausführt - unabhängig von der Ursache der Behinderung unter anderem die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten zu sichern (§ 4
Abs. 1
Nr. 3
SGB IX). Die Leistungsträger erbringen aber ihre Leistungen weiterhin im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften (§ 4
Abs. 2 Satz 2
SGB IX). Die Träger der Rentenversicherung erbringen gemäß § 16
SGB VI (gemäß § 301
SGB VI anzuwenden in der durch Einführung des
SGB IX geänderten Fassung) danach die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den
§§ 33 bis
38 SGB IX. Nach § 33
Abs. 1
SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Bei der Auswahl der Leistungen werden Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt. Soweit erforderlich, wird dabei die berufliche Eignung geklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt. Weiter regelt § 13
Abs. 1
SGB VI, dass der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt.
Im vorliegenden Fall ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte in Ausübung ihres Ermessens in einer Ausbildung des Klägers zum Bürokaufmann nicht die einzig mögliche Lösung seines Rehabilitationsbedarfes sieht. Die Beklagte hat alle in §§ 4, 33
SGB IX bzw. § 13
SGB VI maßgeblichen Gesichtspunkte gewürdigt und beachtet. Sie hat sich dabei zur Ermittlung der Neigungen und Eignung des Klägers sowie der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes sachverständiger Hilfe bedient, die berufliche Eignung geklärt und eine Arbeitserprobung durchgeführt. Sie hat die Ergebnisse dieser Maßnahme beachtet und zutreffend gewürdigt. Bei der darauf aufbauenden Ermessensentscheidung hat sie keinen wesentlichen Punkt unberücksichtigt gelassen und die erkannten Gesichtspunkte zutreffend gewichtet. Insbesondere hat sie sich mit der dominierenden Neigung des Klägers zum Beruf des Bürokaufmanns auseinander gesetzt. Im Ergebnis war die Beklagte aber nicht verpflichtet dem alleinigen Berufswunsch des Klägers die ausschlaggebende Bedeutung zuzumessen.
Dazu durfte sie zutreffend auch die vom
BFW dargelegte Lage des Arbeitsmarktes, die prognostische Einschätzung der späteren Konkurrenzfähigkeit des Klägers als Bürokaufmann und das Ziel jeglicher Rehabilitation auf dauerhafte Wiedereingliederung in ihren Abwägungsvorgang einbeziehen. Angesichts der aufgezeichneten Berufsalternative einer Fachkraft für das Lagereinwesen erweist sich der alleinige Berufswunsch des Klägers nicht als letzte und einzige Rehabilitationsmöglichkeit.
Die Begründung der Ermessensausübung (
vgl. § 35
Abs. 1 Satz 3
SGB X) hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden sowie auch noch zulässig im gerichtlichen Verfahren (§§ 41
Abs. 2, 41
Abs. 1
Nr. 2
SGB X) hinreichend zum Ausdruck gebracht. So hat die Beklagte im Bescheid vom 06.10.2004 ausgeführt, dass sie die Ergebnisse der Arbeitserprobungs- und Berufsfindungsmaßnahme mit dem Kläger ausführlich besprochen und dabei auf das Ergebnis der psychologischen Eignungsuntersuchung und der praktischen Erprobung im
BFW Bezug nehme. Seinem Wunsch einer Umschulung zum Bürokaufmann könne aufgrund der erzielten Leistungen nicht zugestimmt werden. Schließlich hat sich die Beklagte auf den Eingliederungsvorschlag des Berufsförderungswerkes E. gestützt, wonach der Kläger lediglich die Mindestanforderungen für eine Umschulung zum Bürokaufmann erfülle und seine Persönlichkeiten für den rein kaufmännischen Sektor nicht geeignet sei. Dies entspricht auch tatsächlich dem vom Diplom-Psychologen L. , psychologischer Dienst des
BFW E. , niedergelegten Ergebnisbericht. Ebenso ist der Inhalt der Besprechung im Aktenvermerk des Rehabilitationsfachberaters M. niedergelegt, an dessen richtiger Wiedergabe der Senat keine Zweifel hat. Schließlich hat sich die Beklagte auch in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich darauf gestützt, dass eine dauerhafte Integration durch eine Ausbildung zum Bürokaufmann angesichts des Lebensalters des Klägers und eines voraussichtlich nur durchschnittlichen Berufsabschlusses nicht zu erwarten sei. Die insoweit gezogene Prognose ist schlüssig und basiert auf den im Berufsförderungszentrum ermittelten Tatsachen. Im Widerspruchsbescheid hat die Beklagte, ebenfalls zulässig, auf die sachgerechte Verwendung der Mittel der Versichertengemeinschaft abgestellt, die bei fehlenden Vermittlungsaussichten nicht gewährleistet sei. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte schließlich im Schriftsatz vom 29.11.2005 ihre Argumentation wiederholt und verdeutlicht, wenn sie ausführt dass es im Interesse der Versichertengemeinschaft liege, aus der Bandbreite der zur Verfügung stehenden Maßnahmen diejenigen auszuwählen, die am wahrscheinlichsten zum gewünschten Ziel führten. Dabei habe der Versicherungsträger alle Aspekte einer beruflichen Neuorientierung abzuwägen: Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit. Die persönlichen Wünsche stellten nur eines von vielen Kriterien für die Wahl der optimalen Leistung dar.
Soweit das SG in seinem Urteil eigene Ermessenserwägungen angestrengt hat, berühren diese nicht die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten und werden vom Senat auch nicht geteilt. Insbesondere hat sich die Beklagte in ihrer Entscheidung nicht auf eine mangelnde gesundheitliche Eignung oder das äußere Erscheinungsbild des Klägers im Hinblick auf Büroberufe gestützt. Auch dies trifft zu. Das Wunschrecht der Leistungsberechtigten (
vgl. §§ 9 SGB IX, 33
SGB I) genießt keinen absoluten Vorrang in der Ermessensausübung. Es wird nur berechtigten Wünschen entsprochen (§ 9
Abs. 1 Satz eins
SGB IX). Die Beklagte hat hier durch Bescheid begründet, warum es den Wünschen des Klägers nicht entsprochen hat (
vgl. § 9
Abs. 2 Satz 3
SGB IX).
Ausgehend von dieser Sachlage ist die der Beklagten vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessensbetätigung vom Senat zu respektieren, dass eine zutreffende Ermessensausübung nicht zwingend und unausweichlich nur zu Umschulung des Klägers zum Bürokaufmann führen kann. Von der Beklagten sind Alternativen aufgezeigt worden. Der Beruf des Bürokaufmanns stellt nicht die einzig denkbare Alternative dar, die sonst eventuell bei nicht optimaler Eignung und Erfolgsprognose verwirklicht werden müsste. Es liegt kein Fall vor, bei dem trotz Bedenken an der Verwirklichung der gesetzlichen Rehabilitationsziele dennoch die vom Versicherten favorisierte Förderung erfolgen müsste (
vgl. Urteil des
BSG vom 18. Mai 2000, Az.:
B 11 AL 107/99 R zur Frage eingeschränkter gesundheitlicher Eignung).
Klarstellend sei aber noch ausgeführt, dass bei der Beurteilung der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit grundsätzlich auf den zuletzt ausgeübten Beruf abzustellen ist (
vgl. Urteil des
LSG vom 06.02.2001 - L 6 RJ 337/99 -
m.w.N.) und die letzte berufliche Tätigkeiten des Versicherten in die Betrachtung einzubeziehen ist (KassKomm-Niesel § 10
SGB VI Rdnr. 3). Die Befürchtung des Klägers, dass er ungerechtfertigt einen beruflichen Abstieg hinzunehmen habe und sein bisher erlangter Status eines Facharbeiters unberücksichtigt bliebe, sind unbegründet. Insoweit steht aber der Beklagten zwar ein Ermessen zu, auf dessen pflichtgemäße Ausübung aber ein Anspruch besteht (
vgl. § 39
Abs. 1
SGB I).
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Erwägung, dass es der Kläger mit seinem Berufungsbegehren erfolglos geblieben ist (§ 193
SGG).
Die Revision ist nicht zuzulassen. Hierfür sind keine Gründe ersichtlich (§ 160
Abs. 2 Nrn. 1 und 2
SGG).