Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung nach § 124
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entscheiden, da das Einverständnis der Beteiligten vorliegt.
Die zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 und 55
SGG ist unbegründet.
Das Gericht geht davon aus, dass hier kein Arbeitsunfall im Sinne von § 8
Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (
SGB VII) vorliegt, da ein Unfall nicht gegeben ist bei der ungestörten Verrichtung einer gewollten Tätigkeit ohne eine besondere Kraftanstrengung.
Es liegt kein Arbeitsunfall im Sinne von § 8
Abs. 1 Satz 1
SGB VII vor. Hiernach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer versicherten Tätigkeit.
Das willentliche Aufrichten des Körpers der Klägerin stellt keinen Unfall dar.
Ein Unfall liegt nach Auffassung des Gerichts nicht vor, wenn ein ungestörter Bewegungsablauf gegeben ist, wie bei dem ungestörten Aufrichten des Körpers (sehr ausführlich und überzeugend zum Unfallbegriff SG Augsburg, Urteil vom 07. November 2005 - S 5 U 184/04 und folgend Landessozialgericht Baden Württemberg, Urteil vom 16. April 2010 - L 8 U 5043/09 und Urteil vom 26. Januar 2009 - L 1 U 3612/08; kostenpflichtig abrufbar unter www.juris.de; a.A. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2006 - B 2 U 39/05 R und denkbar a.A. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R, kostenfrei abrufbar unter www.bundessozialgericht.de).
Das Gericht konkretisiert mit dieser Auslegung den Begriff Unfall aufgrund der folgenden Argumente - Wortlaut, Systematik, Teleologie und der praktischen Auswirkung - und schließt damit gewisse Geschehensabläufe aus dem Versicherungsschutz durch die gesetzliche Unfallversicherung ohne weitere Prüfung, zum Beispiel der Kausalität aus.
Die Unterscheidung in innere Vorgänge und von außen wirkende Vorgänge im Rahmen einer Kausalitätsprüfung hält das Gericht hier nicht für maßgeblich, da hiermit nur innere Ursachen ausgegrenzt werden sollen und damit ein späterer Prüfungsschritt - nämlich die haftungsbegründende Kausalität - im Rahmen des Prüfungsschemas (
vgl. hierzu
BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 -
B 2 U 1/05 R = BSGE 96,196) angesprochen wird. Diese Unterscheidung soll hier nicht herangezogen werden für die Verneinung eines Unfalls
bzw. Versicherungsfalls.
1. Wortlaut
Das Gericht folgt mit dieser Auslegung des Begriffs des Unfalls dem Bundesgerichtshof (
BGH, Urteil vom 23. November 1988 - IVa ZR 38/88 = VersR 1989, 73 und zustimmend Knappmann, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage 2004, AUB 94 § 1 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen). Dieser führt zu der Vorschrift in § 2
Nr. 1 Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen (1994) (Ein Unfall liegt vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.) mit einem vergleichbaren Wortlaut wie § 8
Abs. 1
SGB VII wortwörtlich aus:
"An einem solchen Ereignis fehlt es hier. Die Kraftanstrengung, die der Kläger bei dem Anheben der Mörtelwanne unternommen hat, war in ihrem ganzen Verlauf eine willensgesteuerte Eigenbewegung. Die Wanne blieb ausschließlich Einwirkungsobjekt des Klägers, weil es allein von seinem Willen abhing, ob und wie stark er in Einwirkung auf sie seine Kräfte entfaltete. Solange der Einwirkungsgegenstand nicht in unerwartete Bewegung gerät und solange der Einwirkende nicht in seiner gewollten Einwirkung und damit in seiner Eigenbewegung - etwa durch Straucheln oder Ausgleiten (
vgl. OLG Schleswig VersR 1970, 1048) - beeinträchtigt ist, wirkt kein äußeres Ereignis auf seinen Körper ein. Vielmehr wirkt der Betroffene ausschließlich seinerseits auf den Gegenstand ein. Erleidet er bei dieser gezielten, von ihm vollen Umfangs gesteuerten Kraftanstrengung eine innere Verletzung, so liegt kein Unfall im Sinne des § 2
Nr. 1 AUB vor (
vgl. OLG Hamm VersR 1988, 242; die Revision gegen dieses Urteil hat der Senat durch Beschluss vom 7.10.1987 - IVa ZR 20/87 - nicht angenommen)."
Das Gericht geht davon aus, dass diese Auslegung mit dem Wortlaut der Norm übereinstimmt. Nach allgemeinem Sprachgebrauch liegt einem Unfall ein plötzliches Ereignis zugrunde, welches außerhalb des Willens des Betroffenen liegt. Zu dieser Verständnismöglichkeit sei auf die Angaben im Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, 16 Bände, Leipzig 1854 - 1960, Band 24, Spalte 526 (kostenfrei abrufbar unter http://germazope.uni-trier.de/Projects/DWB) verwiesen: "2) die jüngere entwicklung beschränkt unfall im wesentlichen auf den begriff des unglücklichen zufalls, accidens, casus, und schliesst ebensowohl das zuständliche wie alles planmässige handeln aus. er ist meist äusserlicher art"
Zwar sieht das Gericht natürlich auch die Möglichkeit, dass der Wortlaut ein anderes Auslegungsergebnis nicht ausschließt, da das Verständnis des Begriffes Unfall auch weiter gewählt werden kann. Im Rahmen eines weiten Wortlautverständnisses könnte auch das unfreiwillige Ergebnis einer Handlung für das Vorliegen eines Unfalls ausreichend sein. Ein solches Verständnis widerspricht aber einem "ersten" Zugriff oder einer "ersten" unbefangenen Betrachtung des Begriffs "Unfall". Das Gericht geht daher davon aus, dass für eine solche Auslegung, die mit dem Wortlaut vereinbar wäre, zumindest gute Argumente vorgebracht werden müssen, um vom üblichen Verständnis abzuweichen.
Das Gericht geht davon aus, dass zwar die Vorhersehbarkeit einer gerichtlichen Entscheidung und damit eine gewisse Bindung durch die vorhandene Rechtsprechung ein solches Argument sein kann - präjudizielle Wirkung oder Einheit der Rechtsordnung. Hier ist aber eine einheitliche Rechtsprechung innerhalb der Landessozialgerichte nicht erkennbar.
2. Präjudizien
Nach Auswertung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, soweit dies dem Gericht mit seinen begrenzten Kapazitäten möglich ist, konnten dieser keine Argumente für ein weites Wortlautverständnis entnommen werden.
Falls der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in älteren Entscheidungen im Verständnis des Bayerischen Landessozialgerichts (Urteile vom 14. November 1984 - 9b RU 73/83; 17. Oktober 1990 - 2 RU 43/90 in diesem Verständnis Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. April 2008 - L 3 U 51/06; alle kostenpflichtig abrufbar unter www.juris.de) etwas anderes entnommen werden könnte, ist dem Gericht für diese Auffassung eine Begründung nicht ersichtlich. Teilweise liegt in den zitierten Fällen auch kein Geschehen vor, welches dem Willen des Betroffenen folgt, da die Geschehnisse einen unerwarteten Verlauf nehmen - ein Stein war festgefroren (
BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R und parallele Entscheidung ohne vergleichbaren Sachverhalt vom 09. Mai 2006 -
B 2 U 26/04 R; beide kostenpflichtig abrufbar unter www.juris.de), beim Aufschaukeln des Autos kommt es zu einem unerwarteten Geschehen. Das Gericht weist darauf hin, dass im vorliegenden Fall nichts den erwarteten Geschehensablauf behinderte und dieser damit nicht vergleichbar ist mit den Abläufen, welche eine unerwartete Wendung beinhalten.
3. Systematische Gesichtspunkte
Falls zur Begründung des Unfalls auf die unerwartete Verletzung abgestellt wird (zum Beispiel Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. April 2008 - L 3 U 51/06), welche nicht gewollt wurde, liegt ein Zirkelschluss vor, der das Gericht nicht überzeugt. Solange die Verletzung nicht gewollt wurde, soll auch bei einem willentlich gesteuerten Verhalten ein Unfall vorliegen, da die Verletzung eintrat. In dieser Umschreibung dreht man sich im Kreis. Die Definition des Unfallbegriffs beschränkt sich auf den Eintritt der ungewollten Verletzung.
Diese Auslegung würde weiterhin dazu führen, dass das Merkmal äußere Einwirkung im Ergebnis inhaltsleer ist (
vgl. B. Schulin, in: Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, Unfallversicherungsrecht, § 28 Rn. 5). Eine solche Auslegung ist mit den Auslegungsregelungen nicht vereinbar, da der Gesetzeswortlaut ohne Auswirkung verbliebe. Es müssten also erhebliche Gründe für das Leerlaufen der gesetzlichen Regelung insoweit dargelegt werden.
Ein weiterer systematischer Gesichtspunkt, der gegen das Auslegungsergebnis des Gerichts sprechen könnte, wären Gleichbehandlungsgesichtspunkte (
vgl. hierzu Nehls, in: Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, Stand 2/10, Kennzahl 210
S. 8). Es könnte argumentiert werden, dass im späteren Verfahren sehr schwierig ist nachzuweisen, ob ein gestörter oder ungestörter Bewegungsablauf vorliegt. Zum Beispiel sei ein Stolpern oder aber ein Sturz aus ungeklärter Ursache nur sehr schwer voneinander zu unterscheiden. Hier können die Beweisschwierigkeiten nicht zu Lasten des Versicherten gehen und der Unfallversicherungsträger müsste die Alternativursache nachweisen.
Diese Überlegungen treffen hier nicht den Kern der Argumentation, da bei einem Sturz sicherlich kein gewollter Bewegungsablauf vorliegt und auch unstreitig von einem Unfall auszugehen ist.
4. Teleologische Gesichtspunkte
Das Gericht möchte teleologische Gesichtspunkte nur mit äußerster Vorsicht heranziehen. Nach seinem groben Verständnis des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung sollen die Versicherten vor den Gefahren ihrer beruflichen Tätigkeit geschützt werden (
vgl. § 1
SGB VII). Eine solche Gefahr liegt bei einer ungestörten willentlichen Handlung gerade nicht vor, da sich hier nach der Auffassung des Gerichts das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht. 5. Praktische Auswirkungen der einzelnen Auslegungsergebnisse Die Entscheidung des Gerichts berücksichtigt auch die praktischen Auswirkungen der unterschiedlichen Auslegungsergebnisse. Wenn das Vorliegen eines Arbeitsunfalls bejaht wird, müsste das Gericht hier medizinische Ermittlungen zur Kausalität zwischen der Einwirkung (gewollten Handlung) und dem Gesundheitserstschaden einholen. Diese Ermittlungen müssten aufgrund des fehlenden Sachverstandes durch entsprechende Ärzte im Rahmen eines Gutachtens eingeholt werden (
vgl. BSG, Urteil vom 05. Mai 2006 -
B 2 U 1/05 R = BSGE 96, 196). Im Gutachten müsste der Sachverständige dann aufgrund der geringen Einwirkung sich intensiv mit einer Gelegenheitsursache auseinandersetzen. Diese Entscheidung des Sachverständigen, wenn sie gut begründet und nachvollziehbar ist, wäre die Grundlage der gerichtlichen Entscheidung. Hier sieht das Gericht eine Verlagerung der Verantwortung der gerichtlichen Entscheidung auf externe Sachverständige. Eine solche Verlagerung ist in den Augen des Gerichts nicht wünschenswert, da die juristische Bewertung eines Lebenssachverhalts die originäre Aufgabe der Richter bleiben sollte. Dieser Verantwortung stellen sich die Richter, wenn hier ein Sachverhalt als Arbeitsunfall abgelehnt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193
SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.