I. Der im Jahr 1973 geborene Kläger ist auf Grund einer hochgradigen Sehbehinderung anerkannter Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkmalen "H", "B" und "RF". Er lebt in einer Eigentumswohnung in R., wo auch seine Eltern leben, und ist seit 1997 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Masseur im Krankenhaus in N. beschäftigt.
Am 16.12.1999 beantragte er beim Arbeitsamt Sonneberg die Bewilligung einer Beförderungsbeihilfe, um seinen Arbeitsplatz erhalten zu können. Mit Bescheid der
BA vom 29.8.2000 wurde ihm eine Beihilfe in Höhe von 11.520 DM zur Anschaffung eines Pkws als Zuschuss bewilligt. Dem lag die Erklärung des Klägers zugrunde, es stünde eine dritte Person ( aus der Familie) als Fahrer zur Verfügung. Des Weiteren beantragte der Kläger am 21.12. 1999 beim Arbeitsamt Sonneberg einen Beförderungszuschuss bestehend in der Übernahme der Kosten für den Fahrer des geförderten Pkw. Dieser Antrag wurde am 1.12. 2000 unter Hinweis auf den bereits bewilligten Zuschuss abgelehnt.
Mit Schreiben vom 30.9.2001 beantragte der Kläger beim Integrationsamt des Beklagten die Gewährung einer "Wegearbeitsassistenz" nach
§ 102 Abs. 4 SGB IX zur Finanzierung der Kosten für seinen Fahrtweg zum Arbeitsplatz und zurück. Das Integrationsamt leitete den Antrag am 25.10.2001 an das Arbeitsamt Suhl als den seiner Ansicht nach für die Gewährung von Beförderungskosten zuständigen Rehabilitationsträger weiter. Am 21.12.2001 lehnte dieses gegenüber dem Integrationsamt die Übernahme von Kosten einer Arbeitsassistenz mangels Zuständigkeit ab und gab den Antrag zur Bearbeitung zurück.
Mit Bescheid vom 4.2.2002 lehnte das Integrationsamt des Beklagten den Antrag vom 30.9.2001 ab. Die Bundesanstalt für Arbeit habe sich mit Bescheid vom 29.8.2000 als vorrangiger Rehabilitationsträger für zuständig erklärt. Nach § 102
Abs. 5
SGB IX dürfe das Integrationsamt wegen des Verbots der Aufstockung der Rehabilitationsleistungen anderer Reha-Träger im vorliegenden Fall keine weiteren Leistungen erbringen. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
II. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung der beantragten Leistung. Der Beklagte ist hierfür nicht zuständiger Leistungsträger. Die vom Kläger beantragte sog. "Wegearbeitsassistenz" stellt keine Arbeitsassistenz im Sinne des § 102
Abs. 4
SGB IX dar (a). Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf einen Zuschuss zu den Beförderungskosten nach § 102
Abs. 1
Nr. 1,
Abs. 3
Nr. 1 b
i.V.m. § 20 Ausgleichsabgaben-Verordnung - SchwbAV -
i.V.m. der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung -
KfzHV - (b).
a) In der Sache begehrt der Kläger mit seinem Antrag auf Gewährung einer "Wegearbeitsassistenz" einen Zuschuss zu den Kosten eines einzustellenden Fahrers, da ohne Fahrer ein Transport des sehbehinderten Klägers zur Arbeit und zurück nicht gewährleistet ist. Dies ist kein Anwendungsfall der sog. Arbeitsassistenz.
Nach § 102
Abs. 4
SGB IX (in Kraft seit dem 1.7.2001; BGBl. I
S. 1046) haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den dem Integrationsamt aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Unter Arbeitsassistenz versteht man praktische, begleitende Hilfen für einen Schwerbehinderten am Arbeitsplatz, wenn dieser Teile seiner Arbeit allein nicht bewältigen kann, aber im Übrigen die Anforderungen der Stelle erfüllt. Unter notwendiger Assistenz sind alle Formen der Unterstützung am Arbeitsplatz zu verstehen, von denen der wirtschaftlich produktive Einsatz des schwerbehinderten Menschen abhängt. Sie können sich über die gesamte Arbeitszeit erstrecken, zum Beispiel eine Vorlesekraft bei blinden Arbeitnehmern, oder nur sporadisch einzusetzende Hilfen sein, wie zum Beispiel die motivierende oder sonstige Unterstützung psychisch behinderter Menschen (Basiskommentar, § 31 Schwerbehindertengesetz
Rdnr. 10; Knittel,
SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, Kommentar, § 102
Rdnr. 44).
Die vom Kläger geltend gemachte Leistung betrifft jedoch nicht eine Hilfe am Arbeitsplatz. Ihm geht es um einen Zuschuss zu Beförderungskosten, letztlich mithin um Hilfe, die lediglich den Weg zum Arbeitsplatz, nicht jedoch die Arbeitsausführung am Arbeitsplatz selbst betrifft. Dort benötigt er unstreitig keine weitere Hilfe. Nicht ersichtlich ist, dass er für den Weg zum Arbeitsplatz einer besonderen persönlichen Betreuung bedürfe. Vielmehr geht es lediglich darum, die Kosten für einen Fahrer zu tragen, da der Kläger auf Grund seiner Sehbehinderung nicht selbst fahren kann. Diese Kosten stellen mangels Bezug zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses keine Kosten einer Arbeitsassistenz im Sinne der Vorschrift dar, sondern lediglich Beförderungskosten.
Davon geht im Übrigen auch die Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen vom November 2001 aus. Danach beinhalte die Arbeitsassistenz im Sinne des Gesetzes insbesondere Hilfstätigkeiten bei der Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung, welche in ihrem Kernbereich vom Schwerbehinderten selbst erbracht werden müsse. Notwendig ist eine solche Arbeitsassistenz nach deren Auffassung nur dann, wenn nur auf diese Weise die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung ermöglicht werden kann und wenn alle anderen Maßnahmen und Möglichkeiten, insbesondere auch arbeitgeberseitige ausgeschöpft sind. Es ist mithin davon auszugehen, dass nur Hilfen bei der Erbringung der Arbeitsleistung am bereits behindertengerecht eingerichteten Arbeitsplatz selbst unter den Begriff der Arbeitsassistenz fallen und nicht Hilfen für den Weg zur Arbeit, da solche mit dem Arbeitsverhältnis und der Arbeitsleistung als solches nicht in direktem Zusammenhang stehen.
Es besteht auch kein Bedarf, die Teilhabeleistungen der "Arbeitsassistenz" auf eine so genannte "Wegeassistenz" auszudehnen. Denn der Bereich des Weges zur Arbeit ist durch gesetzlich geregelte Teilhabeleistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung (
vgl. § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 SGB IX für alle Rehabilitationsträger; § 102
Abs. 1 und
Abs. 3
Nr. 1 b
SGB IX aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe) bereits erfasst, sodass kein Bedarf für eine solche erweiternde Auslegung besteht. Auf dem Weg zum Arbeitsplatz ist dem Behinderten unabhängig von seiner konkreten Behinderung im Regelfall damit gedient, dass Finanzmittel für die Kosten eines behindertengerechten Pkw, für die Kosten eines Beförderungsdienstes oder aber die Kosten eines Fahrers zur Beförderung bereitgestellt werden. Dies alles wird bereits durch die gesetzlichen Regelungen zu den Beförderungskosten abgedeckt. Der Kläger kann die Kosten eines Fahrers damit nicht als Kosten einer Arbeitsassistenz nach § 102
Abs. 4
SGB IX vom Beklagten verlangen.
b) Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten auch keinen Anspruch auf Gewährung der Kosten des Fahrers nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung (
KfzHV). Denn hierfür ist der Beklagte im Fall des Klägers nicht zuständig. Nach § 102
Abs. 5
SGB IX ist das Integrationsamt des Beklagten aus Mitteln der Ausgleichsabgabe nur dann zur Leistungserbringung zuständig, wenn andere Rehabilitationsträger nicht vorrangig leisten müssen. Auch soll nach dieser Vorschrift aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe keine Aufstockung von Leistungen stattfinden, wenn bereits andere Träger Leistungen bewilligt haben.
Zuständiger Rehabilitationsträger für die vom Kläger beanspruchte Teilhabeleistung in Form der Gewährung eines Zuschusses zu seinen Beförderungskosten ist grundsätzlich die Bundesanstalt für Arbeit (§§ 97, 98, 102, 103
SGB III i.V.m. § 33
Abs. 8
Nr. 1
SGB IX i.V.m
§ 9 KfzHV). Welcher Rehabilitationsträger für die Hilfen nach der Kraftfahrzeughilfe-VO zuständig ist, ist nicht in den für alle Rehabilitationsträger geltenden Vorschriften des 5. Kapitels des
SGB IX geregelt, sondern richtet sich nach den speziellen Gesetzen (Wissing u.a., Kommentar zum Arbeitsförderungsrecht,
SGB III, Vorbemerkungen zu den §§ 97
SGB III,
Rdnr. 10 zum Verhältnis
SGB III zu
SGB IX). Im vorliegenden Fall ergebe sich die Zuständigkeit aus dem
SGB III. Auch Teilhabeleistungen an Schwerbehinderte zur Erhaltung eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Bundesanstalt für Arbeit (
vgl. § 97
Abs. 1
SGB III, § 33
Abs. 1
SGB IX) . Nach § 22
Abs. 2
SGB III ist die Bundesanstalt für Arbeit zuständig, so lange kein anderer Rehabilitationsträger vorrangig leisten muss. Das Integrationsamt des Beklagten ist zum einen kein Rehabilitationsträger im Sinne des
SGB (
vgl. § 6 Abs. 1 SGB IX). Außerdem ergibt sich aus keiner Vorschrift eine vorrangige, sondern lediglich - wie bereits zu § 102
Abs. 5
SGB IX ausgeführt - eine nachrangige Leistungspflicht des Beklagten nach § 102
Abs. 3
Nr. 1 b
SGB IX. Im Falle des Klägers, welcher die rentenversicherungsrechtliche Wartezeit von 15 Jahren noch nicht erfüllt hat, ist auch der Rentenversicherungsträger nicht zuständiger Leistungsträger.
Für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an Schwerbehinderte, soweit wegen Art und Schwere der Behinderung solche erforderlich sind, um dauerhaft die Teilnahme am Erwerbsleben zu sichern, ist daher gemäß den §§ 97
ff. SGB III die Bundesanstalt für Arbeit zuständig. Die vom Kläger beantragte Hilfe fällt dem Grunde nach in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Im Falle des Klägers ist davon auszugehen, dass wegen Art und Schwere seiner Sehbehinderung Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Kraftfahrzeughilfe erforderlich sein können, um dauerhaft seine Teilnahme am Erwerbsleben, welche bereits fünf Jahre bestand, zu sichern. Anderenfalls könnte der Kläger nämlich seine Arbeit nicht ausführen. Die Zuständigkeit der Bundesanstalt für Arbeit ist auch unabhängig davon, ob ab dem erstmals gestellten Antrag auf
Kfz-Beihilfe an das Arbeitsamt im Jahr 1999 und den ablehnenden Entscheidungen aus dem Jahr 2000 ein Dauerverfahren vorliegt oder aber ob in dem nunmehr gestellten Antrag auf Kostenzuschuss für einen Fahrer ein neues Rehabilitationsverfahren nach geänderter Sachlage sehen will, in gleicher Weise anzunehmen.
Die begehrte Leistung gehört auch zu den vom zuständigen Rehabilitationsträger grundsätzlich zu gewährenden Hilfen. § 33
SGB IX, der die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben regelt, wendet sich an alle Rehabilitationsträger (
vgl. § 6
Abs. 1
SGB IX). Nach dieser Vorschrift sind auch Hilfen zur Erhaltung eines schon bestehenden Arbeitsplatzes - wie im Fall des Klägers - vorgesehen. Hierzu zählen auch Leistungen der Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung (§ 33
Abs. 8 Satz 1
Nr. 1
SGB IX).
Dass eine direkte Verweisung aus den einschlägigen Vorschriften des
SGB III (§§ 102, 103
SGB III) auf die konkret zu leistenden Hilfearten aus § 33
Abs. 8
SGB IX fehlt, bedeutet nach Auffassung der Kammer nicht, dass Kraftfahrzeughilfen nicht in die Zuständigkeit der Arbeitsförderung fallen. Vielmehr beruht das Fehlen eines solchen Verweises auf einem redaktionellen Versehen. Der frühere § 114
SGB III wurde mit Einführung des
SGB IX aus redaktionellen Gründen gestrichen, da er einen Leistungskatalog enthielt, welcher nunmehr in § 33
Abs. 8
SGB IX geregelt ist. Vor In-Kraft-Treten des
SGB IX waren Fahrtkosten als besondere Leistungen in § 103
Nr. 4
SGB III geregelt. Auf diese bestand ein Rechtsanspruch. Diese Vorschrift wurde - ebenfalls aus redaktionellen Gründen - gestrichen ( darauf weist Wissing a.a.O. unter Bezugnahme auf die jeweilige Bundestagsdrucksache ausdrücklich hin). Mit diesen Streichungen im
SGB III sollte daher nicht die Zuständigkeit der Bundesanstalt für Arbeit für die sonstigen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für Schwerbehinderte entfallen. Dafür spricht neben dem Gesetzgeberwillen, der mit der Streichung dieser Normen lediglich eine redaktionelle Anpassung an das in Kraft tretende
SGB IX durchführen wollte, auch, dass eine Aufteilung der Zuständigkeit in diesem Bereich systemwidrig wäre. Es würde keinen Sinn machen, im Falle der besonderen Leistungen an Schwerbehinderte seitens der Bundesanstalt für Arbeit nur noch Maßnahmen i.
S. des § 103
Nr. 1 bis 3
SGB III zu fördern, sonstige Hilfen zum gleichen Zweck, nämlich dem Erhalt des Arbeitsplatzes, jedoch durch andere Träger erbringen zu lassen. Es ist mithin vom Nachrang der Zuständigkeit der Integrationsämter in diesem (in
SGB III bzw. § 33
Abs. 8
SGB IX geregelten) Bereich der Leistungen für die Teilhabe am Arbeitsleben Schwerbehinderter und mithin von der vorrangigen Zuständigkeit der Arbeitsförderung nach dem
SGB III auszugehen.
Ob auf die begehrten Leistungen ein Rechtsanspruch im Sinne besonderer Hilfen nach den §§ 102 und 103
SGB III besteht oder ob lediglich ein Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung über den Antrag besteht, kann vorliegend nicht entschieden werden, da dies nicht in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte fällt. Vielmahr wäre zunächst ein Antrag bei dem zuständigen Arbeitsamt zu stellen.
Es fehlt mithin an einem gegen den richtigen Beklagten gerichteten Antrag. Die Klage war daher abzuweisen.