1. Der Bescheid der Beklagten vom 09.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2019 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Kläger mit dem Hilfsmittel "Innowalk medium" der Firma Made für Movement zur Miete von sechs Monaten zu einem Preis in Höhe von 5.173,55 Euro zu versorgen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen Kosten zu erstatten.
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger mit einem kombinierten Steh- und Bewegungstrainer vom Typ Innowalk Medium (nachfolgend Innowalk) des Herstellers Made for Movement
GmbH auszustatten und hierzu die Miete für sechs Monate in Höhe von 5.173,55 Euro zu übernehmen.
Der 2007 geborene Kläger (Bl. 41) leidet (Bl. 2, 254) an einer infantilen Cerebralparese nach Frühgeburtlichkeit in der 24. SSW (G80.0), muskulärer Verkürzung im Bereich der Arme und Beine beidseits (M62.40), einer neuromuskulären Thorakolumbalskoliose (M41.45) sowie einer kombinierten Entwicklungsverzögerung (F83.0). Er ist mit einem Grad von 100 schwerbehindert (Bl. 41).
Dem Kläger stehen folgende Hilfsmittel zur Verfügung (Bl. 5): Rollstuhl, Posteriorwalker, Therapiefahrrad, Stehständer, E-Rollstuhl, WC-Stuhl, US-Orthesen beidseits, Brille, Daumen-Handgelenk-Softorthese links sowie ein Spio-Anzug.
Mit dem Posteriorwalker kann der Kläger eine Strecke von 50 m zurücklegen (Bl. 169 Rs).
Den Antrag des Klägers (Bl. 2 f. VA) auf Bewilligung des Innowalks lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.05.2019 mit der alleinigen Begründung ab, dass alle Therapieziele mit den vorhandenen Hilfsmitteln erreicht werden könnten und eine zusätzliche Versorgung mit dem beantragten Innowalk nicht erforderlich sei (Bl. 5 VA).
Den gegen die Ablehnung eingereichten Widerspruch vom 27.05.2019 (Bl. 8 f.) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.1962 zurück (Bl. 131
ff. VA). Zur Begründung gab die Beklagte nunmehr auch an, dass es sich beim Innowalk um eine neuen Behandlungsmethode handele, weshalb
§ 135 Abs. 1 SGB V einer Leistungsgewährung entgegenstünde (Bl. 130 VA).
Der Kläger ist der Ansicht, die Voraussetzungen für eine Bewilligung lägen vor. Der Innowalk diene dem Behinderungsausgleich und sei deshalb unabhängig von der Frage bewilligungsfähig, ob es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele (Bl. 10
ff., 28
ff.).
Nach Einschätzung des Klägers (Bl. 22
ff.) handele es sich beim Innowalk nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB), so dass ein Ausschluss gemäß § 135
Abs. 1 Satz 1
SGB V nicht vorliege. Der Einsatz des Innowalk sei nicht mit einer neuen und unkonventionellen Behandlungsmethode verbunden, da er Trainingsmethoden schlicht in einem Gerät vereine. Er nutze kein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept. Er unterscheide sich von anderen Therapieverfahren nur dadurch, dass eine Kombination verschiedener - für sich allein jeweils anerkannter oder zugelassener - Maßnahmen zum Tragen komme. Der Innowalk diene zum einen der Vertikalisierung, vergleichbar mit einem Stehtrainer. Zum anderen sei er aber auch ein aktivierendes Hilfsmittel, das mittels Training unter Eigengewicht eine aktive Stimulation der Bein-, Becken- und Rumpfmuskulatur zur Folge habe. Ferner würde beim Training mit dem Innowalk das Prinzip des Lokomat-Trainings genutzt. Dies besage, dass gerade beim Erlernen hoch automatisierter Bewegungsabläufe eine hohe Wiederholungsrate der gewünschten Bewegung eine notwendige Voraussetzung zur Erreichung des Ziels ist. Bei diesem Lernprozess seien zu Beginn auch passive Schreitbewegungen sinnvoll und erforderlich. Durch die Schienenführung der Beine würde ein physiologisches Gangbild eingeübt und Schäden des Körpers durch eine nicht achsengerechte Belastung würden vermieden. Auf diese Weise würde die Muskulatur der Beine so gekräftigt, dass später eine selbständige Fortbewegung im Idealfall möglich sei. Diese Behandlungsprozesse seien für sich allein jeweils anerkannt und zugelassen. Durch den Innowalk würden diese Konzepte in einem Gerät vereint.
Es komme hinzu, dass der Kläger den Innowalk als ortsfestes Gerät zu Hause nutzen könne und damit ein regelmäßiges Training unabhängig von Witterungsbedingungen und Benutzeroberflächen möglich sei (Bl. 261 Rs).
Der Kläger hat beantragt (Bl. 1, 262):
Der Bescheid der Beklagten vom 09.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2019 (A 1067-WS2-322412019 C kö) Wird aufgehoben und die Beklagte dazu verurteilt, den Kläger mit dem Hilfsmittel "Innowalk medium" der Firma Made for Movement zur Miete von sechs Monaten zu einem Preis in Höhe von 5.173,55 Euro zu versorgen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen (Bl. 262).
Die Beklagte ist der Auffassung, dass einer Bewilligung § 135
Abs. 1 Satz 1
SGB V entgegenstehe (Bl. 134) und darüber hinaus der Kläger mit den aktuellen Hilfsmitteln ausreichend versorgt sei (
vgl. MDK-Gutachten vom 27.05.2020 [Bl. 252
ff.]).
Wegen des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2020 verwiesen.