Urteil
Keine Bewilligung von Übergangsgeld während einer Maßnahme der Arbeitserprobung bei weiter gezahltem Arbeitslosengeld I

Gericht:

SG Münster 14. Kammer


Aktenzeichen:

S 14 R 330/14


Urteil vom:

09.08.2016


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Übergangsgeld während einer Maßnahme der Arbeitserprobung bei weiter gezahltem Arbeitslosengeld I.

Der am 00.00.1968 geborene Kläger war zuletzt als Kommunikationselektroniker tätig. Aus dem Entlassungsbericht der Klinik C. in M. vom 21.09.2012 sind als Diagnosen ersichtlich: Mittelgradige depressive Episode, ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstruktur.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 25.07.2013 eine Teilhabe-Leistung dem Grunde nach, mit weiterem Bescheid vom 06.11.2013 bewilligte sie eine Maßnahme der Eignungsabklärung und Berufsfindung.

Mit Schreiben vom 13.01.2014 beantragte der Kläger Übergangsgeld. Er legte in Kopie den Bescheid der Arbeitsagentur C. vom 03.08.2013 vor, mit dem ihm Arbeitslosengeld I für den Zeitraum vom 16.07.2013 bis 14.07.2014 bewilligt wurde.

Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Übergangsgeld ab durch den angefochtenen Bescheid vom 30.01.2014 mit der Begründung, nach § 33 Abs. 4 Satz 2 SGB IX handele es sich bei der bewilligten Maßnahme nicht um eine Leistung zur Teilhabe, sie sei vielmehr Bestandteil des Verwaltungsverfahrens, deshalb stehe ein Anspruch auf Übergangsgeld nur zu, wenn kein oder ein geringeres Arbeitsentgelt erzielt werde.

Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein mit der sinngemäßen Begründung, die Beklagte hätte ohne Rechtsgrundlage die Leistung Übergangsgeld verweigert und diskriminiere Arbeitslose. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2014. Zur Begründung führte sie erneut an, nunmehr unter Berufung auf § 45 Abs. 3 SGB IX, dass Übergangsgeld nur in Betracht komme für Versicherte, die durch die Teilnahme an einer Eignungsabklärung oder Arbeitserprobung Einkommenseinbußen hätten.

Die Akten der Beklagten weisen weiter die Mitteilung des Berufsförderungswerkes I. über den Abbruch der Maßnahme am 07.03.2014 aus, da derzeit kein wirtschaftlich verwertbares berufliches Leistungsvermögen bestehe.

Die Begründung der am 16.05.2014 erhobenen Klage geht davon aus, dass es sich bei der Leistung um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben handele. Der Kläger beruft sich ausdrücklich darauf, dass ohne die Bewilligung von Übergangsgeld die Leistungsdauer des Arbeitslosengeldes I evtl. verkürzt werde.

Der Kläger beantragt

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2014 zu verurteilen, Übergangsgeld für die Maßnahme vom 03.02. bis 07.03.2014 zu erbringen.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf den Inhalt der Akten. Durch ihren Sitzungsvertreter teilt sie mit, die Beklagte habe dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt mit einem Zahlungsbeginn im März 2014 bis einschließlich Februar 2017.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Rechtsweg:

LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.02.2017 - L 3 R 849/16
BSG, Beschluss vom 18.07.2017 - B 13 R 110/17 B

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, sie ist nicht begründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 30.01.2014 nicht beschwert im Sinne des §§ 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil dieser Bescheid nicht rechtswidrig ist.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Bewilligung von Übergangsgeld während der Maßnahme der Eignungsabklärung und Berufsfindung im Februar/März 2014. Hierzu fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Soweit der Kläger stattdessen geltend macht die Beklagte verweigere ihnen Leistung ohne Rechtsgrundlage, scheint er zu verkennen, dass das Fehlen einer Rechtsgrundlage die Gewährung einer Leistung ausschließt und nicht etwa zu deren Bewilligung führen kann.

Die Beklagte beruft sich - zumindest in der Begründung des Widerspruchsbescheides - zu Recht auf § 45 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches IX (SGB IX). Dort heißt es: Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen haben Anspruch auf Übergangsgeld wie bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den Zeitraum, in dem die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt wird (§ 33 Abs. 4 Satz 2) und sie wegen der Teilnahme kein oder ein geringeres Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen. Dies trifft auf den Kläger nicht zu, der in diesem Zeitraum bewilligtes Arbeitslosengeld I erhalten konnte. Soweit die Formulierung "wie bei Leistungen zur Teilhabe" verwendet wird, zeigt dies darüber hinaus, dass das Gesetz die Maßnahmen der Eignungsabklärung und Arbeitserprobung ausdrücklich von den Teilhabemaßnahmen absetzt und nur in dem besonderen Fall, dass kein oder ein geringeres Entgelt erzielt wird, eine Gleichstellung hinsichtlich des Übergangsgeldes vorsieht.

Die Beklagte geht auch zu Recht davon aus, dass die von ihr bewilligte Eignungsabklärung keine Teilhabeleistung darstellt, sondern vielmehr einen Teil des Verwaltungsverfahrens bildet, weil sie die Beklagte erst in die Lage versetzen soll, eine geeignete Teilhabemaßnahme zu erkennen und zu bewilligen. Dies und die relative Kürze solcher Maßnahmen können den Grund dafür bilden, dass der Gesetzgeber keinen regelmäßigen Übergangsgeldanspruch vorgesehen hat. Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.09.2010, Az. B 5 R 104/08 R, scheint dies vorauszusetzen (insbesondere Rn 11 in Juris).

Das Gericht kann keine Gründe erkennen, die es veranlassen könnten, die Sache gemäß Artikel 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, insbesondere keine Verfassungswidrigkeit. Eine Diskriminierung von Arbeitslosen kann das Gericht nicht erkennen, § 45 Abs. 3 SGB IX nennt weder Arbeitslose noch ist erkennbar, dass er in erster Linie auf deren Status abstellt oder abzielt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 183, 193 SGG.

Referenznummer:

R/R7498


Informationsstand: 13.02.2018