Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Leistungen
gem. § 33 Abs. 3, 8 Nr. 3 SGB IX im Zeitraum vom 01.02.2008 bis 31.07.2008 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 1/3, der Beklagte 2/3.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem
GdB von 100. Seit 01.11.05 steht er in einem Arbeitsverhältnis. Er begehrt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
gem. § 33 Abs. 3, 8 Nr. 3 SGB IX.
Mit dem Bescheid vom 23.11.06 bewilligte der Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 15.11.2005 einen Zuschuss zu den Kosten einer Arbeitsassistenz für den Zeitraum 01.11.05 bis 31.10.07 in Höhe von insgesamt 13.200,00 Euro. Im Bescheid wurde der Kläger u.a. auf folgenden hingewiesen:
"6. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes können Leistungen erneut beantragt werden. Bitte beachten Sie, dass eine Weiterbewilligung von Leistungen frühestens ab Antragsmonat (Eingang beim Integrationsamt) möglich ist."
Auf die Vorlage von Rechnungen zahlte der Beklagte die Kosten der Arbeitsassistenz bis einschließlich Oktober 2007. Auch mit dem Schreiben vom 07.11.07 und 04.02.08 reichte der Kläger noch Rechnungen beim Beklagten (für den Zeitraum August bis September
bzw. Oktober bis Januar) ein.
Mit dem Schreiben vom 15.07.08 bat der Kläger den Beklagten um Bearbeitung seines Weiterbewilligungsantrages vom September 2007. Der Beklagte wies den Kläger in seiner Antwort auf das Fehlen eines Weiterbewilligungsantrages hin.
Auf den daraufhin gestellten Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 04.08.08 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit dem Bescheid vom 07.05.09 einen Zuschuss in Höhe von 4.636,80 Euro ab 01.08.08.
Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger gegen den Beginn der Leistungen. Er habe bereits am 10.09.07 einen Weiterbewilligungsantrag gestellt. Wegen einer Adressierung an die frühere Adresse des Beklagten sei dieses Schreiben allerdings von der Post zurückgesandt worden. Er habe es dann unter dem 18.09.07 am 19.09.07 erneut an den Beklagten als Einschreiben mit Rückschein zur Post gegeben. Am 28.11.07 habe er auch eine Kopie des Antrags an das Landratsamt geschickt.
Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses des Integrationsamt des Beklagten vom 12.03.2010 zurückgewiesen. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen. Der Widerspruchsbescheid wurde ausweislich des Aktenvermerkes als eingeschriebener Brief zur Post gegeben am 15.03.10.
Ein Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor Versäumung der Antragsfrist wurde mit Bescheid vom 05.08.09 abgelehnt.
Am 16.04.10 hat der Kläger Klage erhoben. Er habe mindestens mit seiner Kopie des Antrags vom 10.09.07, per Einschreiben an den Beklagten gesandt am 19.09.07, einen wirksamen Weiterbewilligungsantrag gestellt. Die Kopie seines Antrages an das Landratsamt mit Schreiben vom 28.11.07 müsse jedenfalls als Antrag genügen. Letztlich habe er dem Beklagten mit Schreiben vom 04.02.08 auch Rechnungen für die Monate Oktober 07 bis Januar 08 überlassen. Deshalb stehe ihm der Anspruch ab 01.11.07, jedenfalls wegen Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Beklagten, zu.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 07.05.09 und 05.08.09 zu verpflichten, ihm auch im Zeitraum vom 01.11.07 bis 31.07.08 im Rahmen einer begleitenden Hilfe im Arbeitsleben nach dem Sozialgesetzbuch IX einen Zuschuss zu den Kosten einer Arbeitsassistenz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt seine Bescheide.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie die einschlägigen Akten des Beklagten, die dem Gericht vorlagen, Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Dem Kläger stehen Leistungen aufgrund seines Folgeantrages vom 04.02.2008 ab 01.02.2008 zu.
Die begehrten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
gem. § 33
Abs. 3, 8
Nr. 3
SGB IX sind antragsabhängig. Zwar verlangen der Wortlaut der
§§ 33 Abs. 3,
102 Abs. 4 SGB IX nicht ausdrücklich einen Antrag auf Gewährung der Leistungen. Das Antragserfordernis ergibt sich jedoch aus
§§ 14,
15 SGB IX. Diese Regelungen implizieren im Bereich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben das Erfordernis einer Antragstellung und entsprechend nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes die Stellung eines Folgeantrages.
Beim Antrag auf Gewährung der Leistungen handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung im Sinne von § 130
Abs. 1
BGB. Sie wird, wenn sie in Abwesenheit des Empfängers abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Nach § 130
Abs. 3
BGB findet die Regelung des § 130
Abs. 1
BGB auch bei Erklärungen gegenüber Behörden Anwendung.
Dem Erklärenden obliegt für das Zugehen der Willenserklärung die entsprechende Beweislast. Es besteht auch kein Beweis des ersten Anscheins, dass eine zur Post aufgegebene Sendung den Empfänger auch tatsächlich erreicht hat, weil Postsendungen verloren gehen können. Deshalb war das Gericht auch nicht gehalten, der Beweisanregung des Klägers folgend, einen Zeugen für die Aufgabe des Schreibens zur Post zu hören. Der Zeugenbeweis ist nicht geeignet, den Nachweis über den Zugang des Schreibens beim Beklagten zu erbringen.
Eine Wiedereinsetzung, wie vom Kläger beantragt, kam ebenfalls nicht in Frage. Eine Wiedereinsetzung setzt begrifflich eine Fristversäumung voraus (§ 27
SGB X), die Antragstellung ist aber nicht an eine gesetzliche Frist gebunden.
Auch die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers zitierte Rechtsprechung zur "Dauerbedarfslage" im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes führte nicht dazu, dass von dem Erfordernis einer Antragstellung durch den Kläger abgesehen werden könnte. Die Rechtsprechung ist zu § 5 BSHG ergangen. Danach war die Gewährung von Sozialhilfeleistungen von einem "Bekanntwerden" des Hilfefalles abhängig und gerade nicht von einer Antragstellung des Sozialhilfebegehrenden. Die Rechtsprechung ist deswegen auf antragsabhängige Sozialleistungen nicht übertragbar.
Einen derartigen Weiterbewilligungsantrag hat der Kläger im Anschluss an den Ablauf des Bewilligungszeitraumes nicht gestellt.
Auch die Versendung einer Kopie seines Antrages an das Landratsamt mit Schreiben vom 28.11.2007 ist keine Antragstellung beim Beklagten. Der Kläger bezweckt damit lediglich eine Unterrichtung des Landratsamtes von einer - angeblichen - Antragstellung bei der zuständigen Behörde. Deshalb ist auch § 16
SGB I nicht einschlägig. Nach § 16
Abs. 2
SGB I sind Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger und ähnlichem gestellt werden, unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Sind Sozialleistungen von einem Antrag abhängig, so gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der genannten unzuständigen Stellen eingegangen ist. Der Kläger hat mit seiner Information des Landratsamtes aber keinen Antrag dort gestellt. Weder wollte der Kläger beim Landratsamt einen Antrag stellen, noch konnte das Landratsamt entsprechend seinem Empfängerhorizont von einer Antragstellung ausgehen. Das Landratsamt hatte deswegen auch keine Veranlassung, zu prüfen, ob er der zuständige Leistungsträger ist oder ob das Schreiben an den Beklagten weiterzuleiten wäre.
Eine hinreichende Antragstellung sieht das Gericht aber im Schreiben des Klägers vom 04.02.2008 an den Beklagten. Mit diesem Schreiben übersandte der Kläger Rechnungen für die Monate Oktober 2007 bis Januar 20008 und bat um Überweisung der Rechnungsbeträge auf sein Konto. Mit diesem Schreiben machte der Kläger deutlich, dass er auch für die Monate nach Ablauf seines Bewilligungszeitraumes weitere begleitende Hilfe im Arbeitsleben begehrt. Im Zusammenhang mit der Erstantragstellung und der Gewährung der Hilfe für den vorangegangenen Zeitraum stellt das für den Beklagten erkennbar eine hinreichende Folgeantragstellung dar. Aus dem Antragserfordernis lässt sich nicht erschließen, welchen Inhalt der Antrag haben muss und was
ggf. auf Nachfrage seitens des Antragsempfängers ergänzt werden kann. Aus dem Schreiben des Klägers vom 04.02.2008 war jedenfalls sein Begehren der Fortsetzung der Hilfe deutlich. Das hätte der Beklagte dem Schreiben auch entnehmen müssen. Evtl. weitere, neuere oder ergänzende Angaben zu diesem Schreiben als Antrag hätte der Beklagte vom Kläger einfordern können. Insoweit hätte es sich lediglich um eine Ergänzung oder Vervollständigung des Antrages gehandelt.
Eine Antragstellung lag damit ab 14. Februar 2008, dem Eingang des Schreibens bei Beklagten, vor. Da die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Hilfe unstreitig vorlagen, war der Klage ab Monatsbeginn Februar stattzugeben.
Für den Zeitraum davor fehlte es an einem entsprechenden Antrag. Das Schreiben des Klägers vom 07.11.2007, mit dem er Rechnungen für die Monate August 2007 bis einschließlich September 2007 einreichte, ging dem Beklagten zwar nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes, nämlich am 12. November 2007 zu, musste von ihm aber nicht als Weiterbewilligungsantrag gesehen werden, da nur Leistungen für die Zeiten des abgelaufenen Bewilligungszeitraumes geltend gemacht wurden. Ihm ließ sich der Wille, auch Hilfen im Arbeitsleben für den Zeitraum nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes zu verlangen, nicht entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155
Abs. 1, 188
S. 2
VwGO.